Oberlandesgericht Hamm - I-10 W 141_23 - 30.08.2024 | Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht Detlev Balg | Köln - Nippes

Oberlandesgericht Hamm – I-10 W 141/23 – 30.08.2024

Gericht: Oberlandesgericht Hamm

Aktenzeichen: I-10 W 141/23

Entscheidung: 30.08.2024

Zusammenfassung des Sachverhaltes:

Der vorliegende Fall behandelt die komplexen erbrechtlichen Verwicklungen nach dem Tod des Erblassers (E) im Jahr 2022. E war mit der Beteiligten zu 1 (B 1) in einer Zugewinngemeinschaft verheiratet und hinterließ neben seiner Ehefrau zwei Töchter, die Beteiligten zu 2 (B 2) und 4 (B 4), sowie eine Enkelin, die Beteiligte zu 3 (B 3). Zusätzlich existiert eine Schwester des Erblassers, deren Aufenthaltsort in Russland vermutet wird und zu der kein Kontakt besteht. Der Nachlass, bestehend hauptsächlich aus einer Immobilie, wurde auf einen Wert von 120.000 EUR beziffert. Ein Testament hatte der Erblasser nicht errichtet, weshalb die gesetzliche Erbfolge zur Anwendung kam.

Kurz nach dem Erbfall suchten die Beteiligten einen Notar auf, um die erbrechtliche Situation zu klären und einen Erbschein zu beantragen. Am 23. Mai 2022 erklärten B 2 und B 4 notariell beglaubigt die Ausschlagung der Erbschaft nach E aus allen Berufungsgründen. Gleichzeitig fochten sie eine eventuelle Versäumung der sechswöchigen Ausschlagungsfrist gemäß § 1944 BGB wegen Irrtums an. Auch für die minderjährige Enkelin B 3 wurde durch B 2 und deren Ehemann als gesetzliche Vertreter die Erbschaft ausgeschlagen. Dieser Schritt erfolgte offenbar in der Absicht, eine sogenannte „lenkende Ausschlagung“ zu bewirken, mit dem Ziel, dass die Mutter B 1 Alleinerbin würde. Dabei wurde jedoch die mögliche Erbenstellung der in Russland lebenden Schwester des Erblassers übersehen, was bei deren Einrücken als Miterbin zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten bei der Nachlassabwicklung hätte führen können.

Am 30. Juni 2022 erfolgte eine weitere notariell beglaubigte Erklärung von B 2 und B 4, in der sie ihre vorherige Anfechtungserklärung und die Erbausschlagung vom 23. Mai 2022 nunmehr selbst wegen Irrtums anfochten. Sie begründeten dies damit, sich über den Anfall der Erbschaft bei ihrer Tante (der Schwester des E) getäuscht zu haben.

Daraufhin beantragte B 1 am 3. August 2022 beim Nachlassgericht die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, der sie als Miterbin zu 1/2 und ihre beiden Töchter B 2 und B 4 als Miterbinnen zu je 1/4 ausweisen sollte. Zur Begründung führte sie an, dass die Ausschlagungsfrist für ihre Töchter zum Zeitpunkt deren Erklärungen vom 23. Mai 2022 bereits abgelaufen gewesen sei und die Töchter zudem ihre Ausschlagungserklärungen wegen Irrtums angefochten hätten.

Das Nachlassgericht wies den Erbscheinsantrag der B 1 jedoch zurück. Es vertrat die Auffassung, die Töchter hätten die Erbschaft wirksam ausgeschlagen, und eine wirksame Anfechtung dieser Ausschlagungen sei durch die späteren Erklärungen vom 30. Juni 2022 nicht erfolgt. Gegen diesen Beschluss legten B 1 und B 2 form- und fristgerecht Beschwerde ein. Sie argumentierten, das Nachlassgericht habe den Sachverhalt unvollständig gewürdigt. Insbesondere sei unberücksichtigt geblieben, dass B 2 und B 4 bereits Ende März 2022 vom Notar über ihre Stellung als gesetzliche Erben und über die sechswöchige Ausschlagungsfrist informiert worden seien. Dies wurde durch eine spätere Stellungnahme des Notars vom 30. Oktober 2023 bestätigt. Die ursprünglichen Angaben in den Ausschlagungserklärungen vom 23. Mai 2022, wonach sie erst am 19. Mai 2022 von der Ausschlagungsfrist erfahren hätten und von einem Testament zugunsten der Mutter ausgegangen seien, entsprachen somit nicht der Wahrheit. Die Erbausschlagungen vom 23. Mai 2022 seien daher verspätet und folglich unwirksam. Das Nachlassgericht half der Beschwerde nicht ab und legte die Sache dem Oberlandesgericht Hamm zur Entscheidung vor. Die Kernfrage für das OLG war somit, ob die Ausschlagungen fristgerecht erfolgten und ob die nachträglichen, korrigierten Angaben der Beteiligten zum Kenntniszeitpunkt der Ausschlagungsfrist zu berücksichtigen waren.

