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Beschluss des OLG Zweibrücken vom 14.06.2012
Aktenzeichen: 6 UF 148/11
Kurze Zusammenfassung der Entscheidung:
Bei der Frage, ob die Ausschlagung der Erbschaft für einen minderjährigen Erben durch das Familiengericht genehmigt wird, kommt es ausschließlich auf das Kindeswohl an.
Bei einem Nachlass, der nicht überschuldet ist, scheidet die Genehmigung der Ausschlagung der Erbschaft durch das Familiengericht im Regelfall aus, da auch unter Berücksichtigung von vorhandenen Verbindlichkeiten zu Gunsten des minderjährigen Erben sich aus dem Nachlass ein Vermögenszuwachs zu Gunsten des minderjährigen Erben ergibt.
Die Entscheidung hat einen Fall zum Gegenstand, bei dem der Nachlass mit erheblichen Schulden belastet war. Diese Schulden führten aber nicht zur Überschuldung des Nachlasses, so dass zu Gunsten des minderjährigen Erben nach Abzug der Schulden noch ein wirtschaftlich relevanter Überschuss verblieb. Aufgrund dieses Überschusses lehnte das Familiengericht die Ausschlagung der Erbschaft durch den überlebenden sorgeberechtigten Elternteil ab. Diese Entscheidung wurde vom OLG Zweibrücken bestätigt.
(Erbausschlagung Genehmigung Familiengericht)
Tenor:
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Beteiligte zu 1) hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, mit der Ausnahme derjenigen, die dem Beteiligten zu 2) entstanden sind.
III. Der Verfahrenswert für das Verfahren erster Instanz wird unter Änderung von Ziffer 2. des angefochtenen Beschlusses ebenso wie derjenige für das Beschwerdeverfahren auf bis zu 155 000,00 € festgesetzt.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die minderjährigen Kinder M…-L… und J… F… sind Erben nach dem Tod ihrer am 29. August 2010 verstorbenen Mutter. Als Testamentsvollstrecker hat die Erblasserin ihren Vater, den Beteiligten zu 2), eingesetzt. Die Kinder leben seit dem Tod ihrer Mutter bei ihrem Vater, dem Beteiligten zu 1). Dieser war nicht mit der Erblasserin verheiratet. Die Eltern haben jedoch hinsichtlich beider Kinder eine Erklärung zur gemeinsamen elterlichen Sorge gemäß § 1626 a Abs. 1 BGB abgegeben.
Zum Nachlass der Verstorbenen gehörten mehrere Grundstücke, darunter ein im hälftigen Miteigentum der Erblasserin und des Beteiligten zu 1) stehendes – mit einem Mehrfamilienhaus bebautes – Grundstück in Güstrow, für das ein Zwangsversteigerungsverfahren eingeleitet ist. Mit der Begründung, hieraus könne nur ein geringer Erlös erzielt werden und den Hinweis auf Schulden hat der Beteiligte zu 1) für die Kinder gegenüber dem Nachlassgericht die Erbschaft ausgeschlagen und insoweit um die familiengerichtliche Genehmigung nachgesucht.
Der Rechtspfleger des Familiengerichts hat für die Kinder einen Verfahrenspfleger bestellt, diesen sowie den Testamentsvollstrecker angehört und mit angefochtenem Beschluss den Antrag auf Genehmigung der Erbschaftsausschlagung zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 1), mit der er unter Hinweis auf einen Renovierungsstau und zahlreiche Außenstände der Immobilie in Güstrow weiterhin die Ausschlagung der Erbschaft erstrebt, weil der Nachlass überschuldet sei.
Der Beteiligte zu 2) ist dem entgegengetreten. Er legt einen Jahresabschluss zum 31. Dezember 2011 vor und macht geltend, dass nach dem zwischenzeitlichen Verkauf eines der Grundstücke keinesfalls von einer Überschuldung des Nachlasses ausgegangen werden könne.
