Nachtarbeitszuschläge bei Dauernachtarbeit _ Bundesarbeitsgericht (BAG) Urteil vom 25.05.2022, Az._ 10 AZR 230_19 - Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht Katharina Willerscheid - Köln

Dauernachtarbeit Nachtzuschlag Pflege | Bundesarbeitsgericht (BAG) Urteil vom 25.05.2022, Az.: 10 AZR 230/19

(Dauernachtarbeit Nachtzuschlag Pflege)

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25.05.2022

Aktenzeichen: 10 AZR 230/19

(Dauernachtarbeit Nachtzuschlag Pflege)

Kurze Zusammenfassung der Entscheidung

In diesem Verfahren hat unsere Kanzlei die Klägerin vor dem Bundesarbeitsgericht vertreten. Ziel der Klägerin war es, einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 30% statt der vertraglich vereinbarten 20% zu erhalten.

Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 25.5.2022 entschieden, dass die Dauernachtarbeit im Pflegebereich, die durch entsprechend gestaltete Arbeitszeitmodelle, z.B. durch ein Wechselschichtmodell, verhindert werden kann, bei der Bemessung des angemessenen Nachtarbeitszuschlags berücksichtigt werden muss. In diesen Fällen sei daher in der Regel ein Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 30 % gerechtfertigt.

Die Klägerin ist Krankenschwester, die in einer von der Beklagten betriebenen stationären Wohneinrichtung für schwerbehinderte Menschen ausschließlich als Dauernachtwache tätig ist. In ihrem Arbeitsvertrag ist ein Nachtarbeitszuschlag von 20 % vereinbart. Tarifvertragliche Ausgleichregelungen für die Nachtarbeit bestehen nicht.

Die Klägerin hat auf Feststellung geklagt, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 30 % zu zahlen. Die Beklagte hat dies abgelehnt. Sie war der Ansicht, dass der Klägerin kein höherer Nachtarbeitszuschlag zustehe, da die Nachtarbeit in der Wohneinrichtung nicht vermeidbar sei.

Die Beklagte hatte zunächst beim Landesarbeitsgericht Köln Erfolg. Das LAG Köln hatte sich der Auffassung der Beklagten angeschlossen und die Klage der Klägerin abgewiesen. Das Bundesarbeitsgericht hat die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts jedoch aufgehoben, da das Landesarbeitsgericht nicht berücksichtigt hat, dass die Dauernachtarbeit in dem konkreten Fall vermeidbar war. Der Arbeitgeber sei verpflichtet, und habe es auch in der Hand, die mit der Nachtarbeit verbundenen Belastungen durch entsprechende Arbeitszeitmodelle, z.B. durch die Einführung eines Wechselschichtmodels, zu verringern. Dadurch sei die durch die Dauernachtarbeit verbundene Belastung für den Arbeitnehmer vermeidbar. In seiner Entscheidung stellt das Bundesarbeitsgericht klar, dass die Vermeidbarkeit der Dauernachtarbeit bei der Ermittlung des angemessenen Nachtarbeitszuschlags zu berücksichtigen sei. In diesen Fällen sei regelmäßig ein Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 30 % gerechtfertigt. Da im vorliegenden Fall das Landesarbeitsgericht dies nicht berücksichtigt hat, wurde die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

(Dauernachtarbeit Nachtzuschlag Pflege)

Tenor:

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 4. Oktober 2018 – 7 Sa 979/17 – aufgehoben, soweit das Landesarbeitsgericht unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 27. Oktober 2017 – 17 Ca 8519/16 – teilweise abgeändert und die Klage hinsichtlich der Anträge zu 1. und 2. vollständig abgewiesen hat.

2. Insoweit wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Urteilsgründe:

Tatbestand:

Die Parteien streiten in der Revision noch über die Höhe eines angemessenen Zuschlags für Nachtarbeit.

Die Beklagte betreibt stationäre Wohneinrichtungen für schwerbehinderte Menschen. Sie ist gesetzlich verpflichtet, zur Leistung des konkreten Betreuungsbedarfs der Bewohnerinnen und Bewohner mindestens eine geeignete Fachkraft im Nachtdienst einzusetzen.

Die Klägerin ist dort seit dem 22. Juli 2003 als “Mitarbeiter im Betreuungsdienst (Nachtwache) mit der Qualifikation Krankenschwester” tätig. Im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 30. September 2014 heißt es auszugsweise:

“§ 4 Vergütung

2. Leistet der Arbeitnehmer Nacht-, Sonntags- oder Feiertagsarbeit, werden ihm für jede Stunde folgende Zuschläge gewährt:

Für Nachtarbeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes

20 %

Für Sonntagsarbeit

25 %

Für Arbeit an gesetzlichen Feiertagen,

die nicht auf einen Sonntag fallen

35 %

Für Arbeit am 24. Dezember und

am 31. Dezember jeweils ab 12 Uhr

35 %.

