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LG Hamburg – Urteil vom 23.01.2025 – Az 319 O 119-24
Gericht: Landgericht Hamburg, 19. Zivilkammer
Aktenzeichen: 319 O 119/24
Entscheidung: 23.01.2025
Zusammenfassung des Sachverhaltes:
Im vorliegenden Fall macht die Klägerin, eine international tätige Erbenermittlerin, einen Honoraranspruch aus einem Erbenermittlungsvertrag gegen die Beklagte geltend. Die Beklagte ist Alleinerbin nach dem Tod ihrer Tante, Frau G. R. L. T., die am 4. Februar 2022 in Mailand (M.) verstorben ist. Die Klägerin wurde von einer italienischen Kooperationspartnerin um Unterstützung bei der Erbenermittlung in Deutschland gebeten, nachdem diese wiederum von einer italienischen Erbenermittlungsgesellschaft auf den Erbfall hingewiesen worden war.
Die Klägerin ermittelte die Beklagte als gesetzliche Erbin und kontaktierte sie am 11. März 2022. Nach einem Telefonat am 14. März 2022 kam es zu einem persönlichen Treffen, bei dem die Parteien eine Honorarvereinbarung unterzeichneten. Diese sah ein Erfolgshonorar von 20 % für einen Bevollmächtigten und 5 % zuzüglich Mehrwertsteuer (insgesamt 5,95 %) für die Klägerin vor, fällig mit Auszahlung der Erbschaft an die Erbin. Die Beklagte erteilte der Klägerin zudem eine Vollmacht zur Erbenermittlung und Nachlassabwicklung. Für die Abwicklung des Nachlasses in Italien wurde ein weiterer Bevollmächtigter, Herr F., eingesetzt, dem die Beklagte ebenfalls eine umfassende Vollmacht erteilte.
Im Juli 2022 wurde der Beklagten ein italienischer Erbschein erteilt. Im Januar 2023 erfuhr die Klägerin von einem erheblichen Bankvermögen der Erblasserin bei einer luxemburgischen Bank in Höhe von über 42 Millionen Euro. Kurz darauf widerrief die Beklagte sämtliche Vollmachten der Klägerin und warf dem Bevollmächtigten F. Pflichtverletzungen vor. Die Klägerin stellte daraufhin eine Teilrechnung über 5 % des Bankvermögens, insgesamt über 2,5 Millionen Euro, und forderte die Beklagte zur Zahlung auf. Die Beklagte wies die Forderung zurück und machte geltend, sie sei nicht ausreichend informiert worden, es bestünden Unklarheiten über den Nachlassbestand, und sie sei durch das Verhalten der Klägerin und des Bevollmächtigten F. geschädigt worden. Zudem erklärte sie den Widerruf und die Anfechtung der Honorarvereinbarung, da es sich um einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag gehandelt habe.
Die Klägerin behauptete, ihre Leistung sei vollständig und mangelfrei erbracht worden, die Beklagte habe alle Nachlassgegenstände erhalten und die Fälligkeit des Honorars sei eingetreten. Sie verlangte neben dem Honorar auch die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Die Beklagte bestritt die Fälligkeit des Honorars, verwies auf offene Nachlassabwicklungen, unklare Nachlassverzeichnisse, ausstehende Steuerfragen und laufende Rechtsstreitigkeiten in Italien. Sie hielt die Honorarvereinbarung für unwirksam und intransparent, insbesondere hinsichtlich der Rolle des Bevollmächtigten und der Berechnungsgrundlage.
Im schriftlichen Vorverfahren wurde die Beklagte zunächst durch Versäumnisurteil zur Zahlung verurteilt. Nach Einspruch und Akteneinsicht wurde die Zwangsvollstreckung eingestellt und der Rechtsstreit fortgeführt.
Zusammenfassung der Urteilsgründe:
Das Landgericht Hamburg hob das Versäumnisurteil auf und wies die Klage ab. Die Kammer stellte fest, dass der Honoraranspruch der Klägerin aus der Honorarvereinbarung vom 14.03.2022 derzeit nicht fällig ist. Nach dem Vertrag wird das Honorar erst mit Auszahlung der gesamten Erbschaft an die Erbin fällig. Die Klägerin konnte nicht substantiiert darlegen oder beweisen, dass der gesamte Nachlass an die Beklagte ausgezahlt oder auszahlungsreif ist. Ein Anspruch auf Teilzahlungen besteht nicht, da die Vereinbarung ausdrücklich eine Gesamtfälligkeit vorsieht und keine Regelung zu Abschlags- oder Teilzahlungen enthält. Auch aus dem Gesamtzusammenhang der Vereinbarung ergibt sich keine abweichende Regelung.
