Urteil des LG Bonn vom 16.10.2013

Aktenzeichen: 5 S 12/13

Kurze Zusammenfassung der Entscheidung:

Das Urteil beschäftigt sich mit der Frage, wann eine Miterbe, der aus seinem Privatvermögen eine Nachlassverbindlichkeit befriedigt hat, von den Miterben einen entsprechenden Erstattungsanspruch verlangen kann.
Befriedigt ein Erbe aus seinem Privatvermögen eine Nachlassverbindlichkeit, kann er von den übrigen Miterben eine entsprechende Ausgleichszahlung verlangen. Dieser Ausgleichsanspruch ist der Höhe nach um den Anteil zu kürzen, den der Erbe aufgrund seiner Erbquote selbst zu tragen hat.
Macht der Erbe seinen Erstattungsanspruch im ganzen gegenüber der Erbengemeinschaft als Nachlassverbindlichkeit gelten, besteht hingegen der Ausgleichsanspruch nur im Rahmen der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft. In diesem Fall sind die übrigen Miterben zur Zahlung vor der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft nicht verpflichtet.

(Erbengemeinschaft Nachlassverbindlichkeit Erstattungsanspruch)

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 17.12.2012 – 112 C 31/12 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.372,13 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5%-punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.07.2012 zu zahlen.
2) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3) Die weitergehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
4) Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Klägerin und der Beklagte zu je ½.
5) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
6) Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Darstellung des Tatbestandes entfällt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO. Da die Revision nicht zugelassen wurde und der für die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 26 Nr. 8 EGZPO erforderliche Beschwerdewert von über 20.000,00 Euro nicht erreicht ist, ist ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig.
II. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist teilweise begründet.
1. Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von 1.372,13 Euro zu. Soweit das Amtsgericht ihn in dem angefochtenen Urteil zur Zahlung weiterer 1.372,13 Euro verurteilt hat, beruht dies auf einer fehlerhaften Anwendung des materiellen Rechts, §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO.
a) Der Anspruch folgt in der zuerkannten Höhe aus § 426 Abs. 1 BGB. Zutreffend geht das Amtsgericht davon aus, dass die Klägerin grundsätzlich gegen den Beklagten im Wege des Gesamtschuldnerinnenausgleichs nach § 426 Abs. 1 BGB auch vor der Teilung des Nachlasses einen Zahlungsanspruch hat.
Nach dem Recht der Gesamtschuld gemäß §§ 2058 Abs. 1, 426 Abs. 1 BGB – ebenso wie nach §§ 2038 Abs. 1, 2046 Abs. 1 BGB – schulden Miterben einander vor der Erbauseinandersetzung die Mitwirkung an der Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten. Hat ein Miterbe einen Nachlassgläubiger noch vor der Teilung der Erbengemeinschaft aus seinem Privatvermögen befriedigt, ohne von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, die Haftung nach § 2059 Abs. 1 BGB bis zur Teilung auf den Nachlass zu beschränken, kann er von den übrigen Miterben Ausgleich verlangen. Allerdings kann sich auch der Miterbe auf § 2059 Abs. 1 BGB berufen und aus diesem Grund die Zahlung verweigern (Staudinger, Marotzke, BGB, Neubearb. 2010, § 2058 Rn. 78; Münchener Kommentar zum BGB, Ann, 6. Auflage, § 2058 Rn. 31; Beck´scher Online-Kommentar BGB, Lohmann, Stand 01.08.2013, § 2058 Rn. 6 jeweils m. w. N.).
Bei den von der Vermieterin geltend gemachten Ansprüchen aus dem Mietverhältnis mit dem Erblasser handelt es sich um Nachlassverbindlichkeiten, für die die Erben gemäß § 1967 BGB haften (vgl. auch Palandt, Weidlich, BGB, 71. Auflage, § 1967 Rn. 2 zu Mietschulden). Die Klägerin hat diese Nachlassverbindlichkeiten aus ihrem Vermögen gezahlt. Der Beklagte hat weder eine der in § 2059 Abs. 1 BGB geregelten haftungsbeschränkenden Einwände erhoben noch von den allgemeinen und auch im Rahmen des § 2059 Abs. 1 BGB zu berücksichtigenden Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung – Dürftigkeitseinrede oder Nachlassverwaltung – Gebrauch gemacht.