Beim Zusammentreffen mehrerer Zuschläge wird jeweils nur der höchste Zuschlag gewährt.

Die Arbeitgeberin kann wählen, ob sie die jeweiligen Zuschläge in Geld oder Freizeit ausgleicht. Bei einem finanziellen Ausgleich werden die Zuschläge mit der Gehaltsabrechnung für den übernächsten Monat bezahlt.

…”

Die Klägerin leistet ihre Arbeit bei der Beklagten ausschließlich in der Nacht. Während sie in der einen Woche durchgehend Nachtdienste erbringt, ist sie in der darauffolgenden Woche zu einer Arbeitsleistung nicht verpflichtet. Im Zeitraum von September bis November 2016 leistete die Klägerin insgesamt 280 Nachtarbeitsstunden. Für diese erhielt sie zusätzlich zu ihrem Stundenlohn je Zeitstunde den vertraglich vereinbarten Nachtarbeitszuschlag iHv. 20 %.

Eine tarifvertragliche Ausgleichsregelung für Nachtarbeit findet im Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung. Nach Ziff. 7 einer per Spruch der Einigungsstelle zustande gekommenen Betriebsvereinbarung “Regelung der betrieblichen Vergütungsordnung (BV Vergütungsordnung)” sind mit Wirkung ab dem 1. März 2020 – neben ggf. sonst anfallenden Zuschlägen – für Nachtarbeit für die Zeit von 21:00 Uhr bis 06:00 Uhr Zuschläge iHv. 20 % zu zahlen.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe wegen der geleisteten Dauernachtarbeit ein Nachtarbeitszuschlag iHv. 30 % zu. Sie sei während der von ihr geleisteten Nachtarbeit durchgehend voll beschäftigt gewesen. Der Umstand, dass die Tätigkeit zwingend nachts ausgeführt werden müsse, könne nicht dazu führen, dass der Nachtarbeitszuschlag zu reduzieren sei. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass in ihrem Fall zumindest ihre dauerhafte Beschäftigung während der Nachtzeit vermeidbar sei.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

1. Die Beklagte zu verurteilen, für die Monate September, Oktober und November 2016 an sie einen weiteren Nachtarbeitszuschlag iHv. insgesamt 464,80 Euro brutto zu zahlen;

2. Festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr für die ab dem 1. Dezember 2016 geleistete Nachtarbeit wahlweise einen Nachtarbeitszuschlag iHv. 30 % des Bruttostundenlohns für jede zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr geleistete Arbeitsstunde zu zahlen oder ihr in gleichem Umfang bezahlte freie Tage zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, der Klägerin stehe kein höherer Nachtarbeitszuschlag zu. Im Rahmen der Angemessenheit sei zu berücksichtigen, dass für sie die Nachtarbeit wegen der in § 21 Abs. 3 Satz 2 Wohn- und Teilhabegesetz Nordrhein-Westfalen (WTG-NRW) normierten Verpflichtung nicht zu vermeiden sei. Vergleichbaren Arbeitnehmern in Pflege- und Betreuungseinrichtungen des öffentlichen Dienstes stehe nach § 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b TVöD-B auch (nur) ein Nachtarbeitszuschlag iHv. 20 % zu. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Tätigkeit der Klägerin in der Nachtzeit auch durch Zeiten minderer Beanspruchung gekennzeichnet sei. In einer durchschnittlichen Nachtschicht fielen bei acht Stunden Nettoarbeitszeit 2,37 Stunden Arbeitsbereitschaft an.

Das Arbeitsgericht hat der Klage zum Teil stattgegeben und Nachtarbeitszuschläge iHv. 25 % für Arbeitseinsätze zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr zugesprochen. Nachdem beide Parteien gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berufung eingelegt hatten, hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts betreffend die streitgegenständlichen Nachtarbeitszuschläge abgeändert, die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Klage insgesamt abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren hinsichtlich der Nachtarbeitszuschläge weiter.

Gründe:

Die Revision ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte die Klage – soweit sie in die Revision gelangt ist – nicht abgewiesen werden. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden. Das führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO).