Zusammenfassung der Urteilsgründe:

Das Oberlandesgericht Hamm entschied, dass die Beschwerden der Beteiligten zu 1 (B 1) und der Beteiligten zu 2 (B 2) sowohl zulässig als auch begründet sind. Folglich wurde der Beschluss des Nachlassgerichts aufgehoben und dem Erbscheinsantrag der B 1 stattgegeben, der sie als Miterbin zu 1/2 und ihre Töchter B 2 und B 4 als Miterbinnen zu je 1/4 ausweist.

Die zentrale Feststellung des Senats war, dass die Töchter B 2 und B 4 nicht wirksam aus der gesetzlichen Erbfolge ausgeschieden sind, da ihre notariell beglaubigten Ausschlagungserklärungen vom 23. Mai 2022 nicht innerhalb der gesetzlichen Sechs-Wochen-Frist des § 1944 Abs. 1 BGB erfolgt und daher unwirksam sind. Gemäß § 1944 Abs. 2 S. 1 BGB beginnt diese Frist mit dem Zeitpunkt, in dem der Erbe vom Anfall der Erbschaft und dem Grund seiner Berufung Kenntnis erlangt. Für gesetzliche Erben bedeutet dies zusätzlich die Kenntnis, dass keine vorrangige Verfügung von Todes wegen existiert oder eine solche unwirksam ist.

Das Gericht stellte fest, dass die Töchter bereits mit dem Tod des Erblassers (E) am 8. März 2022 vom Erbfall und ihrem Berufungsgrund (enges Verwandtschaftsverhältnis) wussten. Die notwendige Kenntnis über das Nichtvorhandensein eines Testaments lag spätestens am 15. März 2022 vor, als B 1 ihnen mitteilte, trotz intensiver Suche kein Testament gefunden zu haben. Dies räumten B 2 und B 4 in ihren späteren Anfechtungserklärungen vom 30. Juni 2022 selbst ein. Darüber hinaus bestätigte der beratende Notar in seiner Stellungnahme vom 30. Oktober 2023, dass er B 1, B 2 und B 4 bereits am 28. März 2022 in einem Gespräch über die Regeln der gesetzlichen Erbfolge und die sechswöchige Ausschlagungsfrist aufgeklärt hatte. In einem weiteren Gespräch Anfang April 2022 wurde dem Notar von B 2 mitgeteilt, dass kein Testament gefunden worden sei und alle vom Eintritt der gesetzlichen Erbfolge ausgingen.

Die ursprünglichen Angaben von B 2 und B 4 in ihren Ausschlagungserklärungen vom 23. Mai 2022, sie hätten erst am 19. Mai 2022 von der Ausschlagungsfrist erfahren und seien von einem Testament zugunsten der Mutter ausgegangen, wurden vom Senat als unwahr bewertet. Das Gericht erkannte, dass diese unwahren Erklärungen abgegeben wurden, um eine sogenannte „lenkende Ausschlagung“ zugunsten der Mutter zu erreichen, ohne die Konsequenz des Nachrückens der Schwester des Erblassers zu bedenken. Obwohl den Beteiligten vorzuwerfen war, durch diese unwahren Angaben die Klärung der erbrechtlichen Situation erschwert zu haben, sah das Gericht die nachträgliche, übereinstimmende Schilderung des tatsächlichen Geschehensablaufs durch die Beteiligten und den Notar als glaubhaft an. Diese nachträglichen, korrigierten Erklärungen waren daher bei der Tatsachenwürdigung zu berücksichtigen.

