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Auch beim Vorliegen eines Behindertentestamentes sind die Betreuungskosten aus dem Vermögen des Erben zu bestreiten
Beschluss des LG Köln vom 13.10.2014
Aktenzeichen: 1 T 363/14
Kurze Zusammenfassung der Entscheidung:
Die Erbin ist geistig behindert. Die Erblasserin war vor dem Erbfall Betreuerin der Erbin. Bei der Erblasserin handelt es sich um die Mutter der Erbin. Zugunsten der Erbin errichtete die Erblasserin ein klassisches Behindertentestament in dessen Rahmen eine Testamentsvollstreckung angeordnet wurde.
Nach dem Tod der Erblasserin musste ein neuer Betreuer bestellt werden. Die sich damit verbindenden Gebühren für den Betreuer wurden der Erbin gegenüber geltend gemacht, die diese Gebühren aus dem geerbten Vermögen erbringen konnte. Die Gebühren wurden vom Betreuungsgericht zu Lasten der Erbin festgesetzt.
Die Betreuerin legte gegen die Festsetzung der Betreuungsgebühren zu Lasten der Erbin Beschwerde ein. Die Beschwerde wurde vom Landgericht Köln zurückgewiesen. Nach Ansicht des Landgerichts Köln steht die Errichtung eines Behindertentestamentes, in dessen Rahmen eine Testamentsvollstreckung angeordnet wird, der Festsetzung der Betreuungskosten zu Lasten der Betreuten nicht entgegen. Insbesondere, da die Betreuung im Interesse der Erbin angeordnet wurde und die Erbin im Rahmen des Behindertentestamentes von der Erblasserin bedacht wurde, um mit Hilfe des geerbten Vermögens notwendige Aufwendungen erbringen zu können.
(Behindertentestament Testamentsvollstreckung Betreuervergütung)
Tenor:
Die Beschwerde vom 26.08.2014 (Bl. 178 d. A.) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 20.08.2014 – 52 XVII T 16 – (Bl. 174 d. A.) wird zurückgewiesen.
(Behindertentestament Testamentsvollstreckung Betreuervergütung)
Entscheidungsgründe:
I. Für die Betroffene, bei der eine Trisomie 21 vorliegt, wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 04.03.2005 (Bl. 23 d. A.) Betreuung u. a. für den Aufgabenkreis \”alle Vermögensangelegenheiten\” eingerichtet. Zur Betreuerin war zunächst die Mutter der Betroffenen bestellt, als Ersatzbetreuer die Beteiligten zu 2) und 3).
Nach dem Ableben der Mutter des Betroffenen am 09.09.2013 wurde gemäß Beschluss vom 16.10.2013 (Bl. 117 d. A.) die Beteiligte zu 2) als Betreuerin bestellt; der Beteiligte zu 3) ist auch weiterhin als Ersatzbetreuer bestellt.
Die Mutter der Betroffenen hatte unter dem 14.02.2005 ein Testament errichtet (Bl. 124 ff. d. A.), in dem es u. a. heißt:
Ich, A1, S-Straße 51061 Köln, bin seit dem 09.04.2004 verwitwet. Ich habe die Tochter A, geboren am 15.03.1968. A ist geistig behindert. Sie wohnt bei mir und arbeitet in einer Werkstatt für behinderte Menschen. Die nachfolgenden Anordnungen treffe ich vor dem Hintergrund dieser Behinderung zur lebenslanger Sorge für mein Kind. […]
Ich setze meine Tochter A geboren am 15.03.1968 wohnhaft S-Straße 51061 Köln zu meiner Alleinerbin ein. A hat die Stellung eines Vorerben und wird von den Beschränkungen der §§ 2113 ff. BGB nicht befreit.
Zum Nacherben bestimme ich Herrn U […].
