Bulgarisches Erbrecht

Bulgarisches Erbrecht | Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht Detlev Balg - Köln

Ausgangspunkt für alle rechtlichen Überlegungen im Zusammenhang mit einem Erbfall, der Bezug zu Bulgarien hat, ist das im Jahr 2005 in Bulgarien in Kraft getretene Gesetz des Internationalen Privatrechts (IPGG), i.V.m. der europäischen Erbrechtsverordnung.

Mit dem Inkrafttreten der europäischen Erbrechtsverordnung ist es auch im Verhältnis zwischen dem deutschen und dem bulgarischen Erbrecht zu einer radikalen Veränderung gekommen. Auszugehen ist nicht mehr von der Staatsbürgerschaft des Erblassers, sondern von dessen letzten Wohnsitz bzw. einer Rechtswahl durch den Erblasser zu Lebzeiten. Mit der Bezugnahme der europäischen Erbrechtsverordnung auf den letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort des Erblassers sollen insbesondere sogenannte Nachlassspaltungen vermieden werden.

Zu einer solchen Nachlassspaltung ist es in der Vergangenheit regelmäßig dann gekommen, wenn ein Erblasser, unabhängig davon, ob er bulgarischer oder deutscher Staatsangehöriger war, einen Nachlass hinterlassen hat, der sich zum Teil in Bulgarien und zum Teil in Deutschland befand. Damit mussten auf einen Erbfall zwei unterschiedliche Verfahrensrechte und zwei unterschiedliche Erbrechte angewandt werden.

Diese Vereinheitlichung gilt aber nur für das eigentliche Erbrecht. Für Rechtsfragen, die im Zusammenhang mit einem Erbfall ebenfalls Bedeutung gewinnen können, wie zum Beispiel das familienrechtliche Güterstandsrecht oder das Erbschaftsteuerrecht, gelten weiter die unterschiedlichen Regelungen im bulgarischen bzw. deutschem Recht.

Aus dem IPGG i.V.m. der europäischen Erbrechtsverordnung ergibt sich, dass die bulgarischen Gerichte bzw. Behörden für einen Erbfall zuständig sind, wenn der Erblasser bulgarischer Staatsangehöriger war und seinen gewöhnlichen Aufenthalt vor dem Erbfall in Bulgarien hatte. In diesem Fall ist bulgarisches Erbrecht anzuwenden. Ansonsten ist das anzuwenden Recht abhängig von drei Faktoren: Staatsangehörigkeit, gewöhnlicher Aufenthalt und Rechtswahl des Erblassers.

Zusammenspiel von Aufenthaltsort, Staatsangehörigkeit und Rechtswahl

Es sind daher die folgenden weiteren fünf Varianten zu unterscheiden, die sich aus den unterschiedlichen Kombinationen von Staatsbürgerschaft und Aufenthaltsort des Erblassers ergeben können:

1) Für den Erbfall eines bulgarischen Staatsangehörigen, der vor dem Erbfall seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte, sind die deutschen Gerichte und Behörden zuständig. Aufgrund der Regelungen der europäischen Erbrechtsverordnung ist in diesem Fall ausschließlich deutsches Erbrecht anwendbar. Zu einer Nachlassspaltung kommt es somit nicht mehr, da die Regelungen des deutschen Erbrechts sowohl auf den Teil des Nachlasses anzuwenden sind, der sich in Deutschland befindet und auf den Teil des Nachlasses, der in Bulgarien ist.

2) Etwas anderes gilt, wenn ein bulgarischer Staatsangehöriger, der vor dem Erbfall seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte, sich zu Lebzeiten durch eine entsprechende testamentarische Anordnung für das bulgarische Erbrecht entschieden hat. In diesem Fall ergibt sich aus der Tatsache, dass der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt vor dem Tod in Deutschland hatte, dass für den Erbfall deutsche Gerichte und Behörden zuständig sind, aber auf den gesamten Nachlass, unabhängig davon, ob er sich in Deutschland oder in Bulgarien befindet, bulgarisches Erbrecht anwendbar ist.

3) Auf den Erbfall eines deutschen Staatsangehörigen, der vor seinem Tod seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Bulgarien hatte, ist uneingeschränkt bulgarisches Erbrecht anwendbar. Auch hier gilt, um eine sogenannte Nachlassspaltung zu vermeiden, dass das bulgarische Erbrecht sowohl auf die Vermögenswerte im Bulgarien als auch auf die Vermögenswerte des Erblassers in Deutschland Anwendung findet.

4) Verstirbt ein deutscher Staatsangehöriger, der vor seinem Tod seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Bulgarien hatte und sich zu Lebzeiten für das deutsche Erbrecht entschieden hat, so sind für den Erbfall bulgarische Gerichte und Behörden zuständig. Anzuwenden auf den gesamten Erbfall ist aber deutsches Erbrecht, unabhängig davon, ob die Vermögenswerte die zum Nachlass gehören, sich in Deutschland oder Bulgarien befinden.

5) Verstirbt ein deutscher Staatsangehöriger, der vor seinem Tod seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte und in Bulgarien über Vermögen verfügte, so sind die deutschen Gerichte und Behörden für den Erbfall zuständig. Anzuwenden auf den Erbfall ist ausschließlich deutsches Erbrecht. Dies gilt auch für die Vermögenswerte, die der Verstorbene in Bulgarien hinterlassen hat.

