Beschluss des OLG Nürnberg vom 25.09.2013

Erbengemeinschaft Grundbuch Voreintragung

Aktenzeichen: 15 W 1799/13

Kurze Zusammenfassung der Entscheidung:

Wird vor Eintragung der Erbengemeinschaft in das Grundbuch ein Erbanteil von einem Miterben erworben, so ist nur die Erbengemeinschaft in der neuen Zusammensetzung nach der Veräußerung des Erbanteils in das Grundbuch einzutragen.
Die Erbengemeinschaft in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung ist nicht in das Grundbuch zuvor einzutragen. Zu diesem Schluss kommt das Gericht unter analoger Anwendung von § 40 Abs. 1 GBO.

(Erbengemeinschaft Grundbuch Voreintragung)

Tenor:

I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts – Grundbuchamt – Hersbruck vom 24.7.2013 aufgehoben.
II. Die Sache wird zur weiteren Entscheidung an das Amtsgericht – Grundbuchamt – Hersbruck zurückgegeben.

Entscheidungsgründe:

I. 1. Im Grundbuch des Amtsgerichts Hersbruck für … Bd. … Bl. … und Bd. … Bl. … ist M… L… als Eigentümerin einer Eigentumswohnung und eines Tiefgaragen-Kfz-Stellplatzes eingetragen. Die am 22.4.2012 verstorbene M… L… wurde gemäß Erbschein des Amtsgerichts Hersbruck – Az. VI 0775/12 – vom 5.2.2013 von H…, P… L… und S… L… zu je einem Drittel beerbt, wobei hinsichtlich des Erbteils von P… L… Nacherbfolge und Testamentsvollstreckung angeordnet ist.
Zu notarieller Urkunde vom 17.1.2013 übertrug S… L… seinen Erbanteil an H… und trat ihn mit sofortiger Wirkung an sie ab. Die Vertragsparteien erklärten, über den Erbteilsübergang einig zu sein; sie bewilligten und der Erwerber beantragte die Berichtigung des Grundbuchs durch Eintragung der nunmehr nur noch aus H… und P… L… bestehenden Erbengemeinschaft ohne vorherige Eintragung der ursprünglichen Erbengemeinschaft. Die Urkunde wurde am 4.3.2013 zum Vollzug vorgelegt.
2. Mit der angefochtenen Zwischenverfügung vom 24.7.2013 beanstandete das Grundbuchamt die fehlende Voreintragung der Erbengemeinschaft und setzte eine Frist bis 23.8.2013 zur Behebung des Hindernisses. Zur Begründung führte es aus, dass bei der Übertragung nur eines von drei Erbteilen auf eine Miterbin die Erbengemeinschaft bestehen bleibe und daher eine Voreintragung der Erbengemeinschaft erforderlich sei. Die Entscheidung des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 28.8.2007 halte eine Voreintragung nur dann für entbehrlich, wenn letztendlich nur ein Alleineigentümer übrig bleibe; in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts und der Kommentarliteratur sehe es dagegen eine Voreintragung als notwendig an, wenn nur ein Miterbe seinen Anteil übertrage und der Erbteilserwerber eingetragen werden solle.
3. Gegen die am 26.7.2013 zugestellte Zwischenverfügung hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 31.7.2013, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, Beschwerde eingelegt. Es sei anerkannt, dass § 40 GBO bei der Grundbuchberichtigung infolge Erbteilsabtretung entsprechend anwendbar sei. Lediglich wenn ein Erbteil auf einen Dritten übertragen werde, sei ohne Voreintragung der Erbengemeinschaft für Außenstehende nicht ersichtlich, wie es zu einem Anteil des Erwerbers an der Erbengemeinschaft gekommen sei. Anders liege es dagegen, wenn der Anteil an einen Miterben übertragen werde. Auch dann lasse sich zwar dem Grundbuch nicht entnehmen, wer ursprünglich Erbe gewesen sei; das sei aber im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 40 GBO und in dem vom Landgericht Nürnberg-Fürth entschiedenen Fall nicht anders.
4. Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die nach der Erbteilsübertragung nur noch aus H… und P… L… bestehende Erbengemeinschaft ist ohne vorherige Eintragung der gesamten Erbengemeinschaft als Eigentümerin im Grundbuch einzutragen. § 40 Abs. 1 GBO ist entsprechend anzuwenden, wenn die Mitglieder einer Erbengemeinschaft ihre Anteile durch Vertrag auf einen oder mehrere von ihnen übertragen.
