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Die Ausschlagung einer Erbschaft durch einen Sozialhilfeempfänger kann sittenwidrig sein
Beschluss des LSG Bayern vom 30.07.2015
Aktenzeichen: L 8 SO 146/15 B ER
Kurze Zusammenfassung der Entscheidung:
Im vorliegenden Fall hinterließ der Erblasser ein Vermögen im Wert von 500.000 €. Einer der Abkömmlinge des Erblassers war aufgrund einer psychischen Erkrankung von Sozialleistungen abhängig. Dieser Abkömmling schlug die Erbschaft aus. Die Ausschlagung bezog sich auf jeden Grund der Berufung zum Erben des Erblassers.
Der Kostenträger der Sozialhilfe für den ausschlagenden Erben leitete den Anspruch des die Erbschaft ausschlagenden Erben auf Herausgabe des gesetzlichen Erbanteils von 1/6 des Nachlasses dem Grunde nach auf sich über. Nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens hinsichtlich des Beschlusses auf Überleitung beantragten die gesetzlichen Erben beim Sozialgericht München einstweiligen Rechtsschutz. Dem entsprach das Sozialgericht München nicht.
Die Entscheidung des Sozialgerichts München wurde vom Landessozialgericht Bayern bestätigt. Das Sozialgericht München führte aus, dass einstweilige Rechtsschutz voraussetzt, dass das angerufene Gericht im Rahmen der Prüfung der Rechtslage zu dem Ergebnis kommt, dass der Anspruch, auf den sich der beantragte einstweilige Rechtsschutz bezieht, dem Grunde nach besteht. Das Landessozialgericht Bayern schloss nicht aus, dass im vorliegenden Fall die Ausschlagung der Erbschaft durch den Abkömmling, der laufende Hilfe zum Lebensunterhalt bezieht, sittenwidrig ist, da in Folge der Ausschlagung die Allgemeinheit weiter mit der Lebenshaltungskosten dieses Erben belastet wird. Insbesondere da der Erblasser selbst hinsichtlich der Erbenstellung des ausschlagenden Erben keinerlei Einschränkungen angeordnet hat. Folglich war aus Sicht des Landessozialgerichts Bayern nicht davon auszugehen, dass sich der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz auf einen Anspruch bezieht, der tatsächlich besteht. Aus diesem Grunde bestätigte das Landessozialgericht Bayern die Entscheidung, dass dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nicht zu entsprechen ist.
(Erbschaft Ausschlagung Sittenwidrigkeit)
Tenor:
1) Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 26. Mai 2015 wird zurückgewiesen.
2) Die Antragstellerinnen haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3) Der Streitwert für das gesamte Antragsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
(Erbschaft Ausschlagung Sittenwidrigkeit)
Entscheidungsgründe:
I. Tatbestand
In der ersten Instanz ging es um die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die vom Antragsgegner vorgenommene Überleitung eines zivilrechtlichen Anspruchs (Leistungsberechtigter D. L.).
Der im Jahr 1991 geborene D.L. leidet seit dem 12. Lebensjahr an einer psychischen Erkrankung und erhält vom Antragsgegner Leistungen, zum Teil in Einrichtungen. So erhielt er für die Zeit vom 2.10.2012 bis 3.8.2014 Leistungen der Eingliederungshilfe in einer Jugendwohngruppe mit Kosten von 28.928,25 Euro. Für die Zeit seit 4.8.2014 werden Leistungen der Eingliederungshilfe für ambulant betreutes Wohnen gewährt (monatlich rund 830,00 Euro).
Am 8.2.2014 verstarb der Vater des D.L. ohne letztwillige Verfügung. Laut notarieller Urkunde vom 14.5.2014 schlug D.L. die Erbschaft aus jeglichem Berufungsgrunde aus. Die Echtheit der Unterschrift wurde von einer Notarin beglaubigt. Der Vater des Leistungsberechtigten wurde laut Erbschein vom 12.6.2014 von den Antragstellerinnen zu 1) zu 1/2 sowie zu 2) und 3) zu je 1/4 beerbt. Der Reinnachlass ohne Firmenvermögen beträgt nach vorläufigen Ermittlungen des Antragsgegners rund 458.700 Euro, das Firmenvermögen etwa 500.000.- Euro.
