Urteil des Landgerichts Bonn, 5 S 18/19, vom 03.07.2019

Urteil des Landgerichts Bonn, 5 S 18/19, vom 03.07.2019

Zusammenfassung des Sachverhaltes:

Die Klägerin verlangte, im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage die Zwangsvollstreckung aus einem Teil-Anerkenntnis- und Teilurteil des Amtsgerichts Bonn vom 23.11.2017 für unzulässig zu erklären. In diesem Urteil wurde sie verurteilt, den Beklagten gemäß § 2314 BGB Auskunft über den Bestand des Nachlasses einer am 2010 verstorbenen Erblasserin zu erteilen, und zwar durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses. Die Klägerin legte ein solches Verzeichnis am 04.05.2018 vor, das jedoch aus Sicht der Beklagten offensichtlich unvollständig war. Im Vorfeld des Verfahrens beauftragte die Klägerin einen Notar mit der Erstellung des Nachlassverzeichnisses. Sie erteilte ihm eine Vollmacht, um Kontoauskünfte bei deutschen Kreditinstituten einzuholen. Die Beklagten bemängelten jedoch, dass der Notar wesentliche Nachforschungen nicht durchführte, da die Klägerin die Zustimmung zu spezifischen Ermittlungen verweigerte. Dazu gehörten unter anderem Anfragen bei bestimmten Banken im Ausland und automatisierte Kontendatenabrufe. Die Klägerin argumentierte, dass der Auskunftsanspruch der Beklagten durch das vorgelegte Verzeichnis vollständig erfüllt sei. Die Beklagten beantragten die Abweisung der Klage und verlangten eine Ergänzung der Nachforschungen. Sie begründeten dies mit konkreten Hinweisen auf ein Gemeinschaftskonto der Erblasserin, das im Nachlassverzeichnis nicht berücksichtigt wurde.

Zusammenfassung der Urteilsgründe:

Das Landgericht Bonn entschied, dass die Berufung der Beklagten begründet ist. Es stellte fest, dass der Auskunftsanspruch der Beklagten nach § 2314 Abs. 1 Satz 1 und 3 BGB nicht vollständig erfüllt wurde, da das vorgelegte notarielle Nachlassverzeichnis in wesentlichen Punkten unvollständig war. Die Klägerin hätte dem Notar die Zustimmung zu weiteren Ermittlungen erteilen müssen, insbesondere hinsichtlich eines bekannten Gemeinschaftskontos bei einer Bank. Das Gericht betonte, dass § 2314 BGB dem Pflichtteilsberechtigten umfassende Rechte einräumt, um die genaue Höhe seines Pflichtteilsanspruchs zu ermitteln. Ein notarielles Nachlassverzeichnis muss über die bloße Wiedergabe der Angaben des Auskunftspflichtigen hinausgehen. Der Notar ist verpflichtet, eigenständige Ermittlungen durchzuführen, sofern dies durch konkrete Anhaltspunkte gerechtfertigt ist. Der Verweis des Amtsgerichts auf die Möglichkeit einer eidesstattlichen Versicherung nach § 260 Abs. 2 BGB sei in diesem Fall unzutreffend, da diese erst nach einer ordnungsgemäßen und vollständigen Auskunft verlangt werden kann. Auch automatisierte Kontendatenabrufe könnten im Einzelfall erforderlich sein, wenn konkrete Hinweise auf relevante Vermögenswerte vorliegen.

Zusammenfassende Erläuterung der Urteilsgründe

1. Fragestellung:

Kann ein Auskunftsanspruch nach § 2314 BGB als erfüllt gelten, wenn das notarielle Nachlassverzeichnis nachweislich unvollständig ist?

Erwägungen:

Das Gericht führte aus, dass ein unvollständiges Nachlassverzeichnis nicht dem gesetzlich vorgesehenen Auskunftsanspruch genügt. Der Zweck des § 2314 BGB besteht darin, dem Pflichtteilsberechtigten eine genaue Kenntnis des Nachlasses zu verschaffen. Ein notarielles Nachlassverzeichnis, das keine eigenständigen Ermittlungen des Notars enthält oder durch fehlende Mitwirkung des Auskunftspflichtigen lückenhaft bleibt, erfüllt diese Anforderungen nicht.

Ergebnis:

Das vorgelegte Verzeichnis wurde als unzureichend bewertet, und der Auskunftsanspruch der Beklagten bestand fort.

2. Fragestellung:

Hätte die Klägerin dem Notar die Zustimmung zur Einholung weiterer Bankauskünfte erteilen müssen?

Erwägungen:

Das Gericht stellte fest, dass die Klägerin durch ihre Weigerung, bestimmte Ermittlungen zu ermöglichen, ihre Mitwirkungspflicht verletzte. Diese Pflicht umfasst auch die Zustimmung zu Anfragen bei Banken, wenn konkrete Anhaltspunkte für relevante Vermögenswerte vorliegen. Ohne diese Zustimmung konnte der Notar seiner Ermittlungspflicht nicht nachkommen.

Ergebnis:

Die Klägerin hätte dem Notar die Zustimmung zu den geforderten Ermittlungen erteilen müssen.

3. Fragestellung:

Ist ein automatisierter Kontendatenabruf gemäß § 802l ZPO erforderlich, um den Auskunftsanspruch zu erfüllen?

Erwägungen:

Das Gericht hielt fest, dass ein automatisierter Abruf nicht zwingend erforderlich ist, es sei denn, konkrete Hinweise auf nicht deklarierte Vermögenswerte bestehen. In diesem Fall hätten die Beklagten jedoch keine ausreichenden Beweise für weitere relevante Konten vorgelegt, weshalb ein solcher Abruf nicht notwendig war.

Ergebnis:

Ein automatisierter Kontendatenabruf wurde nicht als erforderlich angesehen.

4. Fragestellung:

Kann die Klägerin auf eine eidesstattliche Versicherung nach § 260 Abs. 2 BGB verwiesen werden?

Erwägungen:

Das Gericht argumentierte, dass eine eidesstattliche Versicherung erst verlangt werden kann, nachdem eine vollständige Auskunft vorliegt. Da das Nachlassverzeichnis unvollständig war, konnte diese Option noch nicht greifen.

Ergebnis:

Die Klägerin konnte nicht auf die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verwiesen werden.

5. Fragestellung:

Trägt die Klägerin die Verantwortung für die Unvollständigkeit des Nachlassverzeichnisses?

Erwägungen:

Das Gericht stellte fest, dass die Klägerin durch ihre Mitwirkungsverweigerung die Unvollständigkeit des Verzeichnisses verursacht hat. Die Pflicht zur umfassenden Mitwirkung ist ein zentraler Bestandteil des Auskunftsanspruchs.

Ergebnis:

Die Klägerin wurde für die Unvollständigkeit des Nachlassverzeichnisses verantwortlich gemacht, und der Auskunftsanspruch der Beklagten blieb bestehen.