Diese Besonderheiten, die sich aus der Staatsangehörigkeit und dem gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers vor seinem Tod ergeben, müssen bei der Nachlassplanung bedacht und berücksichtigt werden. Insbesondere müssen alte Testamente überarbeitet werden, die noch von einer sogenannten Nachlassspaltung ausgehen, wie sie vor dem Inkrafttreten der europäischen Erbrechtsverordnung der Regelfall war, wenn der Erblasser sowohl in Deutschland als auch im Bulgarien Vermögenswerte hinterlassen hat.

Das bulgarische Recht enthält für den Fall eine Sonderregelung, dass die zur Anwendung kommende ausländische Rechtsordnung zu dem Ergebnis gelangt, dass es keinen Erben gibt. In diesem Fall sieht das bulgarische Recht vor, dass das Vermögen des Erblassers zwischen dem bulgarischen Staat und der bulgarischen Kommune geteilt wird, in der der Erblasser zum Zeitpunkt des Erbfalls seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Deutsch – Bulgarisches Erbrecht: Die Wahl des Erbrechts durch den Erblasser

Nach den Vorschriften der europäischen Erbrechtsverordnung besteht die Möglichkeit einer Rechtswahl. Im Rahmen dieser Rechtswahl kann sich der Erblasser dazu entschließen, das Erbrecht des Staates für sich als verbindlich zu erklären, dessen Staatsangehöriger er ist. Damit wirkt sich der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers vor seinem Tod nicht mehr auf die Frage aus, welches Erbrecht auf den Erbfall angewandt werden soll.

In allen Fällen, in denen das Heimatrecht des Erblassers für die Regelung des Erbfalls herangezogen werden soll, ist daher eine entsprechende Rechtswahl zwingend erforderlich, wenn abzusehen ist, dass der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb seines Heimatlandes haben wird. Die Rechtswahl muss in Form eines Testamentes oder einer sonstigen rechtswirksamen letztwilligen Verfügung erfolgen.

Rechtswahl bei deutscher Staatsangehörigkeit

Unterhält der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, so ergibt sich aus diesem gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, dass auf den Erbfall uneingeschränkt deutsches Erbrecht anzuwenden ist. Dies gilt sowohl für das Verfahrensrecht, d. h. die Zuständigkeit deutscher Nachlassgerichte und die Anwendbarkeit deutscher Verfahrensvorschriften bei ebendiesen Nachlassgerichten. Darüber hinaus ist auf den gesamten Erbfall das materielle deutsche Erbrecht uneingeschränkt anwendbar, d. h. insbesondere das Pflichtteilsrecht und das Pflichtteilsergänzungsrecht.

Soll für den Fall, dass der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Bulgarien hat und der Erblasser deutscher Staatsangehöriger ist, sichergestellt werden, dass materielles deutsches Erbrecht zur Anwendung kommt, muss der Erblasser zu Lebzeiten von der Möglichkeit der Rechtswahl zu Gunsten des deutschen Erbrechts Gebrauch gemacht haben. In diesem Fall richtet sich die Abwicklung des gesamten Nachlasses nach deutschem materiellen Erbrecht. Allerdings sind für die Abwicklung des Erbfalls die bulgarischen Behörden und Gerichte zuständig. Diese müssen dann deutsches Erbrecht sowohl auf den Nachlass in Deutschland als auch auf den Nachlass in Bulgarien anwenden.

Rechtswahl bei bulgarischer Staatsangehörigkeit

Ist der Erblasser bulgarischer Staatsangehöriger der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Bulgarien hat, dann ist auf den gesamten Erbfall bulgarisches Erbrecht anwendbar, unabhängig davon, ob sich der Nachlass ganz oder teilweise in Deutschland oder Bulgarien befindet. Wie bereits dargestellt, wird durch die einschlägigen Vorschriften der europäischen Erbrechtsverordnung eine Nachlassspaltung verhindert, sodass einheitlich das Erbrecht eines Staates auf den gesamten Nachlass angewandt wird.

Die Rechtswahl ist für einen bulgarischen Staatsangehörigen, der sowohl in Deutschland als auch in Bulgarien über Vermögen verfügt, daher nur dann erforderlich, wenn er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat und dennoch auf seinen gesamten Nachlass bulgarisches Erbrecht anwenden möchte. In diesem Fall muss der bulgarische Staatsangehörige, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland unterhält, im Wege einer sogenannten Rechtswahl zu Lebzeiten bestimmen, dass auf seinen Erbfall bulgarisches Erbrecht anzuwenden ist.

Übt der bulgarische Staatsangehörige mit gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland die Rechtswahl zugunsten des bulgarischen Erbrechts aus, so müssen deutsche Gerichte und Behörden bulgarisches Erbrecht bei der Abwicklung des Erbfalls anwenden, unabhängig davon, ob sich das Vermögen in Deutschland oder Bulgarien befindet. Auf diesem Wege wird auch bei einem Erbfall eines bulgarischen Staatsangehörigen mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland die Nachlassspaltung verhindert und bulgarisches Erbrecht zur Anwendung gebracht.

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