Eine Anhörung der Antragstellerinnen sowie des D.L. erfolgte am 2.12.2014. Mit Bescheid vom 18.2.2015 leitete der Antragsgegner den Anspruch des D. L. auf Herausgabe des gesetzlichen Erbteils von 1/6 dem Grunde nach gegen die Erbengemeinschaft mit den einzelnen bezeichneten Antragsstellerinnen auf sich über. Die Erbausschlagung sei sittenwidrig, da sie zu Lasten der Allgemeinheit gehe.
Am 18.2.2015 beauftragte der Antragsgegner einen Rechtsanwalt mit der Durchsetzung des Anspruchs auf Herausgabe des Erbteils des Leistungsberechtigten.
Am 12.3.2015 erhoben die Antragstellerinnen Widerspruch gegen den Bescheid vom 18.2.2015. Es sei höchstrichterlich geklärt, dass eine Ausschlagung in diesem Fall nicht sittenwidrig sei (vgl. BGH IV ZR 7/10, NJW 2011, 1586), so dass ein Fall der Negativevidenz vorliege, da der übergeleitete Anspruch offensichtlich nicht bestehe.
Am 30.3.2015 erhoben die Antragstellerinnen einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht München (SG). Die Überleitung des Anspruchs sei rechtswidrig, da ein Fall der Negativevidenz vorliege.
Mit Beschluss vom 26. Mai 2015 hat das SG den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs abgelehnt.
Zur Begründung hat das SG angeführt, der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung sei gemäß § 86aAbs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG statthaft, denn nach § 93 Abs. 3 SGB XII habe ein Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt, der den Übergang eines Anspruchs bewirke, keine aufschiebende Wirkung (Fall des gesetzlich vorgeschriebenen Sofortvollzugs nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG). Die Entscheidung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG stehe im Ermessen des Gerichts und erfolge auf Grundlage einer Interessenabwägung. Den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache komme eine wesentliche Bedeutung zu. Es sei dabei die Wertung des § 93 Abs. 3 SGB XII zu berücksichtigen, wonach der Gesetzgeber aufgrund einer typisierenden Abwägung der Individual- und öffentlichen Interessen dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug prinzipiell den Vorrang gegenüber entgegenstehenden privaten Interessen einräume. Eine Aussetzung komme nur in Betracht, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestünden oder wenn ausnahmsweise besondere private Interessen überwögen. Nur wenn der übergeleitete Anspruch offensichtlich ausgeschlossen sei, könne eine dennoch erlassene, erkennbar sinnlose Überleitungsanzeige rechtswidrig sein. Ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Überleitungsanzeige vom 18.2.2015 seien nicht erkennbar. Im vorliegenden Fall handele es sich ausschließlich um die zivilrechtliche Frage, ob die Erbausschlagung im konkreten Fall sittenwidrig gewesen sei. Es liege zwar eine höchstrichterliche Entscheidung vor, dass die Erbausschlagung zu Lasten der Allgemeinheit nicht stets sittenwidrig sei (BGH Urteil vom 19.1.2011 -IV ZR 7/10). Das SG sehe darin aber keine allgemeingültige generelle Aussage, die die Überleitung des Anspruchs offensichtlich rechtswidrig machen würde. Die höchstrichterliche Entscheidung gehe davon aus, dass Fallgruppen bestehen könnten, in denen die Ausschlagung sittenwidrig sei. Ob im konkreten Fall tatsächlich Sittenwidrigkeit bejaht werden könne mit der Folge, dass ein Anspruch gegen die Erben bestehe, sei eine Frage, deren Klärung den Zivilgerichten obliege.
