Bundesweite Beratung über Zoom oder Skype. Vereinbaren Sie einen Termin.
Urteil des Landgericht Berlin vom 28.09.2010
Aktenzeichen: 2 O 287/10
Kurze Zusammenfassung der Entscheidung:
Im vorliegenden Fall hatte der spätere Erbe dem Erblasser Geld geschenkt, mit dem der Erblasser ein Grundstück erwarb. Dieses Grundstück gehörte zum späteren Nachlass des Erblassers. Es wurden Pflichtteilsansprüche geltend gemacht, die das Grundstück bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruches mit berücksichtigten.
Der Erbe hielt der Höhe des Pflichtteilsanspruches entgegen, dass das Grundstück, welches der Erblasser mit dem Geld aus der Schenkung des Erben erworben hatte, wegen dieser Schenkung nicht bei der Berechnung des Pflichtteils berücksichtigt werden darf.
Die Entscheidung stellt klar, dass auch Nachlassvermögen, welches der Erblasser mit Geld aus einer Schenkung der späteren Erben erworben hat, bei der Berechnung des Pflichtteils zu berücksichtigen ist, soweit nicht andere Gründe dem entgegenstehen. Entscheidend ist, dass die erworbene Sache dem Nachlass zuzurechnen ist. Auf die Herkunft der Mittel, mit denen der Erblasser die Sache erworben hat, kommt es nicht an.
(Pflichtteilsergänzung Geldschenkung)
Tenor:
1) Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
2) Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
(Pflichtteilsergänzung Geldschenkung)
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist Tochter der am 9. Dezember 2008 verstorbenen Frau (…), geborene (…). Sie und ihr Bruder (…) sind deren Erben zu gleichen Teilen. Die Beklagte ist die Ehefrau von (…).
Im Jahr 1988 kaufte die Erblasserin zusammen mit der Beklagten und Herrn (…) das Grundstück (…) 447, (…) Brieselang, verzeichnet beim Amtsgericht Nauen, Grundbuch von Brieselang Blatt (…) . Sie erwarb einen ideellen halben Miteigentumsanteil, während die Beklagte und ihr Ehemann den anderen halben Miteigentumsanteil des Grundstücks in ehelicher Vermögensgemeinschaft erwarben. Am 28. Oktober 1992 übertrug die Erblasserin ihren halben Miteigentumsanteil auf (..) . Dabei behielt sie sich in der notariellen Urkunde ein lebenslanges Nießbrauchrecht am gesamten Grundstück vor.
Am 19.07.2000 schlossen die Beklagte und ihr Ehemann einen Ehe- und Erbvertrag in dem Gütertrennung vereinbart wurde und Herr (…) der Beklagten seinen Grundstücksanteil an dem streitbefangenen Grundstück und zugleich seinen hälftigen Miteigentumsanteil an dem von den Eheleuten bewohnten Grundstück in Berlin-Marzahn, (…) 10, (..) Berlin übertrug. An beiden Grundstücken behielt er sich jeweils ein lebenslanges Nießbrauchrecht sowie bezüglich des ersten Grundstücks ein Wohnungsrecht vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertragstext (Bl. 33 – 39 d.A.) Bezug genommen. Die Eigentumsumschreibung auf die Beklagte erfolgte am 28. August 2001.
Der Nettonachlasswert betrug 2.379,31 Euro. Die Klägerin verlangte von Herrn (…) Pflichtteilsergänzung. Herr (…) verweigerte Zahlung eines über 1.189,65 Euro hinausgehenden Betrages mit der Begründung, dass der Nachlass für eine Erfüllung weitergehender Forderungen nicht ausreiche. Die Klägerin forderte mit Anwaltschreiben vom 16. März 2010 die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 6. April 2010 vergeblich zur Zahlung von 10.726,90 Euro auf.
Die Klägerin sieht die Zuwendung des streitbefangenen Grundstücks an die Beklagte als Schenkung an. Sie behauptet, Herr (…) habe keinen höheren Zugewinn als die Beklagte erzielt. Das Grundstück habe bei der Zuwendung einen Wert von 81,81 Euro pro qm, beim Erbfall einen solchen von 50,- Euro pro qm gehabt. Sie errechnet sich einen Pflichtteilergänzungsanspruch in Höhe von 5.961,43 Euro. Es sei unerheblich, ob Herr (…) der Erblasserin die Mittel für den Grundstückserwerb zur Verfügung gestellt habe.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die Zwangsvollstreckung in das Grundstück (…) 447, (…), verzeichnet beim Amtsgericht Nauen, Grundbuch von Brieselang Blatt (…) wegen und in Höhe eines Betrages von 5.961,43 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07. April 2010 zu dulden, und ihr nachzulassen, die Duldung durch Zahlung des verlangten Betrages abzuwenden.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, das Grundstück sei ausschließlich aus Mitteln Herrn … erworben worden. Die Erblasserin sei Rentnerin ohne Ersparnisse gewesen. Sie sei nur deswegen als Käuferin aufgetreten, weil sie – nicht aber die Beklagte und Herr (…) – seinerzeit aus der DDR habe ausreisen dürfen. Herr (…) habe ihr das Geld für den Erwerb ihres Anteils geschenkt. Wirtschaftlich habe Herr (…) den Erwerb allein bezahlt, und er habe sich nach dem Erwerb um den Erhalt des Grundstücks gekümmert. Die Schenkung des Grundstücks an ihn sei sittlich geboten gewesen. Die Immobilienübertragung im Ehe- und Erbvertrag könne nicht als unentgeltliche Zuwendung gewürdigt werden. Sie sei zur Erfüllung ihrer güterrechtlichen Ansprüche erfolgt und habe im Kontext mit einer erbvertragliche Regelung gestanden. Im Hinblick auf die drei gemeinsamen Kinder sei Ziel des Vertrages gewesen eine Alterssicherung der Ehegatten herbeizuführen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift Beug genommen.
