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Erbrecht – Testament | Abgrenzung zwischen einer bedingten Erbeneinsetzung und einer Motivangabe im Testament
Beschluss des OLG München vom 15.05.2012
Aktenzeichen: 31 Wx 244/11
Der wesentliche Inhalt der Entscheidung (Zusammenfassung):
Der Erblasser fasste im Krankenhaus vor einer Operation ein Testament ab, mit dem er seine langjährige Lebensgefährtin zu seiner Alleinerbin ernannte. Dabei verwendete er die Formulierung, dass seine Lebensgefährtin sein Geldvermögen und ein Baugrundstück erben soll, wenn ihm bei der anstehenden Operation etwas zustößt. Der Erblasser überlebte die Operation und verstarb ca. 27 Jahre später. Das Gericht musste sich mit der Frage auseinandersetzen, ob die Lebensgefährtin des Erblassers aufgrund des Testamentes dessen Alleinerbin geworden ist.
(Testament)
Kurzbesprechung der Entscheidung:
Die Lebensgefährtin des Erblassers beantragte nach dessen Tod einen Erbschein. Der Antrag wurde vom Nachlassgericht zurückgewiesen. Das OLG München entschied im Beschwerdeverfahren, dass der Lebensgefährtin des Erblassers der beantragte Erbschein zu erteilen ist.
Zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung bestand das wesentliche Vermögen des Erblassers aus dem im Testament erwähnten Baugrundstück und dem Geldvermögen des Erblassers. Da der Erblasser somit sein gesamtes Vermögen seiner Lebensgefährtin im Falle seines Todes zukommen lassen wollte, ging das OLG München davon aus, dass der Erblasser seine Lebensgefährtin zur Alleinerbin bestimmen wollte. Würde man die Anordnung des Erblassers so verstehen, dass er seiner Lebensgefährtin hinsichtlich der beiden fraglichen Vermögenspositionen lediglich ein Vermächtnis zukommen lassen wollte, so würde sich aus dem Testament des Erblassers kein Erbe ergeben. Angesichts der Tatsache, dass der Erblasser sein gesamtes Vermögen aber seiner Lebensgefährtin zuwenden wollte, kam das OLG München zu dem Schluss, dass dies vom Erblasser nicht gewollt war. Das Testament war daher so auszulegen, dass der Erblasser seine Lebensgefährtin zur Alleinerbin einsetzen wollte.
Fraglich war weiter, ob die Lebensgefährtin nur in dem Fall Erbin des Erblassers werden sollte, wenn der Erblasser bei der Operation verstirbt. Auch dies wurde vom OLG München verneint. Das OLG München ging bei seiner Auslegung des Testamentes davon aus, dass der Erblasser durch die Operation lediglich dazu motiviert wurde, überhaupt ein Testament zu errichten. Die Erbeinsetzung der Lebensgefährtin sollte hingegen nicht durch den Tod des Erblassers bei der Operation bedingt sein.
Das Gericht ging vielmehr davon aus, dass der Wille des Erblassers generell auf die Erbeneinsetzung der Lebensgefährtin gerichtet war. Diese sollte nicht abhängig sein vom Tod des Erblassers anlässlich der anstehenden Operation. Folglich wurde die Lebensgefährtin des Erblassers durch das Testament unbedingte Alleinerbin des Erblassers. Aus diesem Grunde musste das Nachlassgericht der Lebensgefährtin des Erblassers den beantragten Erbschein erteilen.