Auch ein Testamentsvollstrecker, der vom Betreuer bevollmächtigt wird, kann nicht ohne Genehmigung über ein Betreuungskonto verfügen

Urteil des KG vom 13.11.2014

Aktenzeichen: 8 U 35/14

Kurze Zusammenfassung der Entscheidung:

Hinsichtlich einer Erbengemeinschaft war die Testamentsvollstreckung angeordnet. Ein Mitglied der Erbengemeinschaft stand unter Betreuung. Der Testamentsvollstrecker nahm eine Teilauseinandersetzung der Erbengemeinschaft vor. Im Rahmen dieser Auseinandersetzung wurde für den unter Betreuung stehenden Miterben ein Konto eingerichtet, auf das die Zahlungen im Rahmen der Teilauseinandersetzung erfolgten.
Die Betreuerin des Miterben veranlasste, dass das fragliche Konto als Betreuungskonto geführt und mit einem entsprechenden Sperrvermerk gemäß § 1809 BGB versehen wurde. Gleichzeitig erteilte die Betreuerin dem Testamentsvollstrecker die Vollmacht, über das Konto zu verfügen. Dieser nahm ohne die notwendige Genehmigung seitens des Betreuungsgerichts eine Verfügung in Höhe von 50.000 € zu Lasten des Kontos des betreuten Miterben vor. Dieser verlangte im Weiteren von der kontoführenden Bank die Erstattung des Geldbetrages in Höhe von 50.000 €.
Der Klage wurde im Berufungsverfahren entsprochen. Aufgrund der Teilauseinandersetzung unterlag der fragliche Geldbetrag nicht mehr der Testamentsvollstreckung. Auf der Grundlage der von der Betreuerin erteilten Vollmacht war der Testamentsvollstrecker nicht berechtigt, über das Konto ohne Genehmigung zu verfügen. Insofern wirkte der Sperrvermerk auch gegen den bevollmächtigten Testamentsvollstrecker. Da die Bank dennoch die Zahlung veranlasste, schuldete sie dem betreuten Miterben Schadenersatz in Höhe von 50.000 €.

(Testamentsvollstrecker Betreuung Sperrvermerk)

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das am 20. Dezember 2013 verkündete Urteil der Zivilkammer 4 des Landgerichts Berlin abgeändert:

1) Die Beklagte wird verurteilt, dem Flexgeldkonto des Klägers bei der … Bank … den Verfügungsbetrag von 50.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 6. Dezember 2012 zurück zu erstatten,
2) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 957,36 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28. Januar 2012 zu zahlen.

II. Die Kosten der ersten Instanz und des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10% abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

(Testamentsvollstrecker Betreuung Sperrvermerk)

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung des Klägers richtet sich gegen das am 20. Dezember 2013 verkündete Urteil der Zivilkammer 4 des Landgerichts Berlin, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.Der Kläger trägt zur Begründung der Berufung vor:
1. Die von dem Kläger erteilte Außenvollmacht vom 18. Oktober 2010 sei keineswegs schwebend unwirksam gewesen, sondern wegen der – praktisch schon seit der Geburt an – bestehenden Geschäftsunfähigkeit des Klägers nichtig. Die Vollmacht habe daher auch nicht durch die Betreuerin genehmigt werden können, zumal diese von der Beklagten nicht über den Bestand der Vollmacht in Kenntnis gesetzt worden sei.
Durch die Schreiben der Betreuerin vom 14. und 28. Juli 2011 habe lediglich klar gestellt werden sollen, dass durch die Betreuung die bei der Beklagten geführten Nachlasskonten von der Vermögenssorge der Betreuerin nicht erfasst seien.
Spätestens im Zusammenhang mit den mit der Sachbearbeiterin mehrfach geführten ausführlichen Telefonaten wäre es gerade unter Berücksichtigung der zu erwartenden Sachkenntnis der Beklagten und ihrer Erfüllungsgehilfen ohne weiteres ersichtlich und möglich gewesen, gegenüber der Betreuerin klarzustellen, dass es sich bei den zu Stamm-Nr. (…) geführten Konten um Eigenkonten des Betreuten und damit nicht um Nachlasskonten der verstorbenen Mutter des Klägers handelte.
