Gericht: OLG München

Kostentragungspflicht für ein Schriftsachverständigengutachten

Beschluss vom: 30.04.2012

Aktenzeichen: 31 Wx 68/12

Beschlusstenor:

1)  Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Amtsgerichts Weilheim vom 23. Januar 2012 aufgehoben, soweit der Beteiligten zu 1 darin die auch die Kosten für das im Erbscheinsverfahren erholte Gutachten der Sachverständigen vom 3. November 2010 auferlegt wurden. Diese Kosten trägt die Beteiligte zu 2.
2)  Für das Beschwerdeverfahren werden außergerichtliche Kosten nicht erstattet.

Beschlussgründe:

Die verwitwete Erblasserin ist am 16.3.2010 im Alter von 94 Jahren kinderlos verstorben. Die Beteiligte zu 2 ist die Nichte der Erblasserin.
Die Erblasserin hatte laut Protokoll des Nachlassgerichts am 7.2.2006 „ein handschriftliches Testament vom 3.4.2004“ in amtliche Verwahrung gegeben, das die Beteiligte zu 1 begünstigt.
Mit Schriftsatz vom 21.6.2010 trug die Beteiligte zu 2 vor, dass es sich bei dem Schriftstück vom 3.4.2004 deutlich erkennbar um eine Fälschung handele, da es von zwei verschiedenen Personen abgefasst sei. Daraufhin erholte das Amtsgericht mit Beschluss vom 28.9.2010 ein Sachverständigengutachten zur Frage der Formgültigkeit des Testaments. Nach Eingang des Gutachtens vom 3.11.2010 erteilte das Amtsgericht der Beteiligten zu 1 am 20.12.2010 den beantragten Erbschein, machte ihr gegenüber aber auch die Kosten des erholten Gutachtens geltend.
Im Anschluss an eine von der Beteiligten zu 1 herbeigeführte Beschwerdeentscheidung des Senats vom 27.9.2011 ( 31 Wx 423/11) hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 23.1.2012 den Beschluss vom 20.12.2010 dahin ergänzt, dass die Beteiligte zu 1 die Kosten des Erbscheinsverfahrens zu tragen habe. Der dagegen mit Schreiben vom 14.2.2012 von der Beteiligten zu 1 eingelegten Beschwerde half das Amtsgericht am 27.2.2012 nicht ab. Es entspräche der Billigkeit, der Beteiligten zu 1 die Kosten des Erbscheinsverfahrens aufzuerlegen, da die Einwendungen der Beteiligten zu 2 gegen das Testament angesichts des Ergebnisses des Gutachtens nicht mutwillig erschienen. Es habe daher bei dem Grundsatz zu verbleiben, dass sie als Antragstellerin des Erbscheins nach § 2 Nr. 1 KostO Kostenschuldnerin der Gerichtskosten einschließlich der Auslagen sei.
1. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde allein gegen die nun nachgeholte Kostengrundentscheidung ist zulässig, §§ 58 ff FamFG. Die Beteiligte zu 1 ist durch die Entscheidung beschwert, § 59 Abs 1 FamFG. Der Beschwerdewert ist überschritten (§ 61 Abs 1 FamFG).
2. Die Beschwerde ist auch begründet.
a) Folgt einem auf Antrag vorzunehmenden Geschäft (Antrag auf Erbscheinserteilung) ein Amtsgeschäft (Einholung eines Sachverständigengutachtens), so haftet, wenn im Beschluss keine anderweitige Kostenentscheidung getroffen ist, als Kostenschuldner nach § 2 Nr. 1 KostO der Antragsteller auch für solche Sachverständigenauslagen, die allein auf Grund der Einwände eines anderen Beteiligten veranlasst wurden. Zur Vermeidung von Unbilligkeiten muss das Gericht – jedenfalls bei einem entsprechenden Antrag oder wenn sich die Unbilligkeit aufdrängt – nach §§ 81 ff FamFG prüfen, ob es die Gerichtskosten einem Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegt, § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG (LG Frankenthal ZEV 2005, 529; LG Saarbrücken NJW-RR 2010, 305-306). Es handelt sich um eine Ermessensentscheidung, die nach Billigkeitsgesichtspunkten zu treffen ist.