I. Es ist gemäß § 304 Abs. 1 ZPO durch Grundurteil zu entscheiden. Der Rechtsstreit ist nur dem Grunde nach entscheidungsreif, und es ist zudem zu erwarten, dass nach rechtskräftiger Klärung der Frage der Haftung dem Grunde nach der Streit über die Höhe des Anspruchs schon wegen der insoweit unverhältnismäßig hohen Kosten einer diesbezüglichen streitigen Klärung einvernehmlich beigelegt wird.
II. Die Klage ist dem Grunde nach berechtigt. Die Beklagte ist gemäß § 822 BGB verpflichtet, die Zwangsvollstreckung in das Grundstück in dem Umfang zu dulden, in dem die Klägerin Pflichtteilsergänzung verlangen kann.
1. Die Klägerin hat gegen den Nachlass einen Pflichtteilsergänzungsanspruch nach den §§ 2325, 2326 BGB. Auch ein Miterbe hat einen Pflichtteilungsergänzungsanspruch, wenn sein Erbteil durch beeinträchtigende Schenkungen unter den Wert des fiktiven Pflichtteils sinkt. Dies ist vorliegend auch dann der Fall, wenn das Grundstück beim Erbfall nur einen Wert von 40,- Euro pro qm hatte, da dann dem Nachlass ein Wert in Höhe von jedenfalls 20.980,- entzogen worden wäre, und die Klage jedenfalls in irgendeiner Höhe begründet wäre.
a) Es ist unerheblich, dass die Zuwendung an Herrn … deutlich länger als zehn Jahre vor dem Erbfall erfolgte. Behält sich der Erblasser bei einer Grundstücksschenkung den Nießbrauch vor, beginnt die Frist des § 2325 Abs. 3 BGB nicht zu laufen und für die Bewertung ist der Grundstückswert beim Erbfall maßgeblich, wenn – wie vorliegend unbestritten der Fall ist – das Grundstück beim Erbfall weniger wert war als bei der Schenkung (Palandt-Edenhofer, BGB, 69. Aufl., § 2325 Rdnrn. 19 ff.).
b) Die Zuwendung an Herrn … ist auch dann Schenkung, wenn dieser der Erblasserin die Mittel für den Grundstückserwerb überlassen hat.
Insbesondere hat die Erblasserin auch nach dem Vorbringen der Beklagten ihre Grundstückshälfte als originäres eigenes und weder dinglich noch schuldrechtlich belastetes freies Vermögen erworben. Die Beklagte hat insbesondere gerade nicht behauptet, dass die Erblasserin ihre Grundstückshälfte lediglich treuhändlerisch für Herrn … habe erwerben und auf Grund der Treuhandabrede später an ihn übertragen sollen. Sie hat stattdessen ausdrücklich behauptet, dass sowohl die Zuwendung des Geldes an die Erblasserin als auch die Zuwendung des Grundstückes an Herrn … Schenkungen gewesen seien. Nach diesem Vorbringen hat Herr … die Zuwendung uneigennützig und ohne Erwartung einer späteren Gegenleistung gemacht.
Die Zuwendung an ihn war schon deswegen keine Anstandsschenkung, weil als Anstandsschenkungen allein kleinere übliche Geschenke anzusehen sind (Palandt-Edenhofer, aaO., § 2330 Rdnr. 2), deren Rahmen die Schenkung eines bei der Schenkung einen Wert von ca. 80.000 DM aufweisenden Grundstückshälfte deutlich übersteigt. Es ehrt den Herrn … sehr, dass er seiner Schweigermutter unter den gegeben Umständen das erforderliche Geld uneigennützig geschenkt hat. Dies hat aber auch unmittelbar zur Folge, dass die Zuwendung des Grundstückes im Jahre 1992 an ihn gerade nicht einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprach. Eine Schenkung entspricht dann einer sittlichen Pflicht, wenn ihr Ausbleiben als sittlich anstößig erscheinen würde (Palandt-Edenhofer, aaO., Rdnr. 3). Es ist nicht ersichtlich, dass und warum es als sittlich anstößig anzusehen sein sollte, wenn die Erblasserin die ihr von Herrn … mittelbar zugemachte Zuwendung des halben Grundstückes bis an ihr Lebensende behalten hätte. Das gilt auch unter dem Aspekt, dass Herr … sich \“um den Erhalt des Grundstücks gekümmert” habe, was immer damit auch gemeint sein mag.