Dies könne aber dahin gestellt bleiben, weil der Überweisungsauftrag nicht kraft erteilter Innenvollmacht, sondern ausdrücklich mit der Bezeichnung „(…) (als Testamentsvollstreckerin)“ erteilt worden sei.
Als Testamentsvollstreckerin für den Nachlass der Mutter des Klägers habe der Streithelferin kein originäres Verfügungsrecht für das Konto des Klägers zugestanden. Die Erteilung einer Untervollmacht für das streitbefangene Konto werde vorsorglich bestritten.
Im Übrigen sei die Überweisung auch nicht durch die getroffenen vertraglichen Vereinbarungen gedeckt gewesen.
2. Die Streithelferin sei auch nicht von den gesetzlichen Vorschriften für Verfügungsgeschäfte über Betreuungskonten befreit gewesen.
Die Beklagte habe mit Schreiben vom 28.7.2011 die Erforderlichkeit der Genehmigung von Verfügungen durch das Vormundschaftsgericht und nicht nur die Einrichtung der Kontensperre gemäß § 1809 BGB bestätigt. Diese Beschränkung müsse auch für die Beklagte Wirksamkeit entfalten.
Es handele sich nicht um ein genehmigungsfreies Geschäft i. S. d. § 1813 Abs. 1 Nr. 3 BGB. Bei dem streitbefangenen Konto handele es sich nicht um ein Tagesgeldkonto. Aus dem Sparvertrag (Anlage B4) ergebe sich, dass das Konto der Geldanlage diente und damit gerade nicht dem laufenden Zahlungsverkehr.
Ein Referenzkonto sei offensichtlich nicht eingerichtet worden, da Verfügungen von diesem Konto nicht geplant gewesen seien. Der Gesetzesbegründung sei zu entnehmen, dass das auf einem Termingeldkonto angelegte Geld „nicht der freien Verfügbarkeit des Giro- und Kontokorrentkonten unterliegt“.
Es mache auch einen Unterschied, ob Gelder nur kurzfristig oder von vornherein für eine längere Dauer auf Tagesgeldkonten eingestellt seien. Tagesgeldkonten, die zur Bestreitung alltäglicher Ausgaben genutzt werden, seien gegenüber Konten, die als reine Sparanlage geführt werden, abzugrenzen.
Hinzu komme, dass es sich bei der Überweisung von 50.000,00 € auch für die Beklagte erkennbar nicht um eine Ausgabe des alltäglichen Bedarfs gehandelt habe. Sie hätte daher vor Ausführung der Überweisung bei der Betreuerin nachfragen müssen. Dies habe sie schuldhaft versäumt.
Der Kläger meint, der Beklagten stünde ein Zurückbehaltungsrecht nicht zu.
Das geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht werde dem Grunde und der Höhe nach bestritten.
Der Kläger beantragt,
das am 20. Dezember 2013 verkündete Urteil der Zivilkammer 4 des Landgerichts Berlin abzuändern und die Beklagte zu verurteilen
1. dem Flexgeldkonto des Klägers bei der … Nr. … den Verfügungsbetrag i.H.v. 50.000,00 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatzsatz hieraus seit dem 6.12.2012 rückzuerstatten,
2. an den Kläger weitere 957,36 € nebst 5 % Verzugszinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor:
1. Die Überweisung sei schon deshalb wirksam gewesen, weil die Streithelferin aufgrund ihrer Stellung als Testamentsvollstreckerin verfügungsbefugt gewesen sei.
Das streitgegenständliche „Flexgeld“-Konto habe zum Nachlass und nicht zum Eigenvermögen des Klägers gehört. Bei der streitgegenständlichen Überweisung habe es sich um eine Nachlassverbindlichkeit gehandelt.
Die Überweisung sei auch gemäß § 164 BGB wirksam gewesen. Die Streithelferin habe ab 18.8.2010 eine schwebend wirksame Außenvollmacht gemäß §§ 167, 172 BGB besessen. Diese sei durch Schreiben der Betreuerin vom 29.6.2011 und 14.7.11 gemäß § 177 Abs. 1 BGB ausdrücklich genehmigt worden. Der Kläger verkenne, dass gerade aufgrund der Annahme seiner Geschäftsunfähigkeit, welche bestritten bleibe, durch die Betreuerin eine rückwirkende Genehmigung der zunächst unwirksam erteilten Vertretungsmacht erfolgt sei.