Hiergegen haben die Antragstellerinnen am 24.6.2015 beim SG Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt und beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 12.3.2015 gegen den Bescheid vom 18.2.2015 unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts München vom 26. Mai 2015 anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
II. Gründe
Die Beschwerde ist nach §§ 172, 173 SGG zulässig. Sie ist nach § 172 Abs. 1 SGG statthaft; die Ausschlussvorschrift des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG greift nicht ein, weil in der Hauptsache die Berufung ohne Zulassung statthaft wäre. Die Beschwerde wurde form- und fristgerecht eingelegt (§ 173 SGG).
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage – wie hier gemäß § 93 Abs. 3 SGB XII – keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die Entscheidung steht im Ermessen des Gerichts und erfolgt auf Grundlage einer Interessenabwägung (vgl. zu den verfassungsrechtlichen Aspekten der Abwägungsentscheidung BVerfG v. 29.7.2003, 2 BvR 311/03; v. 12.5.2005, 1 BvR 569/05; v. 6.2.2007, 1 BvR 3101/06; v. 25.2.2009, 1 BvR 120/09; M-L/K/L/Keller SGG, 11. Aufl. 2014, Rn. 12c ff.). Abzuwägen sind die privaten Interessen der Antragstellerinnen, vom Vollzug des Verwaltungsaktes bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens verschont zu bleiben und das öffentliche Interesse an der Vollziehung der behördlichen Entscheidung. Weder für den Gesichtspunkt der Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens noch im Übrigen lässt sich mangels entsprechender gesetzlicher Vorgaben abstrakt festlegen, welche Anforderungen im Rahmen der summarischen Prüfung an einzelne Abwägungsgesichtspunkte zu stellen sind. Die Bedeutung des materiell-rechtlichen Aspekts des Hauptsacheverfahrens erschließt sich aus den Besonderheiten des Eilverfahrens, und zwar aus dessen dienender Funktion, dem Prognosecharakter und dem begrenzten Prüfungsgegenstand (BeckOK SozR/Krodel SGG § 86b Rn. 9). Im Rahmen dieser Interessenabwägung kommt den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache ebenso eine Bedeutung zu wie den Beeinträchtigung des Antragstellers durch eine mögliche Vollziehung, wenn besondere private Interessen überwiegen.
1. Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache sind zur Überzeugung des Senats nicht gegeben.
a) Für die Wirksamkeit der Überleitung eines Anspruchs nach § 93 SGB XII genügt es bereits, dass ein überleitungsfähiger Anspruch überhaupt in Betracht kommt, er also nicht von vornherein objektiv ausgeschlossen ist. In der Sozialhilfe dient die Überleitung eines Anspruchs – neben den Vorschriften über den Einsatz eigenen Einkommens und Vermögens – dazu, den Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 Abs. 1 SGB XII) zu realisieren. Wie beim Einsatz des Einkommens müssen die Vorschriften über die Überleitung von Ansprüchen bedarfsorientiert gesehen werden. Entscheidend ist also nicht, ob ein Anspruch tatsächlich besteht, sondern dass die Überleitung für einen Zeitraum erfolgt, für den Leistungen der Sozialhilfe tatsächlich gewährt worden sind (BVerwGE 34, 221, BVerwGE 49, 316). Nur wenn offensichtlich ist, dass dieses Ziel nicht verwirklicht werden kann, ist der Erlass einer Überleitungsverfügung sinnlos und diese trotz Vorliegens aller im Gesetz normierten Voraussetzungen als rechtswidrig aufzuheben (vgl. zuletzt Beschluss des BSG vom 25.4.2013 – B 8 SO 104/12 B). Dieser Grundsatz entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Beschluss vom 20.12.2012 – B 8 SO 75/12 B; zum Recht der Arbeitsförderung BSG SozR 4100 § 40 Nr. 26) und der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur sog Negativevidenz (st. Rspr. seit BVerwGE 34, 219 ff zur Sozialhilfe; zum Recht der Ausbildungsförderung BVerwGE 49, 311 ff; 56, 300 ff; 87, 217 ff; zur Hilfe zur Pflege in der SozialhilfeBVerwGE 91, 375 ff).