I. Die Klage ist insgesamt zulässig.

1. Der Zahlungsantrag ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

a) Bei mehreren im Weg einer objektiven Klagehäufung nach § 260 ZPO in einer Klage verfolgten Ansprüchen muss erkennbar sein, aus welchen Einzelforderungen sich die sog. Gesamtklage zusammensetzt (vgl. BAG 11. November 2021 – 10 AZR 261/20 – Rn. 11 mwN).

b) Der Zahlungsantrag ist nach dem Vorbringen der Klägerin abschließend auf konkrete Vergütungsdifferenzen für die Monate September bis einschließlich November 2016 gerichtet und nicht nur auf einen Teil hiervon. Die Klage ist dementsprechend für den streitbefangenen Zeitraum als abschließende Gesamtklage zu verstehen (vgl. BAG 11. November 2021 – 10 AZR 261/20 – Rn. 12; 27. Juli 2021 – 9 AZR 449/20 – Rn. 13). Er ist – wie von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt – auf einen Bruttobetrag gerichtet.

2. Auch der Feststellungsantrag ist zulässig.

a) Die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erfolgte teilweise Umformulierung des Antrags zu 2. auf die Feststellung der Gewährung “bezahlter freier Tage in gleichem Umfang” ist zulässig. Zwar sind Klage- und Antragsänderungen in der Revisionsinstanz wegen § 559 Abs. 1 ZPO grundsätzlich nicht mehr möglich (vgl. BAG 10. November 2021 – 5 AZR 334/21 – Rn. 11 mwN). Vorliegend ist aber keine Antragsänderung iSv. § 263 ZPO gegeben, sondern lediglich eine Klarstellung zur Anpassung an die Vorgaben in § 6 Abs. 5 ArbZG (vgl. dazu BAG 10. November 2021 – 10 AZR 256/20 – Rn. 22).

b) Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (zu den Anforderungen vgl. BAG 18. März 2020 – 5 AZR 25/19 – Rn. 14). Dem Vorbringen der Klägerin ist zu entnehmen, dass sich der Antrag auf den gesetzlichen Ausgleichsanspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG bezieht. Die Klägerin begehrt die grundsätzlich zukunftsgerichtete Feststellung, dass ein Ausgleichsanspruch für in der gesetzlichen Nachtzeit (§ 2 Abs. 3 ArbZG) geleistete Arbeitsstunden in näher bezeichnetem Umfang besteht. Durch die Art der Antragstellung trägt sie dem gesetzlich vorgegebenen Wahlrecht zugunsten des Arbeitgebers Rechnung (vgl. näher BAG 9. Dezember 2015 – 10 AZR 423/14 – Rn. 11, BAGE 153, 378). Der so verstandene Antrag ist auf die Feststellung eines zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnisses iSv. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet. Soweit der Ausgleich wahlweise durch Freizeitgewährung erfolgen soll, ist darunter – wie nun auch die Änderung der Antragsformulierung zeigt – die Gewährung von bezahlten freien Tagen zu verstehen (BAG 10. November 2021 – 10 AZR 256/20 – Rn. 22). Dabei ist es unschädlich, dass die Klägerin der Beklagten das Recht eingeräumt hat, den Ausgleich der von ihr geleisteten Nachtarbeit ab dem 1. Dezember 2016 durch Freizeit zu bewirken (vgl. BAG 10. November 2021 – 10 AZR 256/20 – Rn. 26 mwN).

c) Der so verstandene Feststellungsantrag ist auf die Feststellung eines zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnisses iSv. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtet, nämlich auf die Angemessenheit des Ausgleichs für im Arbeitsverhältnis geleistete Nachtarbeitsstunden nach § 6 Abs. 5 ArbZG. Die Feststellungsklage kann sich nach § 256 Abs. 1 ZPO auf einzelne Ansprüche beschränken (vgl. BAG 10. November 2021 – 10 AZR 256/20 – Rn. 24 mwN). Das besondere Feststellungsinteresse besteht ebenfalls, da die Beklagte nicht bereit ist, höhere als die von ihr geleisteten Zuschläge zu zahlen. Durch den erstrebten Feststellungausspruch kann die zwischen den Parteien bestehende Uneinigkeit insgesamt beseitigt und das Rechtsverhältnis abschließend geklärt werden. Über andere Faktoren, die maßgeblich sind, um die Zuschläge nach § 6 Abs. 5 ArbZG zu berechnen, streiten die Parteien nicht. Sie können die konkrete Berechnung der Zahlungsansprüche ohne Weiteres selbst durchführen. In einem solchen Fall steht auch der Vorrang der Leistungsklage der Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht entgegen (BAG 10. November 2021 – 10 AZR 256/20 – Rn. 25 mwN).

II. Ob die Klage begründet ist, steht noch nicht fest. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte die Klage weder hinsichtlich des Leistungs- noch des Feststellungsantrags abgewiesen werden. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden. Zum einen fehlt es für die Beurteilung, ob der Klägerin ein Nachtarbeitszuschlag iHv. insgesamt 30 % zusteht, an Feststellungen des Landesarbeitsgerichts. Zum anderen kommt bei der Frage, in welcher Höhe ein Ausgleich für geleistete Nachtarbeit “angemessen” iSv. § 6 Abs. 5 ArbZG ist, dem Tatsachengericht ein Beurteilungsspielraum zu. Die Sache ist deshalb an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).

1. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin Nachtarbeitnehmerin iSd. ArbZG ist und für die zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr geleisteten Arbeitsstunden mangels tarifvertraglicher Ausgleichsregelung einen Anspruch auf einen angemessenen Ausgleich nach § 6 Abs. 5 ArbZG hat. Dies steht dem Grunde nach zwischen den Parteien auch nicht im Streit. Die Beklagte hat das ihr nach § 6 Abs. 5 ArbZG zustehende Wahlrecht jedenfalls im streitgegenständlichen Zeitraum des Zahlungsantrags dahin ausgeübt, den Ausgleichsanspruch allein durch die Zahlung von Geld zu erfüllen. Infolgedessen hat sich diese Wahlschuld iSv. § 262 BGB auf eine Geldleistung konkretisiert (vgl. BAG 10. November 2021 – 10 AZR 261/20 – Rn. 16).

2. Die Parteien haben von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den in § 6 Abs. 5 ArbZG nur allgemein geregelten Anspruch auf angemessenen Ausgleich durch die in § 4 Ziff. 2 des Arbeitsvertrags vom 30. September 2014 enthaltene Regelung näher auszugestalten. Danach erhält die Klägerin für jede Stunde Nachtarbeit iSd. Arbeitszeitgesetzes einen Zuschlag iHv. 20 % des Bruttostundenlohns oder eine entsprechende Zahl bezahlter freier Tage, wobei beim Zusammentreffen mit höheren anderen Zuschlägen nur diese gezahlt werden (§ 4 Ziff. 2 Abs. 2 des Arbeitsvertrags), so dass im Ergebnis in einem solchen Fall kein gesonderter Nachtarbeitszuschlag geschuldet ist. Eine einzelvertragliche Regelung muss aber – wovon erkennbar auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist – den Vorgaben des § 6 Abs. 5 ArbZG genügen. Die Norm ist zwingend (BAG 10. November 2021 – 10 AZR 256/20 – Rn. 30 mwN). Eine vertragliche Vereinbarung, die zum Nachteil des Arbeitnehmers hinter den gesetzlichen Vorgaben für einen angemessenen Ausgleich zurückbleibt, ist nach § 6 Abs. 5 ArbZG iVm. § 134 BGB unwirksam (BAG 25. April 2018 – 5 AZR 25/17 – Rn. 35, BAGE 162, 340).

Entsprechendes gilt für die Zeit ab dem 1. März 2020 hinsichtlich der Regelungen in der BV Vergütungsordnung. § 6 Abs. 5 ArbZG sieht einen Vorrang tariflicher Bestimmungen vor, enthält aber keine Öffnungsklausel für die Betriebsparteien. Soweit eine Regelung über den Ausgleich für Nachtarbeit durch Betriebsvereinbarung unter Berücksichtigung von § 77 Abs. 3 BetrVG im Einzelfall überhaupt wirksam ist (vgl. dazu zB BAG 23. Januar 2018 – 1 AZR 65/17 – Rn. 16 ff., BAGE 161, 305), muss sie jedenfalls den Vorgaben des § 6 Abs. 5 ArbZG genügen. Eine betriebliche Regelung, die zum Nachteil der Arbeitnehmer hinter den gesetzlichen Vorgaben für einen angemessenen Ausgleich zurückbleibt, ist nach § 6 Abs. 5 ArbZG iVm. § 134 BGB unwirksam.

3. Bei dem Merkmal “angemessen” handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, bei dessen Anwendung dem Tatsachengericht ein Beurteilungsspielraum zukommt (BAG 10. November 2021 – 10 AZR 261/20 – Rn. 34; 15. Juli 2020 – 10 AZR 123/19 – Rn. 36 mwN, BAGE 171, 280). Er ist vom Revisionsgericht nur darauf zu überprüfen, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist (BAG 15. Oktober 2021 – 6 AZR 268/20 – Rn. 16; 15. Juli 2020 – 10 AZR 123/19 – aaO). Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht stand.