Nicht nachvollziehbar seien die Ausführungen des Klägers hinsichtlich der fehlenden Kenntnis der Betreuerin „über den Bestand der Vollmacht“, denn die Betreuerin weise in den Schreiben vom 29.6.11 sowie 14.7.11 ausdrücklich auf die uneingeschränkte Vollmacht bzw. die alleinige Verfügung von Frau … hin.
Ein eventueller Irrtum des Klägers hinsichtlich der Einordnung des Flexgeldkontos als Nachlasskonto sei zu keinem Zeitpunkt durch die Beklagte geschürt worden. Die Ausführungen des Klägers hinsichtlich einer etwaigen Aufklärungspflicht der Beklagten gegenüber der Betreuerin hinsichtlich der rechtlichen Einordnung des Flexgeldkontos seien unverständlich.
Der Wirksamkeit der Überweisungen gemäß § 164 BGB stehe auch nicht der Vermerk auf der Anweisung vom 6.7.2012 entgegen, der auf die Funktion der Streithelferin als Testamentsvollstreckerin hinweise. Weshalb hierdurch die Vertretungsmacht entfallen solle, sei nicht ersichtlich.
2. Die Verfügung der Streithelferin habe keiner Zustimmung des Betreuungsgerichts bedurft, da es sich um ein genehmigungsfreies Geschäft i.S.v. § 1813 Abs. 1 Nr. 3 BGB handele.
Bei dem Flexgeldkonto handele es sich um ein Kontokorrentkonto und nicht um ein Termingeldkonto oder einen Sparvertrag. Die tägliche Verfügbarkeit des angelegten Geldes sei unstreitig gegeben. Sie, die Beklagte, habe das Konto nicht als langfristige Anlageform empfohlen. Bei § 1813 Abs. 1 Nr. 3 BGB komme es auch nicht darauf an, dass es sich um einen alltäglichen, häufig vorkommenden Zahlungsvorgang oder um eine Ausgabe des alltäglichen Bedarfs handelt. Auch auf die Höhe des Guthabens komme es nicht an. Unerheblich sei auch, ob das Kontoguthaben auf dem streitgegenständlichen Konto lang- oder kurzfristig eingestellt war.
Bestritten werde, dass für das Flexgeldkonto kein Referenzkonto eingerichtet worden sei. Der Eröffnungsantrag vom 12.1.2011 weise eindeutig unter Punkt 2 das Konto des Klägers zu Nummer (…) als Referenzkonto aus. Mit Nichtwissen werde bestritten, dass Verfügungen von diesem Konto nicht geplant gewesen seien.
Sie, die Beklagte habe durch Ausführung der streitgegenständlichen Anweisung zur Überweisung nicht gegen vertragliche Pflichten verstoßen. Aus dem Regelungsgehalt der Klausel ergebe sich ein Recht, nicht aber die Pflicht der Beklagten, Überweisungsaufträge auf andere Konten als das Referenzkonto zurückzuweisen.
Die Beklagte meint, ihr stünde gegen den klägerischen Anspruch ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB wegen eines Anspruchs auf Zahlung von 21.471,00 € gemäß §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB, 10 Abs. 8 WEG zu. Sie habe einen Bereicherungsanspruch, weil sie an die WEG … 50.000,00 € ohne Rechtsgrund gezahlt habe. Für diesen Bereicherungsanspruch hafte der Kläger als Wohnungseigentümer gemäß § 10 Abs. 8 WEG quotal im Außenverhältnis. Da die Miteigentumsanteile des Klägers insgesamt 4.294,2/10.000 betragen würden, stünde ihr ein Zurückbehaltungsrecht in Höhe von 21.471,00 € zu.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in beiden Rechtszügen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen verwiesen.
II. Die Berufung des Klägers ist begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß § 675 u S.2 BGB einen Anspruch auf die geltend gemachte Rückerstattung von 50.000,00 € auf das bei der Beklagten geführte Konto Nr. (…) .
