Aufteilung des Nachlasses bei bestehenden Pflichtteilsansprüchen

Die Frage, wie eine Erbschaft unter dem Gesichtspunkt von Pflichtteilsansprüchen aufzuteilen ist, muss unterschiedlich beantwortet werden.

Die Frage kann zum einen aus Sicht des Erblassers beantwortet werden, der eine bestimmte Verteilung des Nachlasses auf seine Erben wünscht und dabei vor dem Problem steht, durch diese Verteilung eventuell Pflichtteilsansprüche auszulösen.

Aus der Sicht der Erben stellt sich die Frage, wie mit Pflichtteilsansprüchen im Rahmen der Auseinandersetzung des Nachlasses umzugehen ist. In diesem Zusammenhang stellt sich weiter die Frage, ob Pflichtteilsansprüche eine Nachlassverbindlichkeit darstellen und welche Folgen sich aus dem Umstand ergeben können, dass dem Erben selbst aufgrund der Pflichtteilsansprüche und weiterer Verbindlichkeiten nur ein Anteil am Nachlass verbleibt, der unter dem eigenen Pflichtteilsanspruch liegt.

Aufteilung des Nachlasses aus Sicht des Erblassers

Ein Erblasser hat die Möglichkeit auf die Verteilung seines Nachlasses durch die Anordnung von Vermächtnissen, Teilungsanordnungen oder Übernahmerechten unmittelbaren Einfluss zu nehmen. Die verschiedenen Arten der Gestaltung unterscheiden sich bezüglich der Verbindlichkeit für die Erben.

Ordnet der Erblasser bei der Gestaltung der Verteilung der einzelnen Vermögensgegenstände, die zu seinem Nachlass gehören, nicht an, dass eventuelle Wertunterschiede hinsichtlich der jeweiligen Nachlassgegenstände durch Zahlungen zwischen den Erben ausgeglichen werden müssen, kann dies Pflichtteilsansprüche auslösen.

Ein Erbe, der aufgrund von Vermächtnissen, Teilungsanordnungen oder Übernahmerechten weniger erhält als den Pflichtteil, der ihm zustünde, wenn er nicht Erbe wäre, kann unter bestimmten Umständen Ausgleichsansprüche geltend machen.

Im Interesse einer einvernehmlichen Abwicklung des Nachlasses sollte der Erblasser daher großen Wert darauf legen, dass seine Vermächtnisse, Teilungsanordnungen und eingeräumten Übernahmerecht nicht zur Folge haben, dass Pflichtteilsansprüche ausgelöst werden. Diese Pflichtteilsansprüche müssen somit vom Erblasser bei der Gestaltung seines Testamentes berücksichtigt werden. Dies setzt eine entsprechend genaue Formulierung bei der Anordnung von Vermächtnissen, Teilungsanordnungen oder Übernahmerechten im Testament voraus.

Aufteilung des Nachlasses aus Sicht der Erben

Ein Erbe kann durch die Anordnungen des Erblassers belastet werden. Ordnet der Erblasser Vermächtnisse an, so muss der Erbe diese Vermächtnisse erfüllen. Treten neben die Vermächtnisse Pflichtteilsansprüche, so liegt es auf der Hand, dass die Belastungen im Einzelfall zur Folge haben können, dass der Erbe weniger durch den Erbfall erhält, als erhalten würde, wenn er die Erbschaft ausschlagen würde, um im Weiteren selbst Pflichtteilsansprüche geltend zu machen.

Im Zusammenhang mit solchen Belastungen der Erben durch die Anordnungen des Erblassers ist zu berücksichtigen, dass Vermächtnisse im Regelfall nicht von der sogenannten Bemessungsgrundlage für die Berechnung von Pflichtteilsansprüchen abgezogen werden. Der Erbe ist daher in vielen Fällen verpflichtet, auf der einen Seite die Vermächtnisse auszuzahlen und auf der anderen Seite Pflichtteilsansprüche zu begleichen, die sich anteilmäßig auch auf die Werte beziehen, die der Erbe an die Vermächtnisnehmer auszahlen muss. Dies führt zu einer doppelten Belastung. Der Gesetzgeber hat sich für dieses Verhältnis von Vermächtnissen zu Pflichtteilsansprüchen entschieden, um zu verhindern, dass die berechtigten Ansprüche von Pflichtteilsberechtigten durch die Anordnung von Vermächtnissen durch den Erblasser unterlaufen werden.

Der Gesetzgeber stellt in einer solchen Situation dem Erben unterschiedliche Möglichkeiten zum Ausgleich zur Verfügung. So kann der Erbe, der gleichzeitig Vermächtnisse erfüllen und Pflichtteilsansprüche ausgleichen muss, die Vermächtnisse so weit kürzen, dass ihm nach Ausgleich der Vermächtnisse und Pflichtteilsansprüche selbst zumindest sein eigener Pflichtteil am Erbe verbleibt. Weiter kann der Erbe die Erfüllung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen ablehnen, wenn der Ausgleich solcher Ansprüche durch den Erben zur Folge hat, dass der Erbe selbst aus dem Nachlass weniger erhält, als erhalten würde, wenn er selbst nur Pflichtteilsansprüche geltend machen könnte.

Bei der Frage, inwieweit die Verteilung des Nachlasses und der Ausgleich von Pflichtteilsansprüchen vom Erben abgewehrt werden können, kommt es somit entscheidend darauf an, ob dem Erben selbst soviel verbleibt, dass dies seinem eigenen Pflichtteil hinsichtlich des Nachlasses des Erblassers entspricht.

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