a) Nach gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen ist Nachtarbeit grundsätzlich für jeden Menschen schädlich und hat negative gesundheitliche Auswirkungen (BVerfG 28. Januar 1992 – 1 BvR 1025/82 ua. – zu C I 2 a der Gründe, BVerfGE 85, 191). Es ist anerkannt, dass Nachtarbeit umso schädlicher ist, in je größerem Umfang sie geleistet wird (BAG 10. November 2021 – 10 AZR 261/20 – Rn. 18; 15. Juli 2020 – 10 AZR 123/19 – Rn. 27 mwN, BAGE 171, 280). Dauernachtarbeit ist damit die Arbeitsform mit den höchsten Belastungen für die Arbeitnehmer. Dies gilt unabhängig davon, dass typabhängig die Anpassung an Nachtarbeit von Mensch zu Mensch unterschiedlich gut erfolgt (vgl. BAG 11. Dezember 2013 – 10 AZR 736/12 – Rn. 19 f. mwN, BAGE 147, 33).

b) Die Regelungen in § 6 ArbZG sollen in erster Linie dem Schutz des Arbeitnehmers vor den schädlichen Folgen der Nacht- und Schichtarbeit dienen (BT-Drs. 12/5888 S. 21, 25 f.). § 6 Abs. 5 ArbZG soll für Nachtarbeitnehmer einen angemessenen Ausgleich für die mit der Nachtarbeit verbundenen Beeinträchtigungen gewähren, ohne dass der Gesetzgeber Vorgaben zum Umfang des Ausgleichs macht (BT-Drs. 12/5888 S. 22, 26, 52). Soweit § 6 Abs. 5 ArbZG einen Anspruch auf bezahlten Freizeitausgleich begründet, der Arbeitgeber diesen zeitnah gewährt und die Arbeitszeit insgesamt verkürzt wird, wirkt der Ausgleich unmittelbar gesundheitsschützend. Soweit ein Nachtarbeitszuschlag vorgesehen ist und vom Arbeitgeber gewährt wird, soll er den Arbeitnehmer in gewissem Umfang für die durch die Nachtarbeit erlittenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und für die erschwerte Teilhabe am sozialen Leben entschädigen. Die Nachtarbeit wird auf diesem Weg verteuert, was zu deren Eindämmung beitragen soll (vgl. BAG 15. Juli 2020 – 10 AZR 123/19 – Rn. 28 mwN, BAGE 171, 280). Zwischen den Alternativen des Belastungsausgleichs besteht nach der gesetzlichen Regelung kein Rangverhältnis. Der Freizeitausgleich ist nicht vorrangig. Die Angemessenheit des Ausgleichs iSv. § 6 Abs. 5 ArbZG ist für beide Alternativen nach einem einheitlichen Maßstab zu beurteilen. Der Umfang der Ausgleichsverpflichtung hängt nicht davon ab, für welche Art des Ausgleichs sich der Arbeitgeber entscheidet. Vielmehr müssen sich die jeweiligen Leistungen ihrem Wert nach grundsätzlich entsprechen (BAG 10. November 2021 – 10 AZR 261/20 – Rn. 20; 15. Juli 2020 – 10 AZR 123/19 – Rn. 29 mwN, aaO, auch zu abw. Auffassungen in der Lit.).

c) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stellt ein Zuschlag iHv. 25 % auf das jeweilige Bruttostundenentgelt bzw. die Gewährung einer entsprechenden Zahl von bezahlten freien Tagen regelmäßig einen angemessenen Ausgleich für geleistete Nachtarbeit iSv. § 6 Abs. 5 ArbZG dar (BAG 10. November 2021 – 10 AZR 261/20 – Rn. 21; 15. Juli 2020 – 10 AZR 123/19 – Rn. 30 mwN, BAGE 171, 280). Eine Erhöhung oder Verminderung des Regelwerts kommt in Betracht, wenn die Umstände, unter denen die Arbeitsleistung zu erbringen ist, den regelmäßig angemessenen Wert von 25 % wegen der im Vergleich zum Üblichen höheren oder niedrigeren Belastung als zu gering oder zu hoch erscheinen lassen. Die Höhe des angemessenen Nachtarbeitszuschlags richtet sich nach der Gegenleistung, für die sie bestimmt ist (BAG 9. Dezember 2015 – 10 AZR 423/14 – Rn. 27, BAGE 153, 378).

aa) Der Zuschlag auf das Bruttostundenentgelt oder die Zahl bezahlter freier Tage kann sich erhöhen, wenn die Belastung durch die Nachtarbeit unter qualitativen (Art der Tätigkeit) oder quantitativen (Umfang der Nachtarbeit) Gesichtspunkten die gewöhnlich mit der Nachtarbeit verbundene Belastung übersteigt. Das ist regelmäßig der Fall, wenn ein Arbeitnehmer nach seinem Arbeitsvertrag oder nach Ausübung des Direktionsrechts durch den Arbeitgeber dauerhaft in Nachtarbeit tätig wird (“Dauernachtarbeit”). Bei einer Arbeitsleistung in Dauernachtarbeit erhöht sich der Anspruch in der Regel auf 30 % (BAG 10. November 2021 – 10 AZR 261/20 – Rn. 25; 15. Juli 2020 – 10 AZR 123/19 – Rn. 32 mwN, BAGE 171, 280).

