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Beschluss des OLG Düsseldorf vom 02.09.2014
Aktenzeichen: I-3 Wx 80/13, 3 Wx 80/13
Kurze Zusammenfassung der Entscheidung:
Im vorliegenden Fall hatte die Erblasserin mehrere Personen als Erben benannt. Für den Fall, dass diese Erben nicht in der Lage sind, die Erbschaft anzutreten, wurde lediglich angeordnet, dass keiner ihrer sonstigen Verwandten Erbe werden sollte. Ihr Vermögen sollte vielmehr für wohltätige Zwecke verwendet werden. Dem Testament konnte entnommen werden, dass die Erblasserin hierbei an 4 unterschiedliche Organisation dachte, ohne diese genauer zu bezeichnen.
Keiner der benannten Erben war in der Lage, die Erbschaft anzutreten. Daraufhin stellte einer der Verwandten einen Erbscheinsantrag. Aus dem Kreis der nicht genauer benannten Organisationen wurde ebenfalls ein Erbscheinsantrag gestellt. Beide Anträge wurden zurückgewiesen.
Die Entscheidung des Nachlassgerichtes wurde vom OLG Düsseldorf bestätigt. Die Erblasserin hat durch ihre negative Anordnung bezüglich der Erben alle Verwandten von der Erbschaft ausgeschlossen, soweit sie im Testament nicht ausdrücklich als Erben benannt wurden. Weitere Erben konnten dem Testament nicht entnommen werden. Folglich musste der Fiskus als Erbe angesehen werden. Die Erbschaft des Fiskus ist mit der Auflage verbunden, das geerbte Vermögen für wohltätige Zwecke zu verwenden. Mangels entsprechendem Erbrecht waren die Anträge der Antragsteller alle zurückzuweisen.
(Enterbung Verwandte Fiskuserbrecht)
Tenor:
1) Die angefochtene Entscheidung wird geändert. Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1. vom 14. Juni 2012 (UR-Nr. 796/2012 des Notars Dr. K. in Bonn) wird zurückgewiesen.
2) Geschäftswert: 500.000 €.
(Enterbung Verwandte Fiskuserbrecht)
Entscheidungsgründe:
I. Die Erblasserin war ledig und kinderlos. Ihre Eltern waren 1958 (Vater) und 2003 (Mutter) vorverstorben; vorverstorben, im Jahre 2005, war desgleichen der zweite Ehemann ihrer Mutter.
Die Erblasserin hinterließ ein mit „Testament“ überschriebenes, handschriftlich geschriebenes und mit Vor- und Zunamen unterzeichnetes Schriftstück vom 8. März 1999, in dem es hieß:
„Im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte, setze ich, (…), meine Mutter (…) zu meiner alleinigen Erbin ein (…). Meine Mutter erbt. sämtl. Barvermögen, Sparbücher, Schmuck, Wohnungsinventar, Kleidung, Auto sowie das Haus u. sonstigen vorhandenen Besitz. Außerdem wünsche ich, dass keiner von meiner Verwandtschaft etwas erbt. Dies ist mein ausdrücklicher Wille.
1.) Sollte meiner Mutter nach meinem Tod etwas passieren, so dass, z.B. ein Pflegefall eintritt (…)
2.) Sollte mein Vater als letzter überleben, wird er das gesamte Vermögen erben. Falls ein Pflegefall eintritt, sollte w.o. erfolgen (keine Verwandtschaft erbt).
3.) Sollte keiner von uns überleben, überschreibe/verfüge ich, U. A. H., dass das gesamte Vermögen, Besitz, Kapital (s.o.) alles einem wohltätigen Zweck zugeführt wird. Diese Organisation verpflichtet sich, das Grab(er) in gutem Zustand z. erhalten.
4.) Organisationen (Kinderkrebshilfe, Kinder in Not, Kranke in Not, Tierschutz etc.)