Zum Bestehen eines möglichen Anspruchs des D.L. ist anzuführen, dass die bei einer Ausschlagung einer Erbschaft anzulegenden Maßstäbe nicht unbesehen auf dem Erbverzicht übertragen werden können (vgl. Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Anm. 70b zu § 2346). Eine Ausschlagung erfolgt bei klaren Verhältnissen hinsichtlich des Umfangs des Nachlasses und der Aktualität der Hilfebedürftigkeit. Von der Ausschlagung einer Erbschaft ist der Fall des rechtsgeschäftlichen Verzichts auf ein gesetzliches Erbrecht ist zu unterscheiden (§ 2346 BGB). Der Erbverzicht soll den Beteiligten ermöglichen, die Erbfolge vor dem Erbfall einvernehmlich durch Vertrag zu regeln. Dem Erblasser wird dadurch bereits zu Lebzeiten Klarheit und Sicherheit über das Ausscheiden des Verzichtenden verschafft. In dieser Fallgestaltung weiß der Verzichtende weder, wie hoch das Erbe sein wird, noch, ob er zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers sozial bedürftig ist. Ebenso wenig ist die im Zeitpunkt des Erbfalls geltende sozialhilferechtliche Rechtslage bekannt. Bei einer Ausschlagung des Erbes sind die Verhältnisse klar.
In der thematisierten Entscheidung des BGH (Urteil vom 19.1.2011, Aktenzeichen: IV ZR 7/10) geht es um den Pflichtteilsverzicht eines behinderten Sozialleistungsbeziehers, der nach Ansicht des BGH grundsätzlich nicht sittenwidrig sei, also weder um eine Ausschlagung noch eine gesetzliche Erbenstellung. Nach dem Sachverhalt dieser Entscheidung leitete damals der Träger der Sozialhilfe den Pflichtteilsanspruch der Leistungsbezieherin nach der vorverstorben Mutter über, nachdem alle drei Kinder (auch das sozialhilfebedürftige) in notarieller Form auf ihren jeweiligen Pflichtteil nach dem Erstversterbenden verzichtet hatten. Die Eheleute und ihre Kinder seien sich einig gewesen, dass die Kinder den elterlichen Nachlass erst nach dem Letztversterbenden erhalten sollten, weshalb nicht nur die Leistungsempfängerin, sondern alle drei Kinder auf ihren jeweiligen Pflichtteil verzichtet hätten.
Eine derartige Fallkonstellation, bei bestehender letztwillige Verfügung beider Elternteile unter rechtsgeschäftlichem Verzicht auf einen Pflichtteil (§ 2346 Abs. 2 BGB) im Anschluss an die letztwillige Verfügung ist nicht identisch mit der hier im einstweiligen Rechtsschutz involvierten rechtlichen Situation einer Erbausschlagung (§ 1942 Abs. 1 BGB) und hier auch nicht nur des Pflichtteils. In dem vom BGH entschiedenen Fall setzten sich die Ehegatten gegenseitig als Alleinerben ein. Schlusserben sollten die drei gemeinsamen Kinder sein. In der vorliegenden Antragsache wäre der Leistungsempfänger unmittelbar Miterbe. Sein Verzicht als Leistungsempfänger ist weitreichender und umfasst auch den Pflichtteil (OLG Celle vom 6.7.2006, 6 U 53/06). So führt dann auch der BGH in seinen Entscheidungsgründen an, dass (maßgeblich für seine neue Auffassung) die Verneinung der Sittenwidrigkeit von Pflichtteilsverzichten behinderter Sozialleistungsbezieher bereits in der Senatsrechtsprechung zum \”Behindertentestament\” angelegt sei.