bb) Ein geringerer als der regelmäßige Zuschlag kann nach § 6 Abs. 5 ArbZG genügen. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn in diese Zeit in nicht unerheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt oder es sich um nächtlichen Bereitschaftsdienst handelt, bei dem von vornherein von einer geringeren Arbeitsbelastung auszugehen ist (BAG 9. Dezember 2015 – 10 AZR 423/14 – Rn. 29, BAGE 153, 378). Solche Zeiten sind aber auch in ihren inaktiven Teilen arbeitsschutzrechtlich Arbeitszeit – keine Ruhezeit – und daher ausgleichspflichtig. Ein geringerer Zuschlag als 25 % bzw. 30 % des Bruttoarbeitsentgelts kann dann gleichwohl wegen der geringeren Belastung angemessen sein. Das Unionsrecht steht dem nicht entgegen (vgl. dazu BAG 10. November 2021 – 10 AZR 261/20 – Rn. 24 mwN). Nach der Art der Arbeitsleistung ist auch zu beurteilen, ob der vom Gesetzgeber mit dem Entgeltzuschlag verfolgte Zweck, im Interesse der Gesundheit des Arbeitnehmers Nachtarbeit zu verteuern und auf diesem Weg einzuschränken, zum Tragen kommen oder nur die mit der Nachtarbeit verbundene Erschwernis ausgeglichen werden kann (BAG 15. Juli 2020 – 10 AZR 123/19 – Rn. 34, BAGE 171, 280; 25. April 2018 – 5 AZR 25/17 – Rn. 44, BAGE 162, 340). Relevanz kann diese zuletzt genannte Erwägung aber allenfalls in den Fällen haben, in denen die Nachtarbeit aus überragend wichtigen Gründen des Gemeinwohls unvermeidbar ist (BAG 10. November 2021 – 10 AZR 261/20 – Rn. 31; 25. April 2018 – 5 AZR 25/17 – aaO).

cc) Bei den vorgenannten Werten handelt es sich nicht um starre Grenzen. Feste höchstrichterliche Werte über Richtwerte hinaus lässt der tatrichterliche Beurteilungsspielraum nicht zu (BAG 10. November 2021 – 10 AZR 261/20 – Rn. 34). Demnach kann sowohl ein geringerer als auch ein höherer Zuschlag angemessen sein; es handelt sich bei den Werten weder um Unter- noch um Obergrenzen.

dd) Tarifvertragliche Ausgleichsregelungen sind für die Bestimmung der Angemessenheit des Ausgleichs nach § 6 Abs. 5 ArbZG nur nachrangig zu beachten. Allenfalls repräsentative branchenmäßig einschlägige Tarifverträge können als Orientierungshilfe herangezogen werden, ohne aber die Höhe der Ausgleichsleistung zu determinieren (BAG 9. Dezember 2015 – 10 AZR 423/14 – Rn. 31 mwN, BAGE 153, 378).

d) Der Arbeitnehmer, der einen Ausgleichsanspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG begehrt, hat zur Schlüssigkeit der Klage zunächst darzulegen – und im Fall des Bestreitens zu beweisen -, dass er Nachtarbeitnehmer iSv. § 2 Abs. 5 ArbZG ist, in welchem Umfang er Nachtarbeit geleistet hat (§ 2 Abs. 4 ArbZG) und – als negatives Tatbestandsmerkmal -, dass keine tarifvertragliche Ausgleichsregelung besteht. Sind diese Tatbestandsvoraussetzungen unstreitig oder bewiesen, steht fest, dass dem Arbeitnehmer ein gesetzlicher Ausgleichsanspruch für geleistete Nachtarbeit zusteht. Es ist dann Sache des Arbeitgebers, darzulegen und ggf. zu beweisen, dass er diesen gesetzlichen Anspruch des Arbeitnehmers erfüllt hat (§ 362 BGB). Dies umfasst auch die Darlegung der Tatsachen, die die Angemessenheit vom Arbeitgeber bereits erbrachter Leistungen, zB eines gezahlten Zuschlags, begründen sollen. Im Hinblick auf die regelmäßig als angemessen angesehenen Werte von 25 % bzw. bei Dauernachtarbeit von 30 % ist von einer abgestuften Darlegungslast auszugehen: Gewährt der Arbeitgeber einen Ausgleich in diesem Umfang, hat der Arbeitnehmer in einem solchen Fall im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast zu begründen, aus welchen Umständen sich ein höherer Anspruch ergeben soll. Bleibt der geleistete Ausgleich hingegen hinter diesen Werten zurück, ist es bereits im ersten Schritt Sache des Arbeitgebers darzulegen, aufgrund welcher Faktoren ein geringerer Zuschlagsanspruch angemessen sein soll. Bleiben für die Beurteilung der Angemessenheit relevante Tatsachen streitig, liegt die Beweislast für die den Erfüllungseinwand begründenden Tatsachen beim Arbeitgeber (BAG 9. Dezember 2015 – 10 AZR 423/14 – Rn. 32 ff. mwN, BAGE 153, 378).