Die Klägerin konnte nicht nachweisen, dass die Beklagte alle Nachlassgegenstände, insbesondere den Versteigerungserlös aus Schmuck, den Verkaufserlös der Wohnung in Mailand oder andere Vermögenswerte, erhalten hat. Auch ein Nachlassverzeichnis oder eine Abrechnung, aus der sich der Nettonachlass ergibt, wurde nicht vorgelegt. Die Kammer betonte, dass die Klägerin für die Fälligkeit ihres Anspruchs darlegungs- und beweispflichtig ist.
Die Berufung der Klägerin auf Treuwidrigkeit der Beklagten wurde zurückgewiesen, da nicht ersichtlich ist, dass die Beklagte gezielt die Fälligkeit des Honorars verhindert hat. Es bestehen weiterhin werthaltige Nachlassgegenstände, aus denen die Klägerin ihr Honorar bedienen könnte. Auch hinsichtlich der Höhe des Anspruchs bestehen Bedenken, da die Klägerin nicht schlüssig dargelegt hat, dass der Nettonachlass den geforderten Betrag übersteigt.
Da die Hauptforderung nicht besteht, entfällt auch der Anspruch auf Zinsen und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Kosten folgt den gesetzlichen Vorschriften. Ein Berichtigungsbeschluss vom 17.02.2025 stellte klar, dass im Urteil die Worte „sämtlicher Passiva“ zu streichen sind, da die Klägerin nur von Nachlassverbindlichkeiten und ausländischer Erbschaftssteuer als Abzugspositionen gesprochen hatte.
Tenor:
I. Das Versäumnisurteil vom 19.06.2024 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Begründung der Entscheidung:
Die Klägerin macht einen Honoraranspruch aus einem Erbenermittlungsvertrag geltend.
Die Klägerin ist eine Erbenermittlerin, die weltweit Erben ermittelt, die zur Führung des Erbnachweises erforderlichen Unterlagen und Dokumente beschafft und als weitere Leistung regelmäßig auch die wirtschaftliche Abwicklung des Nachlasses übernimmt, in dem sie z. B. Konten auflöst, Verbindlichkeiten mit dem Kontovermögen tilgt und schließlich den Nachlass nach Abzug ihres Honorars an den Erben auskehrt. Befindet sich der Nachlass im Wesentlichen im Ausland, schaltet sie für die dortige Abwicklung des Nachlasses dritte Personen ein, die von den Erben bevollmächtigt werden.
Die Beklagte ist die Alleinerbin nach der am 4.02.2022 in M. verstorbenen Frau G. R. L. T. (im Folgenden: Erblasserin).
Die Klägerin war von einer italienischen Kooperationspartnerin um Unterstützung bei der Erbenermittlung in Deutschland gebeten worden. Die italienische Firma war ihrerseits von Herrn C. F. aus der Erbenermittlungsgesellschaft C. F. & A., M. auf den Erbfall hingewiesen und um Unterstützung bei der Ermittlung gebeten worden.
Die Klägerin ermittelte die Beklagte als nächste Angehörige und in Betracht kommende gesetzliche Erbin. Mit Schreiben vom 11.03.2022 gemäß Anlage K 1 wandte sich die Klägerin an die Beklagte. Am 14.03.2022 kam es zu einem Telefonat zwischen Herrn W. von der Klägerin und der Beklagten, dessen Inhalt streitig ist zwischen den Parteien. Die Beklagte begab sich sodann noch am selben Tag zu der ihr von Herrn W. genannten Adresse, C. in H., wo es zu einem Gespräch zwischen Herrn G. von der Klägerin und der Beklagten kam. Dort unterzeichneten die Parteien die gemäß Anlage K 2 zur Akte gereichte Honorarvereinbarung. In Ziffer 1. heißt es wörtlich: „Die H. B. AG, die mich als Erbin ermittelt hat, erhält für die Erbenermittlung aus meiner Erbschaft ein Erfolgshonorar. Dieses Honorar beträgt 20 % für den Bevollmächtigten sowie 5 % zuzüglich Mehrwertsteuer (derzeit insgesamt also 5,95 %) für die H. B. AG.“ In Ziffer 2. heißt es: ‚“Die Vergütung gemäß Ziffer 1. ist erst fällig mit Auszahlung der Erbschaft an die Erbin. Die H. B. AG ist bei Auszahlung der Erbschaft berechtigt, von der auszahlenden Stelle ihr Honorar im Sinne dieser Vereinbarung anzufordern bzw. einzuziehen. Zur Erfüllung des Honoraranspruchs tritt die Erbin hiermit ihren Anspruch auf Auszahlung ihrer Erbschaft in der in Ziffer 1. genannten Höhe an die H. B. AG ab. Die H. B. AG nimmt hiermit die Abtretung an.“ Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Anlage K 2 Bezug genommen.
