Beschluss des OLG Brandenburg vom 22.04.2014

Aktenzeichen: 3 W 13/14

Kurze Zusammenfassung der Entscheidung:

Im vorliegenden Fall musste das Gericht entscheiden, wann die Frist des § 1944 BGB abläuft, wenn die Ausschlagungserklärung vom Betreuer des Erben abgegeben wird und vom Betreuungssgericht genehmigt werden muss.
Die Betreuerin hatte die Ausschlagung der Erbschaft gegenüber dem Nachlassgericht innerhalb der Sechswochenfrist erklärt. Sodann wurde bei Betreuungsgericht die Genehmigung der Ausschlagungserklärung beantragt. Während der Dauer der Entscheidung des Betreuungsgerichtes über die Genehmigung der Ausschlagungserklärung ist die Frist des § 1944 BGB gehemmt.
Nach dem die Genehmigung der Betreuerin zuging, begann die Frist des § 1944 BGB wieder zu laufen. Die Genehmigung wurde an das Nachlassgericht erst nach Ablauf der Sechswochenfrist des § 1944 BGB von der Betreuerin übermittelt. Das Gericht geht in seine Entscheidung davon aus, dass damit die Sechswochenfrist nicht eingehalten wurde, da die Betreuerin die Genehmigungserklärung innerhalb der Sechswochenfrist des § 1444 BGB an das Nachlassgericht hätte weiterleiten müssen. Da dies nicht geschah, wurde die Frist nicht eingehalten.
Im Falle der Abgabe einer genehmigungspflichtigen Ausschlagungserklärung muss der Betreuer somit sicherstellen, dass die Genehmigungserklärung innerhalb der Sechswochenfrist (unter Berücksichtigung der Hemmung) dem Nachlassgericht zugeht. Ansonsten gilt die für den Betreuten abgegebene Ausschlagungserklärung als verfristet. Im vorliegenden Fall wurde der Betreute damit, trotz der Ausschlagungserklärung seines Betreuers, Erbe.

(Ausschlagungsfrist Betreuung Genehmigung)

Tenor:

1) Die Beschwerde des Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bad Freienwalde (Oder) vom 21. Februar 2014 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2) Beschwerdewert: 3.000 €

Entscheidungsgründe:

