Testierfähigkeit und Demenz | Anwalt Erbrecht Köln

Aufgrund des hohen Alters, welches von einem Großteil der Bevölkerung erreicht wird, und der Tatsache, dass viele Personen ihr Testament erst am Ende ihres Lebensweges errichten, steht in vielen Erbfällen die Frage im Raum, ob die Testierfähigkeit des Erblassers aufgrund einer Demenzerkrankung eingeschränkt war.

Die Erfahrungen mit der Auswirkung einer Demenzerkrankung auf die allgemeine geistige Leistungsfähigkeit des Betroffenen führt zu dem Ergebnis, dass die Beurteilung der Frage, inwieweit sich die Demenzerkrankung auf die Testierfähigkeit des Betroffenen ausgewirkt hat, nur anhand des Gesamtverhaltens des Erblassers und des gesamten Bildes seiner Persönlichkeit zum Zeitpunkt der Errichtung des Testamentes beurteilt werden kann. Eine Beurteilung dieser Frage anhand einzelner Erklärung des Erblassers oder Angaben zu seinem Gesundheitszustand ist im Regelfall nicht möglich. Dies gilt insbesondere, weil bei einer Demenzerkrankung die konkreten Abbauerscheinungen in vielen Fällen durch eine nach außen aufrecht erhaltene Fassade im Verhalten verdeckt werden bzw. verdeckt werden können. Auf das äußere Erscheinungsbild des Betroffenen im Rahmen einer Beratung oder Besprechung kann daher bei der Beurteilung der Auswirkung einer Demenzerkrankung auf seine Testierfähigkeit nicht ausschließlich abgestellt werden.

Zur Beurteilung der Auswirkung einer Demenzerkrankung auf die Testierfähigkeit des Betroffenen muss daher der Sachverhalt in zwei Schritten geklärt werden. Im ersten Schritt muss die konkrete Erkrankung diagnostiziert werden, die zu einer Einschränkung der Testierfähigkeit führen kann. Im zweiten Schritt sind sodann die Umstände zu klären, aus denen sich die konkrete Beeinträchtigung der geistigen Fähigkeiten des Betroffenen aufgrund dieser Erkrankung ergeben, in deren Folge die freie Willensbildung des Erblassers so stark eingeschränkt ist, dass von einer Testierfähigkeit des Betroffenen nicht mehr ausgegangen werden kann.

Damit ist bei der Beurteilung der Auswirkung einer Demenzerkrankung auf die Testierfähigkeit des Betroffenen letztlich auf äußere Merkmale abzustellen, die sich aus dem Handeln und Auftreten des Erblassers zum Zeitpunkt der Errichtung seiner letztwilligen Verfügung ergeben. Hierzu zählen insbesondere:

1) Die Fähigkeit des Betroffenen sich zeitlich und räumlich zu orientieren

2) Die Ausgeglichenheit der Stimmungslagen des Betroffenen

3) Die Fähigkeit des Betroffenen zur selbstbestimmten Ausübung geistiger und körperlicher Aktivitäten

4) Die Gestaltung zwischenmenschlicher Kontakte durch den Betroffenen

5) Die Selbstversorgung des Betroffenen mit Nahrungsmitteln

6) Die Sicherstellung selbstbestimmter hygienischer Verrichtungen durch den Betroffenen

7) Die Gestaltung des eigenen Wohnraums durch den Betroffenen

Defizite hinsichtlich der vorstehenden Fähigkeiten und Eigenschaften lassen einen Rückschluss darauf zu, dass der Betroffene aufgrund der Demenzerkrankung in seiner freien Willensbildung so stark eingeschränkt ist, dass die Testierfähigkeit des Betroffenen aus medizinischer Sicht ausgeschlossen ist.

Diese krankheitsbedingte Einschränkung der freien Willensbildung des Betroffenen darf aber nicht mit der Beurteilung der inhaltlichen Sinnhaftigkeit der letztwilligen Verfügungen des Betroffenen verwechselt werden. Erbrechtlich ist es unerheblich, ob die letztwilligen Verfügungen des Erblassers aus Sicht der Erben sinnvoll und nachvollziehbar sind. Nur dann, wenn diese Verfügungen aufgrund der geistigen Beeinträchtigung des Erblassers sinnlos sind und nicht nachvollzogen werden können, sind sie aufgrund der krankheitsbedingten Testierunfähigkeit des Erblassers unbeachtlich, da die letztwillige Verfügung aufgrund der Testierunfähigkeit des Erblassers unwirksam ist. Dies setzt aber die klare Diagnose der medizinischen Umstände voraus, aus denen auf die Testierunfähigkeit geschlossen werden kann. Ein Umkehrschluss, aus dem aus der mangelhaften Sinnhaftigkeit der letztwilligen Verfügung auf die Testierunfähigkeit des Erblassers geschlossen wird, ist hingegen unzulässig, da der Erblasser nicht verpflichtet ist, in sinnhafter Art und Weise zu testieren.

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