Ebenfalls am 14.03.2022 unterzeichnete die Beklagte die Vollmacht gemäß Anlage K 3, in der sie die Klägerin unter anderem bevollmächtigte, „zum Zwecke der Erbenermittlung und anschließenden wirtschaftlichen Nachlassabwicklung alle erforderlichen Urkunden und Unterlagen zu beschaffen.“
Mit Schreiben vom 18.03.2022 gemäß Anlage K 4 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass es sich bei der Erblasserin um die Halbschwester ihrer Mutter handele und dass sie, um die Interessen der Beklagten in der Nachlasssache vertreten zu können, die beiliegende Vollmacht zu Gunsten des Herrn F. benötige. Die „Kosten des Bevollmächtigten“ seien in der vereinbarten Gebühr enthalten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 4 Bezug genommen.
Die Beklagte unterzeichnete die Vollmacht für Herrn F. am 21.03.2022, ihre Unterschrift wurde am selben Tag beglaubigt. Sie bevollmächtigte Herrn F. umfassend mit der Abwicklung des Nachlasses in M., unter anderem damit, den Nachlass und alle Versicherungen der Erblasserin „einzuholen und zu liquidieren“ und den Verkauf sämtlicher Vermögensgegenstände zu veranlassen. Wegen der Einzelheiten der Vollmacht wird auf die Anlage K 5 Bezug genommen.
Am 26.07.2022 wurde der Beklagten auf Veranlassung des Herrn F. von einem Notar in M., Herrn M. H. R. der als Anlage K 6 zur Akte gereichte Erbschein erteilt.
Am 18.11.2022 kam es zu einem Treffen der Beklagten mit Herrn G. von der Klägerin und Herrn F., bei dem Herr F. über den Bestand des Nachlasses berichtete (Schmuck, Wohnung der Erblasserin in M., Konten in M.).
Mit notarieller Urkunde vom 16.12.2022 erteilte die Beklagte Herrn Dr. K. B. L. die Vollmacht, sie in der Nachlasssache nach der Erblasserin gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten, befreite ihn von den Bestimmungen des § 181 BGB und räumte ihm das Recht ein, Nachlassgegenstände „in Erfüllung der Vereinbarung über eine Zuwendung gemäß § 29 ErbStG auf die W. und W. B. Stiftung zu übertragen.“ Laut Ziffer II. der Urkunde ist die Vollmacht bis zum 31.12.2025 unwiderruflich. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 7 Bezug genommen.
Am 16.01.2023 erlangte die Klägerin Kenntnis davon, dass es zusätzlich zu den Vermögenswerten in M. ein Bankvermögen der Erblasserin bei der D. Bank L. S.A. im Wert von € 42.535.441,29 zum 6.12.2022 gab.
Mit Schreiben vom 20.01.2023 widerrief Herr Dr. L. im Namen der Beklagten „sämtliche Banken- und sonstigen Vollmachten“ der Klägerin. Er behauptete der Klägerin gegenüber gravierende Pflichtverletzungen des Herrn F.. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 8 Bezug genommen.
Am 14.04.2023 teilte die D. Bank L. der Klägerin auf Nachfrage mit, dass das dort für die Erblasserin verwahrte Bankvermögen übertragen und das dortige Konto und Depot geschlossen worden seien.
Mit Schreiben vom 19.04.2023 stellte die Klägerin gegenüber der Beklagten eine Teilrechnung für ihre Vergütung in Höhe von 5 % des Vermögens von € 42.535.441,29 bei der D. Bank L., mithin € 2.126.772,06 plus 19 % Mehrwertsteuer in Höhe von € 404.086,69, insgesamt also in Höhe von € 2.530.858,75. Sie teilte der Beklagten mit, dass sich ihre Bearbeitungsgebühr berechne nach Abzug der ausländischen Erbschaftssteuer und bat die Beklagte, ihr – der Klägerin – entsprechende Nachweise zur Verfügung zu stellen, sollte sie in L. Erbschaftssteuer bezahlt haben, damit sie – die Klägerin – dies bei der Berechnung der Gebühr berücksichtigen könne.
