Sächsisches Oberverwaltungsgericht – 6 A 175/24 – 31.01.2025

Sächsisches Oberverwaltungsgericht - OVG Bautzen - – 6 A 175/24 - Beschluss vom 31-01-2025

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht

Aktenzeichen: 6 A 175/24

Entscheidung: 31.01.2025

Zusammenfassung des Sachverhaltes:

Im vorliegenden Verfahren vor dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht ging es um die Feststellung der Gefährlichkeit eines Hundes und einen Antrag auf Zulassung der Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden. Ursprünglich war der Kläger der Halter des betroffenen Hundes. Nach dessen Tod am 27. November 2024 wurde das Verfahren auf Antrag seines Prozessbevollmächtigten zunächst ausgesetzt und später auf Antrag der Rechtsnachfolgerin, seiner Ehefrau, wieder aufgenommen. Die Klägerin trat somit als Rechtsnachfolgerin in das Verfahren ein, wobei es unerheblich war, ob sie alleinige oder nur Miterbin war, da die Aufnahme des Verfahrens auch durch einen einzelnen Miterben erfolgen kann.

Im weiteren Verlauf erklärten beide Parteien das Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt. Das Gericht stellte daraufhin das Verfahren ein und erklärte das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 11. März 2024 für wirkungslos. Die Kosten des Verfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht wurden der Klägerin auferlegt, der Streitwert auf 5.000 Euro festgesetzt.

Im Kern drehte sich der Streit um die Frage, ob die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zuzulassen gewesen wäre. Der verstorbene Kläger hatte argumentiert, dass er die Klage nicht als sich selbst vertretender Rechtsanwalt erhoben habe und daher nicht an die Formvorschriften des elektronischen Rechtsverkehrs gebunden gewesen sei. Zudem habe das Verwaltungsgericht ihm zu wenig Zeit zur Stellungnahme auf ein gerichtliches Hinweisschreiben eingeräumt. Das Gericht prüfte, ob diese Einwände geeignet gewesen wären, die Zulassung der Berufung zu rechtfertigen.

Zusammenfassung der Urteilsgründe:

Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat das Verfahren eingestellt und das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden für wirkungslos erklärt, da die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt hatten. Die Kosten wurden der Klägerin auferlegt, da nach Ansicht des Gerichts die Erfolgsaussichten der Berufung gering waren.

Das Gericht stellte fest, dass die Aufnahme des Verfahrens durch die Klägerin als Rechtsnachfolgerin zulässig war, auch wenn sie nur Miterbin ist. Die Vorsorgevollmacht, die der Klägerin erteilt wurde, bezog sich nur auf die gerichtliche Vertretung des verstorbenen Klägers und hatte keine Wirkung für andere mögliche Rechtsnachfolger.

In der Sache sah das Gericht keine ausreichenden Gründe für die Zulassung der Berufung. Die Argumentation des verstorbenen Klägers, er habe nicht als Rechtsanwalt gehandelt und sei daher nicht zur elektronischen Einreichung verpflichtet gewesen, wurde zurückgewiesen. Da er in der Klageschrift ausdrücklich als Rechtsanwalt aufgetreten war, galt für ihn die Pflicht zur elektronischen Einreichung nach § 55d VwGO. Auch der Einwand, das Gericht habe ihm zu wenig Zeit zur Stellungnahme auf ein Hinweisschreiben eingeräumt, wurde nicht als Verfahrensfehler anerkannt, da der Kläger selbst auf eine Verlegung des Termins verzichtet hatte und somit die Möglichkeit zur Wahrnehmung rechtlichen Gehörs nicht ausgeschöpft hatte.

Das Gericht sah auch keinen Grund für die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung oder eines Verfahrensmangels. Die Streitwertfestsetzung erfolgte nach den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften. Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 11. März 2024 – 6 K 1822/22 – wird für wirkungslos erklärt.

Die Kosten des Verfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht trägt die Klägerin.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Begründung der Entscheidung:

Das Verfahren, das nach dem Tod des ursprünglichen Klägers am 27. November 2024 auf den Antrag seines Prozessbevollmächtigten vom 6. Dezember 2024 mit Senatsbeschluss vom 13. Dezember 2024 ausgesetzt worden war, war auf dessen namens und in Vollmacht der Klägerin gestellten Antrag vom 20. Januar 2025 gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. 246 Abs. 2 i. V. m. § 239 Abs. 1 ZPO aufzunehmen. Dass die Klägerin ggf. nur Miterbin nach ihrem verstorbenen Ehemann ist, hindert die Aufnahme nicht. Denn die Aufnahme durch den Rechtsnachfolger kann gemäß § 246 Abs. 2 i. V. m. § 239 Abs. 1 ZPO auch durch einen einzelnen Miterben erfolgen (vgl. BGH, Beschl. v. 2. November 2011 – X ZR 94/11 –, juris Rn. 5 m. w. N.). Die der Klägerin erteilte Vorsorgevollmacht, die nur die gerichtliche Vertretung des verstorbenen Klägers über seinen Tod hinaus umfasst, führt dagegen nicht dazu, dass das Verfahren auch mit Wirkung für und gegen ggf. weitere Rechtsnachfolger aufzunehmen wäre; diese behalten vielmehr das Recht, ihrerseits die Aufnahme zu betreiben (vgl. Roth in: Stein, ZPO, 24. Aufl. 2024, § 239 Rn. 20).