Dies berechtigt die Klägerin grundsätzlich, von dem Beklagten als Miterben Ausgleich zu verlangen. Entgegen der von dem Amtsgericht vertretenen Auffassung kann sie jedoch im Rahmen des § 426 Abs. 1 BGB entsprechend ihrer Erbquote lediglich 50% der aufgewandten Gesamtsumme beanspruchen.
Der Umfang der Ausgleichspflicht unter Miterben richtet sich nämlich – soweit nichts anderes letztwillig verfügt oder vereinbart ist – nach dem Verhältnis ihrer Erbteile. Vollen Regress hingegen kann der Erbe, der einen Gläubiger befriedigt, bis zur Teilung des Nachlasses nur aus dem ungeteilten Nachlass verlangen (Münchener Kommentar, a.a.O., § 2058, Rn 80/81). Die persönliche Inanspruchnahme vor der Nachlassteilung knüpft lediglich daran an, dass es sich noch um eine vom Erblasser herrührende Schuld im Sinne des § 1967 BGB handelt, die ein Miterbe – quasi überobligatorisch – in voller Höhe aus seinem Privatvermögen erfüllt hat. Auf die Frage, ob einer der Miterben die Nachlassverbindlichkeiten schuldhaft verursacht hat, kommt es in diesem Zusammenhang daher nicht an. Mögliche Schadensersatzansprüche der Miterben untereinander oder gegen den Nachlass, die im Zusammenhang mit dem Nachlass entstanden sind, sind vielmehr erst im Rahmen der Erbauseinandersetzung nach §§ 2042 ff. BGB in der dort vorgeschriebenen Weise einzubeziehen. Diese Regelungen würden unterlaufen, wenn bereits vor der Auseinandersetzung durch schadensersatzrechtliche Überlegungen im Gesamtschuldnerinnenausgleich eine Abweichung von der Erbquote herbeigeführt würde. Die von der Klägerin im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 01.10.2013 nochmals wiederholte gegenteilige Rechtsauffassung überzeugt nicht. Die angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs befasst sich mit dem Gesamtschuldnerinnenausgleich bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Für die Auseinandersetzung von Miterben sehen die §§ 2042 ff. BGB jedoch spezielle Regelungen vor, die im Übrigen auf das Recht der Bruchteilsgemeinschaft verweisen. Diese Bestimmungen müssen – wie bereits ausgeführt – auch bei der Frage des Gesamtschuldnerinnenausgleichs vor Teilung des Nachlasses berücksichtigt werden. Das Vorbringen der Klägerin bietet daher keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
Auf Feststellungen dazu, wer die späte Räumung der von dem Erblasser angemieteten Wohnung verursacht hat, kommt es dementsprechend vorliegend nicht an.
b) Als Anspruchsgrundlage kommt außerdem § 426 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 535, 546 a BGB in Betracht. Dieser Anspruch geht jedoch aus den dargestellten Gründen bis zur Teilung des Nachlasses nicht über den Anspruch aus § 426 Abs. 1 BGB hinaus (vgl. auch Münchener Kommentar, a.a.O., § 2058 Rn 31).
2. Der geltend gemachte Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs.1, 291 BGB.
3. Ein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 316,18 Euro steht der Klägerin nicht zu. Zum Zeitpunkt der anwaltlichen Beauftragung und des Tätigwerdens ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten hat sich der Beklagte mit der Ausgleichszahlung nicht in Verzug befunden. Vielmehr ist er ausweislich des vorgelegten Schriftverkehrs in dem anwaltlichen Schreiben vom 05.06.2012 erstmals zur Zahlung aufgefordert worden.
4. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO; der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
III. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Weder hat die sich auf die Entscheidung eines Einzelfalls beschränkende Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO). Die maßgeblichen Rechtsfragen sind durch höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichend geklärt.
Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: 2.744,26 Euro
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(Erbengemeinschaft Nachlassverbindlichkeit Erstattungsanspruch)