Bargeld Vermächtnis Testamentsauslegung | Auslegung eines auf Bargeld bezogenen Vermächtnisses | OLG München, Beschluss vom 05.04.2022, Az: 33 U 1472/21

Bargeld Vermächtnis Testamentsauslegung | Auslegung eines auf Bargeld bezogenen Vermächtnisses – OLG München, Beschluss vom 05.04.2022, Az: 33 U 1472/21

(Bargeld Vermächtnis Testamentsauslegung)

Urteil des OLG München vom 05.04.2022

 

Aktenzeichen: 33 U 1473/21

(Bargeld Vermächtnis Testamentsauslegung)

Kurze Zusammenfassung der Entscheidung

Das Urteil des OLG München beschäftigt sich mit der Auslegung eines Testamentes, genauer mit inhaltlichen Bestimmung einer Vermächtnisanordnung. In der Sache hatte die Erblasserin ein Testament errichtet. Aus diesem Testament gingen eine Reihe von letztwilligen Verfügungen hervor. Das Testament war gut gegliedert. Die testamentarischen Anordnungen orientierten sich in der Reihenfolge nach deren Bedeutung für die Nachlassabwicklung.

Unter Punkt 12) ordnete das Testament die Aufteilung des vorhandenen Bargeldes zwischen 19 unterschiedlichen Beteiligten an. Der Nachlass Erblasserin bestand u.a. aus deren Bargeld und einem Anlagevermögen in Höhe von ca. 100 Millionen €.

Einer der Vermächtnisnehmer hinsichtlich des Bargeldes vertrat die Auffassung, dass sich die Bezeichnung Bargeld nicht nur auf das physisch vorhandene tatsächliche Bargeld im Nachlass der Erblasserin bezieht, sondern auch auf das Anlagevermögen. U.a. zur Durchsetzung dieses Anspruches erhob der fragliche Vermächtnisnehmer Klage. Das Landgericht wies die Klage ab. Das OLG München bestätigte die Entscheidung des Landgerichts.

Das OLG München stützt seiner Entscheidung auf die Auslegung des Testamentes.

Das OLG München zu dem Ergebnis, dass Guthabenbeträge, die sich auf Bankkonten befinden, nicht unter die Begriffe Bargeld oder Barvermögen zu subsumieren sind. Aus dem Testament ergibt sich für das OLG München im Wege der Auslegung nichts anderes. Insbesondere, da aus der inhaltlichen Gliederung der unterschiedlichen letztwilligen Verfügungen im Testament vom OLG München geschlossen wird, dass mit dem Begriff Bargeld im vorliegenden Fall die Erblasserin ausschließlich ihr physisch tatsächlich vorhandenes Geld gemeint hat. Eine andere Auslegung wäre nach Ansicht des OLG München aufgrund des Aufbaus des Testamentes mit dem Erblasserwillen nicht in Übereinstimmung zu bringen.

Da das OLG München im Wege der Testamentsauslegung zu dem Ergebnis kam, dass die Erblasserin im Rahmen der hier fraglichen Vermächtnisanordnung ausschließlich ihr tatsächlich vorhandenes physisches Bargeld meinte, war die Klage unbegründet und die Berufung somit abzuweisen.

(Bargeld Vermächtnis Testamentsauslegung)

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 23.2.2021, Aktenzeichen 3 O 3962/21, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 2.500.000 € festgesetzt.

Urteilsgründe:

I. Die Parteien streiten vorliegend über Ansprüche nach dem Tod der Erblasserin B. Ho. am 25.8.2017. Die Beklagten haben die Erblasserin aufgrund Testaments vom 24.3.2015 gemeinschaftlich beerbt.

In diesem Testament ordnete die Erblasserin u. a. zugunsten des Klägers zwei Vermächtnisse an:

“(…)

5. Mein Haus in der F.straße 19 erhält mein Patenkind, D. K. mit der Auflage Frau M. He. solange sie will, darin wohnen zu lassen.”

(…)

12. Mein vorhandenes Bargeld wird in 19 Teile aufgeteilt. Es erhalten:

1. Teil D. K.

(…)”

Das in Ziffer 5 genannte Grundstück wurde am 12.07.2017 aufgrund notariellen Schenkungsvertrages und Auflassung des Notariats E. in M. an die Enkelin der Erblasserin aufgelassen. Dabei handelte die Erblasserin nicht selbst, vielmehr wurde sie von der Beklagten zu 1 vertreten. Diese handelte aufgrund einer notariellen Vorsorgevollmacht vom 17.12.2012. Für den maßgeblichen Inhalt der Vorsorgevollmacht wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, S. 3, Bezug genommen.

Die Enkelin der Erblasserin, A. B., die bei der notariellen Beurkundung ebenfalls von der Beklagten zu 1 vertreten wurde, ist zwischenzeitlich als Eigentümerin für den streitgegenständlichen Grundbesitz in der F.straße 19 in M. eingetragen (Anlage K 8).

Der Kläger ist der Ansicht, er sei im Hinblick auf das durch die Erblasserin angeordnete Vermächtnis anspruchsberechtigt. Die Beklagten vereitelten rechtswidrig die Vermächtniserfüllung. Die der Übereignung zugrunde liegende Schenkung sei angesichts des nahenden Todes der Erblasserin erfolgt. Diese sei am 12.07.2017 außer Stande gewesen, ihren rechtsgeschäftlichen Willen zu äußern. Die Vorsorgevollmacht vom 17.12.2012 sei missbraucht worden, insbesondere seien die Bedingungen für die Vorsorgevollmacht nicht eingetreten gewesen. Im Übrigen sei die Erblasserin nicht in der Lage gewesen, den Inhalt des Dokuments vom 12.07.2017, mit dem sie die Anweisung zur Schenkung der Immobilie gegeben hatte, kognitiv zu erfassen. Da infolgedessen auch die Übereignung nichtig sei, könne der Kläger die Beklagten auf Vermächtniserfüllung in Anspruch nehmen.

Darüber hinaus ist der Kläger der Ansicht, dass auch ein deutlich höherer Zahlungsanspruch als vom Landgericht angenommen bestehe. Denn unter dem von ihr verwendeten Begriff “Bargeld” habe die Erblasserin ihr gesamtes Geldvermögen verstanden, insbesondere auch private Bankkonten, Scheine und Münzen und auch das Buchgeld, nicht jedoch nur das im Zeitpunkt ihres Ablebens vorhandene physische Bargeld (Scheine und Münzen).

Das Landgericht hat die Klage fast vollständig nach Durchführung einer Beweisaufnahme abgewiesen. Es sah die Immobilienübertragung aufgrund Vertrages vom 12.07.2017 als wirksam an, so dass insoweit kein Vermächtnisanspruch für den Kläger bestünde.

Im Hinblick auf das vermächtnisweise zugewendete Bargeld war das Landgericht der Ansicht, dass die Testamentsauslegung ergäbe, dass es sich bei dem zugewendeten Bargeld tatsächlich nur um das im Zeitpunkt des Ablebens der Erblasserin vorhandene physische Barvermögen handelte. Der insoweit bestehende Auskunftsanspruch sei durch Erfüllung erloschen.

Im Übrigen nimmt der Senat hinsichtlich des Sach- und Streitstandes auf die tatsächlichen Feststellungen im Endurteil des Landgerichts München I vom 23.2.2021 Bezug, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Änderungen und Ergänzungen haben sich im zweiten Rechtszug nicht ergeben.

Gegen die beinahe vollständige Klageabweisung richtet sich die Berufung des Klägers, der in der Berufungsinstanz beantragt (Bl. 223/224 d. A.):

Unter entsprechender Abänderung des Urteils des Landgerichts München I vom 23. Februar 2021 (Az. 3 O 3962/19) werden

1. die Beklagten verurteilt, an den Kläger den Grundbesitz, bestehend aus

a. 1/3 Miteigentumsanteil am Anwesen F.str. 19, vorgetragen im Grundbuch von N. beim Amtsgericht München, Band (…)61, Blatt (…)74, lfd. Nr. 1, Flurstück (…)27/79, verbunden mit dem Sondereigentum an Wohnung samt vier Kellerräumen und Garage Nr. 1 lt. Aufteilungsplan, lediglich belastet in Abteilung II mit Benützungsrecht für die Stadt M., Reallast – Straßenunterhaltungs- und Beleuchtungsverpflichtung – für die Stadt M. und Bau- und Gewerbebetriebs- und Benützungsbeschränkung für den jeweiligen Eigentümer von Flurstück (…)98a, und

b. 1/3 Miteigentumsanteil am Anwesen F.str. 19, vorgetragen im Grundbuch von N. beim Amtsgericht M., Band (…)61, Blatt (…)75, lfd. Nr. 1, Flurstück (…)27/79, verbunden mit dem Sondereigentum an Wohnung, Keller Nr. 2 lt. Aufteilungsplan lediglich belastet in Abteilung II, mit Benützungsrecht für die Stadt M., mit Reallast – Straßenunterhaltungs- und Beleuchtungsverpflichtung – für die Stadt M. und Bau- und Gewerbebetriebs- und Benützungsbeschränkung für den jeweiligen Eigentümer von Flurstück (…)98a und Warmwasserboilernutzungsrecht für den jeweiligen Inhaber des Wohneigentums Nr. 1, und

c. 1/3 Miteigentumsanteil am Anwesen F.str. 19. vorgetragen im Grundbuch von N. beim Amtsgericht München, Band (…)61, Blatt (…)76, lfd. Nr. 1, Flurstück (…)27/79, verbunden mit dem Sondereigentum an Wohnung, Speicher Nr. 3 lt. Aufteilungsplan, lediglich belastet in Abteilung II mit Benützungsrecht für die Stadt M., Reallast – Straßenunterhaltungs- und Beleuchtungsverpflichtung – für die Stadt M. und Bau- und Gewerbebetriebs- und Benützungsbeschränkung für den jeweiligen Eigentümer von Flurstück (…)98a, mit Ausnahme der vorgenannten Lasten lastenfrei aufzulassen, die Eintragung des Eigentumsübergangs auf den Kläger zu bewilligen und herauszugeben;

2. die Beklagten im Wege der Stufenklage verurteilt,

a. Auskunft über (i) den Bestand des Bargelds (verkörpertes Geld, d.h. Banknoten/Geldscheine und Geldmünzen sowie des Buchgelds, d.h. Forderungen gegenüber einer Bank auf Geldauszahlung) und (ii) die Höhe der Verfügungen über dieses zu Lebzeiten, insbesondere durch Banküberweisungen, unter Ausnutzung der zu Urkunde des Notars Dr. V., M., vom 17. Dezember 2017 (UR-Nr. (…)39 V / 2012) erklärten Vorsorgevollmacht der am 25.08.2017 verstorbenen Frau B. Ho. zum Todeszeitpunkt durch Vorlage eines Verzeichnisses zu erteilen;

b. für den Fall, dass das Verzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt errichtet worden sein sollte, zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass die Beklagten in dem Verzeichnis den Bestand des Bargelds so vollständig und richtig angeben, als sie dazu in der Lage sind;

c. nach Auskunftserteilung an den Kläger den Anteil hieraus von 1/19 des sich nach dem Klageantrag lit. a. ergebenden Bestands an Bargeld (nebst aller lebzeitigen Verfügungen hierüber, insbesondere unter Ausnutzung der Vorsorgevollmacht), höchstens jedoch EUR 1.000.000,00 nebst 5% Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.

Die Beklagten beantragen (Bl. 255/279 d. A.),

die Berufung zurückzuweisen.

Mit Hinweisbeschluss des Senats vom 26.10.2021, auf den Bezug genommen wird, wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass und warum der Senat beabsichtigt, seine Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

Hierzu hat der Kläger am 26.11.2021 sowie am 27.1.2022 ergänzend vorgetragen (Bl. 308/329 d. A. sowie Bl. 341/345 d. A.), die Beklagten haben am 10.1.2022 Stellung genommen (Bl. 331/339 d. A.). Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Parteien im Berufungsverfahren Bezug genommen.

II. Die Berufung des Klägers ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO im Beschlussweg als unbegründet zurückzuweisen, da der Senat einstimmig davon überzeugt ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

Der Senat hält das Urteil des Landgerichts für offensichtlich zutreffend. Er nimmt auf das angefochtene Urteil Bezug. Bezug genommen wird ferner auf die Hinweise des Senats vom 26.10.2021, wonach er die Berufung im Sinne von § 522 Abs. 2 ZPO für unbegründet hält. Das weitere Vorbringen im Berufungsverfahren (Schriftsätze vom 26.11.2021 und vom 27.1.2022, Blatt 308/329 bzw. 341/345 d. A.) rechtfertigt keine davon abweichende Entscheidung.

Ergänzend gilt folgendes:

A. Zum Anspruch auf Übereignung der Immobilie

Der Kläger begehrt im vorliegenden Rechtsstreit die Übereignung des streitgegenständlichen, im Antrag genannten Grundstücks. Diese Klage kann insoweit ausschließlich dann Erfolg haben, wenn die Beklagten (noch) Eigentümerinnen des Grundstücks wären (da ein Verschaffungsvermächtnis im Sinne des § 2170 BGB zweifelsfrei nicht vorliegt, siehe dazu unten unter 3.), denn die Übereignung eines Grundstücks setzt voraus, dass die diesbezügliche Einigung (Auflassung) vom Berechtigten abgegeben wird, § 873 Abs. 1 BGB. Nachdem durch das Erstgericht für den Senat bindend festgestellt ist (§ 529 Abs. 1 ZPO) und von der Berufung auch nicht angegriffen wurde, dass im Grundbuch als Eigentümerin die nicht am Rechtsstreit beteiligte Alicia Bleicher (die Enkelin der Erblasserin) eingetragen ist, könnten die Beklagten Erklärungen als Berechtigte im Sinne des § 873 Abs. 1 BGB nur dann abgeben, wenn die Übereignung des Grundstücks an die Enkelin unwirksam wäre und sich dieses noch im Vermögen der Beklagten befände.

Dies vorangestellt, gilt folgendes: Die Übereignung der streitgegenständlichen Immobilie an die Enkelin der Erblasserin ist wirksam, so dass der Kläger insoweit keinen Anspruch gegenüber den Klägerinnen hat.

Die Erblasserin, vertreten durch die Beklagte zu 1, übereignete die Immobilie an ihre Enkelin. Die Beklagte zu 1 handelte dabei im Rahmen der ihr erteilten Vollmacht vom 17.12.2012 und zudem aufgrund einer wirksamen Weisung der Erblasserin vom 12.7.2017 und damit mit Vertretungsmacht.

1. Handeln aufgrund der Vollmacht vom 17.12.2012

Die Beklagte zu 1 konnte das Schenkungsversprechen und die Auflassung der streitgegenständlichen Immobilie im Rahmen der erteilten Vollmacht vom 17.12.2012 erklären. Die dagegen vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.

a) Widersprüchlicher Klägervortrag

Soweit der Kläger ausführt, die Voraussetzungen für den Gebrauch der Vollmacht vom 17.12.2012 hätten am 12.7.2017 nicht vorgelegen, da die Erblasserin geschäftsfähig gewesen sei (Schriftsatz vom 26.11.2021, S. 8, Bl. 315 d. A.), verhilft dies der Berufung nicht zum Erfolg. Dabei kann hier dahinstehen, dass sich der Kläger mit dem Vortrag, wonach die Geschäftsfähigkeit der Erblasserin am 12.7.2017 unstreitig sei, in Widerspruch zu seinem Vortrag im Schriftsatz vom 26.11.2021 (dort S. 13, Bl. 320 d. A.) setzt, in dem es heißt “(…) die Erblasserin [sei] infolge ihrer Augenerkrankung nicht in der Lage gewesen, den vermeintlich von ihr unterschriebenen Text selbst lesen zu können.” Träfe dies zu, ließe sich daraus durchaus der Schluss ziehen, dass die Voraussetzungen der Vollmacht vom 17.12.2012 vorlagen, denn dort heißt es u.a.: “(…) für den Fall, dass ich künftig aufgrund (…) einer körperlichen (…) Behinderung nicht mehr in der Lage sein sollte, meine vermögensrechtlichen Angelegenheiten selbst zu besorgen”, worunter jedenfalls die Unfähigkeit, Geschriebenes überhaupt noch lesen zu können, subsumiert werden könnte. Schriftlich hätte die Erblasserin ihren Willen dann jedenfalls nicht mehr äußern können.

b) Unerheblichkeit von Beschränkungen im Innenverhältnis

Letztlich kann dahinstehen, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für den Gebrauch der Vollmacht vom 17.12.2012 vorlagen, da die Erblasserin in der Vollmachtsurkunde ausdrücklich angeordnet hatte, dass etwaige Beschränkungen, wozu namentlich die Voraussetzungen für ein Tätigwerden der Bevollmächtigten, aber auch die Art der vorzunehmenden Geschäfte gehören würden, ausschließlich im Innenverhältnis gelten, das Handeln des Bevollmächtigten im Außenverhältnis aber wirksam sein solle. Das folgt insbesondere auch aus dem Hinweis auf eine mögliche Schadenersatzpflicht des Bevollmächtigten, denn Schadensersatzansprüche im Innenverhältnis setzen ein im Außenverhältnis wirksames Rechtsgeschäft voraus.

Die Vollmacht ist also nach Ansicht des Senats dahin auszulegen (§ 133 BGB), dass die Erblasserin im Außenverhältnis jedwedes Vertreterhandeln als wirksam ansehen wollte und Beschränkungen nur im Innenverhältnis wirksam sein und ggf. Sekundäransprüche auslösen sollten. Dass sie die Vollmacht insoweit unter eine echte Bedingung stellen wollte (§ 158 BGB), so dass die Vollmacht erst wirksam werden sollte, wenn die in der Urkunde genannten körperlichen oder geistigen Gebrechen auftreten, lässt sich aus dem Wortlaut der Vollmacht nicht entnehmen; dagegen spricht insbesondere der Hinweis, wonach mittels der Vollmacht jederzeit Rechtsgeschäfte vorgenommen werden können, so dass jedenfalls im Wege der Auslegung von einer unbedingten Vollmacht auszugehen ist, aufgrund derer die Beklagte zu 1 die Erblasserin bei der streitgegenständlichen Übereignung wirksam vertreten konnte.

Etwas anderes folgt auch nicht aus der vom Kläger zitierten Entscheidung des BGH vom 9.5.2018 (NJW-RR 2018, 1025). In der Entscheidung ging es im Kern gerade um die Frage, ob bei erteilter Vollmacht ein Kontrollbetreuer zu bestellen ist, weil die vom Vertreter vorgenommenen Rechtsgeschäfte im Außenverhältnis grundsätzlich wirksam sind.

c) Kein Missbrauch der Vertretungsmacht

Die Übereignung des streitgegenständlichen Grundstücks ist auch nicht nach den Regeln über den Missbrauch der Vertretungsmacht unwirksam.

Insoweit legt der Senat seiner Entscheidung folgende allgemeinen Rechtssätze zugrunde:

– Ein Missbrauch der Vertretungsmacht liegt vor, wenn der Vertreter die ihm nach außen verliehene Vertretungsmacht unter Verletzung von Beschränkungen des Innenverhältnisses gebraucht, wobei Vorsatz unnötig ist (BGH NJW 1988, 3013). Insoweit ist die Vertretung wirksam; das Missbrauchsrisiko trägt grundsätzlich der Vertretene (MüKoBGB/Schubert 9. Auflage <2021> § 164 Rn. 225).

– Die Missachtung von Regeln und Weisungen, die sich aus dem Innenverhältnis des Vertreters zum Vertretenen ergeben, wirkt sich erst dann im Außenverhältnis aus, wenn die Grenzen des rechtlich Tragbaren überschritten werden (BGH NZG 2021, 239 Rn. 10, beck-online). Erst dann spricht man von einem Vollmachtsmissbrauch im Rechtssinne, der sich auf die Wirksamkeit des vom Vertreter geschlossenen Rechtsgeschäfts auswirkt (BGH a.a.O., Staudinger/Schilken BGB, Neubearbeitung 2019, § 167 Rn. 91, 99).

– Wenn der die im Innenverhältnis geltende Beschränkung seiner Vertretungsmacht überschreitende Vertreter zugleich den Geschäftsgegner vertritt, gelten für den Missbrauch der Vertretungsmacht besondere Regeln. Die Unwirksamkeit eines Insichgeschäfts gemäß § 181 BGB unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs der Vertretungsmacht setzt voraus, dass es für den Vertretenen nachteilig ist (BGH NZG 2021, 239 Rn. 10, beck-online).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze lassen sich die Voraussetzungen einer Kollusion im Hinblick auf die Übereignung des streitgegenständlichen Grundstücks durch die Beklagte zu 1 als Vertreterin zugleich für die Erblasserin und ihre Tochter nicht feststellen.

aa) Kein Handeln zum Nachteil des Vertretenen

Nach den vom Kläger vorgetragenen Einschränkungen im Hinblick auf den Gesundheitszustand der Erblasserin am 12.7.2017 ist jedenfalls nicht erkennbar, dass die Beklagte zu 1 ihre Vertretungsmacht missbraucht hätte. Legt man den Vortrag des Klägers im Hinblick auf die körperlichen Einschränkungen der Erblasserin zugrunde, durfte die Beklagte zu 1 am 12.7.2017 davon ausgehen, dass die Voraussetzungen der Vollmacht vom 17.12.2012 vorlagen. Lagen bei der Erblasserin hingegen keine maßgeblichen körperlichen Einschränkungen vor, belegt die – wie nachstehend ausgeführt wirksame – Weisung vom 12.7.2017, dass nicht zum Nachteil der Erblasserin gehandelt wurde.

bb) Wirksame Weisung der Erblasserin vom 12.7.2017

Die Beklagte zu 1 hat das fragliche Rechtsgeschäft aufgrund einer wirksamen Weisung der Erblasserin durchgeführt, so dass das Rechtsgeschäft jedenfalls aus diesem Grunde nicht unter die Regeln über den Missbrauch der Vertretungsmacht/Kollision fällt.

Die seitens der Erblasserin am 12.7.2017 erteilte schriftliche Weisung an die Beklagte zu 1 zur Übereignung der streitgegenständlichen Immobilie ist wirksam.

(1) Echtheit der Unterschrift bewiesen

Der Senat teilt die Überzeugung des Erstgerichts, dass die Unterschrift unter dem Schriftstück vom 12.7.2017 von der Erblasserin stammt und somit eine echte Privaturkunde (§§ 416, 440 BGB) vorliegt.

(i) Die Darlegungslast für das Vorliegen einer wirksamen Anweisung der Erblasserin an die Beklagte zu 1 tragen die Beklagten, da sie sich (insoweit) auf deren Wirksamkeit berufen. Sie haben demzufolge die Echtheit dieser Privaturkunde, auf die sie sich beziehen, zu beweisen, § 440 Abs. 1 ZPO.

(ii) Diesen Beweis konnten die Beklagten auch zur Überzeugung des Senats führen.

Der Senat hält, wie bereits im Hinweisbeschluss vom 26.10.2021 ausgeführt, die Beweiswürdigung zur Urheberschaft der Erklärung durch das Landgericht für zutreffend. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst Bezug genommen auf die Beweiswürdigung durch das Erstgericht im angefochtenen Urteil und die Ausführungen des Senats im Hinweisbeschluss vom 26.10.2021.

(iii) Das weitere Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren führt insoweit zu keiner anderen Bewertung.

Zwar ist es zutreffend, worauf der Kläger erneut hinweist, dass die gerichtlich bestellte Sachverständige die Urheberschaft der Erblasserin lediglich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststellen konnte. Allerdings, und dies verkennt der Kläger bei seiner Argumentation, hat die Sachverständige keine Hinweise für eine Fälschung der fraglichen Unterschrift finden können (Sachverständigen-Gutachten S. 20, Bl. 135 d. A.). Insbesondere ließen sich keine fälschungsverdächtigen Auffälligkeiten in den graphischen Grundkomponenten Strichbeschaffenheit, Druckgebung und Bewegungsfluss feststellen (Sachverständigen-Gutachten S. 21, Bl. 136 d. A.), sondern die verbliebenen Zweifel mit der Erkrankung der Erblasserin, der Schreibposition, der Unterlage etc. erklären. Wenn sich aber keine Hinweise für eine Fälschung der Unterschrift finden, begegnet es keinen Bedenken, dass das Landgericht aus der überwiegenden Wahrscheinlichkeit, die das Sachverständigengutachten für die Urheberschaft der Erblasserin ermittelt hat, im Rahmen seiner eigenen Beweiswürdigung die volle Überzeugung gewonnen hat, dass die Erblasserin das fragliche Schriftstück unterschrieben hat. Insbesondere die vom Kläger selbst angeführte Erkrankung der Erblasserin (Parkinson, Blickparese) bietet eine hinreichende Erklärung für die Unsicherheit des Schriftbildes. Schließlich scheint auch der Kläger von der Urheberschaft der Erblasserin auszugehen, wenn er im Schriftsatz vom 26.11.2021 (S. 7, Bl. 314 d. A., Rz. 10) ausführt “(…) dass die Erblasserin (…) den von ihr am 12.7.2017 unterschriebenen Text nicht mehr mit ihren eigenen Augen lesen, d. h. den konkreten Inhalt des Textes nicht mehr visuell wahrnehmen bzw. kognitiv erfassen (…) konnte.”.

In der Zusammenschau dieser Umstände teilt der Senat also die Ansicht des Landgerichts, dass die fragliche Erklärung von der Erblasserin herrührt; der Senat würdigt den vom Erstgericht erhobenen Beweis ebenso. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Beklagten ihrerseits nicht erklärt haben, wie es zu der fraglichen Unterschrift kam, selbst wenn man unterstellt, dass sie diesbezügliche Kenntnis haben.

(iv) Konnten die Beklagten somit beweisen, dass die Unterschrift von der Erblasserin herrührt, steht fest, dass es sich um eine echte Privaturkunde mit den Wirkungen des § 416 Abs. 1 ZPO handelt. Damit haben die Beklagten (formell) bewiesen, dass die Erblasserin die in der Urkunde enthaltene Erklärung abgegeben und willentlich in den Verkehr gebracht hat (BGH NJW-RR 2006, 847). Diese Erklärung kann im Wege der Auslegung (§ 133 BGB) nur dahin ausgelegt werden, dass es dem Willen der Erblasserin entsprach, dass streitgegenständliche Grundstück auf ihre Enkelin zu übertragen.

(2) Handeln mit Geschäftswillen

Soweit sich der Kläger vor dem Hintergrund der Abgabe der Erklärung vom 12.7.2017 auf einen fehlenden Geschäftswillen seitens der Erblasserin beruft, verhilft dies der Berufung nicht zum Erfolg. Die vom Kläger hergestellte Verknüpfung zwischen der – angeblich fehlenden – Fähigkeit der Erblasserin, den Text physisch lesen zu können und ihrem Willen, einen bestimmten rechtsgeschäftlichen Erfolg herbeizuführen (vgl. Grüneberg, Einf v § 166 Rn. 1), trägt jedenfalls schon deswegen nicht, weil von einer “faktischen Blindheit” (was immer das sein soll) der Erblasserin (so Berufungsbegründung S. 5, Bl. 226 d. A.) nicht ausgegangen werden kann. Im Ergebnis ist der Senat deswegen davon überzeugt, dass die Erblasserin am 12.7.2017 uneingeschränkt ihren rechtsgeschäftlichen Willen bilden konnte und gebildet hat.

Im Einzelnen:

(i) Das Erstgericht hat im angefochtenen Urteil nicht festgestellt, dass die Erblasserin faktisch blind war. Die Berufung greift auch nicht an, dass das Erstgericht insoweit Feststellungen unterlassen hätte. Zwar führt der Kläger in der Berufungsbegründung aus, das Urteil des Erstgerichts “beruhe auf einer unvollständigen und damit fehlerhaft bewerteten Tatsachengrundlage” (Berufungsbegründung S. 7, Bl. 228 d. A.). Allein dies stellt jedoch keinen tauglichen Angriff gegen die tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichts dar. Dafür wäre vielmehr erforderlich, dass der Kläger mit seiner Berufungsbegründung konkrete Verfahrensfehler des Erstgerichts, neue, zu berücksichtigende Angriffs- und Verteidigungsmittel, von Amts wegen zu berücksichtigende Umstände oder sonstige Umstände aufzeigt, die derartige Zweifel begründen (können).

(ii) Verfahrensfehler oder neue Angriffs- und/oder Verteidigungsmittel werden vom Kläger mit der Berufungsbegründung schon nicht angeführt oder geltend gemacht. Von Amts wegen zu berücksichtigende Umstände sind nicht ersichtlich, ebenso wenig werden sonstige Umstände aufgezeigt, die Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen begründen. Insbesondere hat das Erstgericht insoweit keinen entscheidungserheblichen Vortrag übergangen oder falsch bewertet. Einer der Ausgangspunkte für die Angriffe des Klägers gegen das Ersturteil ist die Blickparese der Erblasserin, die die Sachverständige Farhat bei der Erstellung ihres Gutachtens berücksichtigt hat. Entgegen den Ausführungen des Klägers ging die Sachverständige dabei davon aus, dass die Erblasserin zwar mit Schwierigkeiten, aber letztlich doch lesen konnte (“beeinträchtigten Lesevermögen”, Sachverständigen-Gutachten S. 22, Bl. 137 d. A.), so dass sich aus diesem Gutachten gerade nicht ableiten lässt, dass die Erblasserin aus körperlichen Gründen nicht mehr in der Lage war, überhaupt zu lesen (“dieses vollständig ausschloss”; Berufungsbegründung S. 7, Bl. 228 d. A.).

(iii) Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der von der Sachverständigen in ihrem Gutachten zugrunde gelegten Blickparese der Erblasserin nicht um (eigene) Feststellungen der Schriftsachverständigen handelte, vielmehr um Umstände, die diese ihrem Gutachten zu Grunde legte, nachdem entsprechende Arztberichte vorlagen (vgl. Sachverständigengutachten S. 6/7, Bl. 121/122 d. A. mit Bezugnahme auf die entsprechenden Anlagen). Die Sachverständige hat also nicht selbst festgestellt, dass die Erblasserin an einer Blickparese litt (entgegen Berufungsbegründung S. 7, Bl. 228 d. A.), vielmehr war dies einer von mehreren Aspekten, den die Sachverständige ihrer Bewertung zugrunde gelegt hat. Im Übrigen ergibt sich aus keiner der von der Sachverständigen herangezogenen Stellungnahmen, dass die Erblasserin faktisch blind war bzw. die Lesefähigkeit völlig fehlte (so aber Berufungsbegründung S. 7, Bl. 228 d. A.).

(iv) Eine “faktische Blindheit” der Erblasserin war auch nicht unstreitig. Tatsächlich haben die Beklagten schon im Schriftsatz vom 16.5.2019 ausgeführt, dass die Erblasserin “zum Zeitpunkt der Erstellung des Schreibens [vom 12.7.2017] im Vollbesitz ihrer geistigen Fähigkeiten und sich sehr wohl bewusst [war], welche Erklärung sie mit ihrer Unterschrift abgab.”, was die klägerische Behauptung ausschließt, die Beklagten hätten unstreitig gestellt, dass die Erblasserin aus körperlichen Gründen nicht mehr in der Lage war, zu lesen.

(v) Allein mit der unter Beweisantritt vorgetragenen Tatsache, dass die Erblasserin den Zeugen Kohl gebeten hatte, ihr Hörbücher zu besorgen (Schriftsatz vom 25.8.2020, S. 2, Bl. 144 d. A.), lässt sich der dem Kläger obliegende Beweis nicht führen. Dass der Zeuge irgendwelche eigenen Beobachtungen zu einer völlig aufgehobenen Lesefähigkeit der Erblasserin machen könnte, wird insoweit nicht einmal behauptet. Und dass die Erblasserin gerne Hörbücher wollte und den Zeugen gebeten hat, ihr diese zu besorgen, lässt sich mit allen möglichen Gründen erklären. Dem Senat sind sogar Fälle bekannt, in denen Menschen, deren Sehvermögen tadellos ist, Hörbücher hören. Jedenfalls kann von dem Wunsch nach Hörbüchern nicht auf eine bestimmte körperliche Disposition geschlossen werden.

Im Übrigen hätte sich die Erblasserin den fraglichen Text auch vorlesen lassen können, bevor sie ihre Unterschrift leistete.

(vi) Aus all dem folgt: Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Erblasserin – wie jeder andere erwachsene Mensch, der Lesen gelernt hat – das Schriftstück vom 12.7.2017 lesen konnte. Mit ihrer Unterschrift hat sie der Beklagten mithin eine entsprechende Weisung erteilt, das streitgegenständliche Grundstück auf ihre Enkelin zu übertragen.

Für diesen Wunsch bedurfte die Erblasserin keines plausiblen Grundes. Dass sie dasselbe Ziel durch Streichung des Vermächtnisses hätte erreichen können, trifft schon deswegen nicht zu, weil das Grundstück dann im Wege der Universalsukzession auf ihre Erben und nicht auf ihre Enkelin übergegangen wäre. Sie hätte vielmehr insoweit neu testieren müssen und das wäre, wie der vorliegende Rechtsstreit zeigt, nicht zwangsläufig sicherer oder einfacher gewesen.

Gänzlich unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Beklagten zum Zustandekommen des Schreibens vom 12.7.2017 schweigen. Gemäß § 138 Abs. 1 ZPO obliegt ihnen lediglich die Pflicht, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen wahrheitsgemäß zu äußern, wozu vorliegend nicht gehört, wer das Schriftstück physisch erstellt hat und ob insoweit eine anwaltliche Beratung erfolgte. Es ist, worauf bereits hingewiesen wurde, nach § 416 Abs. 1 ZPO bewiesen, dass die Erblasserin die Erklärung abgegeben hat; dass sie (inhaltlich) nicht gemeint haben könnte, was in der Erklärung zum Ausdruck kommt, liegt fern.

cc) Keine Formbedürftigkeit der Weisung

Die Weisung der Erblasserin gegenüber ihren Bevollmächtigten (den Beklagten) war schließlich auch nicht formbedürftig.

Voranzustellen ist, dass die Berufung insoweit nur dann erfolgreich sein könnte, wenn sich die Regeln über die Formbedürftigkeit von Grundstücksgeschäften einschließlich der zur ihrer Umsetzung erteilten Vollmachten auch auf die schriftliche Weisung der Erblasserin vom 12.7.2017 erstrecken würden, da sowohl die maßgebliche Auflassung (§ 925 Abs. 1 BGB) als auch die zu ihrem Vollzug erteilte Vollmacht notariell beurkundet waren.

Insoweit legt der Senat seiner Entscheidung folgende allgemeinen Rechtssätze zugrunde:

– Grundsätzlich ist nur ein Vertrag, durch den die Verpflichtung zur Veräußerung oder zum Erwerb eines Grundstücks begründet wird, nach § 311b BGB formbedürftig (MüKoBGB/Ruhwinkel 8. Auflage <2019> § 311 b Rn. 25).

– Die Vollmacht zum Abschluss eines formbedürftigen Rechtsgeschäftes ist nach § 167 Abs. 2 grundsätzlich formfrei. Ist die Vollmacht hingegen Bestandteil eines formbedürftigen Grundstücksverkehrsgeschäftes, bedarf sie der notariellen Beurkundung (BGH NJW 1980, 41). Dasselbe gilt, wenn die Vollmacht zur Veräußerung des Grundstücks unwiderruflich ist (BGH NJW 1952, 1210).

– Ein weiterer Ausnahmefall vom Grundsatz des § 167 Abs. 2 BGB liegt vor, wenn zwar die Vollmacht rechtlich widerrufen werden kann, tatsächlich aber mit der Bevollmächtigung schon die gleiche Bindungswirkung eintreten sollte und nach der Vorstellung des Vollmachtgebers auch eingetreten ist, wie durch Abschluss des formbedürftigen Hauptvertrages, die Vollmacht also den damit in Wahrheit bereits gewollten Grundstücksübertragungsvertrag nur verdeckt (OLG Schleswig DNotZ 2000, 775).

Keine dieser Konstellationen ist vorliegend gegeben, wobei allein die letzte im konkreten Fall überhaupt in Betracht käme. Allerdings hat sich die Erblasserin mit der von ihr erteilten Weisung nicht bereits soweit gebunden, dass dadurch das Hauptgeschäft praktisch vorweggenommen wurde. Es wäre ihr rechtlich und tatsächlich unbenommen gewesen, sowohl Weisung als auch Vollmacht vom 17.12.2012 zu widerrufen. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte zu 1 noch am selben Tag das Rechtsgeschäft vollzogen hat, denn allein die tatsächliche Umsetzung des Rechtsgeschäfts am selben Tag bedeutet nicht, dass die Erblasserin auf dessen Vollzug keinen Einfluss mehr hätte nehmen können. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Beklagten mittels der erteilten Vollmacht vom 17.12.2012 bereits vorher jederzeit hätten tätig werden können.

Ist die Weisung nach den vorgenannten Grundsätzen nicht formbedürftig, stellt sich die Frage eines möglichen Blankettmißbrauchs nicht.

2. Wirksamkeit des Vermächtnisses (§ 2169 Abs. 4 BGB)

Vor diesem Hintergrund kann die Frage, ob sich die Erblasserin zu Lebzeiten bindend zur Übereignung des Grundstücks verpflichtet hat und damit das Vermächtnis gemäß § 2169 Abs. 4 BGB seine Wirkung verloren hat, offenbleiben.

Allerdings ist der Senat der Ansicht, dass mit wirksamer Vornahme des Kausalgeschäfts am 12.7.2017 eine wirksame Verpflichtung der Erblasserin zur Übereignung der Immobilie begründet worden war, so dass das Grundstück – bei lediglich ausstehender Umschreibung im Grundbuch – wirtschaftlich nicht mehr zum Vermögen der Erblasserin gehörte (vgl. dazu Grüneberg/Weidlich 81. Auflage <2022> § 2169 Rn. 8).

3. Kein Verschaffungsvermächtnis, § 2170 BGB

Schließlich verhilft es der Berufung nicht zum Erfolg, wenn der Kläger (auch) behauptet, die Erblasserin habe mit der Zuwendung der Wohnung im Testament ein Verschaffungsvermächtnis im Sinne des § 2170 BGB angeordnet.

Für eine derartige Auslegung lassen sich weder im Testament noch außerhalb der Urkunde auch nur die geringsten Anhaltspunkte finden.

B. Das Bargeldvermächtnis

Auch im Hinblick auf die Testamentsauslegung verhilft das weitere Vorbringen im Berufungsverfahren der Berufung nicht zum Erfolg.

Auch insoweit nimmt der Senat zunächst Bezug auf seinen Hinweisbeschluss vom 26.10.2021, in dem bereits die maßgeblichen Gesichtspunkte für die Auslegung der Verfügung von Todes wegen dargelegt worden sind.

Die dagegen erhobenen Einwände greifen nicht durch.

1. Auslegungsgrundsätze

Der Senat ist im Rahmen der Auslegung von den in Rechtsprechung und Literatur anerkannten Grundsätzen ausgegangen, die auch der Kläger zitiert. Allein das Zitieren früherer Rechtsprechung, namentlich des Reichsgerichts, wie es der Kläger im Schriftsatz vom 26.11.2021 tut, bedeutet nicht, dass der Senat von anderen Grundsätzen ausgegangen wäre. In jedem Falle war der wahre Wille der Erblasserin zu ermitteln und ihm, soweit er formgerecht niedergelegt ist, Geltung zu verschaffen.

Unter dieser Prämisse hält der Senat daran fest, dass die Erblasserin ihre kleinteiligen Verfügungen in für sie absteigender Bedeutung vorgenommen hat. Während die Erbeinsetzungen zugunsten der beiden Beklagten an der Spitze des Testaments stehen, folgen die weiteren Verfügungen einer absteigenden Systematik, wonach zunächst umfangreich Immobilien, dann Bargeld und schließlich Schmuck zugewendet wird. Allein das Zuteilungsverfahren für den Schmuck – würfeln und dann jeweils 20 Stücke aussuchen dürfen – zeigt, dass der Erblasserin diese, ebenfalls am Ende des Testaments stehende Zuwendung nicht so wichtig war wie die Verfügungen, die sie am Anfang des Testaments getroffen hat, anderenfalls hätte sie die jeweiligen Stücke bestimmten Personen zugewiesen. Sie hatte insoweit keine Präferenz, wer welches Stück bekommt und nahm es damit zugleich auch hin, dass wertmäßige Divergenzen entstehen. Dass das Bargeld gegen Ende des Testaments erwähnt wird, ist ein Indiz dafür, dass die Erblasserin damit nur das physisch vorhandene Bargeld meinte und nicht in einer Größenordnung verfügen wollte, die nach den Wertvorstellungen des Klägers durchaus einer Erbeinsetzung hätte gleichkommen können.

2. Wortlautanalyse

Soweit sich der Kläger gegen die Analyse des Wortlauts der Verfügung durch den Senat wendet, verhilft auch dies der Berufung nicht zum Erfolg. Der Senat hat dargelegt, dass ausgehend vom Wortlaut der Verfügung der wahre Wille des Erblassers zu ermitteln ist, wobei maßgeblich ist, wie die Erblasserin den Begriff “Bargeld” verwendet bzw. verstanden hat.

Unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des BayObLG (DNotZ 2003, 870) hat sich der Senat demzufolge mit der Frage auseinandergesetzt, was die Erblasserin im konkreten Fall mit den Wörtern “vorhandenes Bargeld” zum Ausdruck bringen wollte.

a) Es mag sein, dass es Konstellationen gibt, in denen unter dem Begriff des Bargeldes auch andere Geldformen verstanden werden können. In der zitierten Entscheidung des BayObLG ging das Gericht davon aus, dass es nach der Lebenserfahrung keinesfalls fernliege, dass “der Erblasser mit dem Begriff “Barschaft” nicht nur den – geringen – Bargeldbestand im Haus bzw. in der Geldbörse gemeint hat, sondern auch die (leicht verfügbaren) Bankguthaben”. Ähnliches ergibt sich aus der vom Kläger zitierten Entscheidung des OLG Karlsruhe (ZEV 2007, 380), wonach “sich frei veräußerliche Kapitalanlagen, wie sie die hinterlassenen Depots enthalten haben, noch zwanglos dem Begriff des “Bargelds” zuordnen [lassen]”. Schließlich hat auch der BGH in der Entscheidung IV ZR 17/74 die Entscheidung der Vorinstanz gebilligt, dass vom Begriff “Barvermögen” auch das auf Konten vorhandene Buchgeld samt Wertpapierdepot umfasst sein kann/ist.

Zwingend in dem Sinne, dass vom Begriff “Bargeld” (der allein in der Entscheidung des OLG Karlsruhe so verwendet wurde) auch zwangsläufig das auf Konten vorhandene Buchgeld umfasst ist, ist dies indes nicht und in keiner der genannten Entscheidungen wurde dies so judiziert. Teilweise fehlte es in den genannten Entscheidungen an einer ausdrücklichen Erbeinsetzung, so dass schon im Wege der Auslegung zu klären war, ob durch die Zuwendung des “Bargelds” bzw. “Barschaft” entgegen der Regel des § 2087 BGB eine Erbeinsetzung erfolgt sein könnte, was wiederum (auch) davon abhängen kann, welche Vermögensgruppen der jeweilige Erblasser gebildet hat. Insoweit unterscheiden sich diese Fälle vom vorliegenden entscheidend: Hier liegt eine ausdrückliche Erbeinsetzung vor und es stellt sich nicht die Frage, ob durch die Zuwendung eines – unterstellt – erheblichen Buchgeldbestandes eine solche vorgenommen worden sein könnte.

b) Soweit in der Literatur vertreten wird, dass das Wort “Barvermögen” nicht auf das Bargeld beschränkt sei, sondern “in der Regel auch das auf diversen Bankkonten liegende Geld [umfasse]” (Reymann in: jurisPK-BGB, 9. Aufl. <Stand: 3.4.2020>, § 2174 BGB Rn. 107), ist dem Senat eine solche Regel nicht bekannt; im Gegenteil: Das auf Bankkonten liegende Geld ist ersichtlich “unbar”. Die Deutsche Bundesbank geht beispielsweise davon aus, dass “die ausgegebene Menge an Bargeld kontinuierlich [ansteige]”, dass “Bargeld in der Bevölkerung ein sehr hohes Vertrauen [genieße]” und “während der Corona-Pandemie (…) die Auszahlungen von Banknoten (…) außergewöhnlich stark [zunahmen]”. (Deutsche Bundesbank “Zahlen & Fakten rund ums Bargeld; Abbildungen, Tabellen und Erläuterungen zum Bargeld”, abrufbar unter https://www.bundesbank.de/resource-blob/670 998/06d4c5f5549e46d1fbe3498bf5341f5a/mL/zahlen-und-fakten-data.pdf). Das zeigt, dass es gewichtige Argumente für die Auslegung des Begriffes “vorhandenes Bargeld” in Richtung der physisch vorhandenen Münzen und Scheine gibt. Vor diesem Hintergrund vermag der Senat jedenfalls nicht den Schluss zu ziehen, dass im allgemeinen Sprachgebrauch mit dem Begriff “Bargeld” auch das Buchgeld gemeint ist.

c) Soweit in der Berufungsbegründung (S. 19, Bl. 240 d. A.) ausgeführt wird, der Begriff “Bargeld” würde “häufig schlicht zur Bezeichnung von Zahlungsmitteln” verwendet, hat der Senat bereits darauf hingewiesen, dass ihm eine solche Regel nicht bekannt ist. Im übrigen widerspricht sich der Kläger in diesem Zusammenhang erneut, denn wenn die “Erblasserin eine erfahrene Geschäftsfrau [war], (…) die [ihre] Vermögenswerte nicht wie eine misstrauische ältere Dame zuhause unter dem Kopfkissen lagerte”, liegt es doch nahe, dass sie wusste, was sie mit dem Begriff Bargeld ausdrückt. Ohne weiteres hätte sie den Begriff “Geld” verwenden können, um diesem einen weiteren Bedeutungsgehalt zu geben.

d) Ein gewichtiges Indiz kommt schließlich dem Umstand zu, dass es sich bei der Erblasserin unstreitig um eine wirtschaftlich erfahrende Person handelte, die z.B. nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten noch wenige Wochen vor ihrem Tod einer Kreditaufnahme von 350.000.000 € zugestimmt hat. Bei einer solchen Person liegt es jedenfalls nahe, dass sie sich über den Begriff des “vorhandenen Bargelds” entsprechende Gedanken gemacht und ihn nicht zufällig oder leichtfertig verwendet hat.

3. Rechenmodelle zum Nachweis der Gleichbehandlungsabsicht

Soweit der Kläger durch verschiedene Rechenmodelle versucht nachzuweisen, dass die Erblasserin mit dem Begriff “Bargeld” mehr gemeint haben muss als das physisch vorhandene Bargeld (im Sinne von Scheinen und Münzen), verhilft auch dies der Berufung nicht zum Erfolg.

Der Kläger ist insoweit der Ansicht, aus dem von ihm geschätzten und seinen Berechnungen zugrunde gelegten “Barvermögen” in Höhe von 100.000.000 € ließe sich errechnen (und vor allem nachweisen), dass die Erblasserin eine wirtschaftliche Gleichbehandlung der im Testament genannten Vermächtnisnehmer angestrebt habe.

Diese Auslegung kommt aus mehreren Gründen nicht in Betracht.

a) Zunächst kann im Rahmen der Testamentsauslegung schon nicht die vom Kläger eingeführte Rechengröße von 100.000.000 € zugrunde gelegt werden.

Das Landgericht hat kein Barvermögen der Erblasserin in Höhe von 100.000.000 € zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments festgestellt (selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellen würde, dass darunter auch das Buchgeld zu verstehen wäre). Dass das Erstgericht entsprechende Feststellungen fehlerhaft unterlassen hätte, wird mit der Berufung nicht angegriffen. Auch die Beklagten haben sich gegen die Berechnungen des Klägers gewendet, indem sie diese als “fantasievolle Berechnungen” bzw. “an den Haaren herbeigezogen” (zuletzt im Schriftsatz vom 10.1.2022, S. 6, Bl. 336 d. A.) bezeichnen, so dass auch § 138 Abs. 3 ZPO nicht zur Anwendung kommt. Demzufolge lässt sich eine Gleichbehandlungsabsicht der Erblasserin nicht über bestimmte Wertrelationen ableiten, da die dafür zugrunde gelegten Werte nicht festgestellt sind.

b) Auch sonstige, außerhalb der Urkunde liegende Umstände, die das Erstgericht für den Senat bindend festgestellt hätte, lassen eine Gleichbehandlungsabsicht der Erblasserin nicht erkennen. Soweit der Kläger in seiner Berufungsbegründung (S. 22, Bl. 270 d. A.) aus der Anlage OHS 5 einen derartigen Schluss ziehen will, vermag der Senat nicht zu erkennen, woraus sich aus dieser Vollmacht eine Absicht der Erblasserin, alle in ihrem Testament bedachten Personen im wesentlichen wirtschaftlich gleich zu bedenken, ergeben soll.

c) Im Übrigen: Eine Gleichbehandlungsabsicht der Erblasserin ist im Testament weder angedeutet noch versteckt zum Ausdruck gekommen. Selbst wenn man also zugunsten des Klägers eine Gleichbehandlungsabsicht der Erblasserin im Errichtungszeitpunkt unterstellen würde, wäre diese unbeachtlich, da der (mögliche) Wille des Erblassers, der im Testament nicht andeutungsweise oder versteckt zum Ausdruck gekommen ist, unbeachtlich ist (BGH NJW 2022, 474 Rn. 18; 2019, 2317 Rn. 17; MüKoBGB/Leipold 8. Auflage <2020> § 2065 Rn. 16; Grüneberg/Weidlich BGB, 81. Auflage <2022> § 2084 Rn. 4).

Im Übrigen ist auf folgendes hinzuweisen: Der Kläger schließt unzulässig von dem im Todeszeitpunkt vorhandenen Bargeld auf den Willen der Erblasserin im Errichtungszeitpunkt nach dem Motto: War im Todeszeitpunkt wenig Bargeld vorhanden, entsprach das nicht dem Willen der Erblasserin, war im Todeszeitpunkt sehr viel Bargeld vorhanden, entsprach dies dem Willen der Erblasserin. Ein derartiger Rückschluss ist aber nicht zulässig.

Aus den vorgenannten Gründen war der Begriff des Bargeldes wie vom Erstgericht dahin auszulegen, dass damit allein das bei der Erblasserin physisch vorhandene Bargeld (Scheine/Münzen) gemeint war. Insoweit haben die Beklagten über dessen Höhe bereits Auskunft erteilt, darauf beruht die Verurteilung zur Zahlung durch das Landgericht. Ein etwaiger Auskunftsanspruch des Klägers ist mithin erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB), ein weitergehender Auskunftsanspruch, insbesondere hinsichtlich des Buchgeldes, besteht nicht, da insoweit auch kein weitergehender Zahlungsanspruch besteht.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

(Bargeld Vermächtnis Testamentsauslegung)

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