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Beschluss des VG Saarlouis vom 29.05.2013
Aktenzeichen: 3 K 1756/12
Kurze Zusammenfassung der Entscheidung:
Eine Erbengemeinschaft war hinsichtlich unterschiedlicher Grundstücke als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Eines dieser Grundstücke lag in einem Sanierungsgebiet. Die zuständige Gemeinde adressierte einen Ausgleichsbeitragsbescheid an ein Mitglied der Erbengemeinschaft und wollte dieses als Gesamtschuldner für den gesamten Beitrag in Anspruch nehmen. Hiergegen legte das betroffene Mitglied der Erbengemeinschaft Widerspruch ein. Als dem Widerspruch nicht abgeholfen wurde, erhob der betroffene Miterbe Klage.
Der Bescheid wurde vom Verwaltungsgericht aufgehoben, da der Ausgleichsbeitragsbescheid an die Erbengemeinschaft unter Benennung aller Mitglieder der Erbengemeinschaft hätte adressiert werden müssen. Das Grundstück steht im Gesamthandsvermögen der Mitglieder der Erbengemeinschaft. Aus der Bindung durch die Gesamthand ergibt sich nicht, dass die einzelnen Mitglieder der Erbengemeinschaft gegenüber der Gemeinde für den Ausgleichsbeitrag gesamtschuldnerisch haften. Aus diesem Grunde muss der Auslassbescheid an die Erbengemeinschaft unter Benennung der Mitglieder der Erbengemeinschaft adressiert werden.
Da sich der angefochtene Bescheid gegen den falschen Adressaten richtete, war der Klage zu entsprechen.
(Erbengemeinschaft Ausgleichsbeitragsbescheid Gesamthandschuldner)
Tenor:
1) Der Ausgleichsbetragsbescheid der Beklagten vom 28.04.2004 und der Widerspruchsbescheid vom 25.09.2009 werden aufgehoben.
2) Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3) Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten des Klägers im Widerspruchsverfahren wird für notwendig erklärt.
4) Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
5) Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
6) Die Berufung gegen diesen Gerichtsbescheid wird zugelassen.
(Erbengemeinschaft Ausgleichsbeitragsbescheid Gesamthandschuldner)
Entscheidungsgründe:
I. Tatbestand
Der Kläger ist Miterbe einer Erbengemeinschaft. Diese Erbengemeinschaft war seit 16.10.1996 im Grundbuch als Eigentümer der Grundstücke eingetragen. Die Grundstücke liegen im Bereich des …. Für dieses Gebiet bestand bis zum 28.11.2001 eine Sanierungssatzung. Seit dem 25.03.2002 ist die Immobilienberatung GmbH als Alleineigentümerin der Grundstücke im Grundbuch eingetragen.
Mit Bescheid der Beklagten vom 28.04.2004 wurde der Kläger zu einem Ausgleichsbetrag in Höhe von 65.395,25 € für die Grundstücke herangezogen. Der Bescheid ist an den Kläger adressiert und enthält folgende Ausführungen:
\”Der Ausgleichsbetragsbescheid ergeht an Sie als MiteigentümerIn des o.g. Grundstücks in Erbengemeinschaft anstelle aller MiteigentümerInnen. Da die Anschriften der weiteren MiteigentümerInnen hier nicht bekannt sind, werden Sie als Gesamtschuldner in Anspruch genommen. Da mehrere Personen EigentümerInnen des Grundstücks sind, ist jede einzelne Person beitragspflichtig. Jede(r) EigentümerIn hat demnach für die vollständige Entrichtung des Betrags einzustehen. Allerdings ist die Beitragssumme nur einmal zu entrichten. Hinweis: Bescheide gegen die weiteren MiteigentümerInnen können nur ergehen, wenn deren Anschriften bekannt gegeben werden.\”
Gegen diesen Bescheid richtet sich, nach Zurückweisung des Widerspruchs durch Widerspruchsbescheid des Stadtrechtsausschusses vom 25.09.2009, der den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 15.12.2009 zugestellt wurde, die vorliegende, am 14.01.2010 eingegangene Klage.
Aufgrund der Verfügung des Gerichts vom 27.12.2010 wurde das unter dem Aktenzeichen 11 K 37/10 geführte Verfahren wegen Nichtbetreibens weggelegt.
Die Klage wurde von dem Kläger mit Schriftsatz vom 20.11.2012 unter dem Aktenzeichen 3 K 1756/12 wiederaufgenommen und begründet.
Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, seine Heranziehung als Miteigentümer und Gesamtschuldner sei rechtswidrig, weil die Erbengemeinschaft als solche hätte veranlagt werden müssen.
Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
den Ausgleichsbetragsbescheid des Beklagten vom 28.04.2004 und den Widerspruchsbescheid vom 25.09.2009 aufzuheben;
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren für notwendig zu erklären
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, der Ausgleichsbetragsbescheid sei zu Recht an den Kläger als einzelnen Eigentümer erlassen worden. Jeder Miterbe sei Eigentümer der in Rede stehenden Grundstücke zur gesamten Hand. Da § 154 BauGB diesen Fall nicht regele, greife über § 155 Abs. 5 BauGB die Vorschrift des § 8 Abs. 8 Satz 2 KAG, nach der mehrere Beitragspflichtige als Gesamtschuldner hafteten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Verwaltungsunterlagen und der Akten des Widerspruchsverfahrens, die zum Gegenstand der Beratung gemacht worden sind.
II. Entscheidungsgründe
Über die Klage konnte, nach Anhörung der Beteiligten und auch ohne Einverständnis der Beklagten, gemäß § 84 Abs. 1 VwGO durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Insbesondere steht die erfolgte Zulassung der Berufung einer Entscheidung im Wege des Gerichtsbescheids nicht entgegen, wie sich aus § 84 Abs. 1 Satz 3 VwGO und Abs. 2 Nr. 1 der Vorschrift ergibt.
Die erhobene Anfechtungsklage ist gemäß §§ 40, 42, 68 ff. VwGO zulässig und begründet. Der angefochtene Ausgleichsbetragsbescheid vom 28.04.2004 und der Widerspruchsbescheid vom 25.09.2009 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil er nicht allein als Pflichtiger in Anspruch genommen werden kann.
Nach § 154 Abs. 1 Satz 1 BauGB hat der Eigentümer eines im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet gelegenen Grundstücks zur Finanzierung der Sanierung an die Gemeinde einen Ausgleichsbetrag in Geld zu entrichten, der der durch die Sanierung bedingten Erhöhung des Bodenwerts seines Grundstücks entspricht. Satz 2 bestimmt, dass Miteigentümer als Gesamtschuldner haften; bei Wohnungs- und Teileigentum sind die einzelnen Wohnungs- und Teileigentümer nur entsprechend ihrem Miteigentumsanteil heranzuziehen.
Hiernach kann der Kläger nicht allein herangezogen werden, weil er zum insoweit nach § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB maßgeblichen Zeitpunkt der Aufhebung der Sanierungssatzung am 28.11.2001 weder Alleineigentümer noch Miteigentümer der abgerechneten Grundstücke war. Als Eigentümer der Grundstücke waren damals insgesamt fünf Personen, darunter auch der Kläger, im Grundbuch eingetragen, jedoch nach § 47 Abs. 1 Alt. 2 GBO jeweils mit dem Zusatz \”in Erbengemeinschaft\”. Miterben sind aber weder Alleineigentümer noch Miteigentümer, sondern Gesamthandseigentümer3. Hieraus folgt, dass Miterben keine Gesamtschuldner, sondern Gesamthandsschuldner sind. Bei der Gesamthandsschuld schulden jedoch im Außenverhältnis nicht mehrere Schuldner nebeneinander dieselbe Leistung, sondern alle Schuldner schulden gemeinsam die Leistung nur als gesamte Hand. Demgemäß kann der Gläubiger die Leistung nur von der gesamten Hand verlangen und sich gerade nicht an einen einzelnen Schuldner wenden und nur von diesem Erfüllung fordern; vielmehr muss er die Gesamtheitsgemeinschaft als Ganzes – hier die Erbengemeinschaft – zur Leistung auffordern. Dies ist vorliegend unstreitig nicht geschehen.
