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Kammergericht Berlin – Beschluss vom 20.08.2024 – Aktenzeichen 19 W 70-24

Entscheidung des Kammergerichts Berlin
vom: 20.08.2024
Aktenzeichen: 19 W 70/24
Zusammenfassung des Sachverhalts:
Im vorliegenden Fall geht es um die Erteilung eines Erbscheins nach dem Tod von Frau I… G… R…, geb. K…, die Mutter der Beteiligten zu 1. Die Beteiligte zu 2, die die Bundesrepublik Deutschland vertritt, beantragte im November 2023 einen Erbschein, da die Erblasserin und die Bundesrepublik Deutschland gemeinsam als Mitglieder einer ungeteilten Erbengemeinschaft bezüglich eines Grundstücks in Oderberg im Grundbuch eingetragen sind. Die Beteiligte zu 1, Tochter der Erblasserin, widersprach dem Antrag und argumentierte, dass weder ihre Mutter noch andere Familienangehörige Mitglieder einer solchen Erbengemeinschaft seien. Sie verwies darauf, dass ihre Mutter zu Lebzeiten auf ihr Erbe verzichtet habe und dies auch im Grundbuch vermerkt sei. Zudem seien dem Nachlassgericht neue Informationen bekannt, die eine Berichtigung des Grundbuchs erforderlich machen könnten.
Das Amtsgericht Charlottenburg stellte mit Beschluss vom 12.06.2024 die zur Erteilung des Erbscheins erforderlichen Tatsachen fest und wies den Vortrag der Beteiligten zu 1 zurück. Gegen diesen Beschluss legte die Beteiligte zu 1 Beschwerde ein und wiederholte ihre Argumentation, dass die Erblasserin nicht Mitglied einer Erbengemeinschaft gewesen sei und ein Erbverzicht vorliege. Sie bemängelte zudem, dass ihr weder das Nachlassgericht noch das Grundbuchamt erklären konnten, warum ihre Mutter weiterhin im Grundbuch stehe.
Im weiteren Verlauf des Beschwerdeverfahrens wurde von Seiten des Gerichts klargestellt, dass im Erbscheinsverfahren lediglich die Erbfolge nach der Erblasserin zu prüfen sei und nicht die Eigentumsverhältnisse am Grundstück. Die Antragsbefugnis der Beteiligten zu 2 wurde durch den vorgelegten Grundbuchauszug als ausreichend angesehen. Die Beteiligte zu 1 brachte weitere Einwände vor, unter anderem, dass die Bundesrepublik Deutschland bereits Alleineigentümerin des Grundstücks sei und es sich um einen Schreibfehler im Grundbuch handele. Das Gericht sah jedoch keine ausreichenden Nachweise für die Unrichtigkeit des Grundbucheintrags und verwies darauf, dass eine Grundbuchberichtigung in einem gesonderten Verfahren zu klären sei.
Zusammenfassung der Entscheidungsgründe:
Das Kammergericht Berlin wies die Beschwerde der Beteiligten zu 1 zurück und bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts Charlottenburg. Die Erbfolge nach der Erblasserin wurde von der Beteiligten zu 1 nicht bestritten, sodass sie als gesetzliche Alleinerbin anzusehen ist. Streitpunkt war allein die Antragsbefugnis der Beteiligten zu 2, die sich auf die Miteigentümerstellung der Erblasserin im Grundbuch stützte. Das Gericht stellte klar, dass für die Antragsbefugnis im Erbscheinsverfahren ein entsprechender Grundbuchauszug als Nachweis genügt. Die im Grundbuch eingetragene Erbengemeinschaft begründet eine gesetzliche Vermutung der Richtigkeit gemäß § 891 Abs. 1 BGB, solange keine konkreten Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder ein erfolgreiches Berichtigungsverfahren vorliegen.
Die Einwände der Beteiligten zu 1 gegen die Richtigkeit des Grundbucheintrags konnten im Rahmen des Erbscheinsverfahrens nicht berücksichtigt werden. Das Gericht verwies darauf, dass etwaige Fehler oder Unrichtigkeiten des Grundbuchs in einem separaten Grundbuchberichtigungsverfahren geltend zu machen sind. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens wurden der Beteiligten zu 1 auferlegt, und der Geschäftswert wurde auf die Wertgrenze bis 500 EUR festgesetzt. Insgesamt bestätigte das Gericht, dass die formalen Voraussetzungen für die Erteilung des Erbscheins vorlagen und die Beschwerde unbegründet war.
Tenor:
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 12.8.2024 (richtigerweise: 12.06.2024) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beteiligte zu 1 zu tragen.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf die Wertgrenze bis 500 EUR festgesetzt.
Begründung der Entscheidung:
I.
Die Beteiligte zu 1 wehrt sich gegen die Erteilung eines Erbscheins.
Am xx.xx.2021 verstarb Frau I… G… R…, geb. K… (im Folgenden. Erblasserin), die Mutter der Beteiligten zu 1.
Im November 2023 hat die Beteiligte zu 2 einen Erbscheinsantrag gestellt. Sie hat darin geltend gemacht, zur Antragstellung berechtigt zu sein, da die Erblasserin und die Bundesrepublik Deutschland, die durch die Beteiligte zu 2 vertreten werden, gemeinsam Mitglied einer ungeteilten Erbengemeinschaft bezüglich eines Grundstücks in der E…-T…-S… xx/xx (jetzt H…-S…-S… xx/xx) in Oderberg, eingetragen im Grundbuch von Oderberg, Blatt …, seien. Dies ergebe sich aus einem entsprechenden Grundbuchauszug (Anlage 1 auf Bl. 26 d.A.).
Der Ehemann der Erblasserin sei vorverstorben. Aus der Ehe sei ein Kind hervorgegangen, die Beteiligte zu 1, D… K… E… R…, geboren am xx.xx.x…. Der Erbschein solle die Beteiligte zu 1 als Erbin ausweisen.
Der Erbschein werde für die Klärung der Eigentumsverhältnisse an dem Grundstück benötigt. Das Grundstück habe einen Wert von 14.688 EUR, der Erblasserin stehe hiervon 1/120 zu.
Die Beteiligte zu 1 ist dem Erbscheinsantrag mit Schreiben vom 3.1.2024 entgegengetreten. Weder ihre Mutter noch andere Familienangehörige seien Mitglieder einer ungeteilten Erbengemeinschaft. Ihre Mutter habe zu Lebzeiten des verschollenen Bäckermeisters K… S… auf ihr Erbe verzichtet. Dies sei im Grundbuch als ungeteiltes Erbteil zu Gunsten des Rats der Stadt Oderberg auch so eingetragen worden. Inzwischen lägen dem Nachlassgericht in Eberswalde umfangreiche Informationen vor, die von der Beteiligten zu 2 abgefragt werden sollten, damit das Grundbuch berichtigt werden könne. Wenn hier von 2004 bis 2024 noch immer nicht eine Berichtigung des Grundbuchs erfolgt sei, so solle ihr mitgeteilt werden, wie sie hierbei weiterhelfen könne.
Mit Beschluss vom 12.6.2024 hat das Amtsgericht die zur Erteilung des beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Der Sachvortrag der Beteiligten zu 1 ändere daran nichts.
Der Beschluss ist der Beteiligten zu 1 am 20.6.2024 zugestellt worden. Mit Schreiben vom 24.6.2024 hat sie gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt. Sie wiederholt in der Beschwerde im Wesentlichen ihren Vortrag, dass die Erblasserin nicht Mitglied einer ungeteilten Erbengemeinschaft bezüglich des genannten Grundstücks gewesen sei, es liege ein Erbverzicht nach K… S… vor. Warum sie dennoch im Grundbuch stehe, habe ihr weder das Nachlassgericht noch das Grundbuchamt beantworten können.
Der Vorsitzende hat mit Verfügung vom 10.7.2024 folgenden Hinweis erteilt:
„Vorliegend ist vom Beschwerdesenat lediglich zu prüfen, ob der Erbschein zu Recht erteilt wurde. Durch den Erbschein wird die Erbfolge nach Frau I… R… ausgewiesen. Dass diese Erbfolge falsch dargestellt werde, machen Sie gar nicht geltend. Sie wollen lediglich verhindern, mithilfe des Erbscheins im Grundbuch eingetragen zu werden. Das aber ist hier im Erbscheinsverfahren gar nicht zu prüfen. Letztlich geht es Ihnen allein um die Frage, ob Ihre Mutter (und nunmehr Sie als Erbin) Miteigentümerin in ungeteilter Erbengemeinschaft an dem besagten Grundstück ist oder nicht. Dies spielt jedoch vorliegend keine Rolle.
Die Eigentumsfrage ist allein relevant für die Frage des Antragsrechts, weil nur ein Miteigentümer einer ungeteiligten Erbengemeinschaft befugt ist, einen Erbschein zu beantragen (vgl. Entscheidung des Senats vom 6.3.2018, 19 W 25/18). Das Antragsrecht ist vorliegend jedoch hinreichend durch den vorgelegten Grundbuchauszug belegt.
Gemäß § 891 Abs. 1 BGB wird vermutet, dass jemandem das Recht zusteht, wenn dies im Grundbuch eingetragen ist. Vorliegend ist die Erblasserin als Miteigentümerin in Erbengemeinschaft eingetragen. Diese Angabe ist nach § 47 Abs. 1 GBO vorgeschrieben. Ist das Rechtsverhältnis eingetragen, ist von der Richtigkeit nach § 891 Abs. 1 BGB auszugehen (vgl. Reetz in BeckOK, GBO, § 47 GBO Rn. 73; Demharter, GBO 33. A., § 47 GBO).
