Beschluss des OLG Schleswig vom 15.02.2013

Eidesstattliche Versicherung als Erbnachweis

Aktenzeichen: 3 Wx 113/12

Kurze Zusammenfassung der Entscheidung:

Im vorliegenden Fall bestand aufgrund des hohen Alters der Erben die Gefahr, dass diese vor dem Ende des Erbscheinsverfahrens versterben und damit nicht mehr in der Lage sind, das Erbe anzutreten. Insbesondere bestand die Gefahr, dass das Erbscheinsverfahren aufgrund der vorzulegenden Personenstandsurkunden nicht zeitnah erledigt werden kann, da es bei der Beschaffung der Personenstandsurkunden zu Problemen kam. Angesichts der Gefahr, dass die Erben über das Erbscheinsverfahren versterben könnten, wurde es als zulässig angesehen, dass die Erben den Erbennachweis statt mit den üblichen Personenstandsurkunden mit Hilfe von eidesstattlichen Versicherungen führen können.

(Eidesstattliche Versicherung als Erbnachweis)

Tenor:

1) Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Elmshorn vom 20. November 2012 wird zurückgewiesen.
2) Die Beteiligte zu 1) trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Kostenerstattung findet nicht statt.
3) Der Geschäftswert beträgt 18.000,00 €.

Entscheidungsgründe:

