Erbrecht: Behindertentestament Testamentsvollstreckung

Mit einem Behindertentestament wird das Ziel verfolgt, für den behinderten Erben den Nachlass so zu sichern, dass der behinderte Erbe die Erbschaft für seine persönlichen Zwecken nutzen kann und sein Anteil am Nachlass nicht verwendet wird, um die Kosten seines laufenden Lebensunterhaltes zu decken.
Um dieses Ziel zu erreichen, d. h. den Erhalt der Erbschaft zugunsten des behinderten Erben, muss auch dafür Sorge getragen werden, dass Gläubiger des behinderten Erben nicht in den geerbten Nachlass vollstrecken können. Unter Gläubiger ist hier jede Person zu verstehen, die einen Anspruch gegenüber dem behinderten Erben persönlich geltend macht.
Gegen den Ausgleich von sogenannten Nachlassverbindlichkeiten, d. h. Forderungen die vor dem Erbfall bereits gegenüber dem Erblasser bestanden bzw. anlässlich des Erbfalls entstanden sind, ist ein Schutz nicht möglich. Diese sogenannten Nachlassverbindlichkeiten müssen auf jeden Fall aus dem Nachlass beglichen werden. Anders verhält es sich hingegen, wenn Personen, denen gegenüber dem behinderten persönlich Erben eine Forderung zusteht, auf den Nachlass Zugriff nehmen wollen.
Aus § 2214 BGB ergibt sich, dass die persönlichen Gläubiger eines Erben dann nicht die Zwangsvollstreckung in den Nachlass betreiben können, wenn die Testamentsvollstreckung angeordnet wurde. Die Anordnung der Testamentsvollstreckung schließt folglich die Vollstreckung in den Nachlass aus, wenn sich die Zwangsvollstreckung auf Forderungen bezieht, die dem Erben oder einem von mehreren Erben gegenüber persönlich bestehen, d.h. keine Nachlassverbindlichkeiten darstellen. Im Rahmen eines Behindertentestamentes ist daher neben der Anordnung der Vor- und Nacherbschaft immer die Anordnung einer Testamentsvollstreckung zum Schutz des Nachlasses gegen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zwingend erforderlich.

Behindertentestament Testamentsvollstreckung – Arten der Testamentsvollstreckung

Das Erbrecht kennt unterschiedliche Formen der Testamentsvollstreckung, die sich hinsichtlich der Aufgaben unterscheiden, die vom Testamentsvollstrecker wahrgenommen werden müssen.
Wird seitens des Erblassers nichts anderes angeordnet, so ist es die vorrangige Aufgabe des Testamentsvollstreckers, den Willen des Erblassers hinsichtlich seiner letztwilligen Verfügungen umzusetzen und eine eventuell entstandenen Erbengemeinschaft auseinanderzusetzen.
Im Rahmen eines Behindertentestamentes scheidet die zeitnahe Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft nach dem Erbfall im Regelfall aus, da der Testamentsvollstrecker mit der Verwaltung des Nachlasses über die Lebensdauer des behinderten Erben betraut ist. Aus diesem Grunde muss vom Erblasser ausdrücklich angeordnet werden, dass es sich bei der Testamentsvollstreckung um eine Dauertestamentsvollstreckung mit dem Zweck der Verwaltung des Nachlasses handelt. Über die Dauer dieser Testamentsvollstreckung zum Zwecke der Nachlassverwaltung ist der Zugriff von privaten Gläubigern des behinderten Erben auf den Nachlass ausgeschlossen.

Behindertentestament Testamentsvollstreckung – Verwaltungsanordnungen

Durch das Behindertentestament wird der behinderte Erbe regelmäßig nicht befreiter Vorerbe. Damit wird ausgeschlossen, dass der behinderte Erbe die Substanz des Nachlasses für seine Zwecke verbraucht. Die Früchte des Nachlasses, d. h. Geldeinnahmen und Zinsen, stehen dem behinderten Erben hingegen für den eigenen Verbrauch grundsätzlich uneingeschränkt zur Verfügung. Der Gesetzgeber spricht hier von der sogenannten Fruchtziehung.
Im Rahmen der Regelungen der Testamentsvollstreckung im Behindertentestament ist es erforderlich, dass der Erblasser genaue Verwaltungsanordnungen vornimmt, die dem Testamentsvollstrecker vorgeben, zu welchen Zwecken die Erträge aus dem Anteil des behinderten Erben am Nachlass verwendet werden dürfen.
In diesem Zusammenhang muss auch geregelt werden, wie mit Einnahmen des behinderten Erben aus dem Nachlass umzugehen ist, die der behinderte Erbe für seine eigenen Zwecke nicht verbrauchen kann. Um sicherzustellen, dass diese Überschüsse nicht vom Träger der Sozialhilfe in Anspruch genommen werden und damit zur Minderung des Bezuges von Sozialleistungen durch den Behinderten führen, muss im Behindertentestament geregelt werden, dass auch diese Überschüsse der Testamentsvollstreckung unterliegen und vom Testamentsvollstrecker verwaltet werden.
Die Verwaltungsanordnungen des Erblassers hinsichtlich der Tätigkeit des Testamentsvollstreckers können nach § 2216 Abs. 2 Satz 2 BGB außer Kraft gesetzt werden. Dies könnte zur Folge haben, dass dem Träger der Sozialhilfe, nachdem die Verwaltungsanordnungen des Erblassers außer Kraft gesetzt wurden, der Zugriff auf den Nachlass des behinderten Erben möglich wird. Zu diesem Zweck könnte der Träger der Sozialhilfe versuchen, selbst die Außerkraftsetzung der Verwaltungsanordnungen des Erblassers beim Nachlassgericht zu beantragen. In der Praxis besteht zur Zeit diese Gefahr nicht, da die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur die Auffassung vertritt, dass der Träger der Sozialhilfe aus bereits formalen Gründen nicht berechtigt ist, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Solange die Rechtsprechung an dieser Rechtsauffassung festhält, besteht somit nicht die Gefahr, dass der Träger Sozialhilfe über die Aufhebung Verwaltungsanordnungen des Erblassers hinsichtlich der Testamentsvollstreckung Zugriff auf die Erbschaft des behinderten Erben nehmen kann.