Mit Schreiben vom 12.05.2023 forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung des Betrags bis zum 31.05.2023 auf.
Mit Schreiben vom 27.06.2023, Anlage K 11, wies Herr Dr. L. die Forderung zurück und beklagte diverse Unregelmäßigkeiten bei der Nachlassabwicklung.
Mit Schreiben vom 3.07.2023 gemäß Anlage K 12 wies die Klägerin darauf hin, dass sie ihre Leistung mangelfrei erbracht habe und sie die Beklagte wegen des Widerrufs der Vollmacht nicht bei der Nachlassabwicklung unterstützen könne.
Mit Rechtsanwaltsschreiben vom 30.08.2023 erklärte die Beklagte den Widerruf ihrer auf Abschluss der Honorarvereinbarung gerichteten Willenserklärung gemäß § 312 g BGB mit der Begründung, es handele sich um einen außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Vertrag. Zudem erklärte sie die Anfechtung ihrer Willenserklärung. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage B 3 Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 10.01.2024 gemäß Anlage K 18 wandten sich die Prozessbevollmächtigten der Klägerin an die Prozessbevollmächtigten der Beklagten.
Die Klägerin trägt Folgendes vor: Ihr stehe das Erfolgshonorar für die Erbenermittlung in Höhe von 5,95 % zu. Für die Beklagte sei klar erkennbar gewesen, welche Vertragsleistung ihr – der Klägerin – oblegen habe und dass diese zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits erbracht gewesen sei. Sie habe den kausalen Beitrag zur Ermittlung der Beklagten geleistet, diese habe nur auf diesem Weg von ihrer Erbenstellung erfahren. Die Bemessungsgröße für ihre endgültige Honorarforderung gehe eindeutig aus der Honorarvereinbarung hervor, Honorar „aus“ der Erbschaft bedeute, dass der um die Nachlassverbindlichkeiten bereinigte Nachlass maßgeblich sein sollte. Auch die in Ziffer 2. der Honorarvereinbarung vorgesehene Fälligkeitsvoraussetzung sei bereits eingetreten, da die Auszahlung der Erbschaft erfolgt sei, das bei der D. Bank L. verwahrte Nachlassvermögen sei bereits Anfang 2023 ausgezahlt worden. Der Beklagten seien die genauen Vertragsverhältnisse und Bestimmungen, die Arbeitsweise und Tätigkeiten der Klägerin, sowohl von Herrn W. als auch von Herrn G., mehrfach sorgfältig erläutert worden. Ihre damaligen Geschäftsräume an der Adresse C. seien durch eine deutliche Beschilderung gekennzeichnet gewesen, wie sich aus den Bildern gemäß Anlage K 21 ergebe. Auf der Straßenseite sei neben der Glastür ein großes Namensschild angebracht gewesen, das mit ihrem Logo und Namen versehen gewesen sei, zusätzlich habe es zahlreiche weitere Beschilderungen mit ihrem Namen und Logo gegeben (Klingelschild, Schilderbaum im Foyer des Erdgeschosses, Beschilderung im Fahrstuhl, großflächige Folie an der gläsernen Zugangstür der Geschäftsräume). Herr G. habe sich als ihr Mitarbeiter vorgestellt und der Beklagten eine entsprechende Visitenkarte übergeben. Am 14.03.2022 seien eine Reihe von ihren Mitarbeitern vor Ort gewesen. Die Adresse C. habe sich auch auf ihrer Werbebroschüre befunden, wie sich aus der Anlage K 20 ergebe. Herr G. sei mit der Beklagten die Honorarvereinbarung Punkt für Punkt durchgegangen und habe ihr den Inhalt erläutert sowie den Umstand, dass sie – die Klägerin – mit Erbenermittlern im Ausland zusammen arbeite. Sie habe der Beklagten auch mehrfach erläutert, dass nicht nur sie, sondern auch ein weiterer Bevollmächtigter für die Beklagte tätig werden würde. Das habe die Beklagte auch der gesondert Herrn F. erteilten Vollmacht entnehmen können. Die Beklagte und ihr anwesender Sohn hätten mehrere Fragen gestellt. Sie habe ihren Honoraranspruch bisher auf das Bankvermögen bei der D. Bank L. beschränkt, der vollständige Nachlass dürfte weitaus höher sein, selbst nach Abzug