1. Nach § 2033 Abs. 1 BGB kann ein Miterbe seinen Anteil am Nachlass durch notariell beurkundeten Vertrag auf einen Dritten übertragen. Wenn ein Grundstück zum Nachlass gehört, ist die Übertragung im Wege der Berichtigung in das Grundbuch einzutragen, weil sich der Rechtsübergang außerhalb des Grundbuchs vollzieht (BayObLG NJW-RR 1995, 272 mN). Mit der Verfügung tritt der Erwerber anstelle des Veräußerers in dessen vermögensrechtliche Stellung am Nachlass ein (Palandt-Weidlich, BGB, 72. Aufl., § 2033 Rn. 6, 13). Das Grundbuch kann nur so berichtigt werden, dass gleichzeitig alle Miterben eingetragen werden, denn es muss den neuen Rechtszustand insgesamt richtig wiedergeben (BayObLG NJW-RR 1995, 272).
2. Der sog. Grundsatz der Voreintragung des Betroffenen (§ 39 GBO) gilt nur eingeschränkt, wenn eine Erbengemeinschaft ein Recht an einem Grundstück veräußert oder ihre Mitglieder ihre Erbteile übertragen. Die Erbengemeinschaft muss vor Eintragung des Erwerbers nicht stets im Grundbuch als Berechtigte eingetragen sein.
a) Nach § 39 Abs. 1 GBO soll eine Eintragung nur erfolgen, wenn die Person, deren Recht durch sie betroffen wird, als der Berechtigte eingetragen ist; danach müsste zunächst die Erbengemeinschaft im Grundbuch eingetragen werden. Die Vorschrift betrifft Fälle der Rechtsänderung außerhalb des Grundbuchs durch Gesamtrechtsnachfolge oder bei Briefrechten (vgl. § 39 Abs. 2 GBO); sie soll – zusammen mit §§ 82 ff. GBO – sicherstellen, dass der Rechtsstand des Grundbuchs nicht bloß im Endziel richtig, sondern in allen Entwicklungsstufen klar und verständlich wiedergegeben wird und damit dem Grundbuchamt die Legitimationsprüfung erleichtern (Demharter, GBO, 28. Aufl., § 39 Rn. 1 mN).
b) Nach § 40 Abs. 1 GBO ist allerdings § 39 Abs. 1 GBO nicht anzuwenden, wenn die Person, deren Recht durch eine Eintragung betroffen wird, Erbe des eingetragenen Berechtigten ist und die Übertragung oder Aufhebung eines Rechts eingetragen werden soll. Auf die Nachvollziehbarkeit der Kontinuität der Rechtsinhaberschaft wird in diesem Fall verzichtet. Dem Erben sollen Kosten für seine vorherige Eintragung erspart bleiben (Demharter, aaO, § 40 Rn. 1). Außerdem soll die Arbeit des Grundbuchamtes erleichtert werden, indem sachlich unnötige Eintragungen, an denen keiner der involvierten Personen ein Interesse hat, erspart werden; zugleich soll die Übersichtlichkeit des Grundbuchs durch den Verzicht auf sofort gegenstandslos werdende Eintragungen verbessert werden (LG Nürnberg-Fürth Rpfleger 2007, 657). Die Bestimmung des § 40 GBO ist eine Ausnahme vom Grundsatz des § 39 Abs. 1 GBO und daher eng auszulegen (OLG München Rpfleger 2006, 538; LG Nürnberg-Fürth Rpfleger 2007, 657) ; das schließt allerdings eine entsprechende Anwendung auf rechtsähnliche Sachverhalte eines Rechtsübergangs außerhalb des Grundbuchs im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nicht aus (BayObLG NJW-RR 1987, 977; OLG Schleswig NJW-RR 2006, 464).
c) Da nicht der einzelne Miterbe, sondern die Erbengemeinschaft in ihrer Gesamtheit \”Erbe des eingetragenen Berechtigten\” wird, ist § 40 Abs. 1 GBO auf die Übertragung eines Erbteils nicht anwendbar und die Voreintragung der Erben, die ihren Anteil am Nachlass übertragen haben, nicht entbehrlich (BayObLG NJW-RR 1995, 272; Böttcher, in: Meikel, GBO, 10. Aufl., § 40 Rn. 6); diese Sachbehandlung rechtfertigt sich damit, dass andernfalls für den außenstehenden Betrachter nicht erkennbar wäre, wie es zu einem Anteil dieses Erwerbers und zur Bildung einer Gesamthandsgemeinschaft überhaupt gekommen ist (LG Nürnberg-Fürth Rpfleger 2007, 657). Außerdem fehlt es auch an einer \”Übertragung\” des Rechts, wenn der Miteigentumsanteil kraft Gesetzes übergeht. Die Eintragung der Erbengemeinschaft ist auch weder sachlich unnötig noch wird sie sofort gegenstandslos: vielmehr wird der Erbteilserwerber Eigentümer nur zusammen mit den anderen Miterben. Wird sofort diese \”neue\” Erbengemeinschaft als Berechtigter im Grundbuch eingetragen, so wird nicht ersichtlich, dass ein Rechtsübergang stattgefunden hat, der nicht auf Erbgang beruht. Nur diese Art von Rechtsübergang soll aber § 40 Abs. 1 GBO erfassen.