Unter Zugrundelegung dieses festgestellten Sachverhalts waren die Ausschlagungserklärungen vom 23. Mai 2022, die erst am 2. Juni 2022 beim Nachlassgericht eingingen, verspätet. Da die Ausschlagungsfrist bereits vor dem 23. Mai 2022 abgelaufen war, galten die Erbschaften gemäß § 1943 Hs. 2 BGB als angenommen. Eine wirksame Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist lag ebenfalls nicht vor, da der behauptete Irrtum über die Frist (angebliche Unkenntnis) nachweislich nicht bestand. Auf die Frage, ob die weiteren Anfechtungserklärungen vom 30. Juni 2022 (Anfechtung der Ausschlagung wegen Irrtums über das Nachrücken der Tante) als bloßer Motivirrtum unbeachtlich wären, kam es somit nicht mehr an.

Das OLG Hamm kritisierte implizit das Nachlassgericht dafür, den Sachverhalt trotz widersprüchlicher Angaben und der Amtsermittlungspflicht gemäß § 26 FamFG nicht ausreichend aufgeklärt zu haben. Die Kostenentscheidung folgte den gesetzlichen Bestimmungen, wobei B 2 die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt wurden, da sie durch ihre ursprünglichen wahrheitswidrigen Äußerungen maßgeblich zur Notwendigkeit des Verfahrens beigetragen hatte. Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen.

Tenor:

  1. Die Beschwerden der Beteiligten zu 1 und 2 haben Erfolg.
  2. Dem von der Beteiligten zu 1 am 3. August 2022 gestellten Erbscheinsantrag ist zu entsprechen.
  3. Die Gerichtskosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt die Beteiligte zu 1 als Antragstellerin (§ 22 Abs. 1 GNotKG).
  4. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beteiligte zu 2.
  5. Eine Kostenerstattung außergerichtlicher Kosten ist nicht veranlasst (§ 81 FamFG).
  6. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen (§ 70 Abs. 2 FamFG).

Begründung der Entscheidung:

Sachverhalt:

I. Der am 2022 verstorbene Erblasser (E) war mit der Beteiligten zu 1 (B 1) im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet. B 2 und 4 sind seine Töchter, B 3 ist seine Enkelin. Es gibt wohl noch eine Schwester des E, die in Russland lebt. Zum Nachlass des E, der sich auf einen Wert von 120.000 EUR beläuft, gehört eine Immobilie. E hinterließ kein Testament.

Mit notariell beglaubigten Erklärungen vom 23.5.2022 haben B 2 und 4 die Erbschaft nach E aus allen Berufungsgründen ausgeschlagen und eine etwaige Versäumung der Ausschlagungsfrist wegen Irrtums angefochten. Zudem haben B 2 und ihr Ehemann als gesetzliche Vertreter für B 3 die Erbschaft aus allen Berufungsgründen ausgeschlagen.

Mit weiteren notariell beglaubigten Erklärungen vom 30.6.2022 haben B 2 und 4 ihre Anfechtungserklärung und die Erbausschlagung vom 23.5.2022 wegen Irrtums angefochten.

Mit Antrag vom 3.8.2022 hat B 1 die Erteilung eines Erbscheins nach gesetzlicher Erbfolge beantragt, der sie als Miterbin zu 1/2 und ihre beiden Töchter als Miterbinnen zu je 1/4 ausweist. Sie hat dies damit begründet, dass zum Zeitpunkt der Erklärungen ihrer Töchter vom 23.5.2022 über die Ausschlagung der Erbschaft die Ausschlagungsfrist bereits abgelaufen sei. Darüber hinaus hätten sie ihre Erklärungen wegen Irrtums angefochten.

Das Nachlassgericht (NachlGer.) hat den Erbscheinantrag der B 1 zurückgewiesen. Die beiden Töchter hätten mit den Erklärungen vom 23.5.2022 die Erbschaft nach E ausgeschlagen. Eine wirksame Anfechtung dieser Ausschlagungen sei durch die Erklärungen vom 30.6.2022 nicht erfolgt.