e) Das Landesarbeitsgericht ist im Ansatz von dem zutreffenden Begriff der Angemessenheit iSv. § 6 Abs. 5 ArbZG ausgegangen und hat zu Recht angenommen, dass die von der Klägerin geleistete Dauernachtarbeit grundsätzlich Anlass dafür bietet, den Regelzuschlag auf 30 % des Bruttostundenlohns zu erhöhen. Unberücksichtigt ist bei der Prüfung der Angemessenheit aber geblieben, dass die Durchführung der Nachtarbeit als Dauernachtarbeit im konkreten Fall vermeidbar ist. Damit hat das Landesarbeitsgericht einen wesentlichen Umstand unberücksichtigt gelassen. Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Entscheidung (§ 562 Abs. 1 ZPO).

aa) Nach § 6 Abs. 1 ArbZG ist die Arbeitszeit der Nacht – und Schichtarbeitnehmer nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festzulegen. Liegen solche vor, muss die Arbeitszeitgestaltung dem Rechnung tragen (allgM, vgl. zB Anzinger/Koberski ArbZG 5. Aufl. § 6 Rn. 23 ff.; Buschmann/Ulber/Ulber Arbeitszeitrecht § 6 Rn. 14 ff.; Schliemann ArbZG 4. Aufl. § 6 Rn. 17 ff.). Der Arbeitgeber ist nach dieser gesetzlichen Vorgabe verpflichtet und hat es – ggf. unter Beachtung der Mitbestimmungsrechte von Betriebs- oder Personalräten – in der Hand, durch Arbeitszeitmodelle, die die arbeitsmedizinischen Erkenntnisse berücksichtigen, die gesundheitlichen Belastungen durch Nachtarbeit zu verringern. Dies gilt grundsätzlich auch, wenn die Durchführung von Nachtarbeit an sich unvermeidbar ist. Deshalb ist die Frage der Vermeidbarkeit der besonders belastenden Dauernachtarbeit (vgl. Rn. 24) bei der Bewertung der Angemessenheit eines Zuschlags nach § 6 Abs. 5 ArbZG ein wichtiger zu berücksichtigender Umstand (so zutreffend LAG Rheinland-Pfalz 7. Juni 2018 – 5 Sa 446/17 – zu II 1 b cc (2) der Gründe; zustimmend Bachmann PflR 2018, 661, 662; Roßbruch PflR 2019, 570, 571). Denn Maßstab für die Angemessenheit eines Nachtarbeitszuschlags sind jedenfalls die mit der Nachtarbeit verbundenen Beeinträchtigungen, die sich durch die Dauernachtarbeit erhöhen. Sollte die Entscheidung des Senats vom 15. Juli 2020 (- 10 AZR 123/19 – Rn. 45, BAGE 171, 280) anders zu verstehen sein, wird daran nicht festgehalten.

bb) Hinsichtlich der Tätigkeit der Klägerin ist die individuelle Dauernachtarbeit grundsätzlich vermeidbar. Die Beklagte könnte durch entsprechend gestaltete Arbeitszeitmodelle – etwa durch die Einführung eines Wechselschichtmodells – die Durchführung von Dauernachtarbeit verhindern und so die Belastungen durch die Nachtarbeit individuell für die Klägerin verringern. Auf die Frage der objektiven Unvermeidbarkeit von Nachtarbeit – hier aufgrund § 21 Abs. 3 Satz 2 WTG-NRW – kommt es insoweit nicht an.

4. Im Rahmen der neuen Verhandlung und Entscheidung wird das Landesarbeitsgericht die Angemessenheit des Zuschlags iSv. § 6 Abs. 5 ArbZG erneut zu bewerten haben. Dabei ist Folgendes zu beachten:

