Beschluss des OLG Düsseldorf vom 03.01.2017

Aktenzeichen: I-3 Wx 55/16

Kurze Zusammenfassung der Entscheidung:

Ca. 30 Jahre vor dem Erbfall errichteten die Eheleute ein gemeinschaftliches Testament. Das Testament wurde vom der Ehefrau formgerecht abgefasst und vom Erblasser eigenhändig unterschrieben. Die Ehefrau des Erblassers wollte ebenfalls zum damaligen Zeitpunkt in Form eines gemeinschaftlichen Testamentes eine letztwillige Verfügung abgeben. Die Eheleute handelten somit damals beide mit Testierwillen. Allerdings unterließ die Ehefrau es damals, ihre Unterschrift unter das ansonsten formgültige Ehegattentestament zu setzen. Aus dem Testament ging weiter nicht Ort und Datum der Errichtung hervor.
Nach dem Tod des Erblassers wurde auf der Grundlage gesetzliche Erbfolge ein gemeinschaftlicher Erbschein erteilt. Einer der Miterben leitete im Weiteren das Teilungsversteigerungsverfahren hinsichtlich der zum Nachlass gehörenden Immobilie ein. Daraufhin ordnete die Ehefrau des Erblassers die gesamten zum Nachlass gehörende Unterlagen und fand dabei das von ca. 30 Jahren von den Eheleuten errichtete Testament. Aus diesem Testament ging hervor, dass sich die Eheleute für den 1. Erbfall wechselseitig als Alleinerben einsetzen.
Die Ehefrau des Erblassers reichte das Testament beim Nachlassgericht ein. Das Nachlassgericht eröffnete das Testament und zog den gemeinschaftlichen Erbschein ein. Der Ehefrau wurde ein Alleinerbschein erteilt.
Gegen diese Entscheidung des Nachlassgerichtes legte einer der Miterben Beschwerde ein. Das OLG Düsseldorf half der Beschwerde nicht ab. Die aus dem Gesetz hervorgehende Formvorschrift, nach der ein privatschriftliches Testament mit Ort und Datum zu versehen ist, stellt lediglich eine Sollvorschrift dar. Das Unterlassen der Angabe von Ort und Datum der Testamentserrichtung führt daher nicht zur Formunwirksamkeit eines privatschriftlichen Testamentes. Aus diesem Grunde kommt es hinsichtlich der beiden Unterschriften der Ehegatten bei einem Ehegattentestament nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt diese Unterschriften geleistet werden. Entscheidend ist ausschließlich, dass die Eheleute bei Errichtung des Testamentes beide mit Testierwillen gehandelt haben.
Aufgrund des Inhaltes des vorgelegten Ehegattentestamentes ging das OLG Düsseldorf vom gemeinsamen Testierwillen der Eheleute zum Zeitpunkt der Errichtung des Testamentes aus. Da es auf den Zeitpunkt der Unterschriftsleistung nicht ankommt, eröffnete das Nachlassgericht ein formwirksames Testament, aus dem die Ehefrau des Erblassers als Alleinerbin hervorging. Folglich musste der bereits erteilte gemeinschaftliche Erbschein eingezogen werden. Darüber hinaus war der Erbin der beantragte Alleinerbschein zu erteilen.

(Ehegattentestament Unterschrift Zeitpunkt)

 

Tenor:

1) Die Beschwerde wird auf Kosten des Beteiligten zu 3 zurückgewiesen.
2) Der Antrag des Beteiligten zu 3 auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe wird zurückgewiesen.
3) Geschäftswert: 64.515,00 €

(Ehegattentestament Unterschrift Zeitpunkt)

 

Entscheidungsgründe:

I. Die Beteiligte zu 2 ist die Ehefrau des Erblassers; die Beteiligten zu 1 und 3 sind seine Kinder.
Mit notariell beurkundeter Erklärung vom 7. Juli 2015 hat die Beteiligte zu 2 Erteilung eines Erbscheins beantragt, der sie als Erbin zu ½ und die Beteiligten zu 1 und 3 als Erben zu je 1/4 ausweist. Der Erbschein wurde antragsgemäß am 17. Dezember 2013 erteilt.
Mit Schreiben vom 12. Oktober 2015 hat Notar Dr. S., Düsseldorf, ein handschriftliches Testament vorgelegt, das wie folgt lautet:

„Gemeinschaftliches Testament
Wir J. R., Düsseldorf … und E. R. geb. M. setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein.
Düsseldorf d. 9.1.1984
J. R.                                                                                                                              E. R.“

Mit weiterem Schreiben vom 14. Oktober 2015 hat Notar Dr. S. die Ausfertigung des gemeinschaftlichen Erbscheins vom 17. Dezember 2013 zurückgegeben.
Mit Beschluss vom 13. November 2015 hat das Nachlassgericht den Erbschein eingezogen.
Gegen diesen an ihn persönlich am 19. November 2015 zugestellten Beschluss wendet sich der Beteiligte zu 3 mit seiner am 16. Dezember 2015 bei Gericht eingegangenen Beschwerde. Er macht geltend, es bestünden erhebliche Zweifel an einer ordnungsgemäßen Zustellung. Obwohl dem Gericht bekannt gewesen sei, dass er unter Betreuung stehe und zudem anwaltlich vertreten sei, sei der Beschluss unmittelbar an ihn zugestellt worden. Ferner sei die Wirksamkeit des Testaments zweifelhaft. Der Erblasser habe das von der Beteiligten zu 2 handschriftlich gefertigte Testament lediglich unterschrieben. Dies reiche nicht aus, um die Anforderungen an ein wirksames handschriftlich gefertigtes Testament zu erfüllen. Aufgrund des Aufbaus bestehe der Eindruck, als sei das von der Beteiligten zu 2 gefertigte Testament – wenn überhaupt – zu einem anderen Zeitpunkt vom Erblasser unterzeichnet worden. Es verwundere, dass die Erblasserin das Testament erst jetzt vorlege. Obwohl sie dies doch angeblich zusammen mit dem Erblasser gefertigt und daher Kenntnis davon gehabt habe, habe sie im Erbscheinsverfahren in keiner Weise vorgetragen, dass es ein Testament gebe. Letztendlich passe die Vorlage des Testaments zu dem Umstand, dass er, der Beteiligte zu 3, Antrag auf Teilungsversteigerung hinsichtlich zweier Immobilien gestellt habe.
Das Nachlassgericht hat der Beschwerde mit weiterem Beschluss vom 24. Februar 2016 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt. Es hat ausgeführt, an der Wirksamkeit des vorgelegten Testaments bestünden keine Zweifel. Das Testament sei zwar augenscheinlich von der Beteiligten zu 2 geschrieben und vom Erblasser lediglich unterschrieben worden. Diese Formerleichterung sehe das Gesetz bei einem gemeinschaftlichen Testament aber ausdrücklich vor, § 2267 BGB. Konkrete Tatsachen, die Zweifel an der Wirksamkeit des Testaments begründeten, seien weder ersichtlich, noch in der Beschwerde vorgebracht worden. Dass ein Testament erst nachträglich gefunden werde, sei nicht ungewöhnlich. Ebenso wenig stelle es einen außergewöhnlichen Umstand dar, dass sich die im Zeitpunkt der Beantragung des Erbscheins 83 Jahre alte Ehefrau nicht an das knapp 30 Jahre zuvor errichtete gemeinschaftliche Testament erinnert habe.
Der Beteiligte zu 3 hält dem entgegen, wenn Eheleute ein Testament gemeinschaftlich und handschriftlich erstellt hätten, sei es völlig unwahrscheinlich, dass der überlebende Ehepartner dieses Testament vergesse. Das gelte umso mehr, wenn aufgrund des fehlenden Testaments ein Nachlassverfahren eingeleitet werde und über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr Verhandlungen mit einem Erben geführt würden. Es sei auch nicht vorgetragen worden, wo das Testament gefunden worden und wo es aufbewahrt worden sei und weshalb die Beteiligte zu 2 es nicht zu einem früheren Zeitpunkt gefunden habe. Die Vorlage eines Testaments mehr als drei Jahre nach dem Tod des Erblassers hätte das Nachlassgericht aber zumindest dazu veranlassen müssen, vor Einziehung des ersten Erbscheins und vor Erteilung eines neuen Erbscheins den Sachverhalt aufzuklären. Darüber hinaus hätten die Urkunde und insbesondere die Unterschrift des Erblassers auf ihre Echtheit überprüft werden müssen.