2. Die Klägerin konnte eigentlich gemäß § 2329 BGB von Herrn … die Herausgabe des halben Grundstücks zum Zwecke der Befriedigung ihres Anspruchs verlangen, soweit ihr restlicher Pflichtteilsergänzungsanspruch wegen Erschöpfung des Nachlasses unerfüllt geblieben worden ist. Herr … ist jedoch von dem Anspruch frei geworden, weil er seinerseits das Geschenk der Beklagten zugewendet hat, ohne dafür i.S.v. § 818 als Ersatz auch nur irgend etwas erlangt zu haben.
3. Unmittelbare Folge dieser unentgeltlichen Zuwendung des Geschenkes an die Beklagte ist, dass die Klägerin von dieser gemäß § 822 BGB die Herausgabe zum Zwecke der Befriedigung ihres Anspruches verlangen kann.
Dabei ist unerheblich, dass die Zuwendung des halben Grundstücks an die Beklagte im Rahmen einer ehevertraglichen bzw. gütervertraglichen bzw. erbrechtlichten Vereinbarung erfolgte. Entscheidend ist allein, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgte. Die Beklagte hat in keiner Höhe dargelegt, dass Herr … für die Zuwendung eine irgendwie geartete Gegenleistung erlangt hat. Insbesondere hat sie in keiner Weise dargelegt, dass Herr … bis zu der Regelung einen Zugewinn erzielt hätte, der den von ihr erzielten Zugewinn überstieg. Ihre rein pauschalen Behauptungen ehe- und erbrechtlich bedingter Zuwendungen sind nicht geeignet, die Unentgeltlichkeit der Zuwendung in Frage zu stellen. Dies gilt umso mehr, weil die Beklagte trotz der erhaltenen Zuwendungen Herrn … in dem Vertrag sogar enterbt und ihm von Todes wegen nur eher kleinere Vermächtnisse zugewendet hat.
Auch der von der Beklagten aufgeworfenen Aspekt der Altersvorsorge ist nicht geeignet, die Unentgeltlichkeit der Zuwendung in Frage zu stellen. Es ist bereits nicht dargetan oder sonst ersichtlich, dass die Beklagte über die von ihr durch eigene Berufstätigkeit und ihre Ansprüche auf Witwenrente nach Herrn … erlangte Altersvorsorge hinaus einer weitergehenden Altersvorsorge bedurfte und die Zuwendung Herrn … der Erfüllung eines Altersvorsorgeanspruches diente. Zudem ist nicht ersichtlich, warum jedenfalls die Zuwendung der ideellen Hälfte des Wohngrundstücks nicht für eine angemessene Alterssicherung ausreichen sollte und es auch noch der Zuwendung des streitbefangenen Grundstücks bedurft hatte. Schon gar nicht hat sich der Kammer die Logik des Vorbringens der Beklagten erschlossen, dass die Zuwendung an sie zugleich auch der Altersvorsorge Herrn …s dienen sollte. Falls der Hinweis auf die gemeinsamen drei Kinder bedeuten sollte, dass diese durch deren Pflichtteilsansprüche nach Herrn … die aus bloßer Erbschaft nach Herrn … erwachsene Altersvorsorge der Beklagten gefährden können sollten, hätte sich das auch durch Vorerbschaft und Nacherbschaft in Verbindung mit einer Enterbung für den Fall eines Verlangens eines Pflichtteils nach dem Erstversterbenden regeln lassen, und es ist auch nicht ersichtlich, dass beim Fortbestand des status quo und bloßer Erbeinsetzung der Beklagten deren Altersvorsorge durch die Pflichtteilsansprüche in relevanter Weise gefährdet sein könnte.
4. Wenn der Auffassung der Beklagten zu folgen sein sollte, dass die Zuwendung des Grundstückes an sie nicht unentgeltlich gewesen sei, hätte dies im übrigen zur Konsequenz, dass die Klägerin dann von Herrn … gemäß §§ 2329, 818 Abs. 1 BGB die Herausgabe der für diese Zuwendung erlangten Gegenleistung zum Zwecke der Befriedigung ihres Anspruches verlangen könnte. Dann würden die Eheleute … letztendlich auch nicht besser stehen als sie jetzt mit dem Urteil stehen.
III. Die Kostenentscheidung ist dem Schlussurteil vorzubehalten. Ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nicht veranlasst, weil es aus dem Urteil nichts zu vollstrecken gibt.
__________________________________________