Ich wiederholte hiermit nochmals, dass es mein ausdrücklicher Wille ist, dass die gesamte Verwandtschaft nichts erbt.“
Mit notariell beurkundetem Erbscheinsantrag vom 14. Juni 2012 hat die Beteiligte zu 1. auf Erteilung eines sie als Alleinerbin nach der Erblasserin ausweisenden Erbscheins angetragen. Diesem Erbscheinsantrag ist der Beteiligte zu 2. entgegengetreten. Durch die angefochtene Entscheidung hat das Nachlassgericht die zur Erteilung des von der Beteiligten zu 1. beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet und unter Aussetzung der sofortigen Wirksamkeit des Beschlusses die Erteilung des Erbscheins bis zur Rechtskraft seiner Feststellung zurückgestellt.
Gegen diesen ihm am 2. Februar 2012 zugestellten Beschluss wendet sich der Beteiligte zu 2. mit seinem am 28. Februar 2013 bei Gericht eingegangenen Rechtsmittel, mit dem er die Auffassung vertritt, die vier in Ziffer 4) des Testaments genannten „Organisationen“ seien zu gleichen Teilen als Miterben berufen.
Durch weiteren Beschluss vom 22. April 2013 hat das Nachlassgericht dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf als Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt. Die Beteiligte zu 1. tritt dem Standpunkt des Beteiligten zu 2. entgegen und verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akte und der Testamentsakte 130 IV 134/12 AG Duisburg-Ruhrort Bezug genommen.
II. Das gemäß §§ 58 Abs. 1 i.V.m. 352 Abs. 1 Satz 1, 59 Abs. 1, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG als befristete Beschwerde zulässige Rechtsmittel des Beteiligten zu 2. ist nach der vom Nachlassgericht ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe dem Senat zur Entscheidung angefallen, § 68 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. FamFG. Es hat auch in der Sache Erfolg. Dem Standpunkt des Amtsgerichts, die letztwillige Verfügung der Erblasserin vom 8. März 1999 enthalte eine Erbeinsetzung auch für den Fall des Vorversterbens von Mutter und Vater, vermag der Senat sich nicht anzuschließen.
Das Schriftstück vom 8. März 1999 stellt ein nach § 2247 BGB formwirksam errichtetes eigenhändiges Testament dar, ist jedoch zumindest in den hier maßgeblichen Passagen zu den Ziffern 3.) und 4.), was keiner näheren Begründung bedarf und von den Beteiligten zu 1. und 2. nicht anders gesehen wird, auslegungsbedürftig. Dabei steht für die Auslegung allein der Text des Testaments zur Verfügung; nur auf diesen nehmen auch die Beteiligten zu 1. und 2. Bezug.
Mit ihrer letztwilligen Verfügung zu Ziffern 3.) und 4.) könnte die Erblasserin einerseits eine Erbeinsetzung zugunsten einer oder mehrerer der dort genannten „Organisationen“ gemeint haben. Auf der anderen Seite könnte jedoch hierin auch der Wille zum Ausdruck gekommen sein, denjenigen, der unter Berücksichtigung sämtlicher im Testament getroffenen Anordnungen im Falle des Vorversterbens von Mutter und Vater in die Erbenstellung nach der Erblasserin einrücken wird, mit einer Zweckauflage gemäß §§ 1940, 2193 Abs. 1 BGB zu beschweren. Die Auslegung ergibt, dass in der Tat letzteres der Fall ist.
1. Entscheidend für eine Erbeinsetzung ist, ob und in welchem Umfang der Erblasser dem Bedachten seinen Nachlass überantworten, ob er ihn auch für Nachlassverbindlichkeiten haften lassen und ob er ihn als seinen Rechtsnachfolger ansehen wollte. Bei einer Auflage wird der Erbe zu einer Leistung verpflichtet, ohne dem Begünstigten ein Recht auf die Leistung zu gewähren; bestimmt der Erblasser den Zweck einer Auflage, braucht er gemäß § 2193 Abs. 1 BGB keine Angaben über die Person zu machen, an welche die Leistung erfolgen soll (BayObLG NJW 1988, S. 2742 f und Rpfleger 1988, S. 366 f, jeweils m.w.Nachw.).