Auf Veranlassung des Senats hat das Amtsgericht – Familiengericht – für die Kinder einen Ergänzungspfleger bestellt. Dieser ist nach Studium der Akten und Gesprächen mit den Beteiligten zur Auffassung gelangt, dass der Nachlass nicht überschuldet ist; für die Kinder beantragt er deshalb, die Beschwerde des Vaters als unbegründet zurückzuweisen. Dazu wird auf die Stellungnahme des Ergänzungspflegers vom 14. Mai 2012 (Bl. 317 d.A.) nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1. Wird, wie hier, die familiengerichtliche Genehmigung der Erbausschlagung versagt, steht das Beschwerderecht gemäß §§ 59, 60 FamFG nicht nur dem Kind, sondern auch den Eltern im eigenen Namen zu. Denn durch die Versagung wird zugleich ihr Recht zur Verwaltung des Kindesvermögens beeinträchtigt (vgl. BayObLG FamRZ 1981, 196; Staudinger/Engler (2009) § 1643 Rdnr. 62; MünchKomm./Huber, BGB 6. Aufl., § 1643 Rdnr. 45). Der Senat geht deshalb davon aus, dass der Beteiligte zu 1) als Vater die Beschwerde eigenen Namens eingelegt hat, zumal in der Beschwerdeschrift betont wird, dass er zu Recht die Erbschaft der Kinder ausgeschlagen habe.
Gegen ein etwaiges Rechtsmittel der Kinder bestünden demgegenüber Bedenken zur Zulässigkeit. Denn insoweit erscheint eine Vertretungsbefugnis durch ihren Vater zweifelhaft (vgl. dazu etwa KG Berlin FamRZ 2010, 1171; OLG Köln ZEV 2011, 595 sowie Beschluss vom 22. August 2011, 4 U 139/11, zitiert nach juris). Das gilt auch für die ältere Tochter, da diese zum Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Ungeachtet dessen liegt im Hinblick auf das zur Hälfte zum Nachlass gehörende Grundstück in Güstrow ein nicht unerheblicher Interessengegensatz im Sinne von §§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1796 Abs. 2 BGB vor. Denn die Gefahr, dass der Vater im Hinblick auf den eigenen Hälfteanteil an der Immobilie die Interessen seiner Kinder nicht hinreichend berücksichtigt, liegt hier auf der Hand. Auch insoweit hätte es der Anordnung einer Ergänzungspflegschaft bedurft, die durch die Bestellung eines Verfahrensbeistandes – wie erstinstanzlich geschehen – nicht ersetzt werden kann, weil das zur zur Beurteilung stehende Verfahren ausschließlich Vermögensangelegenheiten betrifft (vgl. BGH FamRZ 2011, 1788 Rdnr. 29 a.E.). Der Senat hat daher im Beschwerdeverfahren zur Wahrung der Kindesinteressen die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft (§ 1909 Abs. 1 BGB) veranlasst.
2. In der Sache hat der Rechtspfleger des Amtsgerichts – Familiengericht – mit Recht die Genehmigung der Erbausschlagung für die Kinder versagt. Auch nach den vom Senat getroffenen Feststellungen ist nicht erkennbar, dass der Nachlass nach dem Tod der Mutter überschuldet sein könnte. Vielmehr ist in ausreichendem Umfang werthaltiges Vermögen vorhanden, was es gebietet, den Kindern den Nachlass nach ihrer Mutter nicht durch Ausschlagung der Erbschaft vorzuenthalten.
a) Maßstab der gemäß § 1643 Abs. 2 BGB zu treffenden familiengerichtlichen Entscheidung über die Ausschlagung der Erbschaft ist allein das Kindeswohl. Maßgeblich ist dabei nicht nur das rein finanzielle Interesse des Kindes, sondern vielmehr, ob das genehmigungsbedürftige Rechtsgeschäft im Gesamtinteresse des Kindes liegt (vgl. zusammenfassend Staudinger/Engler aaO, § 1663 Rdnr. 49; MünchKomm./Huber aaO, § 1643 Rdnr. 29 m.w.N.). Sofern ein Nachlass nicht überschuldet ist, besteht danach grundsätzlich kein hinreichender Grund, eine Genehmigung zu erteilen. Das gilt auch,wenn nur geringes Barvermögen bzw. ein erheblich reparaturbedürftiges Hausanwesen vorhanden sein sollte (vgl. etwa OLG Sachsen-Anhalt FamRZ 2007, 1047).
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen lässt sich hier nicht feststellen, dass entsprechend der Besorgnis des Beteiligten zu 1) die Annahme der Erbschaft für seine Kinder – nur darum geht es – wirtschaftliche Nachteile haben könnte. Der Nachlass ist nicht überschuldet, sondern stellt einen nicht unerheblichen Vermögenswert dar.
