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Leistungszulagen auf Mindestlohn anrechenbar
Urteil des Bundesarbeitsgericht vom 06.09.2017
Aktenzeichen: 5 AZR 317/16
Kurze Zusammenfassung der Entscheidung:
Arbeitnehmer haben einen gesetzlichen Anspruch auf Zahlung eines Mindestlohns. Der Arbeitgeber erfüllt den Mindestlohnanspruch durch alle Zahlungen, mit denen er die Arbeitsleistung bezahlt. Der Anspruch auf Mindestlohn wird nicht durch Zahlungen erfüllt, die ohne Rücksicht auf die tatsächliche Arbeitsleistung erbracht werden (z.B. Treueprämien) oder die auf einer speziellen gesetzlichen Zweckbestimmung beruhen, z.B. die gesetzlich vorgeschriebenen Nachtzuschläge gem. § 6 Abs. 5 Arbeitszeitgesetz.
Im Streitfall hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass Leistungszulagen den Mindestlohnanspruch erfüllen.
Geklagt hatte eine Montagehelferin, die in der Zeit von Januar bis Mai 2015 einen Stundenlohn von 8,52 Euro brutto erhielt. Dieser lag damit knapp über dem damals geltenden gesetzlichen Stundenlohn von 8,50 Euro brutto pro Stunde. Er setze sich aus einem Grundlohn von 6,22 Euro brutto pro Stunde und einer leistungsabhängigen Zulage von 2,30 Euro brutto pro Stunde zusammen. Die Montagehelferin war der Auffassung, dass der Arbeitgeber verpflichtet sei, ihr einen Grundlohn In Höhe des Mindestlohns zu zahlen. Die Leistungszulage in Höhe von 2,30 Euro brutto pro Stunde sei auf den Mindestlohn nicht anzurechnen, sondern zusätzlich zu zahlen. Mit dem Mindestlohn werde nur eine „Normalleistung“ von 100 % abgegolten, mit der Leistungszulage hingegen eine zusätzliche Leistung honoriert.
Das Bundesarbeitsgericht sah das anders. Es hat entschieden, dass mit der gezahlten Leistungszulage der Anspruch auf Mindestlohn erfüllt werde, da eine Arbeitsleistung honoriert werde. Das Mindestlohngesetz mache den Anspruch nicht von den mit der Arbeitsleistung verbundenen Erfolgen abhängig. Das Bundesarbeitsgericht erteilt der Vorstellung der Klägerin, dass mit dem Mindestlohn nur die „Normalleistung“ des Arbeitnehmers bezahlt werde, eine klare Absage.
(Mindestlohn Anrechnung Leistungszulage)
Tenor:
1) Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 22. April 2016 – 16 Sa 1627/15 – wird zurückgewiesen.
2) Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
(Mindestlohn Anrechnung Leistungszulage)
Entscheidungsgründe:
Die Parteien streiten über die Erfüllung des gesetzlichen Mindestlohnanspruchs.
Die Klägerin ist bei der Beklagten, die elektronische Baugruppen entwickelt und produziert, als Montagehelferin mit einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 35 Stunden beschäftigt. Die Beklagte zahlt der Klägerin einen Gesamtstundenlohn, bestehend aus einem Grundlohn von 6,22 Euro brutto/Stunde und einer Leistungszulage, deren Höhe von der Anzahl der pro Stunde montierten Teile abhängig ist. Sie hat zuletzt maximal 37 % des Grundstundenlohns betragen.
Von Januar bis Mai 2015 vergütete die Beklagte alle abgerechneten Stunden mit 8,52 Euro brutto.
Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin, soweit in die Revisionsinstanz gelangt, Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn für die Monate Januar bis Mai 2015 geltend gemacht. Die iHv. 2,30 Euro brutto je Stunde gezahlte Leistungszulage sei auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht anrechenbar. Mit ihr werde eine zusätzliche Leistung honoriert, während der Mindestlohn nur eine „Normalleistung“ von 100 % abgelte.
Die Klägerin hat – soweit für die Revision noch von Bedeutung – zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.707,15 Euro brutto nebst Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung der Beklagten zu Recht stattgegeben und die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch nach § 1 Abs. 1 MiLoG auf Zahlung weiterer 2,28 Euro brutto je Stunde.
I. Die Klage ist unbegründet. Der Anspruch der Klägerin auf den gesetzlichen Mindestlohn ist mit Zahlung des Gesamtstundenlohns von 8,52 Euro brutto durch Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB).
1. Der Mindestlohnanspruch aus § 1 Abs. 1 MiLoG ist ein gesetzlicher Anspruch, der eigenständig neben den arbeits- oder tarifvertraglichen Entgeltanspruch tritt. § 3 MiLoG führt bei Unterschreiten des gesetzlichen Mindestlohns zu einem Differenzanspruch (BAG 25. Mai 2016 – 5 AZR 135/16 – Rn. 22 mwN, BAGE 155, 202).
2. Der Arbeitgeber hat den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn erfüllt, wenn die für einen Kalendermonat gezahlte Bruttovergütung den Betrag erreicht, der sich aus der Multiplikation der Anzahl der in diesem Monat tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit – im Streitzeitraum – 8,50 Euro ergibt (BAG 21. Dezember 2016 – 5 AZR 374/16 – Rn. 17, BAGE 157, 356). Es gilt ein umfassender Entgeltbegriff, so dass alle im Synallagma stehenden Geldleistungen des Arbeitgebers geeignet sind, den Mindestlohnanspruch des Arbeitnehmers zu erfüllen. Von den im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachten Entgeltzahlungen des Arbeitgebers fehlt folglich nur solchen Zahlungen die Erfüllungswirkung, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung beruhen (BAG 25. Mai 2016 – 5 AZR 135/16 – Rn. 32, BAGE 155, 202).
3. Danach kommt auch der von der Beklagten gezahlten Leistungszulage Erfüllungswirkung zu.
a) Das Mindestlohngesetz macht den Anspruch nicht von den mit der Arbeitsleistung verbundenen Erfolgen abhängig (BAG 25. Mai 2016 – 5 AZR 135/16 – Rn. 30, BAGE 155, 202). Entgegen der Ansicht der Klägerin gebietet die Entstehungsgeschichte des Mindestlohngesetzes kein anderes Verständnis. Der Begriff der „Normalleistung“ hat keinen Eingang in den Wortlaut des Mindestlohngesetzes gefunden (so bereits BAG 21. Dezember 2016 – 5 AZR 374/16 – Rn. 21, BAGE 157, 356).
b) Die Leistungszulage ist eine im Synallagma stehende Geldleistung der Beklagten. Mit ihrer Zahlung honoriert die Beklagte die Arbeitsleistung der Klägerin. Einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung unterliegt die Leistungszulage nicht.
4. Die Klägerin hat nicht vorgebracht, bei Multiplikation der in den streitgegenständlichen Monaten jeweils tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit 8,50 Euro brutto (vgl. BAG 25. Mai 2016 – 5 AZR 135/16 – Rn. 26, BAGE 155, 202) ergebe sich ein höherer Betrag als der von der Beklagten gezahlte.
II. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
(Mindestlohn Anrechnung Leistungszulage)