Mit Schreiben vom 17. März 2016 hat der Senat den Beteiligten zu 1 und 2 aufgegeben, zu den näheren Umständen des Auffindens des Testaments (Zeitpunkt, Auffindesituation etc.) sowie zu der Frage vorzutragen, warum das Testament erst so spät gefunden worden sei.
Daraufhin hat die Beteiligte zu 1 vorgetragen, die Beteiligte zu 2 habe sich an das im Jahre 1984 gefertigte Testament nicht mehr erinnert. Die Beteiligte zu 1 habe zur Vorbereitung der Auseinandersetzung des landwirtschaftlichen Grundbesitzes Unterlagen der Beteiligten zu 2, die diese vom Erblasser übernommen habe, durchgesehen und bei dieser Gelegenheit das Testament gefunden.
II. Das vorliegende Verfahren unterfällt den Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, denn nach Art. 111 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 FGG-RG kommt es nicht auf das Erbscheinsverfahren nach dem Erblasser oder auf das Datum des Erbscheins an, sondern allein auf die Einleitung des hier in Rede stehenden Einziehungsverfahrens, und dieses erfolgte 2013, mithin deutlich nach dem 1. September 2009. Sodann ist das vorgenannte Gesetz wie auch das Bürgerliche Gesetzbuch entsprechend Art. 229 § 36 EGBGB in der bis zum 17. August 2015 geltenden Fassung anzuwenden, da der Erblasser vor diesem Stichtag verstorben ist.
Da der Erbschein bereits eingezogen und abgeliefert ist, ist die Beschwerde gegen den Einziehungsbeschluss nur insoweit zulässig, als die Erteilung eines neuen, gleichlautenden Erbscheins beantragt wird; im Zweifel gilt die Beschwerde als Antrag auf Erteilung eines neuen gleichlautenden Erbscheins, § 353 Abs. 2 S. 1 FamFG a.F.
Das so verstandene Rechtsmittel des Beteiligten zu 3 ist dem Grundsatz nach als befristete Beschwerde statthaft und auch im Übrigen zulässig, § 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3 S. 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG. Infolge der vom Nachlassgericht ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe ist es dem Senat zur Entscheidung angefallen (§ 68 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. FamFG).
In der Sache erweist sich die Beschwerde als unbegründet.
Es kann dahinstehen, ob dem Beteiligten zu 3 der angefochtene Beschluss entgegen §§ 41 Abs. 1 S. 2 FamFG ordnungsgemäß zugestellt worden ist. Denn jedenfalls wäre eine fehlerhafte Zustellung gem. §§ 15 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 189 ZPO geheilt, da dem Beschwerdeführer der Beschluss tatsächlich zugegangen ist (vgl. Borth/Grandel, in: Musielak/Borth, FamFG, 5. Auflage 2015 Rn. 5).
Dem Beteiligten zu 3 ist kein neuer Erbschein nach gesetzlicher Erbfolge zu erteilen, § 2353 BGB. Denn der Erblasser ist nicht, wie in dem eingezogenen Erbschein ausgewiesen, aufgrund gesetzlicher, sondern aufgrund testamentarischer Erbfolge beerbt worden. Aus dem Testament vom 9. Januar 1984 ergibt sich, dass die Beteiligte zu 2 Alleinerbin nach dem Erblasser geworden ist. Hinsichtlich der Wirksamkeit des Testaments bestehen keine Zweifel.
Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 3 ist das Testament nicht deshalb unwirksam, weil es von der Beteiligten zu 2 geschrieben und vom Erblasser lediglich unterzeichnet wurde. Denn § 2267 BGB sieht diese Formerleichterung bei einem gemeinschaftlichen eigenhändigen Testament gerade vor. Dass der Erblasser entgegen § 2267 S. 2 BGB nicht angegeben hat, wann und wo er dem von der Beteiligten zu 2 geschriebenen Text seine Unterschrift hinzugefügt hat, ist ebenfalls unschädlich, weil das Fehlen dieser Angaben das Testament nicht unwirksam macht (vgl. Litzenburger, in: Beck´scher Online-Kommentar BGB, Stand: 1. November 2016, § 2267 Rn. 5).