Behindertentestament Testamentsvollstreckung – Person des Testamentsvollstreckers

Der Erblasser kann und sollte im Rahmen seines Behindertentestamentes anordnen, wer zum Testamentsvollstrecker bestellt wird. Testamentsvollstrecker kann grundsätzlich jede Person werden, vorausgesetzt sie ist geschäftsfähig. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die zum Testamentsvollstrecker berufene Person Angehöriger des behinderten Erben ist, oder Rechtsanwalt bzw. Notar.

Behindertentestament Testamentsvollstreckung – Rechtsanwalte als Testamentsvollstrecker

Die Bestimmung eines Rechtsanwaltes zum Testamentsvollstrecker sollte immer dann erwogen werden, wenn sich mit der Abwicklung des Nachlasses und dessen Verwaltung rechtliche Probleme verbinden können, zu deren Lösung ein hinreichender juristischer Sachverstand erforderlich ist. In einem solchen Fall ist die Bestellung eines Rechtsanwaltes zum Testamentsvollstrecker wirtschaftlich auch dann geboten, wenn sich mit der Testamentsvollstreckung nicht unerhebliche Kosten verbinden. Soweit der Erblasser nichts anderes angeordnet, ergibt sich der Gebührenanspruch eines als Testamentsvollstrecker bestellten Rechtsanwaltes aus § 2221 BGB. Um spätere Streitigkeiten über die abrechnungsfähigen Gebühren des Testamentsvollstreckers zu vermeiden, sollte der Erblasser in sein Testament eine entsprechende zur Vergütung des Testamentsvollstreckers Regelungen aufnehmen.
Auch wenn die Bestellung eines Rechtsanwaltes zum Testamentsvollstrecker grundsätzlich unproblematisch ist, müssen die diesbezüglichen berufsrechtlichen Einschränkungen berücksichtigt werden. Ein Rechtsanwalt, der bereits anwaltlich vor seiner Bestellung zum Testamentsvollstrecker mit den Angelegenheiten des Vermögens befasst war, auf das sich die Testamentsvollstreckung bezieht, darf nicht zum Testamentsvollstrecker bestellt werden. Damit schließt die anwaltliche Beratung des Erblassers hinsichtlich des Behindertentestamentes die Bestellung des beratenden Rechtsanwaltes zum Testamentsvollstrecker aus.

Behindertentestament Testamentsvollstreckung – Notare als Testamentsvollstrecker

Die Testamentsvollstreckung gehört nicht zu den gesetzlichen Aufgaben eines Notars. Ein Notar kann folglich eine Testamentsvollstreckung nicht in seiner Funktion als Notar übernehmen. Die Übernahme einer Testamentsvollstreckung durch einen Notar ist somit nur in Form einer Nebentätigkeit des Notars möglich. Hierüber muss der Erblasser sich bei der Bestimmung eines Notars zum Testamentsvollstrecker bewusst sein, da diese Bestellung nicht zur Folge hat, dass der Notar als notarieller Amtsträger zum Testamentsvollstrecker ernannt wird.
Weiter ist zu beachten, dass der Notar, der das Behindertentestament beurkundet hat, nicht seine eigene Bestellung zum Testamentsvollstrecker beurkunden darf. Damit ist die Berufung des Notars zum Testamentsvollstrecker im Rahmen des Testamentes, dass die Testamentsvollstreckung angeordnet und das vom Notar beurkundet wird, ausgeschlossen.

Behindertentestament Testamentsvollstreckung – Angehörige als Testamentsvollstrecker

Angehörige des behinderten Erben können unproblematisch zum Testamentsvollstrecker ernannt werden. In diesem Zusammenhang ist es dringend geboten, hinsichtlich der Vergütung eine entsprechende Anordnung im Testament zu treffen. Regelmäßig wird eine Vergütung für einen Angehörigen, der zum Testamentsvollstrecker im Rahmen eines Behindertentestamentes berufen wird, ausgeschlossen. Allerdings sollte, abhängig vom Umfang des zu verwaltenden Vermögens und des damit verbundenen Aufwandes, erwogen werden, dem Testamentsvollstrecker eine Aufwandsentschädigung im Testament zuzubilligen.
Fraglich ist, ob der länger lebende Elternteil des behinderten Erben zum Testamentsvollstrecker berufen werden kann, wenn er gleichzeitig Betreuer des behinderten Erben ist und damit dessen gesetzlicher Vertreter.
Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ergibt sich, dass eine solche Verbindung zwischen Testamentsvollstreckung und gesetzlicher Vertretung als Betreuer nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist. Da die diesbezügliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes aber auf erheblichen Widerspruch gestoßen ist, sollte grundsätzlich versucht werden, das Amt der Testamentsvollstreckung von der Funktion des gesetzlichen Betreuers des behinderten Erben zu trennen.

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