Wurde der Erwerb einer zum Nachlass gehörenden Immobilie zuvor vom Erben finanziert, so führt dies nicht zu einer Reduzierung der Erbschaftsteuer

Erbrecht: Erbschaftsteuer Immobilienfinanzierung | Rechtsanwalt Erbrecht Köln | Kanzlei Balg und Willerscheid - Fachanwalt für Erbrecht Köln

Urteil des Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern vom 26.04.2017

Aktenzeichen: 3 K 233/14

Kurze Zusammenfassung der Entscheidung:

Wurde der Erwerb einer zum Nachlass gehörenden Immobilie zuvor vom Erben finanziert, so führt dies nicht zu einer Reduzierung der Erbschaftsteuer.
Im vorliegenden Fall hinterließ die Erblasserin eine Immobilie, die zu Lebzeiten der Erblasserin von deren Tochter, d. h. der Erbin finanziert wurde. Die Finanzierung war nicht verbunden mit einer Eintragung der Erbin in das Grundbuch. Ebenso wenig war die Erblasserin Vertragspartnerin der zur Finanzierung abgeschlossenen Darlehensverträge.
Nach dem Erbfall versuchte die Erbin die von ihr zuvor erbrachten Leistungen auf die Finanzierung der Immobilie Steuer entlastend bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer geltend zu machen. Dem entsprach das Finanzamt nicht. Die daraufhin von der Erbin erhobene Klage wurde abgewiesen.
Das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern stellte fest, dass es bei der Beurteilung der Frage, ob bestimmte finanzielle Belastungen bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer zu berücksichtigen sind, ausschließlich auf die zivilrechtliche Beurteilung des fraglichen Lebenssachverhaltes ankommt.
Im vorliegenden Fall erhielt die Erblasserin durch die lebzeitige Finanzierungsleistungen der Erbin einen vermögenswerten Vorteil, ohne hierfür eine geldwerte Gegenleistung erbracht zu haben. Damit stellt sich die Finanzierung als Schenkung der Erbin zugunsten der Erblasserin dar. Die Finanzierungskosten hinsichtlich der zum Nachlass gehörenden Immobilie sind folglich nicht durch den Erbfall selbst verursacht. Da die Finanzierungskosten der Erbin zu Lebzeiten der Erblasserin somit keine Nachlassverbindlichkeit darstellen, sind Sie nicht steuerentlastend bezüglich der Erbschaftsteuer zu berücksichtigen.

(Erbschaftsteuer Immobilienfinanzierung)

Tenor:

1) Die Klage wird abgewiesen.
2) Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
3) Die Revision wird zugelassen.
4) Der Streitwert wird auf … Euro festgesetzt.

(Erbschaftsteuer Immobilienfinanzierung)

Entscheidungsgründe:

Tatbestand

 
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Zinszahlungen, die von der Klägerin für die Finanzierung von Wohnungen der Erblasserin geleistet wurden, den steuerpflichtigen Erwerb mindern und ob Steuerbefreiungsvorschriften zu Gunsten der Klägerin greifen.
Die Klägerin ist Alleinerbin nach A, ihrer Mutter. A verstarb zwischen dem 18. und 19. Juni 2007 in C. Zur Erbmasse gehörten drei Eigentumswohnungen in B sowie Barvermögen und Hausrat.
Die Erblasserin hatte die Wohnungen mit Vertrag vom 10. Dezember 1993 erworben. Die Einzelkaufpreise betrugen 185.275,00 DM, 185.275,00 DM und 184.065,00 DM. Für den Erwerb der Wohnungen stellte die Klägerin ihrer Mutter 90.000,00 DM/Wohnung zur Verfügung. Die Klägerin finanzierte die Beträge über Darlehen der Sparda-Bank. Der Zinssatz betrug 5,69 % und war bis zum 31. Dezember 2003 festgeschrieben. Es handelte sich um endfällige Darlehen, die durch zwei von der Klägerin zugleich abgeschlossene Lebensversicherungen der DEVK getilgt werden sollten. Daneben wurde jeweils eine Grundschuld von 90.000,00 DM in das Grundbuch der Wohnungen eingetragen. Die verbleibenden Kaufpreise zahlte die Erblasserin aus dem von ihrem Ehemann ererbten Vermögen.
Schuldrechtliche Vereinbarungen zwischen der Klägerin und der Erblasserin über die Rückzahlung des Geldvermögens oder einer Beteiligung an den Zinszahlungen gab es nicht.
Der Beklagte wertete diesen Vorgang als mittelbare Grundstücksschenkung der Klägerin an die Erblasserin und setzte hierauf mit geändertem Bescheid vom 18. Januar 2017 Schenkungsteuer in Höhe von 1.687,20 Euro fest. Die Steuerfestsetzung ist bestandskräftig.
Die Darlehen waren bereits im Jahr 1994 schrittweise ausgezahlt worden. Am 18. Juni 2007 valutierten sie mit den Ausgangswerten und wurden 2014 getilgt. Zwischen dem 1. Januar 1995 und dem 18. Juni 2007 haben die Zinsaufwendungen (für insgesamt vier Darlehen über insgesamt 470.000,00 DM) 164.681,16 Euro betragen. Für den Zeitraum bis zum 1. Januar 1995 hat sich die Bank aufgrund eines hohen Rechercheaufwandes nicht in der Lage gesehen, die Zinshöhe mitzuteilen.
Mit Bescheiden vom 27. Februar 2013 stellte das Finanzamt C die Grundbesitzwerte für Zwecke der Erbschaftsteuer auf den 18. Juni 2007 für die Grundstücke D auf jeweils 66.722,00 Euro und für das Grundstück E auf 62.137,00 Euro fest und rechnete das jeweilige Grundvermögen der Klägerin zu. Die Feststellungsbescheide sind bestandskräftig.
Am 26. Juni 2013 erließ der Beklagte einen Erbschaftsteuerbescheid, mit dem er die Erbschaftsteuer (auch unter Berücksichtigung von Vorerwerben) auf 19.932,00 Euro festsetzte.
Hiergegen legte die Klägerin fristgemäß Einspruch ein, mit dem sie beantragte, Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von insgesamt 136.464,00 Euro als Nachverbindlichkeiten zu berücksichtigen. Sie habe ihre verstorbene Mutter im Falle eines zeitlich früheren Todes finanziell absichern wollen, weil andere Familienmitglieder zur finanziellen Unterstützung nicht zur Verfügung gestanden hätten. Vor diesem Hintergrund habe die Bank die Variante der Finanzierung über ein endfälliges, durch eine Lebensversicherung abgesichertes Darlehen vorgeschlagen.
Der Beklagte hat den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 13. Mai 2014 als unbegründet zurückgewiesen, weil der Erwerb der drei Eigentumswohnungen aus dem Nachlass der Erblasserin dem Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) unterliege.
Die gegenüber der Sparda-Bank F eG bestehende Darlehensverbindlichkeit gründe nicht auf einem Schuldverhältnis zwischen der Erblasserin und der Bank und rühre auch nicht anderweitig von der Erblasserin her, so dass die Voraussetzungen des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG nicht vorliegen würden. Bei den Darlehensverbindlichkeiten gegenüber der Sparda-Bank handele es sich um eigene schuldrechtliche Verpflichtungen der Klägerin. Der Umstand, dass die Klägerin seinerzeit Darlehen über insgesamt 240.307 Euro eigens für den Erwerb der Immobilien durch die Erblasserin aufgenommen habe, sei hierbei unbeachtlich, da diese eigene Schuld der Klägerin bereits ohne den Erbfall bestanden habe und nicht erst durch Gesamtrechtsnachfolge auf sie übergegangen sei. In der Gesamtbetrachtung handele es sich bei dem Erwerb der Eigentumswohnungen durch Erbanfall um einen Vermögensrückfall von der Erblasserin auf die Klägerin, weil die Erblasserin in 1993 ohne Absicht eines Wertersatzes und ohne Vereinbarung einer Gegenleistung zunächst bewusst und gewollt von der Klägerin mit dem Ziel der finanziellen Absicherung bereichert worden sei.