Hiergegen haben B 1 und 2 form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt, mit der sie den Erbscheinsantrag weiterverfolgen. Sie rügen, der vom NachlGer. zugrunde gelegte Sachverhalt sei unvollständig gewürdigt worden. B 2 und 4 hätten bereits Ende März 2022 gewusst, dass sie als gesetzliche Erben in Betracht kommen und seien auch über die sechswöchige Frist des § 1944 BGB informiert gewesen. Dies entspreche auch der eingeholten Stellungnahme des Notars vom 30.10.2023. Es sei klargestellt worden, dass die Erklärungen gegenüber dem NachlGer. vom 23.5.2022 nicht der Wahrheit entsprochen hätten. Soweit das NachlGer. ausgeführt habe, diese nachträglichen Erklärungen seien nicht mehr zu berücksichtigen, sei dies unzutreffend. Eine solche Sperrwirkung kenne § 26 FamFG nicht. Damit habe die Ausschlagungsfrist hier spätestens am 28.3.2022 begonnen, nachdem der Notar B 2 und 4 über die sechswöchige Ausschlagungsfrist informiert hätte. Auch aus den Erklärungen vom 30.6.2022 folge, dass die Töchter schon am 15.3.2022 Kenntnis davon gehabt hätten, dass B 1 trotz intensiver Suche kein Testament gefunden habe. Die am 23.5.2022 erfolgten Erbausschlagungen seien damit verspätet und somit unwirksam.
Das NachlGer. hat den Beschwerden nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Aus den Gründen:

II. Die Beschwerden von B 1 und 2 haben Erfolg.

Die Rechtsmittel sind gem. §§ 58 ff. FamFG zulässig.
Die Beschwerden von B 1 und 2 sind auch in der Sache begründet.
Da nach dem Tod des E kein Testament aufgefunden wurde, bestimmt sich die Erbfolge nach dem Gesetz. Danach ist seine Ehefrau gem. § 1931 Abs. 1, 3, § 1371 Abs. 1 BGB Miterbin zu 1/2, und seine beiden Töchter sind gem. § 1924 Abs. 1, 4 BGB Miterbinnen je zu 1/4 geworden. Dem von B 1 am 3.8.2022 gestellten Erbscheinantrag ist deshalb zu entsprechen.
Keine fristgemäße Erbausschlagung durch B 2 und B 4
B 2 und 4 sind nicht infolge ihrer notariell beglaubigten Erklärungen vom 23.5.2022 über die Ausschlagung des Erbes aus der gesetzlichen Erbfolge ausgeschieden. Diese Erklärungen sind nicht innerhalb der Frist des § 1944 BGB erfolgt und damit unwirksam. Die Versäumung der Ausschlagungsfrist ist auch nicht wirksam angefochten worden.
Gemäß § 1944 BGB hat eine Erbausschlagung binnen 6 Wochen zu erfolgen.
Diese Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfall und dem Grund seiner Berufung Kenntnis erlangt. Den Eintritt des Erbfalls kannten die Töchter des E bereits mit seinem Versterben am 8.3.2022. Auch wussten sie damals schon von ihrem engen verwandtschaftliches Verhältnis zu E, also ihrem Berufungsgrund. Zusätzlich muss ein gesetzlicher Erbe noch Kenntnis davon haben, dass keine anderweitige, sein Erbrecht ausschließende oder einschränkende Verfügung von Todes wegen vorliegt oder dass eine bestehende Verfügung unwirksam ist (Müller-Engels in BeckOGK, 5/2024, BGB § 1944 Rn. 43 mwN). Diese Kenntnis lag bei den Beteiligten bereits spätestens am 15.3.2022 vor (s. unten).
Zwar haben B 2 und 4 in ihrer Erklärung vom 23.5.2022 ursprünglich ausgeführt, sie seien zunächst davon ausgegangen, dass E ein privatschriftliches Testament errichtet habe, in der B 1 als Alleinerbin eingesetzt worden sei. Erst jetzt hätten sie von B 1 erfahren, dass ein solches Testament nicht mehr auffindbar sei und sie als Miterben in Betracht kämen. Auch von der gesetzlichen sechswöchigen Ausschlagungsfrist hätten sie erst bei einer Besprechung mit dem Notar am 19.5.2022 erfahren.
Die Beteiligten wollten eine lenkende Erbausschlagung bewirken
Unter Zugrundelegung dieser Erklärungen nebst gleichzeitig erklärter Anfechtung der Versäumung der Anfechtungsfrist wegen Irrtums, § 1956 BGB, wären ihre Erbausschlagungen vom 23.5.2022 wirksam gewesen. Allerdings ist aufgrund der weiteren Erklärungen von B 2 und 4 vom 30.6.2022 und der Stellungnahme des sie beratenden Notars vom 30.10.2022 festzustellen, dass die Erklärungen vom 23.5.2022 nicht der Wahrheit entsprochen haben und nur deshalb abgegeben worden sind, um sog. lenkende Erbausschlagungen zu bewirken. Dass haben B 2 und 4 inzwischen eingestanden. Sie wollten nämlich damit erreichen, dass ihre Mutter Alleinerbin wird. Dass stattdessen eine Schwester als Miterbin nachrücken kann, ist bei den vorangegangenen Beratungsgesprächen wohl nicht bedacht worden.
Insofern ist zwar den Beteiligten vorzuwerfen, dass sie selbst durch Abgabe unwahrer Erklärungen die Schwierigkeiten bei der Klärung der erbrechtlichen Konstellation hervorgerufen haben. Jedoch ergibt sich hier bei der Tatsachenwürdigung die Besonderheit, dass die Beteiligten eine als solche wiederum glaubhafte Schilderung dafür abgeben konnten, wie es zu ihren ursprünglichen wahrheitswidrigen Erklärungen gekommen war.
Dass ein Beratungsgespräch bereits kurz nach dem Erbfall stattgefunden hat, ist durch den Notar in seiner Stellungnahme vom 30.10.2023 bestätigt worden. Danach hat es ein erstes Gespräch des Notars mit B 1, 2 und 4 bereits am 28.3.2022 gegeben. In diesem Gespräch hat der Notar den Beteiligten die Regeln der gesetzlichen Erbfolge erläutert und sie über die Möglichkeit einer Ausschlagung der Erbschaft innerhalb von 6 Wochen nach dem Anfall der Erbschaft und dem Grunde der Berufung aufgeklärt. In einem weiteren Gespräch in der ersten Aprilwoche 2022 soll dem Notar dann von B 2 mitgeteilt worden sein, dass B 1, 2 und 4 kein Testament des E gefunden hätten und deshalb alle vom Eintritt der gesetzlichen Erbfolge ausgingen. Diesen Geschehensablauf haben B 2 und 4 inzwischen auch selbst bestätigt. Schon in ihren Anfechtungserklärungen vom 30.6.2022 haben sie eingestanden, dass B 1 ihnen bereits am 15.3.2022 mitgeteilt habe, dass sie trotz intensiver Suche kein Testament habe finden können.
Nachträgliche Berücksichtigung der Erklärung der Beteiligten
Diese aufgrund mit der vorliegenden Stellungnahme des Notars übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten sind für den Senat nachvollziehbar und glaubhaft und deshalb auch noch nachträglich zu berücksichtigen. Unter Zugrundelegung dieses Sachverhalts sind die Ausschlagungserklärungen von B 2 und 4 vom 23.5.2022, die erst am 2.6.2022 beim NachlGer. eingegangen sind, nicht mehr innerhalb der 6-Wochenfrist des § 1944 BGB und damit verspätet erfolgt.
Auf die weitere Frage, ob die Anfechtungserklärungen vom 30.6.2022 durchgreifen oder ob der dort mitgeteilte Anfechtungsgrund als bloßer Motivirrtum nach der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung (dazu BGH v. 22.3.2023 – IV ZB 12/22, ZEV 2023, 372 mAnm Muscheler) unbeachtlich ist, kommt es somit nicht mehr an.
III. Die Gerichtskosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt B 1 als Antragstellerin, § 22 Abs. 1 GNotKG.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt B 2. Dem steht nicht entgegen, dass ihr Rechtsmittel im Ergebnis erfolgreich war. Maßgeblich für die Kostenverteilung ist vielmehr gem. § 81 Abs. 2 Nr. 1 und 3 FamFG, dass B 2 durch ihre ursprünglichen wahrheitswidrigen Äußerungen im Sinne eines groben Verschuldens überhaupt erst den maßgeblichen Ansatzpunkt für die Notwendigkeit eines Beschwerdeverfahrens gesetzt hat.
Eine Kostenerstattung außergerichtlicher Kosten ist hier nicht veranlasst, § 81 FamFG.
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind, § 70 Abs. 2 FamFG. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.