Diese Richtigkeitsvermutung gilt auch für das Nachlassverfahren, sofern nicht konkrete Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit des Eintrags nachgewiesen werden oder ein Berichtigungsverfahren nach § 22 GBO erfolgreich durchgeführt wurde. Soweit ersichtlich, haben Sie bislang keine Berichtigung des Grundbuchs beantragt. Nachweise, dass der Grundbucheintrag falsch ist, liegen hier auch nicht vor. Der von Ihnen vorgelegte Grundbuchauszug ist dafür ungenügend.
Aus diesen Gründen dürfte Ihre Beschwerde keine Erfolgsaussichten haben.
Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen einer Frist von drei Wochen. Eine Rücknahme der Beschwerde sollte erwogen werden. Die Frage der Richtigkeit des Eintrags sollten Sie im Grundbuchverfahren klären lassen, nicht jedoch hier im Erbscheinsverfahren.“
Die Beteiligte zu 1 hat daraufhin mit Schreiben vom 29.7.2024 behauptet, die Bundesrepublik Deutschland sei bereits Alleineigentümerin des Grundstücks, K… S… sei nie Eigentümer des Grundstücks gewesen. K… S… sei 1945 verschleppt und enteignet worden. Seine Ehefrau habe 1949 den Bäckereibetrieb übernommen und Pacht für das Grundstück gezahlt.
Mit Schriftsatz vom 2.8.2024 hat die Beteiligte zu 2 erwidert, dass zunächst der Bäckermeister K… S… als Alleineigentümer eingetragen gewesen sei. Aufgrund Erbscheins wurden dann 1965 dessen Erben eingetragen, darunter die Erblasserin, die bis heute als Miteigentümerin im Grundbuch verzeichnet sei.
Mit Schreiben vom 15.8.2024 macht die Beteiligte zu 1 zudem geltend, es gebe im Grundbuch einen Schreibfehler: Der K… S…, mit dem sie verwandt sei, stamme nicht aus Falkensee bei Berlin, sondern aus Oderberg. Es gebe aber einen K… S…, der dazu passen würde, nur sei die Beteiligte zu 1 (und die Erblasserin) mit diesem nicht verwandt.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat zu Recht die zur Erteilung des Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Die Erbfolge wird von der Beteiligten zu 1 auch gar nicht bestritten, sie ist offensichtlich die gesetzliche Alleinerbin der Erblasserin. Die Beteiligte zu 1 greift allein die Antragsbefugnis der Beteiligten zu 1 an, indem sie geltend macht, es gebe an dem Grundstück in Oderberg gar keine Erbengemeinschaft mit der Erblasserin. Mit diesem Einwand kann die Beteiligte zu 1 im Nachlassverfahren nicht durchdringen.
Grundsätzlich ist in entsprechender Anwendung des § 792 ZPO ein Miteigentümer eines Grundstücks berechtigt, einen Erbschein über den Nachlass eines verstorbenen Miteigentümers zu beantragen (vgl. nur Senatsbeschluss v. 6.3.2018, 19 W 25/18). Dies gilt auch für Mitglieder einer Erbengemeinschaft (Schmidt/Brinkmann in MüKo, ZPO 6. A., § 792 Rn. 3; Lackmann in Musielak/Voit, ZPO 21. A., § 792 Rn. 1). Als Nachweis für die Antragsbefugnis in Form der Miteigentümerstellung der Erblasserin ist es grundsätzlich erforderlich, aber auch auszureichend, einen entsprechenden Grundbuchauszug vorzulegen (vgl. Senatsbeschluss v. 6.3.2018, 19 W 25/18). Einen solchen Grundbuchauszug hat die Beteiligte zu 2 vorgelegt. Darin wird die Erblasserin neben der Bundesrepublik Deutschland als Miteigentümerin (in Form einer Erbengemeinschaft) ausgewiesen.
Soweit die Beteiligte zu 1 die Richtigkeit dieses Grundbucheintrags angreift, kann sie damit im Rahmen des Erbscheinsverfahrens nicht gehört werden. Auf den oben wiedergegebenen Hinweis des Vorsitzenden vom 10.7.2024 wird vollinhaltlich Bezug genommen.
Die Beteiligte zu 1 erleidet hierdurch auch keine Rechtsnachteile. Sofern sie weiterhin der Auffassung ist, dass die Erblasserin zu Unrecht als Miteigentümerin des Grundstücks ausgewiesen ist, kann sie dies durch ein gesondertes Grundbuchberichtigungsverfahren geltend machen oder als Einwand vortragen, sofern die Beteiligte zu 2 nunmehr die Beteiligte zu 1 in das Grundbuch eintragen lassen will. Es obliegt dann dem Grundbuchamt, diesen Einwand zu prüfen, bzw. der Beteiligten zu 1, ihren Einwand dem Gesetz entsprechend zu belegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
Der Beschwerdewert wird mangels anderweitiger Erkenntnisse mit einem 1/120 des Grundstückswertes angesetzt.