I. Der Beteiligte zu 2. wendet sich gegen die Feststellung der Tatsachen, die zur Erteilung eines von der Beteiligten zu 1. beim Amtsgericht Bad Freienwalde (Oder) beantragten Erbscheins erforderlich sind.
Am 14.3.2013 verstarb in G… der Erblasser M… S…. Zum Todeszeitpunkt war er geschieden. Der Erblasser hatte vier Kinder, zu denen die Beteiligten zu 1. und 2. gehören. Von den beiden anderen Kindern des Erblassers wurde die Erbschaft ausgeschlagen. Der Beteiligte zu 2. steht unter Betreuung, die bereits zum Todeszeitpunkt des Erblassers eingerichtet war. Zur Betreuerin – u. a. mit dem Wirkungskreis der Vermögenssorge – ist Frau E… Sc… vom C e.V., Betreuungsverein, bestellt worden.
Die Betreuerin, die am 2.5.2013 Kenntnis vom Tod des Vaters der Beteiligten erlangte, hat am 30.5.2013 zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Neukölln die Erbschaft für den Beteiligten zu 2. ausgeschlagen. Auf den am 3.6.2013 bei Gericht eingegangenen Antrag der Betreuerin vom 27.5.2013 hin hat das Amtsgericht Neukölln mit Beschluss vom 4.9.2013 ihre Erbausschlagungserklärung vom 30.5.2013 betreuungsgerichtlich genehmigt. Die Genehmigung, deren Rechtskraft am 26.9.2013 eintrat, ist beim C… am 4.10.2013 eingegangen. Mit Schreiben vom 22.10.2013 – beim Amtsgericht Neukölln am 24.10.2013 eingegangen – leitete die Betreuerin die Beschlüsse des Betreuungsgerichts bezüglich der Genehmigung ihrer Erbausschlagungserklärung weiter.
Von der Beteiligten zu 1. wurde die Erbschaft angenommen. Mit notarieller Urkunde vom 5.7.2013 in Verbindung mit ihrem Berichtigungsschreiben vom 16.1.2014 hat sie die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins beantragt, in welchem sie und der Beteiligte zu 2. als Miterben zu je ½ ausgewiesen sein sollen. Das Amtsgericht – Nachlassgericht – Bad Freienwalde (Oder) hat mit Beschluss vom 21.2.2014 die Tatsachen, die zur Erteilung des beantragten Erbscheins – wonach der Erblasser von den Beteiligten zu 1. und 2. je zu ½ Anteil beerbt wurde – erforderlich sind, für festgestellt erachtet. Die Erteilung des Erbscheins wurde bis zur Rechtskraft des Beschlusses ausgesetzt. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, die für den Beteiligten zu 2. erklärte Erbausschlagung seiner Betreuerin sei unwirksam. Denn diese habe die betreuungsgerichtliche Genehmigung der Ausschlagungserklärung nicht innerhalb der Ausschlagungsfrist in der vorgeschriebenen Form bei Gericht vorgelegt bzw. nachgereicht.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 2., vertreten durch seine Betreuerin. Zur Begründung machte er insbesondere geltend, der Nachweis der betreuungsrechtlichen Genehmigung der Erbausschlagungserklärung müsse nicht innerhalb der Ausschlagungsfrist erfolgen. Es komme nur auf den Zugang der Genehmigung beim Betreuer an. Damit sei die Erbschaft durch seine Betreuerin fristgerecht ausgeschlagen worden.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde durch begründeten Beschluss vom 24.3.2014 nicht abgeholfen und die Sache dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde des Beteiligten zu 2. führt in der Sache nicht zum Erfolg. Zur Recht ist das Amtsgericht in der angefochtenen sowie in seiner Nichtabhilfeentscheidung davon ausgegangen, dass der von einem Betreuer des Ausschlagenden gegenüber dem Nachlassgericht zu erbringenden Nachweis der betreuungsgerichtlichen Genehmigung – sofern sie nicht bereits der fristgerechten Ausschlagungserklärung beigefügt ist – innerhalb der Ausschlagungsfrist nachgereicht werden muss. An einem solchen fristgerechten Nachweis fehlt es hier. Das Amtsgericht hat daher in dem angefochtenen Beschluss zu Recht die Tatsachen zur Erteilung des von der Beteiligten zu 1. beantragten gemeinschaftlichen Erbscheins für festgestellt erachtet. Im Einzelnen gilt folgendes:
1. Die Form der Ausschlagung ist in § 1945 Abs. 1 BGB geregelt. Diesen Erfordernissen ist von der Betreuerin Genüge getan. Der ihr u. a. übertragene Aufgabenkreis der Vermögenssorge erfasst auch die Ausschlagung der Erbschaft vom Vater des von ihr betreuten Beteiligten zu 2.
2. Die Ausschlagungsfrist des § 1944 BGB ist jedoch vom Beteiligten zu 2. bzw. seiner Betreuerin nicht gewahrt worden.
a) Die Frist beträgt sechs Wochen und beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfall und dem Grund seiner Berufung Kenntnis erlangt. Das war hier am 2.5.2013, da bei einer bestehenden Betreuung für den Fristbeginn die Kenntnis des Betreuers maßgebend ist (vgl. hierzu Palandt/Weidlich, BGB, 73. Aufl., § 1944, Rn. 6).
Am 30.5.2013 ist die Ausschlagungserklärung von der Betreuerin zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Neukölln abgegeben worden. Allerdings war diese Erklärung wegen der noch ausstehenden betreuungsrechtlichen Genehmigung gemäß §§ 1822 Nr. 2, 1831 Satz 1, 1908 i Abs. 1 BGB unwirksam. Die Unwirksamkeit wurde auch nicht dadurch geheilt, dass die unter dem 4.9.2013 erteilte – seit dem 26.9.2013 rechtskräftige – betreuungsrechtliche Genehmigung innerhalb der regulären Ausschlagungsfrist entsprechend § 1945 Abs. 3 Satz 2 BGB beim Nachlassgericht eingereicht worden wäre (vgl. hierzu Palandt/Weidlich, a.a.O., § 1945, Rn. 6; BayObLG, Rechtspfleger 1983, 482). Denn sie ist dort erst nach Ablauf der sechswöchigen Ausschlagungsfrist (am 21.10.2013) am 24.10.2013 eingegangen. Die Ausschlagungserklärung des Beteiligen zu 1. ist damit verfristet.