aller Verbindlichkeiten. Aus der Honorarvereinbarung ergebe sich auch ein Anspruch auf Teilzahlungen. Es obliege der Beklagten, nachzuweisen, dass es konkrete Verbindlichkeiten gebe, die den Wert des Nachlasses schmälerten und ihren – der Klägerin – Anspruch minderten. Ihr Recht, Teilzahlungen auf ihr Honorar zu verlangen, ergebe sich aus dem Gesamtzusammenhang des Regelungsgehalts der Ziffern 1. und 2. der Honorarvereinbarung. Die Beklagte habe ihr in Ziffer 2. Satz 2 ausdrücklich das Recht eingeräumt „von der auszahlenden Stelle ihr Honorar im Sinne dieser Vereinbarung anzufordern bzw. einzuziehen.“ Vor dem Hintergrund, dass es keinen einzelnen Zeitpunkt einer „Auszahlung der Erbschaft“ sondern eine Vielzahl von Zeitpunkten gebe, zu denen Nachlassgegenstände verschiedenster Art an den Erben ausgekehrt würden, ergebe sich, dass die Parteien sich darauf geeinigt hätten, dass ihr das Recht zustehe, bei der schrittweisen Auskehrung von einzelnen Nachlassgegenständen ihr auf den zu übertragenden Nachlassgegenstand entfallendes Honorar unverzüglich geltend zu machen. Herr W. und Herr G. hätten zudem der Beklagten im Rahmen der Gespräche erläutert, dass eine Auskehrung von Nachlassgegenständen an den Erben schrittweise erfolge und Herr G. habe zusätzlich gesagt, dass das Honorar teilweise entnommen werden dürfe. Selbst wenn man als Erfordernis für die Fälligkeit die vollständige Abwicklung der Erbschaft verlangen würde, wäre die Beklagte dafür darlegungs- und beweispflichtig, dass diese immer noch nicht erfolgt sei. Alle unstreitig vorhandenen Nachlassgegenstände hätte die Beklagte erhalten, sie habe Zugriff auf das Nachlassvermögen bei der D. Bank L. nehmen können, sie habe Zugang zu der Nachlassimmobilie in M., sie habe sich entschieden, den Schmuck versteigern zu lassen und nach ihren eigenen Angaben habe Herr F. versucht, ihr Kunst- und Wertgegenstände zu übergeben, deren Entgegennahme sie verweigert habe. Stichhaltige Anhaltspunkte für weiteres Nachlassvermögen bestünden nicht. Der Beklagten sei es zudem unter dem Gesichtspunkt der Treuwidrigkeit versagt, sich hinsichtlich des Nachlassvermögens bei der D. Bank L. auf eine mangelnde Fälligkeit des Honoraranspruch zu berufen. Sie könne sich nicht auf eine fehlende Fälligkeit berufen und sich zugleich durch die Übertragung des erhaltenen Nachlassvermögens mittellos machen und keine Anstalten unternehmen, die weitere Nachlassabwicklung voran zu treiben, nach dem sie ihr – der Klägerin – durch den Widerruf der erteilten Vollmacht jegliche Einflussmöglichkeit hierauf genommen habe. Nach ihren eigenen Angaben habe die Beklagte Vermögenswerte von ca. € 43.000.000,00 auf die W. und W. B. Stiftung übertragen. Die Beklagte schulde ihr zudem die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von € 18.416,44. Es sei hier eine 1,5 Geschäftsgebühr in Höhe von € 15.456,00 gerechtfertigt. Bei dem übertragenen Mandat zur Geltendmachung des Honoraranspruchs habe es sich um eine umfangreiche und schwierige Sache gehandelt. Es sei der umfangreiche Schriftverkehr der Beteiligten über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr durchzusehen und insbesondere die Rechtsprechung zu den Anforderungen an Honorar- forderungen von Erbenermittlern umfassend zu prüfen gewesen. Sodann sei ein schriftlicher Austausch mit der außergerichtlichen rechtsanwaltlichen Vertretung der Beklagten erfolgt.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1. € 2.530.858,75 samt Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.06.2023 und 2. € 18.416,44 samt Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltsgebühren zu zahlen.
Die Klage ist der Beklagten unter der Anschrift B. Straße in H. zugestellt worden.
