Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 21.08.2024, Aktenzeichen 14 W 44-24

Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 21.08.2024, 14 W 44/24 (Wx)

Zusammenfassung des Sachverhaltes:

Der Beschluss behandelt die Frage, ob ein Notar berechtigt ist, beim Standesamt die Geburtsurkunde eines Testierenden ohne Vorlage einer Vollmacht zu verlangen. Ein Notar hatte nach der Beurkundung eines Testaments die Vorlage der Geburtsurkunde seines Mandanten beantragt, um die Angaben im Zentralen Testamentsregister (ZTR) zu vervollständigen. Das Standesamt verweigerte die Ausstellung der Urkunde mit Verweis auf die fehlende Vollmacht und den notwendigen Kostenvorschuss. Der Notar argumentierte, dass er sich auf das Behördenprivileg gemäß § 65 Abs. 1 Personenstandsgesetz (PStG) berufen könne und deshalb keine Vollmacht benötige. Die Fachaufsicht bestätigte die Ablehnung des Standesamts und führte aus, dass der Notar bei der Anforderung der Geburtsurkunde nicht als Behörde im Sinne des PStG handele, sondern im Interesse seines Auftraggebers. Die Vorinstanz, das Amtsgericht Konstanz, wies den Antrag des Notars ebenfalls zurück und begründete dies damit, dass die Anforderung der Urkunde keine gesetzliche Aufgabe des Notars sei. Der Notar legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein und argumentierte, dass die Vorschriften zur Erfüllung notarieller Aufgaben eine solche Befugnis implizierten. Das OLG Karlsruhe hatte nun zu entscheiden, ob die Ablehnung des Standesamtes und der Beschluss der Vorinstanz rechtmäßig waren.

Zusammenfassung der Urteilsgründe:

Das Oberlandesgericht Karlsruhe entschied, dass die Beschwerde des Notars unbegründet sei. Es bestätigte die Auslegung des § 65 Abs. 1 PStG, wonach ein Notar bei der Anforderung einer Geburtsurkunde nicht als Behörde tätig werde. Der Notar erfülle hier keine hoheitliche Aufgabe, sondern handele im privaten Interesse seines Mandanten. Der Senat erläuterte, dass die Meldepflichten des Notars nach § 78d Bundesnotarordnung (BNotO) und der Verordnung zur Einrichtung und Führung des Zentralen Testamentsregisters (ZTRV) keine Verpflichtung zur Beschaffung einer Geburtsurkunde umfassen. Vielmehr sei es Aufgabe des Erblassers, dem Notar die notwendigen Angaben zur Verfügung zu stellen. Eine weitergehende Nachforschungspflicht des Notars bestehe nicht. Auch die Berufung auf § 62 PStG, der unter bestimmten Bedingungen anderen Personen Zugang zu Personenstandsurkunden ermöglicht, blieb erfolglos. Der Notar konnte weder ein eigenes rechtliches Interesse glaubhaft machen noch nachweisen, dass er im Rahmen einer hoheitlichen Tätigkeit handelte. Die Entscheidung stellt klar, dass der Notar im Rahmen seiner Tätigkeit auf die Informationen angewiesen ist, die ihm der Mandant zur Verfügung stellt, und keine zusätzlichen Datenbeschaffungsrechte im Personenstandsrecht genießt.

Zusammenfassende Erläuterung der Urteilsgründe

1. Fragestellung:


War der Notar bei der Anforderung der Geburtsurkunde als Behörde im Sinne von § 65 Abs. 1 PStG tätig, sodass er keine Vollmacht vorlegen musste?

