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Beschluss des Kammergericht Berlin vom 14.08.2015

Aktenzeichen: 6 W 40/15

Kurze Zusammenfassung der Entscheidung:

Im vorliegenden Fall wurde ursprünglich auf der Grundlage der gesetzlichen Erbfolge ein Erbschein erteilt. Im Weiteren wurde beim Nachlassgericht ein Testament des Erblassers eingereicht. Aus dem Testament ging hervor, dass der Erblasser sein gesamtes Vermögen seinem Sohn übertragen wollte. Weiter räumte Erblasser seinem Sohn ein, nach seinem freien Willen darüber zu entscheiden, inwieweit andere Familienangehörige am Nachlass beteiligt werden.
Das Nachlassgericht zog den ursprünglich erteilten Erbschein ein und erteilte dem Sohn einen Alleinerbschein. Gegen diese Entscheidung des Nachlassgerichtes wurde Beschwerde eingelegt.
Das Kammergericht Berlin bestätigte die Entscheidung des Nachlassgerichtes. Der Wille des Erblassers war nach Maßgabe des § 2084 BGB auszulegen, d. h. derjenigen Auslegungsmöglichkeit hinsichtlich des Testamentes den Vorrang einzuräumen, bei der die Verfügung des Erblassers tatsächlich zum Tragen kommt. Aus der schriftlichen Gestaltung des Testamentes und der Tatsache, dass der Erblasser offensichtlich sein gesamtes Vermögen seinem Sohn übereignen wollte und der Sohn uneingeschränkt im Weiteren über das Vermögen verfügen können sollte, folgerte das Gericht, dass der Sohn des Erblassers dessen alleiniger Rechtsnachfolger, d. h. Alleinerbe werden sollte. Entsprechend diesem Willen des Erblassers war dem Sohn der beantragte Alleinerbschein zu erteilen.

(Testament Auslegung Vermögensübertragung)

 

Tenor:

1) Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg als Nachlassgericht vom 10. März 2015 wird auf ihre Kosten bei einem Wert von 80.000,- EUR zurückgewiesen.
2) Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

(Testament Auslegung Vermögensübertragung)

 

Entscheidungsgründe:

Die Beschwerde ist zulässig, sie bleibt in der Sache aber ohne Erfolg. Das Nachlassgericht hat mit zutreffenden Erwägungen den Erbschein vom 1. August 2012 gemäß § 2361 BGB eingezogen, denn dieser ist unrichtig. Nach dem Erblasser ist nicht gesetzliche Erbfolge eingetreten, sondern testamentarischer Alleinerbe ist der Beteiligte zu 6).
Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung. Das Testament enthält eine Erbeinsetzung des Beteiligten zu 6). Die maßgebliche Formulierung lautet: „Ich verfüge, dass mein ältester Sohn M… H… allein mein Vermögen übernimmt, das sowohl sämtliche Immobilien, wie auch sämtliche finanziellen wie auch meine zu Papier gebrachten geistigen Leistungen umfassen soll.“ Diese Betonung durch Unterstreichung, dass sein ältester Sohn das gesamte Vermögen allein übernehmen soll, steht sprachlich einer Formulierung wie „bekommen“ oder „erhalten“ gleich und spricht für eine Erbeinsetzung, weil der Sohn hinsichtlich des Vermögens des Erblassers an dessen Stelle treten, mithin sein Rechtsnachfolger werden sollte (vgl. zu den Formulierungen: Firsching/Graf, Nachlassrecht, 10. Aufl., Rdnr. 1.171 und 1.179 m. w. Nachw.). Die Formulierung unterscheidet sich auch von einer Formulierung, wonach der Begünstigte den Nachlass nur „regeln“ soll (vgl. BayObLG FamrZ 2005, 136 – zitiert nach juris: Rdnr. 4 und 21).
Die letztwillige Verfügung ist auch nicht gemäß § 2065 Abs. 2 BGB unwirksam. Der Erblasser hat es ausdrücklich dem „freien Willen“ seines Sohnes und „dem Gebot unseres Herrn“ überlassen, ob und welche „Entscheidungen“ er für die anderen Geschwister und die Mutter trifft. Dies zeigt, dass der älteste Sohn – als Alleinerbe – an die Stelle seines Vaters treten sollte und dass er – wie zuvor der Erblasser – darüber bestimmen sollte, ob und in welchem Umfang die Geschwister und die Mutter finanziell zu unterstützen sind. Dies spricht für eine Einsetzung als Alleinerbe und stellt gerade nicht den Fall dar, dass der älteste Sohn nur bestimmen soll, wer zu welchem Anteil Erbe nach dem Vater sein soll. Das Testament ist deshalb nicht gemäß § 2065 Abs. 2 BGB unwirksam.
Es mag sein, dass der Erblasser keinen Grund hatte, seine Ehefrau und die weiteren Kinder bzw. Enkelkinder zu enterben. Gleichwohl hat er sich dafür entschieden, sein Vermögen in die Hände seines ältesten Sohnes zu legen und ihn an seine Stelle treten zu lassen, auch was die Verwendung des Vermögens anbetrifft. Dies spricht für die Erbeinsetzung und für ein Vertrauen in seinen ältesten Sohn, fürsorglich und gerecht mit Mutter, Geschwistern und Nichte umzugehen. Jedenfalls ist gemäß § 2084 BGB die Auslegungsmöglichkeit zu wählen, bei welcher die Verfügung Erfolg haben kann.
Ein wirksamer Widerruf des Testaments liegt nicht vor. Der Erblasser hat weder ein neues Testament errichtet, noch hat er das später aufgefundene Testament vernichtet, denn er hat die Urkunde nicht körperlich zerstört.
Die Kostenentscheidung beruft auf § 84 FamFG. Die Wertfestsetzung orientiert sich an dem in der Urkunde des Notars W. vom 14. Oktober 2013 angegebenen Nachlasswert (Bl. 76 d. A.).
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(Testament Auslegung Vermögensübertragung)

 

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