I. Die Beteiligte zu 1) hat mit notariellem Erbscheinsantrag vom 6. September 2012 (…) beantragt, einen gemeinschaftlichen Erbschein nach der unverheiratet und kinderlos sowie ohne Hinterlassung eines Testamentes verstorbenen Erblasserin – Schwester der beiden Beteiligten – zu erteilen, der die Beteiligten als Erben zu je ½ ausweisen soll. Der Wert des Nachlasses nach Abzug der Nachlassverbindlichkeiten ist dort mit 18.000 € angegeben worden. Dem Antrag waren beglaubigte Kopien der Sterbeurkunde der Erblasserin und der Geburtsurkunde der (1897 geborenen) Mutter der Erblasserin sowie der Sterbeurkunde des Vaters der Erblasserin und einer vorverstorbenen weiteren Schwester der Erblasserin beigefügt, zudem eine nicht beglaubigte Kopie der Sterbeurkunde der Mutter der Erblasserin. Weitere Urkunden – so heißt es in dem Anschreiben des Notars an das Amtsgericht – seien aufgrund der damaligen Kriegswirren bei der Beteiligten zu 1) nicht mehr vorhanden. Die Beteiligte zu 1) hat sich allerdings wegen der fehlenden Geburtsurkunden der Beteiligten an das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten Standesamt I in Berlin gewandt und von dort mit Schreiben vom 4. Oktober 2012 schriftlich Bescheid dahin erhalten, dass die abschließende Bearbeitung auf Grund der sehr hohen Anzahl von Urkundenanforderungen noch mindestens 20 Monate in Anspruch nehmen könne, wobei man um zügigen Abbau des Rückstandes bemüht sei.
Mit Verfügung vom 12. Oktober 2012 hat das Amtsgericht der Beteiligten zu 1) mitgeteilt, allein die lange Wartezeit – die aber für alle Urkundenanforderungen beim Standesamt I in Berlin bestehen würde – würde noch nicht zu unverhältnismäßigen Schwierigkeiten führen. Wollte man das anders sehen, müssten aber gemäß § 2356 Abs. 1 S. 2 BGB andere Beweismittel herangezogen werden.
Die Beteiligte zu 1) hat mit Schreiben vom 31. Oktober 2012 Kopien der Personalausweise der Beteiligten und der Erblasserin vorgelegt. Nach weiterem schriftlichen Hinweis des Amtsgerichts, dass die Ausweiskopien den erforderlichen Nachweis des Verhältnisses, auf denen das geltend gemachte Erbrecht beruht, nicht erbringen, hat die Beteiligte zu 1) ausgeführt, der Erbschein würde für die Umschreibung eines Sparkontos benötigt, weiteres Abwarten um mindestens 20 Monate wegen der Geburtsurkunden sei unzumutbar. Sie sei 1924 geborenen und würde dann möglicherweise nicht mehr leben. Weitere Beweismittel stünden nicht zur Verfügung.
Das Amtsgericht hat den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) mit Beschluss vom 20. November 2012 unter Hinweis darauf zurückgewiesen, dass der gemäß den §§ 2354, 2356 BGB erforderliche Nachweis, auf dem das Erbrecht der Beteiligten beruhe, hier fehle, nämlich der Nachweis, dass die Erblasserin und die Beteiligten von denselben Eltern abstammen würden. Es seien trotz der Hinweise des Gerichtes keine sichtbaren Bemühungen unternommen worden, andere Beweismittel einzureichen, wofür beispielsweise Zeugenaussagen oder eidesstattliche Versicherungen Dritter in Betracht gekommen wären. Zudem sei ein Abwarten von 20 Monaten auch mit Rücksicht auf das Alter der Beteiligten zu 1) nicht als unverhältnismäßige Schwierigkeit anzusehen, da dies die normale Bearbeitungszeit des Standesamtes I in Berlin sei. Die Höhe des Nachlasses könne auf die Frage der Verhältnismäßigkeit keinen Einfluss haben.
Gegen diesen ihr am 22. November 2012 zugestellten Bescheid richtet sich die am 27. November 2012 bei dem Amtsgericht eingereichte Beschwerde der Beteiligten zu 1), mit der sie auf ihre bisherige Argumentation verweist und erklärt, sie habe keine weiteren Beweismittel zur Verfügung.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 27. November 2012 nicht abgeholfen.
II. Die Beschwerde ist nach den §§ 58 ff FamFG zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden.
Sie hat in der Sache aber keinen Erfolg, denn das Amtsgericht hat den Erbscheinsantrag zu Recht zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 1) macht für sich und für die Beteiligte zu 2) ein gesetzliches Erbrecht nach § 1925 Abs. 1 BGB geltend, wonach gesetzliche Erben der 2. Ordnung die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge sind. Wer die Erteilung eines Erbscheins als gesetzlicher Erbe beantragt, hat gemäß § 2354 Abs. 1 Nr. 2 BGB unter anderem das Verhältnis anzugeben, auf dem sein Erbrecht beruht. Die Beteiligte zu 1) hat angegeben, sie und die Beteiligte zu 2) seien die einzigen noch lebenden Geschwister der Erblasserin. Diese Angaben muss sie allerdings gemäß § 2356 Abs. 1 S. 1 BGB durch öffentliche Urkunden nachweisen. Nur für den Fall, dass öffentliche Urkunden nicht mehr oder nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten beschafft werden können, genügt ausnahmsweise gemäß § 2356 Abs. 1 S. 2 BGB auch die Angabe anderer Beweismittel.
Die Beteiligte zu 1), die einen gemeinschaftlichen Erbschein erstrebt, muss danach durch öffentliche Urkunden nachweisen, dass beide Beteiligten von den Eltern der Erblasserin abstammen, weil eben darauf – nachdem gesetzliche Erben erster Ordnung nicht vorhanden und die Eltern der Erblasserin vorverstorben sind – ihr geltend gemachtes gesetzliches Erbrecht gemäß § 1925 Abs. 1 BGB beruht. Es steht nicht fest, dass dies unmöglich ist, nachdem ein Antrag wegen der Geburtsurkunden beim Standesamt I in Berlin noch bearbeitet wird.
