Beschluss des OLG München vom 19.01.2015

Aktenzeichen: 31 Wx 370/14

Kurze Zusammenfassung der Entscheidung:

Im vorliegenden Fall hinterließ der Erblasser 2 Erben. Es handelte sich um die Kinder des Erblassers, eine Tochter und einen Sohn. Der Sohn beantragte im Weiteren den Erlass eines Pfändung- und Überweisungsbeschlusses gegen seine Schwester, mit dem das Recht der Schwester zur Annahme der Erbschaft gepfändet werden sollte. Unter Bezug auf diesen Pfändungsversuch beantragte der Sohn beim Nachlassgericht, dass ihm ein Alleinerbschein erteilt wird. Der Antrag wurde vom Nachlassgericht zurückgewiesen. Die Entscheidung des Nachlassgerichts wurde vom OLG München inhaltlich in vollem Umfang bestätigt.
Das Recht zur Annahme einer Erbschaft ist an die Person des Erben gebunden und stellt damit ein höchstpersönliches Recht dar. Höchstpersönliche Rechte können nach der ständigen Rechtsprechung grundsätzlich nicht gepfändet werden. Gestaltungsrechte, die aus höchst persönlichen Rechten abgeleitet werden, unterliegen ebenfalls nicht der Pfändung.
Da das Recht zur Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft sich aus dem Erbrecht ergibt, welches höchstpersönlich ist, kann das Recht zur Abgabe der Annahmeerklärung nicht gepfändet werden. Folglich ist auch ein Antrag auf Erteilung eines Erbscheins, der auf ein solches gepfändetes Recht gestützt wird, rechtswidrig. Einem solchen Antrag darf das Nachlassgericht nicht entsprechen.

(Erbschaft Annahmeerklärung Pfändung)

Tenor:

1) Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Nachlassgerichts Fürstenfeldbruck vom 31.7.2014 wird zurückgewiesen.
2) Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.105.752,78 € festgesetzt.

(Erbschaft Annahmeerklärung Pfändung)

Entscheidungsgründe:

1. Die von dem Beteiligten zu 1) eingelegte „Erinnerung“ richtet sich gegen den Beschluss des Nachlassgerichts, mit dem es seinen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins, der bezeugt, dass die Erblasserin von den Beteiligten zu 1) und 2) zu je ½ beerbt wurde, zurückgewiesen wurde. Insofern ist die „Erinnerung“ als Beschwerde im Sinne der §§ 58 ff. FamFG gegen die Ablehnung des beantragten Erbscheins auszulegen.
2. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Zu Recht ist das Nachlassgericht zu dem Ergebnis erlangt, dass der beantragte Erbschein nicht die Erbfolge nach der Erblasserin aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments vom 30.9.1984 wiedergibt.
a) Die Beteiligte zu 2) hat ihr Erbe mit Erklärung vom 25.8.2014 formgerecht im Sinne des § 344 Abs. 7 FamFG i. V. m. §§ 1944, 1945 BGB zur Niederschrift des für ihren Wohnsitz örtlich zuständigen Nachlassgerichts beim Amtsgericht Burgwedel ausgeschlagen.
Die Ausschlagung erfolgte fristgemäß im Sinne des § 1944 Abs. 1 BGB. Die Beteiligte zu 2) wurde durch das Schreiben des Nachlassgerichts vom 10.7.2014 vom Anfall der Erbschaft in Kenntnis gesetzt. Das Schreiben wurde am 11.7.2014 (Freitag) expediert, sodass es die Beteiligte zu 2) frühestens am 12.7.2014 (Samstag) erhalten haben konnte. Auch in diesem Fall wäre die sechswöchige Ausschlagungsfrist im Sinne des § 1944 Abs. 1 BGB gemäß § 1944 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 187 Abs. 1, 188, 193 BGB durch die Erklärung am 25.8.2014 (Montag) gewahrt.
b) Die Beteiligte zu 2) hatte nicht deswegen ihr Ausschlagungsrecht gemäß § 1943 BGB verloren, weil die Bevollmächtigten des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 22.7.2014 gegenüber dem Nachlassgericht für die Beteiligte zu 2) die Annahme des Erbes nach der Erblasserin erklärt haben. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers ergibt sich deren Berechtigung nicht aufgrund des gegen die Beteiligte zu 2) erwirkten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Burgwedel – Vollstreckungsgericht -, in dem u.a. die Rechte der Beteiligten zu 2) auf Annahme und Ausschlagung der Erbschaft betreffend die Erblasserin gepfändet und zur Einziehung überwiesen wurden.
Die Pfändung des Rechts auf Annahme der Erbschaft geht in die Leere und ist daher nichtig, da dieses „Recht“ weder eine Forderung im Sinne der §§ 829 ff. ZPO noch ein Vermögensrecht im Sinne des § 857 Abs. 1 ZPO ist. Eine Überweisung des Rechts auf Annahme der Erbschaft ist insofern schlechthin ausgeschlossen, so dass einem gleichwohl erlassenen Überweisungsbeschluss keinerlei Wirkung zukommt (vgl. auch BGH NJW 2014, 2732, 2733).
aa) Materielle Voraussetzung der Pfändung nach § 857 ZPO ist, dass es sich bei dem zu pfändenden Recht um ein Vermögensrecht handelt. Darunter fallen Rechte aller Art, die einen Vermögenswert derart verkörpern, dass die Pfandverwertung zur Befriedigung des Geldanspruchs des Gläubigers führen kann (BGH NJW 2005, 3353). Darunter fallen jedoch nicht aus konkreten Rechtsverhältnissen sich ergebene Gestaltungsrechte sowie höchstpersönliche Rechte, die an die Person des Schuldners gebunden sind (allg. Meinung: vgl. MüKoZPO/Smid 4. Auflage <2012> § 857 Rn. 7; Wieczorek/Schütze ZPO 3. Auflage <1999> § 857 Rn. 10, 18; Stein/Jonas/Brehm ZPO 22. Auflage <2004> § 857 Rn. 3). Demgemäß ist anerkannt, dass sich die Pfändung nicht auf das Rechtsverhältnis also solches erstreckt und daher der Schuldner die sich aus diesem ergebenden Gestaltungsrechte wie Kündigung und Ausschlagung der Erbschaft erklären kann (vgl. Zöller/Stöber ZPO <30. Auflage> § 829 Rn. 18; § 857 Rn. 17).
bb) Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers stellt auch das „Recht“ zur Annahme der Erbschaft ein solches von vornherein unpfändbares Recht dar. Dieses korrespondiert mit dem „Recht“ zur Ausschlagung der Erbschaft (vgl. § 1943 BGB). Hierzu hat der BGH bereits entschieden, dass es höchstpersönlicher Natur ist (BGH NJW 2011, 2291 Tz.6). Es ist in der alleinigen persönlichen Entscheidungsmacht des Schuldners, ob er eine Erbschaft annimmt oder ausschlägt (vgl. BGH NJW-RR 2010, 121 Tz. 11). Insofern verleiht auch § 83 Abs. 1 InsO dem Schuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahren die entsprechende Befugnis in Bezug auf die Annahme der Erbschaft. Nichts anderes kann daher für eine Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahme in Form eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses betreffend eine Geldforderung gelten. Es entspricht daher allgemeiner Auffassung, dass die Annahme der Erbschaft nur durch den Erben selbst und nicht durch Dritte erfolgen kann (MüKoBGB/Leipold 6. Auflage <2013> § 1943 Rn. 7) und somit ein Pfandgläubiger ebenso wenig die Annahme wie die Ausschlagung erklären kann (Staudinger/Otte BGB <2007> § 1943 Rn. 12). Demgemäß ist entgegen der Meinung des Beschwerdeführers für eine Anwendung des § 857 Abs. 3 ZPO kein Raum, zumal Rechte, deren Ausübung erst zur Schaffung pfändbarer Vermögensrechte führt, von vornherein weder isoliert pfändbar, noch von einer Pfändung umfasst sind (Stein/Jonas/Brehm a. a. O. § 857 Rn. 3 a. E.).
3. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 61 i. V. m. § 40 Abs. 1 GNotKG. Der Beschwerdeführer erstrebt die Erteilung eines Erbscheins über den Gesamtnachlass, so dass der Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls für den Geschäftswert zugrunde zulegen ist, von dem nur die vom Erblasser herrührenden Verbindlichkeiten abzogen werden (§ 40 Abs. 1 Satz 2 GNotKG). Anders als nach der früheren Regelung in der KostO können mithin Bestattungskosten nicht mehr abgezogen werden. Insofern setzt der Senat den Geschäftswert auf 1.105.752,78 € fest.
4. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 72 FamFG) liegen nicht vor. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers ist die hier entscheidungserhebliche Frage (Pfändbarkeit des „Rechts“ auf Annahme der Erbschaft) nicht klärungsbedürftig. Insofern liegen keine divergierenden Entscheidungen und unterschiedlichen Literaturmeinungen vor. Außerdem betrifft die hier entscheidungserhebliche Frage einen Einzelfall. Allein der Umstand, dass der BGH zu der Frage noch nicht ausdrücklich Stellung genommen hat und der Senat die Rechtsauffassung des Beschwerdeführers nicht teilt, führt nicht dazu, dass diese Frage das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt.
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(Erbschaft Annahmeerklärung Pfändung)