Soweit der Beteiligte zu 3 geltend macht, das von der Beteiligten zu 2 gefertigte Testament sei zu einem anderen Zeitpunkt vom Erblasser unterschrieben worden, steht auch dies der Wirksamkeit nicht entgegen. Entscheidend ist insoweit, dass es sich um eine gemeinschaftliche Erklärung der Eheleute i.S.d. § 2265 ff. BGB handelt. Das ist der Fall, wenn jeder der beiden Ehepartner im Zeitpunkt der Errichtung in einem tatsächlichen Sinne weiß und will, dass er zusammen mit dem Anderen letztwillig verfügt und dies in irgendeiner Weise in der Urkunde angedeutet ist (Litzenburger, a.a.O., § 2265 Rn. 6). Ein gemeinschaftliches Testament kann dabei auch durch zeitlich aufeinander folgende Erklärungen der Ehepartner errichtet werden, vorausgesetzt, dass der Wille zur gemeinschaftlichen Errichtung zur Zeit der letzten Erklärung bei beiden Beteiligten noch vorhanden ist (Litzenburger, a.a.O., Rn. 7). Vorliegend ergibt sich der Wille, ein gemeinschaftliches Testament zu errichten, eindeutig aus dem Text der letztwilligen Verfügung. Selbst wenn der Erblasser das Testament zu einem späteren Zeitpunkt unterzeichnet haben sollte, wofür es keine Anhaltspunkte gibt, spricht nichts gegen eine gemeinschaftliche Erklärung der Ehepartner i.S.d. § 2265 BGB.
Es bestehen auch keine ernsthaften Zweifel daran, dass die Unterschrift unter dem Testament vom Erblasser stammt, §§ 2247 Abs. 1, Abs. 3, 2267 S. 1 BGB. Insbesondere besteht keine Veranlassung, weitere Ermittlungen zur Feststellung der Echtheit der Unterschrift anzustellen, § 26 FamFG. Im Erbscheinsverfahren wird die Gültigkeit des Testaments von Amts wegen geprüft. Dabei genügt für die richterliche Überzeugung ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit (Senat FamRZ 2013, 1841; BayObLG FamRZ 2005, S. 1014 f m.w.Nachw.). Die Einholung eines Gutachtens zur Echtheit eines eigenhändigen Testaments ist nur in Zweifelsfällen geboten. Sprechen keine besonderen Umstände gegen die eigenhändige Errichtung des Testaments, kann der Tatrichter etwaige Auffälligkeiten selbst überprüfen (vgl. Senat FGPrax 2014, 31; BayObLG NJWE-FER 2001, 211; 1998, 59; OLG Köln NJW-RR 1994, 396).
Im vorliegenden Fall sind keine besonderen Umstände ersichtlich und vom Beteiligten zu 3 auch nicht vorgetragen, die ernsthafte Zweifel an der Echtheit der Unterschrift des Erblassers wecken würden. Dabei schließt der Beteiligte zu 3 selbst nicht aus, dass die Unterschrift unter dem Testament vom Erblasser stammt. Die vom Beteiligten zu 3 angeführten Gegebenheiten sind nicht geeignet, die Echtheit der Unterschrift in Frage zu stellen. Dass sich die Beteiligte zu 2 nicht mehr an das im Jahre 1984 abgefasste Testament erinnert hat, erscheint im Hinblick auf den langen Zeitablauf nicht ungewöhnlich. Das nachträgliche Auffinden des Testaments hat die Beteiligte zu 1 mit der Durchsicht der Unterlagen der Beteiligten zu 2 anlässlich der anstehenden Auseinandersetzung des landwirtschaftlichen Grundbesitzes plausibel erklärt, ohne dass der Beteiligte zu 3 dem entgegen getreten ist. Daher erscheint es gerade nicht „verdächtig“, dass das Testament erst vorgelegt wurde, nachdem der Beteiligte zu 3 Antrag auf Teilungsversteigerung gestellt hatte. Auffälligkeiten an dem Testament selbst sind nicht erkennbar und vom Beteiligten zu 3 auch nicht dargelegt. Im Hinblick darauf ist das Nachlassgericht zu Recht von der Echtheit der Unterschrift ausgegangen.
Dem Beteiligten zu 3 ist daher die nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe zu versagen, weil seine Beschwerde von Anfang an keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot und es demgemäß an den Voraussetzungen der §§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 Abs. 1 S. 1 ZPO fehlt.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG. Danach soll das Gericht die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels demjenigen Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat. Für einen Ausnahmefall ist hier nichts ersichtlich.
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 S. 1 FamFG besteht kein Anlass.
Die Wertfestsetzung stützt sich auf §§ 40 Abs. 1 Nr. 3, 61 GNotKG.
(Ehegattentestament Unterschrift Zeitpunkt)