a) Auszugehen sein wird wegen der von der Klägerin zu leistenden Dauernachtarbeit zunächst von dem Regelwert eines Zuschlags iHv. 30 % auf das Bruttostundenentgelt bzw. einer wertgleichen Zahl bezahlter freier Tage. Dabei führt auch im Fall objektiv unvermeidbarer Nachtarbeit der Wegfall des sog. Lenkungszwecks nicht zwangsläufig zu einem abgesenkten Zuschlag. Diejenigen Arbeitnehmer, die unter solchen Umständen Nachtarbeit leisten, sollen zumindest einen angemessenen finanziellen Ausgleich für die damit verbundenen Beeinträchtigungen erhalten und in einem gewissen Umfang für die erschwerte Teilhabe am sozialen Leben entschädigt werden. Diese Zwecke lassen sich auch bei unvermeidbarer Nachtarbeit erreichen (BAG 10. November 2021 – 10 AZR 261/20 – Rn. 39; 15. Juli 2020 – 10 AZR 123/19 – Rn. 44 mwN, BAGE 171, 280). Dies gilt insbesondere dann, wenn – wie hier – die besonders schädliche Form der Dauernachtarbeit durch andere Arbeitszeitmodelle grundsätzlich vermeidbar ist. Übt der Arbeitgeber sein Direktionsrecht trotzdem dahingehend aus, dass er Dauernachtarbeit anordnet oder trifft er entsprechende arbeitsvertragliche Vereinbarungen, ist dies bei der Frage der Angemessenheit der Höhe des Ausgleichs zu berücksichtigen und dürfte einer Abweichung vom Regelwert eher entgegenstehen.

b) Es wird aufzuklären sein, ob – wie von der Beklagten behauptet – während der Nachtarbeit in nicht unerheblichem Umfang Zeiten von Arbeitsbereitschaft anfallen. Zu klären ist dabei auch, ob die Belastung der Klägerin durch die Nachtarbeit während solcher Zeiten tatsächlich geringer ist als sonst im Rahmen von Nachtarbeit üblich oder ob nicht aufgrund der Gestaltung der Arbeitsabläufe und der in der Nacht auftretenden Besonderheiten zwar eine andere, aber nicht geringer ausgeprägte Belastung physischer und/oder psychischer Art vorliegt. Eine Reduzierung des Nachtzuschlags wäre im letztgenannten Fall nicht gerechtfertigt. Gegen die Annahme einer reduzierten Belastung spricht beispielsweise die von der Beklagten vorgetragene Verpflichtung, alle 30 Minuten einen Kontrollgang – jeweils von zehnminütiger Dauer – bezüglich der Personen zu machen, bei denen gerichtlich freiheitsentziehende Maßnahmen angeordnet sind oder eine Weglauftendenz besteht. Damit wären – unter Berücksichtigung der anderen Aufgaben der Klägerin – längere Entspannungsphasen ausgeschlossen. Die Beklagte wird insoweit – unter Berücksichtigung auch der Lage der Pausen – genauer darzustellen haben, wie sich die Arbeitsunterbrechungen üblicherweise gestalten und ob es ausreichend lange Phasen ohne konkrete Arbeitsleistungen der Klägerin bzw. ohne Beanspruchung gibt, die wirklich zu einer physischen und mentalen Entspannung führen können. Kurze Arbeitsunterbrechungen genügen dafür nicht. Der vorgetragene Kontrollgang alle 30 Minuten findet sich im Übrigen nicht in der tabellarischen Aufstellung der Beklagten wieder. Bleibt die Frage von rechtlich relevanten tatsächlichen Phasen der Entspannung danach weiterhin streitig, wird ggf. eine Beweisaufnahme durchzuführen sein.

c) Soweit sich die Beklagte auf die Höhe der Nachtzuschläge nach § 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b TVöD-B beruft, erscheint zweifelhaft, ob es sich hierbei um einen repräsentativen branchenmäßig einschlägigen Tarifvertrag handelt, der als Orientierungshilfe (vgl. Rn. 30) herangezogen werden könnte. Die Beklagte ist keine Arbeitgeberin des öffentlichen Dienstes.

d) Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die Regelung in der BV Vergütungsordnung, wonach Nachtzuschläge bereits für die Zeit ab 21:00 Uhr zu zahlen sind, für die Angemessenheit des Nachtzuschlags auch für die Zeit nach dem Inkrafttreten der Betriebsvereinbarung keine Rolle spielen kann. Es fehlt ein hinreichender Bezug zur Nachtarbeit iSd. Arbeitszeitgesetzes, weil diese Zuschläge nicht auf das für die Nachtarbeit iSv. § 2 Abs. 3 ArbZG geschuldete Bruttoarbeitsentgelt gezahlt werden, sondern auf Bruttoarbeitsentgelt für Stunden außerhalb dieser Zeit. Ein Ausgleichszweck für Nachtarbeit iSd. § 2 Abs. 3 ArbZG wird durch diese Leistung nicht erreicht (BAG 9. Dezember 2015 – 10 AZR 423/14 – Rn. 37 mwN, BAGE 153, 378).

(Dauernachtarbeit Nachtzuschlag Pflege)