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Bulgarisches Erbrecht: Pflichtteil und Pflichtteilsergänzungsanspruch
Verfügungen eines Erblassers in einem Testament führen regelmäßig dazu, dass die gesetzliche Erbfolge geändert wird, wodurch Ansprüche auf den Pflichtteil ausgelöst werden können. Dies ist Ausdruck der Testierfreiheit des Erblassers. Hinsichtlich der gesetzlichen Erbansprüche eines bestimmten Personenkreises ist diese Testierfreiheit aber auch nach bulgarischen Recht eingeschränkt. Diesem privilegierten Personenkreis gehören an:
- Die Abkömmlinge des Erblassers
- Die Eltern des Erblassers
- Der Ehegatte des Erblassers
Verfügungen des Erblassers zulasten der vorbezeichneten Personen sind nach bulgarischen Erbrecht nur eingeschränkt möglich. Verfügt der Erblasser zulasten dieser Personen, muss den Personen der so genannte Pflichtteil erhalten bleiben.
Im deutschen Erbrecht ergibt sich der Pflichtteil aus der Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Das bulgarische Erbrecht ermittelt die Höhe des Pflichtteils nicht nach einer solchen starren Quote. Vielmehr hängt die Höhe des Pflichtteils davon ab, in welcher Kombination die Erben den unterschiedlichen Ordnungen 1) bis 4) angehören.
Wie hoch damit im konkreten Erbfall die Pflichtteilsanteile sind, kann daher nur anhand des tatsächlichen Erbfalls beurteilt werden und muss folglich im Rahmen der anwaltlichen Beratung festgestellt werden.
Pflichtteilsverzicht im bulgarischen Erbrecht
Nach bulgarischem Erbrecht kann auf den Pflichtteil verzichtet werden. Dies wird aus der Tatsache abgeleitet, dass auch nach bulgarischem Erbrecht die Möglichkeit besteht, das Erbe auszuschlagen.
Da die Ausschlagung des Pflichtteils unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten weniger bedeutend ist, als die Ausschlagung des Erbes, wird aus der Möglichkeit der Ausschlagung des Erbes geschlossen, dass nach bulagrischem Recht auch die Ausschlagung des Pflichtteils möglich sein muss.
Das bulgarische Recht sieht aber nicht die Möglichkeit vor, den Verzicht des Pflichtteils bereits vor dem Erbfall zu erklären. Entsprechende Vereinbarungen mit dem Erblasser vor dem Erbfall sind nach bulgarischen Recht nichtig.
Pflichtteilsergänzungsanspruch im bulgarischen Erbrecht
Verfügungen des Erblassers, die zur Folge haben, dass einer der gesetzlichen Erben enterbt wird, haben häufig einen persönlichen Hintergrund. In einem solchen Fall wird der Erblasser bemüht sein, auch den Pflichtteil der betroffenen Person nach Möglichkeit zu kürzen.
Handlungen des Erblassers, die faktisch zu einer Reduzierung des Pflichtteils oder zu dessen Fortfallführung, sind mit dem Willen des Gesetzgebers nicht vereinbar. Aus diesem Grunde sieht auch das bulgarische Erbrecht vor, dass dem Pflichtteilsberechtigten ein Ergänzungsanspruch zusteht, wenn der sich aus dem Nachlass ergebende Pflichtteil durch sonstige Verfügungen des Erblassers zu Lebzeiten in unzulässiger Form reduziert wurde. Hier ist in erster Linie an Schenkungen des Erblassers zu Lebzeiten zu denken, durch die der Wert des Nachlasses reduziert wurde.
Wird der Pflichtteil durch Vermächtnisse oder durch Schenkung des Erblassers zu Lebzeiten des Erblassers gemindert, steht dem Pflichtteilsberechtigten ein Pflichtteilsergänzungsanspruch zu.
Die Schenkungen und Vermächtnisse müssen dem Nachlass zugerechnet werden, so dass sich ein fiktiver Nachlasswert ergibt. Aus diesem fiktiven Nachlasswert ergibt sich sodann der fiktive Pflichtteilsanspruch. Dieser fiktive Pflichtteilsanspruch ist im Weiteren um den tatsächlichen Pflichtteilsanspruch zu kürzen, der auf der Grundlage des tatsächlich vorliegenden Nachlasses ermittelt wurde. Die Differenz zwischen dem tatsächlichen Pflichtteilsanspruch und dem fiktiven Pflichtteilsanspruch führt somit wertmäßig zum Pflichtteilsergänzungsanspruch.
Um den Pflichtteilergänzungsanspruch auszugleichen, werden im Weiteren die Vermächtnisse, die vom Erblasser testamentarisch angeordnet wurden, soweit gekürzt, wie es wertmäßig dem Pflichtteilsergänzungsanspruch entspricht. Dabei können die Vermächtnisse vollständig fortfallen.
Reicht die Reduzierung der Vermächtnisse nicht aus, sind die Schenkungsverträge, die der Erblasser zu seinen Lebzeiten zum Nachteil des Pflichtteilsberechtigten abgeschlossen hat, zu kürzen oder aufzuheben. In diesem Zusammenhang ist es eine Besonderheit des bulgarischen Erbrechtes, dass der Pflichtteilsergänzungsberechtigte einen Rechtsanspruch darauf hat, dass Rechtsgeschäfte aufgehoben werden, die zur Vereitelung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs führen.
Damit steht den Pflichtteilsberechtigten ein wirksames Instrumentarium zur Verfügung, um ihre Pflichtteilsansprüche vollständig durchzusetzen. Dies ist insbesondere bei Erbfällen zu beachten, bei denen die Pflichtteilsberechtigten deutsche Staatsangehörige sind, die im Bundesgebiet ihren ständigen Aufenthalt haben und deren Pflichtteilsansprüche sich auf einen Erbfall beziehen, der ganz oder teilweise nach bulgarischen Erbrecht abgewickelt werden muss. Die Anwendung bulgarischen Erbrechts führt in einem solchen Fall also nicht dazu, dass Personen, die nach deutschem Erbrecht pflichtteilsberechtigt sind, ihren Pflichtteilsanspruch verlieren.