Ich ordne bezüglich des Erbes meines Kindes A Testamentsvollstreckung an, solange sie lebt, da sie aufgrund ihrer geistigen Behinderung nicht in der Lage ist, ihr Erbe selbst zu verwalten. Der Testamentsvollstrecker hat alle Rechte und Pflichten, die einem Testamentsvollstrecker nach dem Gesetz eingeräumt werden können. Von den Beschränkungen des §§ 181 BGB ist er nicht befreit.
Der vorhandene Nachlass soll dazu dienen, es meinem Kind zu ermöglichen, sein Leben wie bisher weiterzuführen. Es ist mein Anliegen, meinem Kind eine Versorgung zu bieten, die auf Dauer über das Mindestmaß hinausgeht. Der Testamentsvollstrecker soll aus der Vorerbschaft Sachleistungen und Vergünstigungen für mein Kind erbringen, die er für zweckmäßig und sinnvoll hält, und die geeignet sind, meinem Kind Erleichterungen und Hilfen zu verschaffen. Das Vermögen soll nur für das persönliche Wohl der Behinderung eines Kindes und seinen Wünschen verwandt werden. Das Vermögen solle nicht einer Wohnheimunterbringung oder der Finanzierung eines Werkstattaufenthaltes dienen. Ich denke dabei insbesondere daran, dass meinem Kind ausreichende Mittel zur Verfügung stehen sollen für:
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- Einrichtung und Anschaffung seines Zimmers
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- persönliche Anschaffungen, wie z.B. Musikinstrumente und Musikgeräte, Kasetten, Fernseher, technische Geräte entsprechen der technischen Entwicklung
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- ärztliche Behandlungen, Therapien und Medikamente, die von der Krankenkasse nicht vollständig gezahlt werden, z.B. Brillen, Zahnersatz usw.
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- Freizeit und Urlaubsaufenthalte, einschließlich der Anschaffung der dafür notwendigen Materialien, Ausstattungsgegenstände
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- Kuraufenthalte
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- Besuche bei Verwandten und Freunden
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- zusätzliche Betreuung z. B. bei Spaziergängen Theater und Konzertbesuchen, Einkäufen und ähnlichem, entsprechend den Wünschen meines Kindes
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- musische Ausbildung und Anschaffung entsprechender Materialien z.B. Musikinstrum.
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- Anschaffung von Sportgeräten und Finanzierung entsprechender Übungsstunden
[…]
In einem Ausnahmefall, in dem die laufenden Erträge nicht ausreichen, Bedürfnisse von A sicherzustellen, soll der Testamentsvollstrecker berechtigt sein, auch den Stamm des Vermögens anzugreifen. Ich stelle mir z. B. vor, dass eine größere Operation bezahlt werden muss oder aber eine umfangreiche Zahnbehandlung stattfinden soll.
Sofern dauerhaft sichergestellt ist, dass aus den Erträgnissen die vorgenannten Bedürfnisse von A sichergestellt werden und der Testamentsvollstrecker die Möglichkeit hat, vernünftige Rücklagen auch im Hinblick Geldwertverfalls zu bilden, so soll der Testamentsvollstrecker berechtigt sein, von dem dann noch übrigen Betrag 1/4 von 4/4 des übrigen Betrages an den Träger der Sozialhilfe abzuführen. Dies jedoch, ohne dass dem Sozialhilfeträger hierdurch ein selbstständiger Anspruch erwüchse.
Zum Testament Vollstrecker bestimme ich Herrn U, E-Weg 50259 Pulheim. Ersatzweise soll Frau U1, Testamentsvollstreckerin sein. […]
Nach dem von der Betreuerin erstellten Vermögensverzeichnis zum Stichtag 01.01.2014 (Bl. 149 ff. d. A.) beträgt das Aktivvermögen der Betroffenen einschließlich der Vermögenswerte aus der Vorerbschaft insgesamt 159.620,02 EUR; Schulden sind nicht vorhanden.
Gemäß Gerichtskostenrechnung vom 25./26.02.2014 (Bl. V, Va d. A.) hat das Amtsgericht unter Bezugnahme auf Ziff. 11101 GNotKG eine Jahresgebühr für das laufende Jahr der Dauerbetreuung in Höhe von 260,00 EUR in Ansatz gebracht, ausgehend von einem Vermögenswert von 129.929,13 EUR.