Erwägungen:


Das Gericht prüfte, ob der Notar im Rahmen einer gesetzlich übertragenen hoheitlichen Aufgabe handelte. Es stellte fest, dass die Übermittlungspflichten gemäß § 78d Abs. 2 Satz 2 BNotO und § 2 ZTRV keine Verpflichtung zur Einholung von Personenstandsurkunden umfassen. Nach der Systematik der Regelungen liegt die Verantwortung für die Bereitstellung dieser Daten beim Erblasser. Auch die allgemeine Verwaltungsvorschrift zum PStG begrenzt das Behördenprivileg darauf, dass die Handlung im öffentlichen Interesse erfolgt und für eine hoheitliche Aufgabe erforderlich ist. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass diese Voraussetzungen hier nicht erfüllt waren, da die Anforderung im privaten Interesse des Mandanten erfolgte.

Ergebnis:


Das Gericht verneinte die Behördeneigenschaft des Notars in diesem Zusammenhang. Es stellte klar, dass er im Interesse seines Mandanten handelte und daher eine Vollmacht erforderlich war. Der Antrag wurde abgelehnt.

2. Fragestellung:


Kann sich der Notar auf § 62 Abs. 1 Satz 2 PStG berufen, um die Ausstellung der Urkunde zu verlangen?

Erwägungen:


Das Gericht setzte sich mit dem Begriff des rechtlichen Interesses auseinander und stellte fest, dass dieses nur vorliegt, wenn die Kenntnis der Personenstandsdaten zur Verfolgung von Rechten oder zur Abwehr von Ansprüchen erforderlich ist. Ein solches Interesse konnte der Notar nicht nachweisen, da die Verantwortung für die Meldung an das ZTR ausschließlich beim Erblasser liegt. Auch die Möglichkeit, rein wirtschaftliche Interessen geltend zu machen, war auf Geschwister der Auskunftsperson begrenzt und somit hier nicht anwendbar.

Ergebnis:


Der Notar konnte kein rechtliches Interesse glaubhaft machen. Der Antrag wurde auch aus diesem Grund abgelehnt.

3. Fragestellung:


Ist die Nachforderung der Geburtenregisternummer durch den Notar erforderlich oder könnte dies auch durch die Bundesnotarkammer erfolgen?

Erwägungen:


Das Gericht verwies auf § 5 Satz 1 Nr. 3 ZTRV, wonach die Ergänzung unvollständiger Verwahrangaben der Bundesnotarkammer obliegt. Diese Regelung entlastet den Notar von der Pflicht, zusätzliche Daten zu beschaffen. Die Nachforderung durch die Bundesnotarkammer garantiert, dass keine Datenschutzinteressen verletzt werden, da die Urkunde auch Daten Dritter enthält.

Ergebnis:


Die Ergänzung der Daten ist Aufgabe der Bundesnotarkammer. Eine Befugnis des Notars zur Einholung der Geburtsurkunde besteht nicht.

4. Fragestellung:


Kann ein allgemeiner Rechtsgrundsatz abgeleitet werden, wonach Notare zur Beschaffung notwendiger Unterlagen befugt sind?

Erwägungen:


Das Gericht analysierte die herangezogenen Vorschriften, wie z. B. §§ 15 GBO, und stellte fest, dass diese sich auf spezifische Fälle der Eintragung in Register beziehen. Eine Analogie auf die Beschaffung von Personenstandsurkunden war nicht möglich. Die Beibringung einer Geburtsurkunde ist keine typische Aufgabe des Notars und fällt in den Verantwortungsbereich des Erblassers.

Ergebnis:


Ein solcher allgemeiner Rechtsgrundsatz wurde nicht anerkannt. Der Antrag wurde abgelehnt.

5. Fragestellung:


Stellen Datenschutzbedenken ein Hindernis für die Ausstellung der Geburtsurkunde durch das Standesamt dar?

Erwägungen:


Das Gericht betonte, dass die Geburtsurkunde personenbezogene Daten Dritter enthält, insbesondere der Eltern des Testierenden. Die Weitergabe solcher Daten bedarf eines besonderen Schutzes. Ohne eine Vollmacht des Erblassers wäre die Herausgabe ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen.

Ergebnis:


Die Datenschutzbedenken rechtfertigen die Verweigerung der Ausstellung der Urkunde ohne Vollmacht. Der Antrag wurde abgewiesen.