Mit Versäumnisurteil vom 19.06.2024 im schriftlichen Vorverfahren ist die Beklagte antragsgemäß verurteilt worden. Das Versäumnisurteil ist der Beklagten am 22.06.2024 unter der Anschrift S. Landstraße in H. zugestellt worden.
Mit Schriftsatz vom 28.06.2024 hat die Beklagte Einspruch eingelegt und nach Akteneinsicht darauf hingewiesen, dass sie die Klage nicht erhalten hat, weil sie nur bis zum 30.12.2023 in der B. Straße gewohnt habe.
Mit Beschluss vom 22.07.2024 hat die Kammer die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil ohne Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt.
Die Klägerin beantragt nunmehr, das Versäumnisurteil vom 19.02.2024 aufrecht zu erhalten.
Die Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Sie trägt Folgendes vor: Die Honorarvereinbarung sei nicht wirksam. Sie sei Rentnerin und in geschäftlichen und rechtlichen Dingen vollständig unerfahren. In dem Telefonat am 14.03.2022 sei ihr lediglich mitgeteilt worden, dass sie sich bei Herrn Stefan G., einem weiteren Prokuristen der Klägerin, in den C. melden solle. Für sie sei nicht erkennbar gewesen, dass es sich um Geschäftsräume der Klägerin gehandelt habe. Herr G. habe sie nicht über die Hintergründe und Tragweite der ganzen Angelegenheit informiert, er habe sie wortreich und drängend aufgefordert, die Unterschrift zu leisten. Ihr sei nicht erläutert worden, um wen es sich bei dem in der Vereinbarung genannten Bevollmächtigten gehandelt habe und was für eine Funktion dieser gehabt habe. Die Klägerin habe den Wert des Nachlasses mit ca. € 3.000.000,00 angegeben, diese Bezifferung habe eindeutig neben der Sache gelegen. Die Klägerin habe den tatsächlichen Wert verschleiert, allein die Wohnung in M. habe einen Wert von € 11.000.000,00. Der Notar H. R. habe sie am 4.01.2023 informiert, dass Herr F. die Wohnung der Erblasserin in M. weit unter Wert verkaufen wolle. Der Verkaufspreis der Wohnung liege weit unterhalb der Marktbewertung. Herr F. sei am 19.12.2022 überraschend in H. erschienen und habe ihr den zuvor auf Fotos gezeigten Schmuck teilweise ausgehändigt. Ein Containergebinde habe sie wegen Platzmangels und Überraschung über die unangekündigte Lieferung nicht angenommen und die Fracht zurückgewiesen. Der Verbleib der darin befindlichen Gegenstände sei unklar. Sie werde in M. in einem Klagverfahren des Herrn F. auf Zahlung von € 9.777.088,00 in Anspruch genommen. Der von Herrn F. herangezogene Käufer der Wohnung, Herr D., verklage sie auf Herausgabe der Wohnung. Sie sei von der Klägerin nicht hinreichend über die Vorgänge in M. informiert und dem schädigendem Verhalten dubioser Personen ausgesetzt worden, die sich am Nachlass bereichert hätten. Ein Nachlassverzeichnis sei ihr nicht vorgelegt worden. Unklar sei, welche Nachlassforderungen zu besorgen seien. Sie werde derzeit mit Forderungen auf Zahlung rückständiger Mieten in Höhe von ca. € 30.000,00 hinsichtlich eines Appartements in der A.-Straße in H. überzogen. Auch stehe die Höhe der Steuerlast nicht fest. Zum Teil seien Schmuckstücke durch Herrn F. versteigert worden, sie habe den Versteigerungserlös nicht bekommen. In der Wohnung in M. befindliche Aktien und Wertpapiere seien verschwunden. Die Formulierung in der Honorarvereinbarung „dieses Honorar beträgt 20 % für den Bevollmächtigten sowie 5 % zuzüglich Mehrwertsteuer für die H. B. AG“ sei nicht hinreichend deutlich. Sie enthalte eine nicht erklärliche und unverständliche Formulierung zu Gunsten eines nicht am Vertrag Beteiligten, so dass sie gemäß § 307 BGB als nichtig anzusehen sei. Es handele sich bei der Vereinbarung um Allgemeine Geschäftsbedingungen der Klägerin. Ihr sei unklar gewesen, wer der Bevollmächtigte sei und wer diesen ominösen Dritten bevollmächtigt habe oder bevollmächtigen werde. Eine etwaige Forderung der Klägerin sei nicht fällig. Die Verfügung über den Betrag bei der D. Bank L. stelle nicht die Erbschaft dar. Diese bestehe noch aus weiteren Bestandteilen. Zudem berechne sich das Honorar der Klägerin nach Abzug der ausländischen Erbschaftssteuer, worauf die Klägerin in ihrem Schreiben gemäß Anlage K 9 selbst hingewiesen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Der Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 19.06.2024 ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die zulässige Klage ist unbegründet.
- Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung eines Betrags in Höhe von € 2.530.858,75 aus der Honorarvereinbarung vom 14.03.2022 gemäß Anlage K 2. Ein etwaiger Honoraranspruch der Klägerin ist derzeit nicht fällig. Gemäß Ziffer 2. der Honorarvereinbarung gemäß Anlage K 2 wird die Vergütung erst fällig „mit Auszahlung der Erbschaft an die Erbin“. Dies ist dahingehend zu verstehen, dass das Honorar erst dann fällig wird, wenn der gesamte Nachlass an die Beklagte ausgezahlt ist oder wenn zumindest Auszahlungsreife des gesamten Nachlasses gegeben ist. Dass dies der Fall ist, hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin weder substantiiert dargelegt noch unter Beweis gestellt. Ein Anspruch der Klägerin auf Teilzahlung besteht nicht. In der von der Klägerin formulierten Honorarvereinbarung ist die Rede von dem Erfolgshonorar, dem Honorar, der Vergütung. Von Abschlagszahlungen, Anzahlungen oder Teilzahlungen ist entgegen der Ansicht der Klägerin gerade nicht die Rede. Im Gegenteil soll das Honorar, die Vergütung insgesamt mit Auszahlung der Erbschaft an die Beklagte fällig werden. Teilzahlungen des Schuldners sind nach § 266 BGB in der Regel nicht statthaft. Die Parteien haben eine abweichende Regelung nicht getroffen, sie haben keine Teilzahlungen vereinbart. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht aus dem Regelungsgehalt der Sätze 2 bis 4 der Ziffer 2. der Honorarvereinbarung. Wenn es in Satz 2 Ziffer 2. heißt, die Klägerin sei „bei Auszahlung der Erbschaft berechtigt, von der auszahlenden Stelle ihr Honorar im Sinne dieser Vereinbarung anzufordern bzw. einzuziehen“, so lässt dies gerade keinen Rückschluss auf die Vereinbarung von Teilzahlungen zu. Es ist nämlich nicht die Rede von mehreren „auszahlenden Stellen“, sondern von der auszahlenden Stelle. Für die Beklagte als Vertragspartnerin entsteht bei der Lektüre dieser Passage die Vorstellung, dass ihr die Erbschaft/ der Nachlass von einer „Stelle“ ausgezahlt wird und das Honorar der Klägerin im Zuge der Auszahlung abgezogen/ einbehalten wird. Die Vorstellung einer abschnittsweisen Zahlung durch Einbehalt von Teilbeträgen entsteht gerade nicht.
Selbst wenn Herr W. und Herr G. – wie die Klägerin behauptet – der Beklagten im Rahmen der Gespräche erläutert hätten, dass eine Auskehrung von Nachlassgegenständen an den Erben schrittweise erfolge und Herr G. zusätzlich gesagt hätte, dass das Honorar teilweise entnommen werden dürfe, so folgt aus diesen einseitigen Erklärungen keine Einigung der Parteien über Teilzahlungen. Selbst wenn die Klägerin sich in Ziffer 2. der Honorarvereinbarung das Recht vorbehalten hätte, jeweils 5,95 % von jedem einzelnen Nachlasswert einzubehalten, dessen Auszahlung an die Beklagte erfolgt, würde daraus kein Anspruch der Klägerin resultieren, im Falle der vollständigen Auskehr an die Beklagte ohne entsprechenden Einbehalt der Klägerin die Zahlung eines Honorars in Höhe von 5,95 % des ausgekehrten Betrags zu verlangen. Eine solche Teilzahlungspflicht der Beklagten besteht mangels vertraglicher Vereinbarung gerade nicht. Soweit die Klägerin behauptet, die Beklagte habe alle Nachlassgegenstände erhalten, so ist diese Behauptung weder hinreichend substantiiert, noch hat die Klägerin hierfür Beweis angeboten. Die Klägerin ist daher für ihre diesbezügliche Behauptung bereits darlegungsfällig geblieben. Wie bereits dargelegt, ist die Auszahlung/ Übertragung des Nachlasses Voraussetzung für die Fälligkeit eines etwaigen Honoraranspruchs der Klägerin. Für diesen anspruchsbegründenden Umstand ist sie darlegungs- und beweispflichtig. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass die Beklagte den Versteigerungserlös aus dem Schmuckverkauf erhalten hat. Die Klägerin hat auch nicht dargelegt, dass die Wohnung der Erblasserin in M. verkauft und der Kaufpreis an die Beklagte ausgezahlt worden ist oder dass die Beklagte als Eigentümerin der Wohnung in M. im dortigen Grundbuch eingetragen worden wäre. Auch hat die Klägerin nicht dargelegt, dass es keine weiteren Nachlassgegenstände wie Möbel, Kunstwerke und Bankkonten in M. gibt. Es dürfte der Klägerin ohne Weiteres möglich sein, Auskünfte über den Bestand des Nachlasses bei ihrem Kooperationspartner, Herrn F. einzuholen, den sie der Beklagten als Vertragspartner für die Abwicklung des Nachlasses in M. angedient hatte. Auch dürfte der Klägerin ein diesbezüglicher Auskunftsanspruch gegen die Beklagte zustehen. Die bloße Behauptung, der Nachlass sei vollständig an die Beklagte ausgekehrt, genügt insoweit nicht.