Hiergegen legten die Beteiligten zu 3) mit Schreiben vom 04.03.2014 (Bl. 154 d. A.) \”Widerspruch\” und die Bezirksrevisorin Erinnerung (Bl. 156 d. A.) ein. Mit Schreiben vom 22.04.2014 (Bl. 159 d. A.) führten die Beteiligten zu 2) und 3) aus, dass die Erinnerung gegen die Kostenrechnung aufrechterhalten bleibe.
Das Amtsgericht half der Erinnerung der Bezirksrevisorin mit Beschluss der Rechtspflegerin vom 21.05.2014 (Bl. 165 d. A.) ab und fasste den angegriffenen Beschluss dahingehend neu, dass die Gebühr – ausgehend von einem Vermögenswert von 134.620,02 EUR – 270,00 EUR beträgt. Daraufhin erstellte das Amtsgericht eine neue Gerichtskostenrechnung vom 10./11.07.2014 (Bl. VI, VIa d. A.), in der eine Jahresgebühr nach Ziff. 11101 GNotKG in Höhe von 270,00 EUR sowie eine Zustellungspauschale nach Ziff. 31002 GNotKG in Höhe von 3,50 EUR in Ansatz gebracht wurden.
Die Erinnerung der Beteiligten zu 2) und 3) wies das Amtsgericht – Rechtspflegerin – mit dem im Tenor näher bezeichneten Beschluss zurück.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 2) und 3) vom 26.08.2014 (Bl. 178 d. A.), der das Amtsgericht – Rechtspfleger – durch Beschluss vom 03.09.2014 (Bl. 179 d. A.) nicht abgeholfen hat. Die Beschwerdeführer bekräftigen ihre Auffassung, dass die Betroffene angesichts der von der Erblasserin angeordneten Nacherbfolge und Testamentsvollstreckung nicht über verwertbares Vermögen verfüge.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II. Die im Interesse der Betroffenen eingelegte Beschwerde ist statthaft gemäß § 81 Abs. 2 GNotKG und in zulässiger Weise, insbesondere rechtzeitig, eingelegt, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Der angegriffene Beschluss, mit dem die Erinnerung gegen den Kostenansatz vom 11.07.2014 zurückgewiesen wurde, ist nicht zu beanstanden.
1. Gemäß Ziff. 11101 der Anlage 1 zum GNotKG wird bei einer Dauerbetreuung eine Jahresgebühr für jedes angefangene Kalenderjahr in Höhe von 10,00 EUR je angefangene 5.000,00 EUR des zu berücksichtigenden Vermögens erhoben, mindestens 200,00 EUR, sofern das Vermögen des Betreuten nach Abzug der Verbindlichkeiten mehr als 25.000,00 EUR beträgt, den in § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII genannten Vermögenswert nicht mitgerechnet.
Die Betroffene verfügt ausweislich des von der Beteiligten zu 2) vorgelegten Vermögensverzeichnisses über Vermögen, das die Schwelle von 25.000,00 EUR gemäß Ziff. 11101 der Anlage 1 zum GNotKG überschreitet. Die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Jahresgebühr nach Ziff. 11101 der Anlage I zum GNotKG ist auch nicht auf das reine Vermögen beschränkt, das der Betroffenen zur freien Verfügung steht (Sommerfeldt, in: Bormann et al. (Hrsg.): GNotKG, 2014, Vorbem. 1.1 KV Rn. 9; vgl. allgemein schon zu § 92 KostO BayObLG, Beschluss vom 24.07.1996, Az. 3 Z BR 116/96; OLG Hamm, Beschluss vom 24.08.1998, Az. 15 W 583/97; LG Koblenz, Beschluss vom 21.04.2005, Az. 2 T 174/05 – jeweils zitiert nach juris; OLG Köln, Beschluss vom 14.09.2009, Az. 2 Wx 66/09 – n. veröff.). Hierfür spricht entscheidend, dass sowohl die Vorbemerkung 1.1 der Anlage I zum GNotKG als auch Ziff. 11101 selbst nur den in § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII genannten Vermögenswert aus dem berücksichtigungspflichtigen Vermögen ausklammern. Somit findet sich – wie schon in der Vorläufervorschrift § 92 KostO – gerade keine Einschränkung des Werts auf das reine Vermögen, das dem Betroffenen zur Verfügung steht. Hätte der Gesetzgeber die Rechtspraxis zu § 92 KostO beenden wollen, hätte es nahegelegen, eine ausdrückliche weitergehende Einschränkung in das GNotKG aufzunehmen. Ob und inwieweit das frei verfügbare Vermögen der Betroffenen ausreicht, um die Jahresgebühr für die Betreuung zu decken, die Staatskasse eine festgesetzte Vergütung also realisieren kann, ist – wie die Regelung in Ziff. 11101 der Anlage 1 zum GNotKG zeigt – für die Entstehung der Gebühr nicht maßgeblich.