Die Beklagte war nicht berechtigt, auf die Bitte der Streithelferin vom 6. Juli 2012 hin 50.000,00 € vom Konto des Klägers mit der Nummer (…) auf das Konto der WEG (…) zu überweisen. Die Beklagte hat gegenüber dem Kläger nicht befreiend geleistet.
Der Beklagten kann nicht gefolgt werden, soweit sie meint, dass die Streithelferin kraft ihres Amtes als Testamentsvollstreckerin gemäß § 2205 BGB berechtigt gewesen sei, über das Konto des Klägers zu verfügen und den streitigen Überweisungsauftrag zu erteilen. Ausweislich des Beschlusses des Amtsgerichts (…) – vom 6. Februar 2013 hat die Streithelferin unstreitig gleich nach dem Tod der am 19. Juni 2009 verstorbenen Erblasserin die Mehrzahl von deren Konten, deren Gesamtwert zu dieser Zeit knapp 600.000,00 € betrug, aufgelöst und die Guthaben im Wege der Teilerbauseinandersetzung auf die beiden Erben übertragen. Die Streithelferin hat das streitgegenständliche Konto am 12. Januar 2011 für den Kläger angelegt. Das Verwaltungsrecht der Streithelferin als Testamentsvollstreckerin ist hinsichtlich der Geldbeträge, die sie dem Kläger im Wege der Teilerbauseinandersetzung zur freien Verfügung überlassen hat, und somit auch hinsichtlich des hier streitgegenständlichen Betrages erloschen (Palandt/Weidlich, BGB, 73. Auflage, § 2205, Rdnr.3).
Dem Landgericht kann nicht gefolgt werden, soweit es in der angefochtenen Entscheidung ausführt, dass der von der Streithelferin für das Flexgeldkonto erteilte Überweisungsauftrag vom 6. Juli 2012 gemäß § 164 BGB wirksam sei. Unzutreffend ist schon der Ausgangspunkt, dass die vom Kläger der Streithelferin am 19. August 2010 nach §167 BGB erteilte Außenvollmacht (§ 172 BGB) zunächst schwebend unwirksam gewesen sei. Der am 3. April 1993 geborene Kläger war am 19. August 2010 noch minderjährig. Einseitige Rechtsgeschäfte, wie etwa die Erteilung einer Vollmacht, die der Minderjährige ohne die erforderliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters vornimmt, sind gemäß § 111 BGB unwirksam.
Die Betreuerin des Klägers hat der Streithelferin allerdings mit dem an die Beklagten gerichteten Schreiben vom 29. Juni 2011 gemäß § 170 BGB uneingeschränkt Vollmacht für das streitgegenständliche Konto erteilt. Die Vollmacht erstreckte sich eindeutig auch auf das streitgegenständliche Konto und nicht nur auf das Konto … . Die Klägerin hat in dem Schreiben vom 29. Juni 2011 als Betreff „Betreuung … Konto-Nr… u.a.“ angegeben. Wenn sie dann aber schreibt: „Gleichzeitig bitte ich, o.g. Konto zukünftig als Betreuungskonto für den Betroffenen zu führen, wobei gleichzeitig uneingeschränkte Vollmacht für die Testamentsvollstreckerin Frau … erteilt wird“, dann kann diese Erklärung nur dahin gehend verstanden werden, dass die Testamentsvollstreckerin nicht nur Vollmacht für das Hauptkonto, sondern auch für die Unterkonten und damit auch für das hier streitgegenständliche Konto haben sollte. Trotz dieser Vollmacht war die Beklagte entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht berechtigt, den von der Streithelferin erteilten Überweisungsauftrag auszuführen. Der Überweisungsauftrag bedurfte gemäß §§1809, 1812 BGB der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung. Die Beklagte hat der Betreuerin des Klägers mit Schreiben vom 28. Juli 2011 unter dem Betreff: „ Betreuungsverfahren für Kontoinhaber: … Kundenstammnummer:… Versperrte Anlegung … … Flexgeld … FestzinsSparen … FestzinsSparen“ mitgeteilt, dass sie die Sparkonten bzw. das Depot gesperrt halte und Verfügungen durch die Betreuerin nur mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes zulassen werde (§ 1809 BGB).