Soweit die Klägerin meint, die Berufung der Beklagten auf die fehlende Fälligkeit sei treuwidrig, so ist dem nicht zu folgen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte gezielt den Eintritt der Fälligkeit der Honorarforderung der Klägerin verhindert, indem sie die Auskehr des Nachlasses verweigert. Auch stehen im Hinblick auf die Vermögenswerte in M. noch hinreichend werthaltige Nachlassgegenstände zur Verfügung, aus denen die Honoraransprüche der Klägerin bedient werden könnten. Schließlich bestehen auch Bedenken hinsichtlich der Höhe des geltend gemachten Anspruchs. Auch nach ihrem eigenen Vortrag hat die Klägerin lediglich einen Honoraranspruch in Höhe von 5,95 %, bezogen auf den Nettonachlass nach Abzug sämtlicher Passiva, sämtlicher Nachlassverbindlichkeiten und ausländischen Erbschaftssteuern. Dass sich hieraus ein Betrag in Höhe von mindesten € 2.530.858,75 ergibt, hat die Klägerin ebenfalls nicht schlüssig dargelegt. Auch hierfür wäre die Vorlage eines Bestandsverzeichnisses oder ein entsprechender substantiierter Vortrag erforderlich, aus dem sich ergibt, dass der „Nettonachlass“ den Betrag in Höhe von € 42.535.441,29 übersteigt. Es existiert keine irgendwie geartete Abrechnung oder Aufstellung des Nachlasses, die die Beklagte in die Lage versetzen würde, die Berechtigung der Höhe des von der Klägerin verlangten Betrags zu prüfen.
- Der geltend gemachte Zinsanspruch und der Anspruch auf Zahlung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten entfallen mit der Hauptforderung.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Eine Auferlegung der Versäumniskosten auf die Beklagte gemäß § 344 ZPO scheidet aus, da das Versäumnisurteil vom 19.06.2024 nicht in gesetzlicher Weise ergangen ist, da es an einer wirksamen Zustellung der Klage nebst Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens an die Beklagte fehlte. Insoweit wird auf die Gründe des Beschlusses vom 22.07.2024 Bezug genommen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
Berichtigungsbeschluss vom 17. Februar 2025
Das Urteil des Landgerichts Hamburg – Zivilkammer 19 – vom 23.01.2025 wird auf Seite 10 der Entscheidungsgründe, dort im letzten Absatz, dahin berichtigt, dass die Worte „sämtlicher Passiva“ gestrichen werden.
Gründe:
Das Urteil ist gemäß § 320 ZPO zu berichtigen. § 320 ZPO ist auch dann anwendbar, wenn tatsächliches Vorbringen der Parteien in den Entscheidungsgründen wiedergegeben wird. Es liegt auch eine Unrichtigkeit im Sinne des § 320 ZPO vor, die Klägerin hat nicht von abzuziehenden Passiva gesprochen, sondern nur davon, dass die Parteien sich einig waren, dass der um die Nachlassverbindlichkeiten bereinigte Nachlass für das Honorar maßgeblich sein sollte und dass zudem ausländische Erbschaftssteuern abzuziehen sind.