Etwas anderes gilt nur dann, wenn hinsichtlich der Gesamthandsgemeinschaft Gesamtschuldnerschaft ausdrücklich (gesetzlich) bestimmt ist. Miterben haften nach § 2058 BGB aber nur hinsichtlich der Nachlassverbindlichkeiten als Gesamtschuldner. Vorliegend geht es jedoch nicht um eine solche. Das Gesetz definiert Nachlassverbindlichkeiten in § 1967 Abs. 2 BGB. Rechtsprechung und Lehre haben hierzu drei Fallgruppen entwickelt: Erblasserschulden, Erbfallschulden und Nachlasserbenschulden. Der mit Bescheid vom 28.04.2004 festgesetzte und angeforderte Ausgleichsbetrag ist keine Erblasserschuld, da er nicht vor dem Erbfall in der Person des Erblassers entstanden ist und von ihm herrührt. Eine Erbfallschuld liegt auch nicht vor, da solche aus dem Erbfall herrühren und den Erben als solchen treffen müssen (z.B. Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen, vgl. § 1967 Abs. 2 BGB). Eine Nachlasserbenschuld ist ebenfalls nicht gegeben, denn es liegt keine durch Rechtsgeschäft von den Miterben zur ordnungsgemäßen Erhaltung oder Verwaltung des Nachlasses begründete Verpflichtung vor. Nicht ausreichend zur Begründung einer Nachlasserbenschuld ist die hier erfolgte Festsetzung durch Verwaltungsakt, zumal der Sanierungsausgleich in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Erbfall steht und der Bescheid vom 28.04.2004 sich gerade nicht an die Erbengemeinschaft als solche richtet. Es lässt sich auch nicht einwenden, der Sanierungsausgleichsbetrag sei – ähnlich wie ein Erschließungs- oder Ausbaubeitrag – grundstücksbezogen und belaste deshalb automatisch den Nachlassgegenstand. Der Sanierungsausgleichsbetrag ruht nämlich im Gegenteil nicht als öffentliche Last auf dem Grundstück (§ 154 Abs. 4 Satz 3 BauGB).
Mit Blick auf diese Rechtslage ergibt sich aus dem Hinweis der Beklagten, § 154 BauGB regele das vorliegende Verhältnis mehrerer Eigentümer, die weder Miteigentümer noch Wohnungseigentümer seien nicht, daher gälten über § 155 Abs. 5 BauGB entweder § 8 Abs. 8 S. 2 KAG oder §§ 12 Abs. 1 Nr. 2 b KAG, 44 Abs. 1 AO, wonach bei Schuldnermehrheit jeweils Gesamtschuldnerschaft angeordnet sei, nichts Weitergehendes. Vor dem Hintergrund der geschilderten Rechtslage und der in § 154 Abs. 1 Satz 1 und 2 BauGB getroffenen umfassenden bundesgesetzlichen Regelungen über die Heranziehung von Eigentümern, Miteigentümern, Wohnungs- und Teileigentümern liegt keine durch das KAG oder die AO zu schließende Regelungslücke (vgl. § 155 Abs. 5 BauGB: “Im Übrigen….“) vor; vielmehr ist § 154 Abs. 1 BauGB insoweit abschließend.
Ein Ausgleichsbetragsbescheid ist daher grundsätzlich nicht an einen einzelnen Miterben, sondern nur an die gesamte Erbengemeinschaft unter Aufzählung aller Miterben zu richten, sofern – wie hier – keine Einzelvollmacht vorliegt.
Aus einem Vermerk „60. L-4046-“ vom „9. März 2004, kLI. SP\” ist zu entnehmen, dass die hier dargelegte Rechtsauffassung bei der Beklagten bekannt war, eine Heranziehung der Erbengemeinschaft als solche also hätte erfolgen können. In dem Vermerk ist ausgeführt:
\”Schuldner des Ausgleichsbetrages ist derjenige, der zum Zeitpunkt der Aufhebung der Sanierung -hier: 28. November 2001- Eigentümer des betroffenen Grundstücks ist. Entscheidend ist, wer zu diesem Stichtag im Grundbuch als Eigentümer eingetragen ist oder auf dem Wege der Erbschaft Eigentümer geworden war. Adressat der Bescheide sind demnach für die Flurstücke die Erbengemeinschaft …“.
Mit Blick darauf, dass der Beklagten zumindest die Adresse des Klägers bekannt war, hätte eine Ermittlung der Anschriften der übrigen Miterben auch keinen unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand erfordert.
Der Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Die Zuziehung der Bevollmächtigten des Klägers für das Vorverfahren war gem. § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO – wie regelmäßig in Abgabenangelegenheiten – für notwendig zu erklären.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung gegen diesen Gerichtsbescheid war wegen grundsätzlicher Bedeutung der vorliegenden Rechtssache zuzulassen, § 84 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. §§ 124 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Zur Klarstellung wird darauf hingewiesen, dass gegen den vorliegenden Gerichtsbescheid nach § 84 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ein Antrag auf mündliche Verhandlung als Rechtsbehelf ausscheidet, nachdem die Berufung zugelassen worden ist.
Beschluss:
Der Streitwert wird gemäß §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 3 GKG auf 65.395,25 € festgesetzt.
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