§ 81 FamFG geht nicht von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis aus, wonach die Tragung der Kosten etwa des einhergehenden Amtsgeschäfts durch den Antragsteller die Regel darstellen würde, sondern erfordert eine Billigkeitsabwägung, ohne dass es darauf ankäme, die Hürde einer Regelwirkung zu überwinden (Schindler in MK-ZPO 3. Auflage 2010 § 81 FamFG Rn. 7; Keidel/Zimmermann, FamFG, 17. Auflage 2011, § 81 Rn. 44; vgl auch die Gesetzesbegründung zu § 81 FamFG, BT-Drs 16/6308, 215). Um einem Beteiligten Kosten auferlegen zu können, ist es auch nicht erforderlich, dass Umstände vorliegen, die nach Art und Bedeutung den Regelbeispielen des § 81 Abs 2 FamFG entsprechen (OLG Düsseldorf FGPrax 2011, 207, 208). Auch wenn das vollständige Unterliegen nicht zwingend zu einer Kostenauferlegung führen muss (MüKo/Schindler, § 81 FamFG Rn 12; Holzer/Wilsch, FamFG, 2011, § 81 Rn 4), so kann ein Billigkeitskriterium in Antragsverfahren doch das Maß des Antragserfolges sein. Weitere Kriterien können die Verfahrensführung, das Vorbringen unwahrer Behauptungen, die Erkennbarkeit der Aussichtslosigkeit der Einwendung von Anfang an sowie schuldhafte Veranlassung des Verfahrens sein (OLG Düsseldorf FGPrax 2011, 207, 208).
Zudem ist zu beachten, dass § 81 FamFG es auch ermöglicht, die Kosten des Verfahrens \”zum Teil\” einem anderen Beteiligten aufzuerlegen, wobei nicht nur eine Quotelung, sondern auch eine Differenzierung nach Art der Kosten in Betracht kommt. Als Beispiel hierfür werden auch Gutachterkosten genannt (vgl. Rojahn in Burandt/Rojahn, Erbrecht, 2011, § 84 FamFG Rn. 6). Wird ein Erbschein beantragt und wurde in dem Verfahren allein aufgrund der Einwendungen eines anderen Beteiligten ein Sachverständigengutachten eingeholt, so können dem anderen Beteiligten die Kosten des Gutachtens auferlegt werden (vgl. Keidel/Zimmermann § 81 Rn. 9).
b) Auch wenn das Sachverständigengutachten nur zu einer Wahrscheinlichkeit der Urheberidentität von 75 % kommt, wie das Nachlassgericht anführt, sind die Sachverständigenkosten aus Billigkeitsgründen der Beteiligten zu 2 aufzuerlegen. Die Behauptung der Beteiligten zu 2, das Testament sei von zwei verschiedenen Personen geschrieben, bestätigt das Gutachten gerade nicht. Vielmehr kommt die Sachverständige zum Ergebnis, dass sich die letzten drei Zeilen des Testaments vom 3.4.2004 weder im Schreibmittel, noch in Schriftbild und Bewegungsführung vom übrigen Testament unterscheiden. Die Sachverständige kommt nur bei einer Vergleichung von Testament und einer einzigen Vergleichsunterschrift zu dem Ergebnis der Wahrscheinlichkeit der Urheberidentität von 75 %, weist aber darauf hin, dass diese Quote allein auf dem mangelhaften Vergleichsmaterial von nur einer Vergleichsunterschrift beruht. Dieser Umstand, wie auch die Tatsache der Hinterlegung des Testaments durch die Erblasserin selbst, lassen den Schluss zu, dass das Vorbringen, das Testament sei von zwei verschiedenen Personen geschrieben, ins Blaue hinein abgegeben ist. Da zudem keine Billigkeitsgründe ersichtlich sind, die zu Gunsten der Beteiligten zu 2 sprechen, war auf das Rechtsmittel des Beteiligten zu 1 die amtsgerichtliche Kostenentscheidung hinsichtlich der Gutachtenskosten zu ändern.
Gerichtsgebühren fallen für das Beschwerdeverfahren nicht an, § 131 Abs. 3 KostO.
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Nachdem die Beteiligte zu 1 nicht anwaltlich vertreten ist, entspricht es der Billigkeit, von einer Erstattungsanordnung im Hinblick auf die außergerichtlichen Kosten abzusehen.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.