Der Sperrvermerk gemäß § 1809 BGB bewirkt, dass Auszahlungen, Abhebungen oder Überweisungen des Geldes nach § 1812 BGB genehmigungsbedürftig sind (Münchener Kommentar, BGB, 6. Auflage, § 1809, Rdnr.7; Staudinger, BGB, 2014, § 1809, RDnr.11; Knittel, Betreuungsrecht, 2013, § 1809, Rnr.8). Entgegen der Auffassung des Landgerichts gilt § 1809 BGB nicht nur für Verfügungen der Betreuerin. Auch das Geschäft des vom Betreuer Bevollmächtigten ist genehmigungsbedürftig (Palandt/Götz, BGB, 73. Auflage, § 1812, Rdnr.10). Das Kammergericht hat mit Beschluss vom 29. September 1902 (KG OLG 5, 410) zutreffend ausgeführt, dass nicht bezweifelt werden kann, dass der Vormund auf seinen Vertreter nicht mehr Recht übertragen kann, als er selbst hat, und dass daher der Bevollmächtigte zu Rechtsgeschäften, die er für den Mündel vornimmt, in demselben Umfange der Genehmigung bedarf wie der Vormund selbst.
Dem Landgericht ist auch nicht zu folgen, soweit es meint, eine Zustimmung des Vormundschaftsgerichtes sei nicht erforderlich, weil ein genehmigungsfreies Geschäft im Sinne von § 1813 Abs. 1 Nr. 3 BGB vorliege. Die Regelung des § 1813 Abs. 1 Nr. 2, 3 BGB greift gemäß § 1813 Abs. 2 S. 1 BGB nicht, wenn ein anderes bestimmt worden ist. Bei der Anlegung des Sperrvermerkes handelt es sich um eine solche andere Bestimmung (Palandt, a.a.O., § 1813, Rdnr.4, Münchener Kommentar, a.a.O. § 1809, Rdnr.7).
Das erstmals in der Berufungsinstanz geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht ist nicht verspätet.
§ 531 ZPO findet keine Anwendung. Wird – wie hier – die Zurückbehaltung mit einer Geldforderung gegen eine Geldforderung erklärt, dann liegt darin der Sache nach eine Aufrechnungserklärung, so dass § 533 ZPO anzuwenden ist (Zöller, ZPO, 30. Auflage, § 533, Rdnr.17; OLG Celle, OLGZ 1972, 477).
Die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechtes ist sachdienlich. Es kann auf Tatsachen gestützt werden, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat. Die Bindungswirkung des § 529 ZPO erstreckt sich grundsätzlich auch auf die offenkundigen und gerichtsbekannten, die zugestandenen und unstreitigen Tatsachen Zöller a.a.O, § 529, Rdnr.2).
Die Beklagte hat bereits in erster Instanz mit Schriftsatz vom 15. August 2013 (Seite 3; Bl.80) vorgetragen, dass der Kläger durch unstreitig an die WEG … erfolgte Überweisung einen Vermögensvorteil erlangt hat. Der Kläger hat zwar vorgetragen, nur Teil einer Erbengemeinschaft nach Salm zu sein, die wiederum Teilhaberin der Eigentümergemeinschaft (nicht WEG!) am Grundstück … sei (Schriftsatz vom 28. März 2013, Seite 4; Bl.66). Soweit der Kläger damit bestreiten will, dass er Wohnungseigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft … sei, ist sein Bestreiten unsubstantiiert. Die Beklagte hat in erster Instanz mit Schriftsatz vom 15. August 2013 die Urkunde des Notars … vom 16.12.2010 – … – eingereicht, die die entsprechende Teilungserklärung und Auflassung enthält. Dass diese Urkunde umgesetzt worden ist, ergibt sich aus dem von dem Kläger zu den Akten gereichten Grundbuchauszug betreffend Blatt … des Teileigentumsgrundbuches des Amtsgerichts … aus dem sich ergibt, dass die Teilung nach § 8 WEG vollzogen und am 20.9.2011, also vor der streitgegenständlichen Überweisung am 16. Juli 2012 eingetragen worden ist. Zwar ist der Kläger in diesem Grundbuchblatt nicht als (Mit-)Eigentümer aufgeführt. Dies entspricht jedoch der Urkunde vom 16.12.2010, wonach die Eigentumsverhältnisse an der Wohnungseinheit Nr. … (diese betrifft das Grundbuchblatt … ) unverändert bleiben sollen.