Hierbei kann dahinstehen, ob das in Dannstadt gelegene Anwesen, …, gegen Zahlung einer monatlichen Kaltmiete in Höhe von 1 000,00 € vermietet ist. Tatsache ist, dass in der Bilanz des Beteiligten zu 2) als Testamentsvollstrecker zum 31. Dezember 2011 insoweit Erträge in Höhe von insgesamt 11 500,00 € angesetzt sind, das entsprechende Sachkonto 08000 seit Februar 2011 auf der Habenseite monatlich 1 000,00 € aufweist, wobei es keine Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit gibt. Soweit es um die Einsichtnahme in Vertragsunterlagen geht, besteht das Angebot einer Einsichtnahme in den Kanzleiräumen des Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 2). Ungeachtet dessen kommt es auf die Erträge schon deshalb nicht an, weil der Sachwert des Anwesens bereits mit 150 000,00 € anzusetzen ist.
Was weiter die in Güstrow gelegene Immobilie betrifft, kann offenbleiben, wie hoch deren Wert ist und ob sich die Beteiligten auf eine Übernahme durch den Beteiligten zu 1) entsprechend dem mit Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 2) vom 11. April 2012 gemachten Vorschlag – für den bereits ein notarieller Vertragsentwurf vorliegt – einigen werden. Hinsichtlich der vom Beteiligten zu 1) geltend gemachten Kosten des Verwalters ist nämlich mittlerweile festgestellt, dass er insoweit keine in Ansatz bringen kann. Unterstellt, eine Versteigerung ergäbe lediglich einen Erlös in Höhe von 30 000,00 € – wie vom Beteiligten zu 1) befürchtet – verbliebe insoweit unter Zugrundelegung des Schuldenstandes gemäß vorgenanntem Schriftsatz eine Verbindlichkeit für den Nachlass in Höhe von rd. 50 000,00 €. Schon danach verbleibt im Saldo zugunsten des Nachlasses ein Betrag in Höhe von rd. 100 000,00 €. Hinzuzurechnen ist ein Bankguthaben in Höhe von rd. 27 000,00 € sowie eine Forderung gegenüber der Krankenversicherung in Höhe von rd. 29 000,00 €, die inzwischen beglichen ist. Nachdem auch das vom Beteiligten zu 2) der Erblasserin gewährte Darlehen aus dem Erlös des Verkaufs der weiteren Immobilie in Monsheim, …, zurückgeführt ist, verbleibt nach der vorgelegten Bilanz lediglich ein kurzfristiges Darlehen in Höhe von 5 000,00 €, so dass insgesamt betrachtet sich ein positiver Nachlass im Bereich von 150 000,00 € ergibt.
Der Senat hat unter diesen Umständen keine Bedenken, den Ausführungen des Ergänzungspflegers beizutreten, wonach der Nachlass bei entsprechender Verwaltung sowohl in seiner Substanz als auch ertragsmäßig geeignet ist, nachhaltig zum Unterhalt und zur Vermögensbildung der Kinder beizutragen. Was das finanzielle Risiko der Immobilie in Güstrow bestrifft, kommt hinzu, dass weiterer Miteigentümer der Beteiligte zu 1) als Vater ist. Auch wenn insoweit ein erheblicher Verlust – wie ausgeführt – keineswegs die Überschuldung des Nachlasses zur Folge hätte, liegt es mithin in der Hand des Beschwerdeführer selbst, im Interesse seiner Kinder außerhalb des Versteigerungsverfahrens eine Einigung herbeizuführen.
Ungeachtet dessen verbleiben bei der vorzunehmenden Gesamtschau in jedem Fall nicht unerhebliche Vermögenswerte des Nachlasses, so dass es aus Sicht des Kindeswohls keine Gründe gibt, den Nachlass nach dem Tod der Mutter auszuschlagen.
III. Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 84 FamFG. Nicht zu erstatten sind jedoch die Kosten des Beteiligten zu 2), da er in diesem Verfahren nicht förmlich beteiligt ist. Insbesondere hätte es der Beauftragung eines Verfahrensbevollmächtigten nicht bedurft.
Die Festlegung des Verfahrenswertes für beide Instanzen beruht auf §§ 36 FamGKG i.V.m. 46 Abs. 4 KostO. Danach ist auf den Wert des (Netto-)Nachlasses abzustellen, den der Senat auf bis zu 155 000,00 € bemisst.
Gründe, gemäß § 70 Abs. 2 FamFG die Rechtsbeschwerde zuzulassen, sind nicht gegeben.
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