Der Senat teilt zunächst die Auffassung der Rechtspflegerin zur Frage der Hemmung der Erbausschlagungsfrist. § 1944 Abs. 2 Satz 3 BGB verweist auf § 206 BGB. Danach ist die Verjährung gehemmt, solange eine Rechtsverfolgung an höherer Gewalt scheitert. Höhere Gewalt im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn die Verhinderung auf Ereignissen beruht, die durch äußerste, billigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet werden konnten (vgl. hierzu BayObLG, FamRZ 1998, 642). Das ist bei einer genehmigungsbedürftigen Ausschlagung der Fall, wenn die Genehmigung – wie hier mit dem am 3.6.2013 beim Amtsgericht eingegangenen Schreiben vom 27.5.2013 – rechtzeitig beantragt wurde, sich ihre Erteilung indes verzögert (vgl. hierzu Palandt/Weidlich, a.a.O., § 1945, Rn. 6). Denn die Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens liegt nicht in der Hand des Antragstellers. Die Zeit, die seit Einleitung des Genehmigungsverfahrens bzw. der Erklärung der Erbausschlagung am 30.5.2013 bis zum Zugang der rechtskräftigen betreuungsgerichtlichen Genehmigung am 4.10.2013 verstrichen ist, bleibt gemäß § 209 BGB bei der Berechnung der sechswöchigen Ausschlagungsfrist des § 1944 Abs. 1 BGB außer Betracht (vgl. hierzu Saarländisches OLG, Rpfleger 2011, 607). Auch der Tag, in dessen Verlauf der Hemmungsgrund entsteht – hier der 30.5.2013 – gehört bereits zur Hemmungszeit (vgl. hierzu BGH, NJW 1998, 1058). Die Frist läuft nach dem Ende der Hemmung vom Beginn des nächsten Tages (0:00 Uhr) weiter (vgl. hierzu BGHZ 1986, 103).
Die hier am 3.5.2013 in Gang gesetzte (§§ 1944 Abs. 2, 187 Abs. 1 BGB) und vom 30.5. bis zum 4.10.2013 gehemmte Sechswochen-Frist lief also am 5.10.2013 weiter. Sie endete gemäß § 193 BGB nicht am 19.10.2013, sondern erst am Montag, den 21.10.2013. Hiervon ausgehend war die Ausschlagungsfrist im Zeitpunkt des Eingangs der betreuungsrechtlichen Genehmigung beim Nachlassgericht am 24.10.2013 bereits abgelaufen.
b) Entgegen der Auffassung der Betreuerin des Beteiligten zu 2. ist für die Entscheidung über die Wirksamkeit einer zur Zeit ihrer Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht noch nicht betreuungsrechtlich genehmigten Erbausschlagungserklärung nicht entscheidend darauf abzustellen, dass die Genehmigung innerhalb der Ausschlagungsfrist erteilt bzw. gemäß §§ 1828, 1908 i Abs. 1 BGB gegenüber dem Betreuer erklärt wird. Vielmehr ist zu verlangen, dass die betreuungsrechtliche Genehmigung und deren Bekanntmachung gegenüber dem Betreuer dem Nachlassgericht noch vor Ablauf der Ausschlagungsfrist des § 1944 Abs. 1 BGB nachgewiesen wird (vgl. für die Erbausschlagung durch einen gesetzlichen Vertreter RGZ 118, 145 ff.). Nur so wird entsprechend dem gesetzgeberischen Zweck der Fristbestimmung für die Ausschlagung der Erbschaft der bis dahin bestehenden Ungewissheit innerhalb der bestimmten Zeit ein Ende bereitet. Das Nachlassgericht wird (erst) durch diesen Nachweis in den Stand versetzt, die Erbschaftsausschlagung gemäß § 1953 Abs. 3 BGB demjenigen mitzuteilen, dem die Erbschaft infolge der Ausschlagung nach Abs. 2 angefallen ist und damit die Ausschlagungsfrist gemäß § 1944 Abs. 2 BGB ihm gegenüber in Gang zu setzen.
Ob es gegebenenfalls ausreicht, wenn der Betreuer innerhalb der Ausschlagungsfrist gegenüber dem Nachlassgericht anzeigt, das Amtsgericht habe ihm durch einen nach Datum und Aktenzeichen angeführten, ihm am angegebenen Tag bekannt gemachten Beschluss die betreuungsrechtliche Genehmigung erteilt, kann dahinstehen. Denn auch dies ist hier bis zum Ablauf der Frist am 21.10.2013 nicht geschehen.
c) Der Beteiligte zu 2. kann sich auch nicht mit Erfolg auf einen Urlaub seiner Betreuerin bei Zugang der betreuungsrechtlichen Genehmigung am 4.10.2013 berufen.
Hierzu fehlt es in zeitlicher Hinsicht bereits an detaillierten Angaben. Vor allem aber war die Betreuerin des Beteiligten zu 2. als Mitarbeiterin des C…-Betreuungsvereins verpflichtet, durch geeignete Vorkehrungen dafür Sorge zu tragen, dass unaufschiebbare bzw. fristgebundene Handlungen während ihrer Urlaubszeit von einem Vertreter vorgenommen wurden. Dazu zählte auch die Weiterleitung der bei Urlaubsantritt noch ausstehenden betreuungsgerichtlichen Genehmigung der Erbausschlagungserklärung vom 30.5.2013 an das Nachlassgericht. Der Beteiligte zu 2. muss sich die vorwerfbaren Versäumnisse seiner Betreuerin zurechnen lassen.
Im Ergebnis scheitert die Ausschlagung der Erbschaft durch die Betreuerin des Beteiligten zu 2. daran, dass innerhalb der Ausschlagungsfrist nicht die erforderliche betreuungsrechtliche Genehmigung seiner Erbausschlagungserklärung beim Nachlassgericht nachgereicht wurde.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 84 FamFG, 131 KostO.
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(Ausschlagungsfrist Betreuung Genehmigung)