Nur ausnahmsweise ermöglicht das Gesetz in § 2356 Abs. 1 S. 2 BGB, den Nachweis durch andere Beweismittel zu führen, wenn die vorzulegenden Urkunden nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten zu beschaffen sind. Dem Gericht ist dabei kein freies Ermessen eröffnet. Der Begriff „unverhältnismäßige Schwierigkeiten“ ist vielmehr ein gebundener Rechtsbegriff, der sich als Ausprägung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes darstellt (Herzog in Staudinger, BGB, Neubearb. 2010, § 2356 Rn. 45; Mayer in MüKo-BGB, 5. A. 2010, § 2356 Rn. 42 jeweils m.w.N.). Es ist im Grundsatz anerkannt, dass allein die Zeit, die mit der Beschaffung der öffentlichen Urkunden verbunden ist, nicht zu einer Unverhältnismäßigkeit führt (Herzog in Staudinger, a.a.O., Rn. 46; Zimmerman in Soergel, BGB, 13. A. 2002, § 2356 Rn. 12). Selbst die Tatsache, dass die Beschaffung der Urkunden vorhersehbar zu einer erheblichen Verzögerung der Erbscheinserteilung führen wird, reicht nicht aus, um den Antragsteller von der Vorlegungsobliegenheit zu befreien (Lange in jurisPK-BGB, 6. A. 2012, § 2356 Rn. 12). Weil der Begriff „unverhältnismäßige Schwierigkeiten“ Ausprägung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist, erscheint allerdings diskutabel, ob solche Schwierigkeiten im Einzelfall bei einem erheblichen Zeitaufwand dann schon bejaht werden können, wenn dieser Zeitaufwand in krassem Missverhältnis zum Nachlasswert steht (bislang soweit ersichtlich konkret diskutiert aber nur bei sehr hohen Kosten der Beschaffung der Urkunden, vgl. Lange a.a.O., Herzog, a.a.O., Rn. 46; Mayer a.a.O.). Angesichts der voraussichtlichen Wartezeit auf die Urkunden von mindestens 20 Monaten und dem Alter der Beteiligten, die 1924 bzw. 1930 geboren sind, sowie einem nicht allzu hohen Nachlasswert nach Abzug der Verbindlichkeiten von 18.000 € könnte dieser Fall hier vorliegen.
Würde man vor diesem Hintergrund „unverhältnismäßige Schwierigkeiten“ im Hinblick auf die Urkundenbeschaffung annehmen, kann der Erbschein doch nur erteilt werden, wenn das Nachlassgericht sich aufgrund der von dem Antragsteller gemäß § 2356 Abs. 1 S. 2 dann anzugebenen anderen Beweismitteln von der Richtigkeit der angegebenen Verhältnisse, auf denen das Erbrecht beruht, überzeugt. Diese „anderen Beweismittel“ im Sinne der genannten Norm müssen aber ähnlich klare und hinreichend verlässliche Schlussfolgerungen ermöglichen wie eine öffentliche Urkunde, so dass an die Anforderungen für die Beweisführung auch bei Heranziehung von § 2356 Abs. 1 S. 2 BGB regelmäßig strenge Maßstäbe anzulegen sind (Senat, FamRZ 2011, 1334 ff bei juris Rn. 26 und FamRZ 2010, 930 ff bei juris Rn. 19 jeweils m.w.N.; KG FamRZ 1995, 837 ff bei juris Tz. 5; OLG München NJW-RR 2006, 226 f bei juris Tz. 13; LG Rostock, FamRZ 2004, 1518 ff bei juris Tz. 25; Lange, a.a.O.). In Betracht kommen nach der zitierten Rechtsprechung des Senats neben sonstigen Urkunden und Zeugenbeweis im Einzelfall auch eidesstattliche Versicherungen Dritter (insoweit streitig, vgl. zu abweichenden Auffassungen Schlüter in Erman, BGB, 13. A. 2011, § 2356 Rn. 4 und Lange, a.a.O.). Die Anforderungen können im Einzelfall auch durch Zeugenaussagen von Verwandten des Antragstellers erfüllt sein, wenn sie angesichts enger verwandtschaftlicher Kontakte aufgrund eigenen Erlebens glaubhafte Angaben zu den verwandtschaftlichen Beziehungen machen können (so Senat in FamRZ 2011,1334 ff). Ähnliches mag denkbar sein für Zeugenaussagen oder eidesstattliche Versicherungen von Freunden oder Nachbarn, wenn sie eigene Eindrücke etwa aus Teilnahme an Familienfesten haben.
Im vorliegenden Fall ist indes nur die eidesstattliche Versicherung der Antragstellerin vorgelegt worden, mit der allein der Nachweis im Regelfall aber nicht erbracht werden kann (Senat a.a.O., m.w.N.), weil die notwendige Überzeugungsbildung des Gerichtes allein dadurch nicht möglich ist. Allerdings ergibt sich aus den Lichtbildern der drei vorgelegten Personalausweise durchaus – wie der Senat nicht verkannt hat – ein Eindruck dahin, dass die beiden Beteiligten und die Erblasserin Geschwister sein könnten, wozu auch Geburtsdaten und Geburtsorte passen würden. Indes kann dies nur ein zusätzlicher Anhalt für eine Überzeugungsbildung sein, die allein in Verbindung mit der bislang nur vorliegenden eidesstattlichen Versicherung der Antragstellerin aber noch nicht möglich ist.
Es liegt im Übrigen weder eine eidesstattliche Versicherung der Beteiligten zu 2) vor, noch sind Zeugen benannt oder eidesstattliche Versicherungen anderer Verwandter der Beteiligten bzw. sonstiger Dritter vorgelegt worden. Ein Antragsteller muss alles in seiner Kraft stehende tun, um sein behauptetes Erbrecht nachzuweisen (Herzog in Staudinger, a.a.O., § 2356 Rn. 46). Es ist bislang aber nicht dargelegt worden, welche Anstrengungen insoweit im Einzelnen unternommen worden sind und insbesondere auch nichts dazu gesagt worden, warum hier nicht jedenfalls aus dem Kreis von Verwandten und/oder Freunden im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Senats eidesstattliche Versicherungen vorgelegt oder Zeugen benannt werden können.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 Abs. 1 FamFG. Der Gegenstandswert ist unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Beteiligte zu 1) einen gemeinschaftlichen Erbschein erstrebt, nach den §§ 131 Abs. 4, 107 Abs. 1 und 2, 30 Abs. 1 KostO in Höhe des reinen Nachlasswertes nach Abzug der Nachlassverbindlichkeiten festgesetzt worden, wie er sich aus dem notariellen Antrag ergibt.