Urteil des BAG vom 26.01.2017
Aktenzeichen: 2 AZR 68/16
Kurze Zusammenfassung der Entscheidung:
Das mit einer Änderungskündigung verbundene Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Änderung des zukünftigen Aufgabenbereiches muss so konkret gefasst sein, dass der Arbeitnehmer erkennen kann, welche Tätigkeiten er zukünftig erledigen soll. Bei einer Änderungskündigung kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis insgesamt. Gleichzeitig bietet er dem Arbeitnehmer an, das Arbeitsverhältnis zu veränderten (meist schlechteren) Bedingungen weiterzuführen. Der Arbeitnehmer muss dann entscheiden, ob er das Änderungsangebot annimmt, ggfs. unter dem Vorbehalt einer gerichtlichen Überprüfung, oder ob er es ablehnt. Damit der Arbeitnehmer diese Entscheidung treffen kann, stellt die Rechtsprechung hohe Anforderungen an die Genauigkeit der Formulierungen in dem Änderungsangebot. In seinem Urteil vom 26.1.2017 (2 AZR 68/16) hat das Bundesarbeitsgericht diese Rechtsprechung bestätigt. Der klagende Arbeitnehmer war bei dem beklagten Arbeitgeber als Elektrotechniker beschäftigt. Das vertraglich vereinbarte Aufgabengebiet umfasst unter anderem die Softwareerstellung. Bei einem Verkehrsunfall erlitt der Kläger schwere Kopfverletzungen. Aufgrund eines in der Folge durchgeführten Arbeitstestes ging die Beklagte davon aus, dass der Kläger nicht mehr in der Lage sei, komplexe Programmiertätigkeiten durchzuführen. Sie sprach daher eine Änderungskündigung aus. Das Änderungsangebot enthielt folgende Tätigkeiten, die zukünftig von dem Kläger als „Elektrotechniker“ erledigt werden sollten: „alle Arbeiten im Lager, vorrangig Fahrer – und Kuriertätigkeiten, hierzu gehören ua. das Be- und Entladen von Baustellen – oder sonstigem Material in und von Transportfahrzeugen, Staplerfahren sowie allgemeine Lagertätigkeiten usw“. Zu seiner Tätigkeit sollten auch „Einsätze auf Baustellen“ gehören. Statt eines Monatsgehalts von 2.700,- Euro brutto sollte der Kläger zukünftig nur noch 8,50 Euro brutto die Stunde erhalten. Der Kläger nahm das Angebot unter dem Vorbehalt der gerichtlichen Nachprüfung an. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht wiesen seine Klage ab. Das Bundesarbeitsgericht gab jedoch dem Kläger Recht und hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf. Unter anderem begründete es seine Entscheidung damit, dass für den Kläger nicht erkennbar war, welche Tätigkeiten er zukünftig aufgrund seines Arbeitsvertrages schulden sollte. Unklar sei, was unter „Einsätzen auf Baustellen“ zu verstehen ist. Dem Kündigungsschreiben sei nicht zu entnehmen, ob der Kläger hier auch die aufgeführten Hilfstätigkeiten im Lager oder doch ggfls. Tätigkeiten eines Elektrotechnikers ausüben sollte. Der Kläger könne auch nicht aus dem angebotenen Stundenlohn auf eine bestimmte Tätigkeit schließen. Fazit: Arbeitgeber, die eine Änderungskündigung aussprechen wollen, müssen zukünftig den neuen Tätigkeitsbereich genauer beschreiben als beim Abschluss eines Arbeitsvertrages. Die Unterschiede zu dem bisherigen Aufgabenbereich müssen klar erkennbar sein.(Änderungskündigung – Andere Tätigkeit)
Tenor:
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 16. Juni 2015 – 7 (2) Sa 229/07 – aufgehoben. 2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Weiden – Kammer Schwandorf – vom 18. Dezember 2006 – 5 Ca 468/06 S – abgeändert:Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung der Beklagten vom 30. März 2006 sozial ungerechtfertigt ist.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.(Änderungskündigung – Andere Tätigkeit)
Entscheidungsgründe:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Änderungskündigung. Der Kläger war bei der Beklagten, in deren Betrieb regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt sind, seit März 1997 als Elektrotechniker tätig. Das vertraglich vereinbarte Aufgabengebiet umschloss ua. die Softwareerstellung. Im November 2001 erlitt der Kläger bei einem Verkehrsunfall schwere Kopfverletzungen. Im Dezember 2005 führte die Beklagte einen Arbeitstest durch, bei dem der Kläger vorhandene Sicherheits-SPS anpassen sollte. Als Ergebnis des Tests hat die Beklagte gemeint, der Kläger könne keine komplexen Programmiertätigkeiten in diesem Bereich mehr durchführen. Unter dem 30. März 2006 erklärte sie eine Änderungskündigung. In dem Kündigungsschreiben heißt es auszugsweise:„… Sehr geehrter [Kläger], hiermit kündigen wir das Arbeitsverhältnis ordentlich und fristgemäß zum 30.06.2006, gleichzeitig bieten wir Ihnen ein Arbeitsverhältnis an zu den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen mit folgenden Abweichungen: Folgende Punkte werden abgeändert: 1. Tätigkeit und Aufgabengebiet [Der Kläger] (nachfolgend Arbeitnehmer genannt), tritt als Elektrotechniker in das Unternehmen ein. Das Aufgabengebiet umschließt die Software-Erstellung, Projektbetreuung und -abwicklung, Inbetriebsetzung, Kundenschulung usw. In das Aufgabengebiet wird der Arbeitnehmer ca. ein halbes Jahr eingearbeitet. Der Arbeitnehmer erklärt sich im Rahmen seiner Tätigkeit mit Einsätzen auf Baustellen einverstanden. 3. Bezüge Der Arbeitnehmer erhält für seine Tätigkeit eine monatliche Vergütung von brutto EUR 2.709,– und lautet neu: 1. Tätigkeit und Aufgabengebiet [Der Kläger] (nachfolgend Arbeitnehmer genannt), tritt als Elektrotechniker in das Unternehmen ein. Das Aufgabengebiet umschließt alle Arbeiten im Lager, vorrangig Fahrer- und Kuriertätigkeiten, hierzu gehören ua. das Be- und Entladen von Baustellen- oder sonstigem Material in und von Transportfahrzeugen, Staplerfahren sowie allgemeine Lagertätigkeiten usw. In das Aufgabengebiet wird [der Kläger] ca. einen Monat eingearbeitet. Der Arbeitnehmer erklärt sich im Rahmen seiner Tätigkeit mit Einsätzen auf Baustellen einverstanden. 3. Bezüge Der Arbeitnehmer erhält für seine Tätigkeit einen Stundenlohn von brutto EUR 8,50 …“
Der Kläger hat das mit der Kündigung verbundene Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu neuen Vertragsbedingungen rechtzeitig unter Vorbehalt angenommen und fristgerecht die vorliegende Klage erhoben. Er sei weiterhin in der Lage, den Arbeitsvertrag zu erfüllen. Das mit der Kündigung verbundene Angebot auf Abschluss eines neuen Vertrags sei nicht hinreichend bestimmt. Der Kläger hat beantragtfestzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 30. März 2006 sozial ungerechtfertigt und unwirksam ist.
Beide Vorinstanzen sind dem Klageabweisungsantrag der Beklagten gefolgt. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers.