Der bevollmächtigte Erbe | Fortbestand der Gültigkeit einer notariellen Vollmacht für den Erben nach dem Erbfall | Beschluss des OLG Bremen vom 31.08.2023 Aktenzeichen: 3 W 15/23

Der bevollmächtigte Erbe | Fortbestand der Gültigkeit einer notariellen Vollmacht für den Erben nach dem Erbfall

(Der bevollmächtigte Erbe)

Beschluss des OLG Bremen vom 31.08.2023

Aktenzeichen: 3 W 15/23

(Der bevollmächtigte Erbe)

Kurze Zusammenfassung der Entscheidung

Die Entscheidung des OLG Bremen vom 31. August 2023 beschäftigt sich mit der Auslegung einer Vollmacht. In der Sache musste die Frage entschieden werden, unter welchen Voraussetzungen eine notarielle Vollmacht auch nach dem Tod der Person, die die Vollmacht erteilt hat, wirksam bleibt, wenn aus der Vollmacht selbst nicht hervorgeht, dass diese über den Tod hinaus wirksam sein soll.

Im vorliegenden Fall erteilten die Eltern ihren beiden Söhnen eine notarielle Vollmacht, die im Außenverhältnis uneingeschränkt wirksam war. Aus der Vollmacht ging allerdings nicht hervor, dass diese über den Tod der die Vollmacht erteilenden Personen hinaus wirksam sein soll.

Nachdem beide Eltern verstorben waren, beantragten die Bevollmächtigten Söhne (die gemeinsam Erben der Eltern geworden waren) die Korrektur der Grundbücher, d. h. sie wollten hinsichtlich der Immobilien der Erblasser als neue Eigentümer in Erbengemeinschaft in die Grundbücher eingetragen werden. Bezogen auf ihre Legitimation zu Beantragung der Grundbuchkorrektur verwiesen die beiden Brüder auf die ihnen von den Eltern erteilte notarielle Vollmacht.

Das Grundbuchamt lehnte die beantragte Korrektur der Grundbücher mit Hinweis darauf ab, dass die von den Erblassern erteilte Vollmacht nicht über deren Tod hinaus wirksam sei, da dies in der Vollmacht nicht angeordnet wurde.

Gegen die Entscheidung des Grundbuchamtes legten die Erben Beschwerde ein. Über diese Beschwerde musste das OLG Bremen entscheiden.

Bei seiner Entscheidung stellte das OLG Bremen auf zwei Gesichtspunkte ab.

Zum einen darauf, dass die Bevollmächtigten Erben der Personen werden, die die Vollmacht erteilt haben.

Zum anderen stellte das OLG Bremen auf den Inhalt der Vollmacht ab. Im vorliegenden Fall bezog sich die Vollmacht primär auf die Wahrnehmung der Vermögensinteressen der Erblasser. Die Vertretung der Erblasser in anderen Angelegenheiten war hingegen nachrangig. Unter Verweis auf die Wahrnehmung der Vermögensinteressen der Erblasser mit Hilfe der erteilten Vollmacht kam das OLG Bremen zu dem Ergebnis, dass die den Erben erteilte Vollmacht über den Tod der Erblasser hinaus gültig ist, da durch dieses Ergebnis relevante Interessen Dritter nicht berührt oder gefährdet werden.

Die Entscheidung ist problematisch, da bei einer notariellen Vollmacht grundsätzlich vorausgesetzt werden kann, dass die Frage der Gültigkeit dieser Vollmacht über den Tod der Vollmachtgeber hinaus Gegenstand der Beratung durch den Notar war. Insofern ist eigentlich zu unterstellen, dass das Fehlen einer entsprechenden Anordnung durch die Erblasser darauf zurückzuführen ist, dass die erteilte Vollmacht nicht über den Tod der Erblasser hinaus Gültigkeit haben sollte. Für die Gestaltungspraxis kann dies in Zukunft bedeuten, dass in die Vollmachten explizit aufgenommen werden muss, dass deren Gültigkeit mit dem Tod der Erblasser endet. Nur so kann vor dem Hintergrund der Entscheidung des OLG Bremen sichergestellt werden, dass die notarielle Vollmacht mit dem Tod der Erblasser unwirksam wird, wenn dies von den Erblassern gewünscht ist.

(Der bevollmächtigte Erbe)

Tenor:

1) Auf die Beschwerde wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Bremen – Grundbuchamt – vom 11.05.2023 aufgehoben. Dem Amtsgericht wird aufgegeben, über den Eintragungsantrag unter Beachtung der Auffassung des Senats erneut zu entscheiden.

2) Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Urteilsgründe:

I. Die Beschwerdeführer wenden sich gegen eine Zwischenverfügung des Amtsgerichts
Bremen – Grundbuchamt.

Unter dem 07.03.2023 haben sie einen Antrag auf Eintragung eines
Eigentumswechsels gestellt. Mit Urkunde des Notars X, Oldenburg, vom 27.2.2023
(UR-Nr. ..) hatten die Beschwerdeführer zu 1) und 2) als Bevollmächtigte der im
Grundbuch eingetragenen A und des B das Eigentum am verfahrensgegenständlichen
Grundstück (Grundbuch Bremen Vorstadt .. Blatt …) auf die Beschwerdeführerin zu 3)
übertragen.
Zum Nachweis der Vollmacht haben sie sich auf die Urkunde des Notars Z vom
01.12.2004 (UR-Nr….) berufen.
Die Vollmachtgeber, d.h. die eingetragenen Eigentümer, sind am 06.03.2022 (A) bzw.
09.10.2022 (B) verstorben.

Das Grundbuchamt hat unter dem 11.05.2023 mit der angegriffenen
Zwischenverfügung mitgeteilt, dass der beantragten Grundbucheintragung ein
Eintragungshindernis entgegenstehe, weil die Vollmacht der verstorbenen Eigentümer
an die Söhne nicht explizit über den Tod hinaus erteilt worden sei. Eine auf die Person
des Vollmachtgebers zugeschnittene Vollmacht sei in der Regel dahin auszulegen,
dass sie mit dem Tod des Vollmachtgebers erlösche. Andere Anhaltspunkte, dass die
Vollmacht auch über den Tod hinaus gelten solle, ergäben sich hier nicht.
Das Grundbuchamt hat den Antragstellern aufgegeben, einen Erbnachweis nach den
verstorbenen Eigentümern vorzulegen.

Mit ihrer am 17.07.2023 beim Grundbuchamt eingegangenen Beschwerde tragen die
Antragsteller vor, das Grundbuchamt verkehre das Regel-Ausnahme-Verhältnis, denn
grundsätzlich führe der Tod des Vollmachtgebers im Zweifel nicht zum Erlöschen des
Grundverhältnisses und damit der Vollmacht. Auf diese Weise solle eine kontinuierliche
Wahrung der Vermögensinteressen der Erblasser und der Erben sichergestellt werden.
Die den Kindern erteilte Vollmacht sei auch in keiner Weise auf die Personen der
Vollmachtgeber zugeschnitten, sie enthalte nicht ansatzweise persönliche Vorgaben
oder Wünsche, sondern beziehe sich ganz sachlich allein auf die Bevollmächtigung zur
Regelung vermögensrechtlicher Aspekte. Die Vollmacht sei im Übrigen auch im
Interesse der Bevollmächtigten erteilt worden, bei denen es sich um die einzigen beiden
Abkömmlinge der Erblasser handele. Es sollte ihnen so leicht wie möglich gemacht werden, den Nachlass aufzuteilen, dafür spräche die umfassende Befreiung von den
Beschränkungen des § 181 BGB. Die Beschwerdeführer legen ein handschriftliches
Testament vor, nach dem die Beschwerdeführer zu 1) und 2) Schlusserben nach dem
zuletzt versterbenden Ehegatten sein sollen.

Unter dem 19.07.2023 hat das Grundbuchamt darauf hingewiesen, dass aus dem
Wortlaut der Vollmacht hervorgehe, dass sie im Innenverhältnis nur gelte, wenn die
Vollmachtgeber beide durch Alter oder Krankheit daran gehindert seien, für sich selber
zu sorgen. Diese Voraussetzung liege mit dem Tod der Vollmachtgeber nicht mehr vor.
In der weiteren Stellungnahmefrist haben die Beschwerdeführer an ihrem Rechtsmittel
festgehalten, das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 14.08.2023 der Beschwerde
nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die statthafte Beschwerde gegen die ein Eintragungshindernis feststellende
Zwischenverfügung (§ 18 GBO) ist auch im Übrigen zulässig (§§ 71, 73 GBO).
Sie ist auch begründet.

Das vom Grundbuchamt aufgezeigte Eintragungshindernis besteht nicht. Die
Beschwerdeführer zu 1) und 2) haben mit wirksamer Vollmacht über den Grundbesitz
verfügt. Da die eingetragenen Eigentümer im Zeitpunkt des Verfügungsgeschäfts
bereits verstorben waren, kommt es entscheidend darauf an, ob die den
Beschwerdeführern zu 1) und 2) erteilte Vollmacht auch über den Tod der
Vollmachtgeber hinaus gelten soll. Dazu enthält der Text der Vollmacht keinen
ausdrücklichen Hinweis.

Vor der Anwendung der gesetzlichen Regelung bei Zweifeln an der Dauer der
Bevollmächtigung gem. §§ 672 S.1, 168 S.1 BGB ist zunächst durch Auslegung der
Vollmachterklärung zu ermitteln, ob diese über den Tod hinaus Geltung haben soll.
Grundsätzlich gilt für diese Auslegung, je mehr der Auftragsgegenstand auf die Person
und die persönlichen Verhältnisse – hingegen weniger auf das Vermögen – des
Auftragsgebers zugeschnitten ist, desto eher ist anzunehmen, dass der Auftrag mit dem
Tod des Auftraggebers erlöschen soll (OLG München, Beschluss vom 7. Juli 2014 – 34
Wx 265/14 – Rn.10, juris; MüKoBGB/F. Schäfer, 9. Aufl. 2023, BGB § 672 Rn. 8 – beckonline).

Soweit es in der Vollmachterklärung heißt: „Die vorstehende Vollmacht für unsere
Söhne soll dann gelten, wenn wir beide durch Alter oder Krankheit daran gehindert ist
(gemeint: sind), für uns selber zu sorgen.“ könnte sich daraus ergeben, dass es sich
tatsächlich „nur“ um eine Vollmacht handelt, die die Einrichtung einer Betreuung zu
Lebzeiten ersetzen bzw. verhindern soll. Dagegen sprechen jedoch folgende
Umstände:

In dem unmittelbar an das oben genannte Zitat anschließenden Satz machen die
Vollmachtgeber deutlich, dass es sich dabei nicht um eine Beschränkung der Vollmacht
gegenüber Dritten, sondern lediglich um eine Anweisung im Innenverhältnis handeln
soll. Der oben wörtlich zitierte Satz muss deshalb so verstanden werden, dass die
Vollmacht nach außen unbeschränkt erteilt ist, nach innen aber „erst ab dem Zeitpunkt
gelten soll“, wenn die Vollmachtgeber durch Alter oder Krankheit gehindert sein sollten,
für sich selber zu sorgen.

Im Gegensatz zu der vom Grundbuchamt benannten Entscheidung des OLG Hamm
(Beschluss v. 17.09.2002, 15 W 338/02 dort Rn. 12 – juris) ist dem Text der hier
vorgelegten Vollmachterklärung auch nicht ausdrücklich zu entnehmen, dass ihr Zweck
darin besteht, die Bestellung eines Betreuers zu vermeiden. Inhaltlich nimmt die
Vollmacht auch ausschließlich Bezug auf vermögensrechtliche Vertretungsfälle, soweit
konkretere Vertretungsfälle benannt werden (insoweit unterscheidet sich der
Sachverhalt von dem der Entscheidung des OLG München, Beschluss v. 07.07.2014,
34 Wx 265/14, Rn. 11 – juris, bei dem der Schwerpunkt der Bevollmächtigung gerade
im persönlichen Bereich lag; vgl. andererseits auch OLG München, Beschluss v.
15.11.2011, 34 Wx 388/11, Rn.11 – juris, das sogar eine als „Vorsorgevollmacht und
Patientenverfügung“ konzipierte Vollmacht als über den Tod hinaus bestehend
angesehen hat).

Aus dem Text der hier vorgelegten Erklärung wird deutlich, dass die Vollmachtgeber
mit der Vollmacht ab dem Zeitpunkt, zu dem sie selbst nicht mehr dazu in der Lage
waren, vor allem ihre vermögensrechtlichen Angelegenheiten geregelt wissen wollten.
Ein besonderer Bezug zu persönlichen Angelegenheiten (z.B. Zustimmungen zu
Heilbehandlungen etc.) ist gerade nicht ersichtlich.

Aus diesem Grunde geht der Senat davon aus, dass die Vollmacht so auszulegen ist,
dass sie für die im Vordergrund stehenden Vermögensangelegenheiten auch über den
Tod hinausgelten sollte, einer Anwendung der Zweifelsregelung in § 672 Abs.1 S.1 BGB
bedarf es dazu nicht.

Für das weitere Eintragungsverfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

Nach Auffassung des Senats ist die Vollmacht auch nicht dadurch erloschen, dass
beide gemeinschaftlich Bevollmächtigte auch gemeinschaftlich Erben des zuletzt
verstorbenen Vollmachtgebers geworden sein sollen (anders für den bevollmächtigten
Alleinerben: OLG Hamm Beschluss vom 10.01.2013, 15 W 79/12 – FGPrax 2013, 148;
differenzierend: OLG München Beschl. v. 31.8.2016 – 34 Wx 273/16 Rn. 18/19 – juris,
wie hier: Kammergericht Beschl. v. 2.3.2021 – 1 W 1503/20 Rn. 4/5 – beck-online). Es
kann dahingestellt bleiben, ob die Vollmacht tatsächlich wegen Konfusion erlischt, wenn
der (die) Bevollmächtigte(n) (Allein-) Erben des Vollmachtgebers werden (so das OLG
Hamm a.a.O.). Im Interesse eines reibungslosen Rechtsverkehrs ist die
Legitimationswirkung der Vollmacht (§ 172 BGB) in jedem Fall als fortbestehend
anzusehen, wenn sie dem bevollmächtigten Erben weitergehende
Handlungsmöglichkeiten eröffnet und schutzwürdige Interessen nicht entgegenstehen
(vgl. KG a.a.O. Rn.4). So liegt der Fall hier: Mit der beurkundeten Vollmacht über den
Tod hinaus haben die Vollmachtgeber die fortgeltende, weitgehende
Handlungsvollmacht auch für den Nachlass gegenüber Dritten kundgetan. Die
Legitimationswirkung der Vollmachtsurkunde entfällt erst, wenn dem Dritten – in diesem
Fall dem Grundbuchamt – bekannt ist bzw. bekannt sein müsste, dass die
Bevollmächtigten Erben sind (§ 173 BGB). Dafür genügt allein die Behauptung, Erbe
zu sein oder die Vorlage eines handschriftlichen Testaments nicht, weil damit der
Erbennachweis nicht zu führen ist. Solange ein Erbschein nicht vorgelegt wird, kann
und darf das Grundbuchamt auf die Legitimationswirkung der Vollmacht vertrauen.
Dass grundsätzlich bzw. in diesem Fall schutzwürdige Interessen Dritter der
Legitimation der Bevollmächtigten durch die Vollmachturkunde zum Handeln für den
Nachlass entgegenstehen, ist nicht erkennbar.

Die Entscheidung über die Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren ergeht nach §
21 Abs.1 S.1 GNotKG.

(Der bevollmächtigte Erbe)