Beschluss des OLG Karlsruhe vom 11.03.2010

Aktenzeichen: 20 WF 20/10

Kurze Zusammenfassung der Entscheidung:

Im vorliegenden Fall hatten die gesetzlichen Vertreter eines minderjährigen Erben die Erbschaft ausgeschlagen. Die Ausschlagung der Erbschaft wurde vom Familiengericht genehmigt. Daraufhin beantragte einer der Gläubiger des Erblassers Einsicht in die Nachlassakte. Der Antrag wurde vom Nachlassgericht abgelehnt.
Die Entscheidung des Nachlassgerichtes wurde auf Beschwerde des Antragstellers vom Beschwerdegericht aufgehoben. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass der Gläubiger ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht hat, um nachvollziehen zu können, ob die Genehmigung seitens des Familiengerichts ordnungsgemäß erteilt wurde. Aus diesem Grunde war dem Antragsteller Akteneinsicht zu gewähren.

(Ausschlagung Erbschaft Akteneinsicht)

Tenor:

Auf die Beschwerde der GmbH wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Pforzheim vom 26. November 2009 – 5 F 400/08 – aufgehoben und die Sache zur weiteren Behandlung an das Amtsgericht – Familiengericht – Pforzheim zurückverwiesen.

(Ausschlagung Erbschaft Akteneinsicht)

Entscheidungsgründe:

I. Durch Beschluss vom 03.09.2009 hat das Familiengericht der Mutter E. als gesetzliche Vertreterin für K. die Genehmigung zu der Erbschaftsausschlagung auf Ableben des Kindesvaters H. erteilt. Die GmbH begehrt als Gläubigerin des H. Einsicht in die Akten des Genehmigungsverfahrens, die das Familiengericht durch den angegriffenen Beschluss versagt hat; auf die Beschlussgründe wird Bezug genommen. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Gläubigerin, der das Familiengericht nicht abgeholfen hat.
II. Die gemäß Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG, § 19 FGG zulässige Beschwerde der Gläubigerin ist erfolgreich, da das Verfahren des Familiengerichts an einem Mangel leidet, der zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Familiengericht zur erneuten Behandlung und Entscheidung führt.
Das Akteneinsichtsrecht der Gläubigerin bestimmt sich gemäß Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG nach §§ 621 a Abs. 1 ZPO, 34 Abs. 1 Satz 1 FGG. Danach kann die Einsicht der Gerichtsakten jedem insoweit gestattet werden, als er ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht. Ein solches Interesse kann – vorbehaltlich der Berücksichtigung eines im Einzelfall erkennbaren besonderen Interesses an einer Geheimhaltung – schon dann gegeben sein, wenn der Antragsteller ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse verfolgt, das auch tatsächlicher Art sein kann und im Allgemeinen dann vorliegen wird, wenn ein künftiges Verhalten des Antragstellers durch die Kenntnis vom Akteninhalt beeinflusst werden kann. Das Interesse ist grundsätzlich nicht durch den Gegenstand desjenigen Verfahrens begrenzt, in dessen Akten Einsicht begehrt wird. Ferner ist nicht stets erforderlich, dass das Interesse nicht auf andere Weise befriedigt werden kann und deshalb die Einsichtnahme in die Akten notwendig sein müsste; die Möglichkeit anderweitiger Informationserlangung kann lediglich im Rahmen einer ggf. erforderlichen Interessenabwägung ins Gewicht fallen (BGH, NJW-RR 1994, 381).
Nach diesen Grundsätzen kann der Gläubigerin nicht von vornherein ein berechtigtes Interesse in die Einsicht der Gerichtsakten abgesprochen werden. Die Gläubigerin hebt insbesondere zur Begründung ihres Interesses an Akteneinsicht auf die Frage ab, ob die Genehmigung der Erbausschlagung ordnungsgemäß erfolgt ist (AS 197). Hierin kann durchaus ein berechtigtes Interesse gesehen werden, da ein künftiges Verhalten der Gläubigerin bei der Geltendmachung und Durchsetzung ihrer Forderungen gegen den Nachlass des Erblassers durch die Kenntnis vom Akteninhalt über die Ordnungsgemäßheit der Genehmigungserhaltung beeinflusst sein kann. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass das berechtigte Interesse, Einsicht in die Gerichtsakten zu nehmen, nicht mit der Begründung verneint werden darf, dass derjenige, der Akteneinsicht begehrt, – wie hier die Gläubigerin nach §§ 621 a Abs. 1 Satz 1 ZPO, 64 Abs. 3 Satz 3, 57 Abs. 2 FGG – hinsichtlich der Genehmigung der Erbausschlagung nicht beschwerdeberechtigt ist (BayObLG FamRZ 1990, 430; Keidel/Kahl, FGG, 15. Aufl., § 34 Rn 13).
Für die Berechtigung der Akteneinsicht ist jedoch nicht ein Interesse des Antragstellers allein maßgebend. Vielmehr kommt es bei der Frage, ob das geltend gemachte Interesse berechtigt ist, entscheidend auf eine Abwägung der Belange des Antragstellers und der von der Akteneinsicht Betroffenen an (BGH, a.a.O., m.w.N. der BVerfG-Rspr.). Die Einbeziehung der Interessen der von der Akteneinsicht Betroffenen kann nicht ohne deren Anhörung erfolgen. Dies hat das Familiengericht unterlassen. Wird die Akteneinsicht von – wie hier – Personen beantragt, die nicht am Verfahren beteiligt sind, ist vorab zu klären, ob die Beteiligten einwilligen oder überhaupt an einer Geheimhaltung interessiert sind (Keidel/Kahl, a.a.O. Rn 15 b m.w.N.). Dies wird das Familiengericht nachzuholen und anschließend erneut über die begehrte Akteneinsicht zu entscheiden haben.
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(Ausschlagung Erbschaft Akteneinsicht)

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