Nachdem die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist es entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, das Urteil des Verwaltungsgerichts für wirkungslos zu erklären (§ 173 VwGO i. V. m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO) und gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Hier entspricht es unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes billigem Ermessen, der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Bei der Prüfung der Erfolgsaussichten einer Klage, die sich im Verfahren auf Zulassung der Berufung befand, ist darauf abzustellen, ob die Berufung zuzulassen gewesen wäre und ob und in welchem Umfang die Berufung im Falle ihrer Zulassung Erfolg gehabt hätte (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 19. Februar 2024 – 6 A 722/20 –, juris Rn. 3 m. w. N.). Hier spricht Überwiegendes dafür, dass die Berufung wegen keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1, 3 und 5 VwGO zuzulassen gewesen wäre.

Der verstorbene und erstinstanzlich noch nicht durch den nunmehrigen Prozessbevollmächtigten vertretene Kläger hatte die erstinstanzliche Abweisung der Klage als unzulässig zusammengefasst mit dem Vortrag angegriffen, er habe die Klage nicht als sich selbst vertretender Rechtsanwalt erhoben und daher auch wirksam ohne die gemäß § 55d VwGO erforderliche Form erheben können; das Verwaltungsgericht habe den in gleicher Briefform gestellten Antrag im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht beanstandet und hätte ihm daher vor der mündlichen Verhandlung am 8. März 2024 und der Entscheidung am 11. März 2024 eine längere Stellungnahmefrist zu seinem für ihn überraschenden Hinweisschreiben vom 7. März 2024 einräumen müssen.

Dieses Vorbringen dürfte nicht geeignet gewesen sein, die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung im Sinne des Zulassungsgrundes gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ausreichend infrage zu stellen. Ob überhaupt für Rechtsanwälte, die im eigenen Namen handeln und nicht als Träger ihres Berufs auftreten, eine Ausnahme von der Verpflichtung zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr anzuerkennen ist (so FG Düsseldorf, Urt. v. 19. September 2022 – 8 K 670/22 E,U -, juris Rn. 23 ff.), bedarf hier keiner Entscheidung. Denn der verstorbene Kläger ist bei der Erhebung seiner Klage als Rechtsanwalt aufgetreten, indem er im Briefkopf seiner Klageschrift vom 20. September 2022 unter seinen Vor- und Nachnamen die Berufsbezeichnung Rechtsanwalt gesetzt und auch seiner Unterschrift und Namenswiedergabe ausdrücklich in Klammern diese Berufsbezeichnung beigefügt hat. Jedenfalls wenn ein in eigener Angelegenheit handelnder Rechtsanwalt dergestalt explizit als Rechtsanwalt auftritt, besteht für ihn die Pflicht zur elektronischen Einreichung von Schriftsätzen nach § 55d VwGO (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 7. Dezember 2023 – 12 A 1484/23 –, juris Rn. 27; VG Berlin, Beschl. v. 5. Mai 2022 – 12 L 25/22 -, juris Rn. 22).

Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO war bereits nicht hinreichend dargelegt. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn mit ihr eine grundsätzliche, bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine im Bereich der Tatsachenfeststellung bisher obergerichtlich nicht geklärte Frage von allgemeiner Bedeutung aufgeworfen wird, die sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortbildung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf. Für die Darlegung dieser Voraussetzungen bedarf es sowohl der Formulierung einer Rechts- oder Tatsachenfrage als auch der Erläuterung, dass diese Frage klärungsbedürftig und -fähig ist sowie über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt (std. Rspr., SächsOVG, Beschl. v. 28. November 2024 – 6 A 260/22 –, juris Rn. 10, v. 9. Mai 2016 – 4 A 26/16 –, juris Rn. 8). Dies ist der Zulassungsschrift nicht zu entnehmen.

Die Berufung dürfte auch nicht wegen eines Verfahrensmangels gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO in Gestalt der Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) zuzulassen gewesen sein. Voraussetzung einer begründeten Rüge der Versagung rechtlichen Gehörs ist die (erfolglose) vorherige Ausschöpfung sämtlicher verfahrensrechtlich eröffneten und nach Lage der Dinge tauglichen Möglichkeiten, sich rechtliches Gehör zu verschaffen. Daran fehlt es. Der ordnungsgemäß geladene Kläger hatte dem Gericht am Tag der mündlichen Verhandlung mitgeteilt, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen werde und die Nachfrage des Gerichts, ob er einen Verlegungsantrag stellen wolle, ausdrücklich verneint. Damit hat er sich selbst der Möglichkeit begeben, sich rechtliches Gehör zu verschaffen. Wäre er krankheitsbedingt verhandlungsunfähig gewesen, hätte das Gericht den Termin auf seinen begründeten Antrag verlegt, so dass er, auch wenn er das Hinweisschreiben vom 7. März 2024 erst am Samstag, den 9. März 2024, erhalten hätte, bis zu einem neuen Termin ausreichend Zeit gehabt hätte, sich zu der Formunwirksamkeit der Klage zu äußern. Wäre er nicht verhandlungsbedingt erkrankt gewesen, so hätte er durch Teilnahme an der mündlichen Verhandlung am 8. März 2024 im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage von der gerichtlichen Rechtsauffassung Kenntnis und die Möglichkeit zur Äußerung erhalten und ggf. Schriftsatznachlass beantragen können.

Von einer weiteren Begründung sieht das Gericht nach dem bei einer Kostenentscheidung gemäß § 161 Abs. 2 VwGO geltenden Grundsatz der Prozessökonomie ab.

Die Streitwertfestsetzung für das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht beruht auf § 47 Abs. und 2, § 52 Abs.1, § 63 Abs. 2 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

gez.: Drehwald