Das geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht ist auch nicht gemäß §§ 282 Abs. 2, 296 Abs. 2 ZPO als verspätet zurückzuweisen. Die Beklagte hat das Zurückbehaltungsrecht mit am 2. Oktober 2014 bei Gericht eingegangenem und der Gegenseite per Fax zugestelltem Schriftsatz geltend gemacht. Der Schriftsatz ist der Gegenseite innerhalb der Frist des § 132 Abs. 1 ZPO zugegangen.
Der Kläger hat auch nicht schlüssig vorgetragen, dass es ihm aufgrund des erst am 2. Oktober 2014 zugegangenen Schriftsatzes nicht möglich gewesen sei, noch erforderliche Erkundigungen einzuziehen, § 282Abs. 2 ZPO. Dass neues Vorbringen so rechtzeitig schriftsätzlich anzukündigen sei, dass das Gericht noch vorbereitende Maßnahmen nach § 273 ZPO treffen könne, verlangt § 282 Abs. 2 ZPO nicht (BGH, Urteil vom 28. September 1988 – IV a ZR 88/87).
Der Beklagten steht das geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht jedoch nicht zu.
Die Beklagte hat an die Wohnungseigentümergemeinschaft Knesebeckstraße 89 50.000,00 € überwiesen, ohne dass dieser Überweisung – aus den dargelegten Gründen – ein Rechtsgrund zugrunde gelegen hätte. Die Beklagte hat daher gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft als Zahlungsempfänger gemäß § 812 Abs. 1 BGB einen Rückzahlungsanspruch (Palandt, BGB, 73. Auflage, § 812, Rdnr. 107 a; Landgericht Hannover, ZIP 2011, 1406).
Die Beklagte hat gegen den Kläger selbst keinen direkten Bereicherungsanspruch.
Es kann in diesem Zusammenhang dahin gestellt bleiben, ob man mit dem Landgericht Hannover davon ausgeht, dass bei Zahlungsdienstleistungen durch die spezialgesetzliche Regelung des § 675 u BGB ein nach bisheriger Rechtslage unter Umständen bestehender Bereicherungsrechtlicher Anspruch des Zahlungsdienstleisters gegen den Zahler gesperrt ist (Landgericht Hannover, ZIP 2011, 1406, m.w.N.), oder ob man mit dem Amtsgericht Hamburg-Harburg (ZIP 2013, 1517) davon ausgeht, dass ein bereicherungsrechtlicher Anspruch dann bestehen kann, wenn der Kontoinhaber durch die Zahlung der Bank von einer Verbindlichkeit frei geworden ist.
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte nicht schlüssig dargetan, dass der Kläger durch die an die Wohnungseigentümergemeinschaft erbrachte Leistung von einer Verbindlichkeit befreit worden ist.
Soweit die Beklagte meint, ihr stünde gegen die klägerische Forderung ein Zurückbehaltungsrecht zu, weil ihr gegenüber dem Kläger gemäß § 812, Abs. 1, § 10 Abs. 8 WEG ein Zahlungsanspruch zustehe, fehlt es wohl nicht an der Gegenseitigkeit der Forderungen. Bei der Forderung des Klägers handelt es sich um eine solche gegen die Beklagte. Bei der Forderung der Beklagten handelt es sich um eine solche gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft, an der der Kläger – zufällig – beteiligt ist.
Ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten scheitert jedoch an der notwendigen Konnexität beider Forderungen. Nach § 273 Abs. 1 BGB soll der Schuldner eine Leistung nicht wegen eines jeden beliebigen Gegenanspruchs zurückhalten dürfen, sondern nur dann, wenn die gegenseitigen Ansprüche einem innerlich zusammenhängenden einheitlichen Lebensverhältnis entspringen, wenn sie also in einem natürlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, so dass es gegen Treu und Glauben verstieße, wenn der eine Anspruch ohne Rücksicht auf den anderen geltend gemacht und verwirklicht werden könnte (BGH, Urteil vom 6. Oktober 2004 – XII ZR 323/01 -). Das ist hier nicht der Fall.