Eine klare Rechtslage, die offensichtlich die Wirksamkeit einer Ausschlagung einer Erbschaft zulasten des Sozialhilfeträgers unbesehen bejaht, kann unter Berufung auf die angeführte Entscheidung des BGH nicht angenommen werden. Dabei wird nicht übersehen, dass der BGH in seiner Entscheidung aus dem Jahre 2011 auch zur Ausschlagung Stellung nimmt. Über eine solche selbst war aber von diesem nicht zu entscheiden. Im Übrigen existieren auch Zweifel an der genannten Rechtsprechung, soweit keine Ausnahmen gemacht werden. Gänzlich hinzunehmen seien danach Verzicht und Ausschlagung als zivilrechtlich eröffnete Gestaltungsmittel eines Hilfebedürftigen zu Lasten der Allgemeinheit nicht in jedem Fall (vgl. Armbruster in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 93 SGB XII, Rn. 77).
Daher besteht keine Negativevidenz (vgl. dazu auch Urt. des Senats vom 25.11.2010, L 8 SO 136/10 m.w.N.). Es ist nicht völlig ausgeschlossen und nicht offensichtlich erkennbar sinnlos, dass die Zivilgerichte für die Fallgestaltung einer Ausschlagung zu einem anderen Ergebnis gelangen als in dem zum rechtsgeschäftlichen Verzicht auf einen Pflichtteil entschiedenen Fall. Damit liegt die typische Situation des \”gespaltenen Rechtswegs\” vor. Die Durchsetzung möglicher, nicht völlig ausgeschlossener Ansprüche bleibt dem fachlich berufenen Zivilrechtsweg vorbehalten. Eine volle Überprüfung der Rechtslage ist mit dem bestehenden gegliederten Rechtsschutzsystem nicht zu vereinbaren.
b) Die übrigen Voraussetzungen für den Übergang des Anspruchs liegen vor. Die formalen Voraussetzungen sind erfüllt. Die Überleitung ist durch Verwaltungsakt schriftlich (§ 93 Abs. 2 SGB XII) gegenüber den Antragstellern ergangen. Der Leistungsberechtigte erhält seit 2012 Sozialhilfeleistungen vom Antragsgegner. Die Hilfeleistung ist zuletzt mit Bewilligungsbescheid vom 2.12.2014 erbracht worden. Es ist auch nicht abzusehen, ob die Hilfebedürftigkeit des Leistungsempfängers beendet wird, obwohl er eine Ausbildung erfahren hat und gelegentlich (Sommer 2014) Einkommen erzielt hat. Für die Leistungserbringung besteht eine kausale Verknüpfung zu dem übergeleiteten Anspruch. Denn würde der Anspruch des Leistungsberechtigten erfüllt, wäre insoweit kein Eintreten der Sozialhilfe erforderlich. Der Leistungsberechtigte wäre seit dem Erbfall in der Lage gewesen, seinen notwendigen Lebensunterhalt in der Einrichtung aus seinem Vermögen zu bestreiten.
c) In die Ermessenserwägungen müssen erkennbare familiäre oder soziale Belange einfließen (vgl. BVerwGE 92, 287, Rechtsfigur des intendierten Ermessens, bei dem durch das Gesetz selbst schon eine bestimmte Richtung vorgezeichnet ist). Insoweit genügen die vom Antragsgegner angestellten Ermessenserwägungen in der Überleitung die in der Erwiderungsschrift zum SG vom 10.4.2015 wiederholt werden. Der Erblasser selbst hat angesichts einer fehlenden letztwilligen Verfügung nicht zum Ausdruck gebracht, dass er den Leistungsberechtigten von der Erbfolge ausschließen wollte. Angesichts einer fehlenden Vorerbenstellung drohen auch keine Nachteile für spätere Nacherben, etwa der Geschwister. Eine Störung des Familienfriedens, die durch die Unwirksamkeit der Ausschlagung bedingt sein könnte, ist nicht ersichtlich. Allenfalls besteht eine solche Störung durch ein den übrigen Miterben missfallendes Verhalten des Leistungsberechtigten, nicht durch die Überleitung durch den Antragsgegner. Es ist nicht ersichtlich, wodurch eine Erwartung der Erben genährt worden sein sollte, dass der Leistungsempfänger nicht zur Erbengemeinschaft gehören sollte. Es wurde im Gegenteil bekundet, dass ihn die Familie bislang immer unterstützt habe. Es ist aber auch nicht ersichtlich, dass die Antragstellerinnen als übrige Miterben, deren Anteil durch die Unwirksamkeit des Verzichts geschmälert würde, überobligationsmäßig – etwa durch erhebliche Leistungen der Pflege – zur Entlastung des Trägers der Sozialhilfe beigetragen haben. Denn in der Vergangenheit sind die Leistungen der Jugendhilfe und der Eingliederungshilfe zulasten der öffentlichen Hand erfolgt (vgl. z. B. § 92 Abs. 2 SGB XII).