d) Nach Auffassung des Landgerichts Nürnberg-Fürth liegt ein Fall der Übertragung eines Rechts vom Erben des eingetragenen Berechtigten i. S. d. § 40 Abs. 1 GBO auch vor, wenn der eingetragene Berechtigte von mehreren Miterben beerbt wurde und diese die Erbanteile vollständig auf einen Miterben oder eine dritte Person übertragen haben, so dass dieser das Alleineigentum erworben hat und in dieser Eigenschaft einzutragen ist (LG Nürnberg-Fürth Rpfleger 2007, 657; ebenso Böttcher, aaO, § 40 Rn. 6; Bauer/von Oefele, GBO, 3. Aufl., § 40 Rn. 9). Dafür spricht, dass in solchen Fällen eine Situation vorliegt, die mit der in § 40 Abs. 1 GBO geregelten vergleichbar ist: statt der Erbengemeinschaft wird ein neuer Eigentümer eingetragen, der sein Eigentum von Verfügungen der (Mit)Erben herleitet; einer Eintragung der Erbengemeinschaft bedarf es nicht mehr, da sie nicht mehr Berechtigte des übertragenen Rechts ist.
3. Eine Einschränkung des Grundsatzes, dass der Betroffene als Berechtigter eingetragen sein muss, ist jedenfalls gerechtfertigt, wenn lediglich eine Übertragung von Erbteilen innerhalb einer Erbengemeinschaft stattfindet. § 40 Abs. 1 GBO ist hier entsprechend anwendbar.
In diesem Fall würde als neuer Eigentümer unter \”Überspringen\” der ursprünglichen Erbengemeinschaft nur die entsprechend reduzierte – ggf. nur noch aus einer Person bestehende – Erbengemeinschaft eingetragen. Mit der Bestimmung des § 40 Abs. 1 GBO wird es sogar unter Einschränkung der Kontinuität des Grundbuchs hingenommen, dass die gesamte Erbengemeinschaft nicht im Grundbuch erscheint; dann besteht aber auch kein Grund, eine Voreintragung zu fordern, wenn einzelne ihrer Mitglieder nicht genannt werden. In diesen Fällen bleibt nämlich ebenfalls nur die gesamte Erbengemeinschaft als Zwischenstufe ungenannt.
Verbleibt nur ein Miterbe oder ein Dritter, besteht ein Unterschied zu dem in § 40 Abs. 1, 1. Fall GBO geregelten Fall nur insoweit, als der neue Eigentümer sein Recht nicht durch Verfügung über einen einzelnen Nachlassgegenstand, sondern durch Erwerb der Erbteile erworben hat; die Gründe, die den Verzicht auf die Voreintragung bei § 40 Abs. 1, 1. Fall GBO begründen, treffen aber in gleicher Weise zu, so dass eine Analogie gerechtfertigt ist. Soweit die verbleibende Gemeinschaft aus mehreren Personen besteht, wird durch die Bezeichnung als Erbengemeinschaft auch erkennbar, wie es zur Entstehung der Gemeinschaft gekommen ist. Darin liegt der Unterschied zu dem Sachverhalt, der der Entscheidung des BayObLG vom 9.6.1994 (NJW-RR 1995, 272) zugrunde lag: dort waren sechs von neun Miterbenanteilen durch Vertrag auf einen Dritten übertragen worden. Die Eintragung nur der danach verbleibenden Erbengemeinschaft im Grundbuch weist aber nicht aus, dass eines der Mitglieder erst durch einen weiteren Vorgang Mitglied der Erbengemeinschaft geworden ist.
Auch die Legitimationsprüfung durch das Grundbuchamt unterscheidet sich nicht wesentlich von der bei der Veräußerung durch den Alleinerben oder die Miterben: in beiden Fällen ist zunächst die Erbeneigenschaft der Veräußererseite zu prüfen; im Fall der Veräußerung des Grundstücks muss dann ein notariell zu beurkundender Kaufvertrag vorliegen, im Fall der Erbteilsübertragung ein ebenfalls notariell zu beurkundender Übertragungsvertrag. Aus den genannten Gründen ist es nicht notwendig, dass – wie in dem vom Landgericht Nürnberg-Fürth entschiedenen Fall – die Übertragung der Erbteile auf ein Mitglied der Erbengemeinschaft erfolgt und damit die Gesamthandsgemeinschaft endet.
4. Gegenstand der Beschwerde ist nur das vom Grundbuchamt angenommene Eintragungshindernis, nicht die Entscheidung über den Eintragungsantrag selbst (Demharter, aaO, § 71 Rn. 34; § 77 Rn. 12, 15). Die angefochtene Zwischenverfügung ist daher aufzuheben und die Sache zur weiteren Entscheidung über den Eintragungsantrag an das Grundbuchamt zurückzugeben (Demharter, aaO, § 77 Rn. 15).
III. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Für das Beschwerdeverfahren fallen Gerichtskosten nicht an (§ 131 Abs. 3 KostO).
IV. Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, weil die Frage einer entsprechenden Anwendung des § 40 GBO in Fällen, in denen die Mitglieder einer Erbengemeinschaft ihre Erbteile durch Vertrag auf einen oder mehrere von ihnen übertragen, grundsätzliche Bedeutung hat (§ 78 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 GBO). Sie ist bisher obergerichtlich nicht entschieden, kann aber für eine unbestimmte Vielzahl zukünftiger Fälle von Bedeutung sein.


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