Der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte hat seine Grundlage in dem mit der Beklagten geschlossenen Zahlungsdienstleistungsvertrag. Der Anspruch der Beklagten gegen den Kläger beruht allein darauf, dass dieser – zufällig – an der Wohnungseigentümergemeinschaft, an die die Beklagte rechtsgrundlos gezahlt hat, beteiligt ist. Der Umstand, dass der Kläger an der Wohnungseigentümergemeinschaft beteiligt ist, steht mit dem Finanzdienstleistungsvertrag weder in einem natürlichen noch in einem wirtschaftlichen Zusammenhang.
Davon abgesehen steht die Natur des Gläubigeranspruchs dem geltend gemachten Zurückbehaltungsrecht entgegen (vgl. insoweit Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Auflage, § 273, Rdnr.16). Durch den neuen § 675u BGB wird für alle Fälle der nicht autorisierten Überweisung eine klare – und für das Massengeschäft der Banküberweisungen praktikable – Regelung geschaffen, indem bestimmt wird, dass die entsprechende Belastungsbuchung unverzüglich zu stornieren ist. Dieser Anspruch auf unverzügliche Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes ist gemäß § 242 BGB mit dem hier geltend gemachten Zurückbehaltungsrecht nicht vereinbar. Anders als in dem von dem Amtsgericht Hamburg-Harburg (a.a.O.) entschiedenen Fall ist der Kläger vorliegend durch die Zahlung der beklagten Bank nicht von einer Verbindlichkeit befreit worden. Der Anspruch der Bank gegen den Kläger beruht allein darauf, dass er als Wohnungseigentümer an der Wohnungseigentümergemeinschaft beteiligt ist, die die nicht autorisierte Zahlung erhalten hat. Der dem Kläger nach § 675 u BGB zustehende Anspruch auf unverzügliche Rückgängigmachung des nicht autorisierten Zahlungsvorgangs ist auch unter Berücksichtigung der in § 273 Abs. 3 BGB eingeräumten Möglichkeit der Abwendung des Zurückbehaltungsrechtes durch Sicherheitsleistung nicht mehr gewährleistet.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Bei dem geltend gemachten Rückerstattungsanspruch handelt es sich um eine Geldschuld i.S.v. § 288 Abs. 1 BGB.
Der Kläger kann gemäß § 280 Abs. 1 BGB die geltend gemachte vorgerichtliche Anwaltsgebühr in Höhe von 957,36 € ersetzt verlangen, denn die Beklagte hat durch die Ausführung des Überweisungsauftrages entgegen dem Sperrvermerk ihre Pflichten aus dem Kontoführungsvertrag schuldhaft verletzt und angesichts der Komplexität des Falles war es adäquat den Rückerstattungsanspruch sogleich anwaltlich geltend zu machen. Die in Ansatz gebrachte 1,5 Geschäftsgebühr gemäß Nr.2300 VV, §§ 13, 14 RVG ist im Hinblick auf die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage angemessen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO. Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision zum Bundesgerichtshof wird nicht zugelassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Absatz 2 Satz 1 ZPO.
Die Schriftsätze des Klägers vom 7. und 11. November 2014 und der Beklagten vom 6. November 2014, die nicht innerhalb der gesetzten Frist bei Gericht eingegangen ist, sind gemäß § 283 Satz 2 ZPO nicht zu berücksichtigen, und zwar auch nicht nach freiem Ermessen des Senats, denn auf die Schriftsätze des Klägers kommt es für die vorliegende Entscheidung nicht an und beim Schriftsatz der Beklagten handelt es sich nicht um eine Stellungnahme zum Schriftsatz des Klägers vom 6. Oktober 2014; nur eine solche war ihr nachgelassen. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist weder gemäß § 156 Abs. 2 ZPO geboten noch nach freiem Ermessen des Senats gemäß § 156 Abs. 1 ZPO veranlasst, zumal der eingereichte Umsatzdruck (Anlage B 7) nicht die von der Beklagten behauptete Zahlung der Streithelferin, sondern Sebastian … als Auftraggeber ausweist und nicht erkennen lässt, dass die Zahlung auf die Schuld der Beklagten bzw. zur Rückabwicklung der Überweisung vom 16.7.2012 an die WEG … erfolgt ist.

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(Testamentsvollstrecker Betreuung Sperrvermerk)

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