Deshalb ist die Einsetzung eines Erben mit der Auflage, den gesamten Nachlass einer näher bezeichneten, insbesondere einer sozialen, Bestimmung zuzuführen, rechtlich möglich (BayObLG FamRZ 2001, S. 317 ff). Geht es um die vorstehend beschriebene Entscheidung zwischen Erbeinsetzung und Zweckauflage, ist es dem Gericht verwehrt, zunächst im Wege der Auslegung eine Erbeinsetzung anzunehmen, diese alsdann gemäß § 2065 Abs. 2 BGB für unwirksam zu erklären und anschließend nach § 140 BGB in eine Zweckauflage umzudeuten, denn das Gericht hat eine Auslegung zu vermeiden, die eine Zuwendung unwirksam macht und deshalb nach der gesetzlichen Regel des § 2084 BGB gerade vermieden werden soll; vielmehr gebietet es § 2084 BGB in Fällen dieser Art, von vornherein im Wege der Auslegung eine Zweckauflage anzunehmen (BGH NJW-RR 1987, S. 1090 f).
2. Im hier gegebenen Fall ragt eine testamentarische Anordnung besonders hervor, nämlich der Ausschluss der gesamten Verwandtschaft der Erblasserin von der Erbfolge nach ihr. Dies hat sie im Testament vom 8. März 1999 nicht nur dreifach, sondern auch mit besonderem Nachdruck („ausdrücklicher Wille“, „Ich wiederhole hiermit nochmals“) bestimmt. Dieser Ausschluss entfaltet neben den beiden ausdrücklichen Erbenberufungen von Mutter und „Vater“ zwar keine rechtliche Bedeutung, muss bei der Auslegung im vorliegenden Zusammenhang jedoch als besonders klarer Ausdruck des Willens der Erblasserin Berücksichtigung finden. Für den Fall des Vorversterbens ihrer Mutter wie auch ihres „Vaters“ – womit nach Lage der Dinge nur der zweite Ehemann ihrer Mutter gemeint sein kann – gewinnt die Anordnung darüber hinaus die Bedeutung eines sogenannten negativen Testaments gemäß § 1938 BGB.
Denn anders als bei den beiden von der Erblasserin zuvor behandelten Fallgestaltungen wird für den Fall des zweifachen Vorversterbens kein Erbe als solcher klar und deutlich genannt. Vielmehr ist die Erblasserin für diesen Fall dazu übergegangen, den Nachlass einem bestimmten Zweck – demjenigen der Wohltätigkeit – zu widmen. Dem entspricht es, dass ihre Verfügung insoweit dahin geht, ihr gesamtes Vermögen solle jenem Zweck „zugeführt werden“, ohne zu benennen, durch wen diese Zuführung zu erfolgen habe. Auch im darauf folgenden Satz wird lediglich der letztlich zu Begünstigende im Sinne einer Verpflichtung erwähnt. Danach kam es der Erblasserin – im Fall zweifachen Vorversterbens – weniger darauf an, wer, nach Ausschluss der gesamten Verwandtschaft, ihr Rechtsnachfolger würde, als vielmehr darauf, dass dieser mit ihrem Nachlass nur nach einer umfassenden Maßgabe, nämlich der Verwendung zu einem bestimmten Zweck, verfahren solle.
Diesen Zweck bezeichnet die Erblasserin zunächst in Ziffer 3.) pauschal mit demjenigen der Wohltätigkeit. Aus der, wenngleich lediglich beispielhaften und damit unvollständigen, Aufzählung von „Organisationen“ in Ziffer 4.) des Testaments ist indes zu ersehen, dass die Erblasserin dabei in erster Linie an Institutionen zur Unterstützung von krebskranken Kindern, Kindern, Kranken und zum Schutz von Tieren dachte. Damit hat sie einen Verwendungszweck für ihren Nachlass hinreichend bestimmt festgelegt.