Das Ergebnis der vorstehenden Auslegung von Ziff. 11101 der Anlage I zum GNotKG steht letztlich auch nicht im Widerspruch zu dem Inhalt des Testamentes der Mutter der Betroffenen. Zwar hat diese ein sogenanntes Behindertentestament errichtet. Hiernach ist die Verfügungsbefugnis der Betroffenen gemäß § 2211 BGB einschränkt, so dass Gläubiger des Erben, die nicht zu den Nachlassgläubigern gehören, sich nicht an die der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Nachlassgegenstände halten können, § 2214 BGB. Ungeachtet dessen hat die Betroffene als Erbin einen durchsetzbaren Anspruch darauf, dass der Beteiligte zu 3) als Testamentsvollstrecker die von der Erblasserin getroffenen Verwaltungsanordnungen im Sinne von § 2216Abs. 2 BGB umsetzt. Dieser Anspruch umfasst auch die Freigabe der zu entrichtenden Jahresgebühr gemäß Ziff. 11101 der Anlage I zum GNotKG. Der Anspruch gehört zum Vermögen der Betroffenen i. S. von § 90 SGB XII (vgl. allgemein BGH, NJW 2013, 1879 zur Frage der Mittellosigkeit des nicht befreiten Vorerben im Rahmen des Aufwendungsersatzes nach §§ 1908 i Abs. 1 S. 1, 1835 Abs. 3, 1836 c BGB).
Bei der Auslegung des Testaments gelten die allgemeinen Auslegungsregeln der §§ 133, 2084 BGB. Hiernach ist der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Nach diesen Grundsätzen ist das Testament der Mutter der Betroffenen so zu verstehen, dass die dort getroffenen Verwaltungsanweisungen einer Entnahme der hier in Rede stehenden Jahresgebühr für die Betreuung für die Betroffene durch den Testamentsvollstrecker nicht entgegenstehen. Hierfür spricht entscheidend, dass die Mutter der Betroffenen mit dem Testament ausdrücklich die zentrale Absicht verfolgt hat, dass der Nachlass es der Betroffenen, die aufgrund ihrer geistigen Behinderung ihre Angelegenheiten dauerhaft nicht selbst besorgen kann, ermöglicht, ihr Leben wie bisher weiterzuführen. Hierzu gehört ganz wesentlich auch die Fortführung der von der Erblasserin selbst angeregten Betreuung, um deren Gerichtskosten es hier geht.
Die Berechnung des Kostenansatzes für die Jahresgebühr ist richtig; die angesetzten Zustellungskosten entsprechen Ziff. 31002 der Anlage I zum GNotKG. Die Ansätze als solche werden von der Beschwerde auch nicht angegriffen.
2. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (§ 81 Abs. 8 GNotKG).
Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben. Eine Zulassung der weiteren Beschwerde gemäß § 81Abs. 4 GNotKG war nicht veranlasst, da es an den entsprechenden Voraussetzungen – grundsätzliche Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage – fehlt.
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