2. Es bestehen keine besonders erkennbaren Interessen der Antragstellerinnen, außer denen der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Überleitung an sich, die die Aussetzung des Vollzugs verlangen würden. Existenzielle Belange sind nicht betroffen. Der grundrechtliche Belang der negativen Testierfreiheit – der die Antragstellerinnen ohnehin nicht betrifft – ist durch einen Wechsel der Gläubigerstellung infolge der Überleitung nicht anders beeinträchtigt, als wenn ein Sofortvollzug besteht. Interessen der bestehenden Erbengemeinschaft, der Beteiligten des Rechtsschutzverfahrens, betreffen nicht unmittelbar das Rechtsverhältnis der Überleitung. Es ist nicht ersichtlich, dass die Forderung des Erbanspruchs durch einen Sofortvollzug schwerwiegende familiäre Konfliktsituationen bzw. eine Störung des Familienfriedens hervorrufen. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass schwerwiegende wirtschaftliche Auswirkungen durch ein Verbleiben des D.L. in der Erbengemeinschaft hervorgerufen werden. Denn der Nachlass ist werthaltig und einer Verwertung zugänglich.
3. Da keine Erfolgsaussicht des Widerspruchs besteht und maßgebliche private Interessen dem nicht entgegenstehen, verbleibt es beim Sofortvollzug, wie er vom Gesetzgeber in § 93 Abs. 3 SGB XII vorgesehen ist.
III. Kostenentscheidung
1. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach hat der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens zu tragen.
2. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG. In Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 86b SGG bestimmt sich der Streitwert nach § 52 Abs. 1 und 2 GKG (§ 53 Abs. 2 Nr. 4 Gerichtskostengesetz – GKG – idF ab 1.1.2014).
Die übergeleitete Forderung ist bislang nicht beziffert. Liegen dem Gericht zur Höhe der übergeleiteten Forderung keine ausreichenden Anhaltspunkte vor, ist vom Auffangstreitwert (§ 52 Abs. 2 GKG) auszugehen, so dass der Streitwert auf 5.000 Euro anzusetzen ist. Ein Abschlag vom Auffangstreitwert kommt nicht in Betracht. § 52 Abs. 2 GKG eröffnet eine solche Möglichkeit nicht, wenn die Bestimmung des konkreten Streitwerts nach der Bedeutung der Sache nicht möglich ist (Bundessozialgericht, Beschl. v. 14.5.2012 – BSG Aktenzeichen B 8 SO 78/11 B -, juris Rn. 12; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen – Urt. v. 26.1.2015 – Aktenzeichen L 20 SO 12/14 -, juris Rn. 54).
Darüber hinaus ist – entgegen der Annahme der ersten Instanz und ohne Beschränkung durch ein Verbot der reformatio in peius in der Kostenentscheidung- kein weiterer Abschlag im Hinblick auf das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorzunehmen (Streitwertkatalog, 4. Aufl. 2012, B. Allgemeines; Verfahrensrecht 11.1.) Im Verfahren nach § 86b SGG (§§ 53 Abs. 2 Nr. 4, 52 Abs. 2 GKG ist der volle Auffangstreitwert anzunehmen (Sächsisches LSG, 24.2.2010 – L 1 P 1/10 B ER -; LSG Berlin-Brandenburg, 29.3.2010 – L 27 P 14/10 B ER -; LSG Sachsen-Anhalt, 11.8.2011 – L 4 P 8/11 B ER -; LSG Niedersachsen-Bremen, 12.8.2011 – L 15 P 2/11 B ER -).
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
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