Den vorstehenden Erwägungen entspricht die rechtliche Würdigung, dass die Erblasserin es für den Fall des zweifachen Vorversterbens bei der gesetzlichen Erbfolge belassen wollte, nach der infolge des umfassenden Ausschlusses ihrer Verwandten das Erbrecht beim Fiskus, § 1936 Satz 1 BGB, liegt. Dieser kann mit den Nachlassgegenständen allerdings nur nach Maßgabe der Zweckauflage verfahren, in diesem Rahmen jedoch den Begünstigten selbst bestimmen. Indes enthält die letztwillige Verfügung genügend Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Fiskus bei dieser Bestimmung auch im vorgegebenen Rahmen nicht völlig frei sollte verfahren dürfen. Zunächst ergibt sich aus dem letzten Satz der Ziffer 3.), dass die Erblasserin im Blick hatte, ihr Vermögen einer einzigen Organisation zuzuwenden; hierfür spricht nicht nur die Verwendung des Singulars („Diese Organisation verpflichtet sich, …“), sondern auch die naheliegende praktische Erwägung, dass es bei der Begünstigung mehrerer Organisationen im Hinblick auf die der Erblasserin erkennbar wichtige Grabpflege leichter zu Unzuträglichkeiten kommen kann. Ferner ist die Aufzählung in Ziffer 4.), wie bereits gesagt, zwar nicht vollständig, doch legt die ausdrückliche Benennung der dort aufgeführten vier Institutionen nahe, dass der Erblasserin diese besonders wichtig waren.
Wollte man hingegen den Ziffern 3.) und 4.) des Testaments eine Erbeinsetzung entnehmen, wäre diese gemäß § 2065 Abs. 2, 1. Fall BGB unwirksam. Aus Ziffer 3.) ließe sich nur schließen, dass Erbin eine Organisation mit wohltätigem Zweck sein solle; welche die Erblasserin dann aber konkret als Erbin bestimmen wollte, ließe sich auch Ziffer 4.) nicht entnehmen. Zum einen gibt das Testament nicht genug dafür her, die Bedeutung der Öffnungsklausel („etc.“) hinreichend deutlich zu bestimmen: Es bleibt letztlich offen, unter welchen Voraussetzungen auf andere Organisationen, erst recht auf welche, sollte zurückgegriffen werden können; dies umso mehr, als die Erblasserin in ihrer gesamten vorangegangenen letztwilligen Verfügung einzelne Erbgänge von ihren tatsächlichen Voraussetzungen her sauber abgestuft hat und bei der ausdrücklichen Nennung von gleich vier Organisationen nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, die jeweils folgende solle nur dann berufen sein, wenn die vorangegangene oder eine Rechtsnachfolgerin zum Zeitpunkt des Todes der Erblasserin nicht mehr existiere. Zum anderen ist dem Testament nicht mit ausreichender Deutlichkeit zu entnehmen, welche auch nur von den vier ausdrücklich genannten Organisationen denn nun Erbin sein solle. Weder inhaltlich, noch nach der graphischen Darstellung enthält Ziffer 4.) einen Hinweis darauf, dass die faktische Aufeinanderfolge verschiedener Bezeichnungen zugleich deren Reihenfolge in dem Sinne festlegen sollte, dass eine nachbenannte Institution nur im Falle des Wegfalls der vorangegangenen berufen sei; das fällt im Hinblick auf die bereits angesprochene von der Erblasserin im übrigen vorgenommene klare Abstufung der Erbgänge umso mehr ins Gewicht.
Wäre nach alledem eine Erbeinsetzung unwirksam, würde sich alsdann die Frage der Umdeutung in eine Zweckauflage stellen, und das Endergebnis wäre kein anderes.
III. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Tragung der Gerichtskosten in beiden Rechtszügen ergibt sich unmittelbar aus den Vorschriften der hier noch anwendbaren Kostenordnung, und der Anordnung einer Erstattung außergerichtlicher Kosten bedarf es schon deshalb nicht, weil nicht ersichtlich ist, dass den Beteiligten zu 2. bis 5. derartige Kosten in einem der beiden Rechtszüge erwachsen wären.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG liegen nicht vor. Der Senat hat in seinen entscheidungstragenden Erwägungen lediglich in der Rechtsprechung bereits entwickelte Grundsätze auf den gegebenen Einzelfall angewendet.
Die Wertfestsetzung findet ihre Grundlage in §§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 1 KostO i.V.m. § 107 Abs. 2 Satz 1 KostO analog. Der in Ansatz gebrachte Betrag ergibt sich aus der zu den Nachlassakten gelangten Anfrage des Finanzamtes Duisburg-West vom 21. März 2012 als geschätzter Mindestwert des Reinnachlasses.
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