Auch die Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 ErbStG würden nicht vorliegen, denn Ansprüche zwischen der Klägerin und ihrer Mutter hätten nicht bestanden. Ein Abzug als Nachlassverbindlichkeit könne nicht etwa deshalb erfolgen, weil der Erblasser möglicherweise geglaubt habe, eine moralische Verpflichtung erfüllen zu müssen. Denn § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG betreffe nur aus Rechtsgründen bestehende Erblasserschulden. Umstände, aus denen sich die schuldrechtliche Verpflichtung zur Rückzahlung der Geldsumme ergebe, müsse der Erbe beweisen. Die Klägerin habe aber ausdrücklich klargestellt, dass es zwischen ihr und der Erblasserin im Hinblick auf die Zuwendung von Geldvermögen aus Anlass des Erwerbs der Eigentumswohnungen in 1993 keine schuldrechtliche Vereinbarung gegeben habe. Eine Berücksichtigung als Nachlassverbindlichkeit komme daher nicht in Betracht.
Die Klägerin hat am 15. Juli 2014 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie wie folgt vor:
Grundsätzlich sei es so, dass der Immobilienerwerber auch die mit dem Erwerb verbundenen Finanzierungskosten trage. Hier sei zwar die Erblasserin Eigentümerin der Wohnungen geworden. Sie, die Klägerin, habe aber die mit dem Erwerb verbundenen wirtschaftlichen Lasten getragen und damit Schulden ihrer Mutter getilgt. Da sie die Leistungen wirtschaftlich auf fremde Schuld und in fremdes Vermögen vorgenommen habe, hätte sich die Mutter zugleich einem Anspruch der Tochter nach § 812 des Bürgerlichen Gesetzbuches -BGB- ausgesetzt. Dieser Bereicherungsanspruch richte sich auf die Herausgabe der Wohnungen bzw. den Wertersatz in Höhe der geleisteten Darlehenszinsen und Beitragszahlungen in die Lebensversicherung. Der Herausgabeanspruch sei nach § 10 Absatz 3 ErbStG in seinem Wert als Nachlassverbindlichkeit zu berücksichtigen. Durch den Erbfall habe sie ein Vermögen erhalten, das sie selbst bezahlt habe. Im Ergebnis dürfe die Vermögensmehrung nicht zivilrechtlich, sondern müsse wirtschaftlich bestimmt werden. Durch die Erbschaftsteuer soll nur die tatsächliche Vermögensmehrung besteuert werden. Ihr Vermögen habe sich durch den Erbfall nicht erhöht. Wenn hierauf noch Erbschaftsteuer zu zahlen sei, widerspreche dies dem der Regelung des § 10 Absatz 5 ErbStG zugrundeliegenden objektiven Nettoprinzip.
Über die Finanzierung der Wohnungen sei eine schuldrechtliche Abrede zwischen ihr und ihrer Mutter nicht getroffen worden. Hintergrund des zu beurteilenden Sachverhalts sei gewesen, dass die Mutter im Falle des Ablebens der Klägerin durch die Mieterträge wirtschaftlich habe versorgt werden sollen. Ihre Mutter sei aber – aufgrund ihres zum Zeitpunkt des Erwerbs bereits hohen Alters – nicht in der Lage gewesen, die mit dem Erwerb der Wohnungen verbundenen finanziellen Lasten zu tragen. Andererseits habe mangels anderer Erben festgestanden, dass sie – die Klägerin – nach dem Tod der Mutter alleinige Eigentümerin der Wohnungen werden würde. Vor diesem Hintergrund sei die Erwartung einer schuldrechtlichen Vereinbarung lebensfremd. Der Abzug als Nachlassverbindlichkeit müsse auch dann möglich sein, wenn sie – die Klägerin – rechtlich nicht zur Übernahme der Finanzierungsverpflichtung verpflichtet gewesen sei. Wenn das Finanzamt davon ausgehe, dass bereits die Übernahme der Verbindlichkeiten durch die Klägerin eine steuerpflichtige Schenkung an die Erblasserin darstelle und der Erbanfall erneut zu besteuern wäre, werde hier eine doppelte Besteuerung generiert, ohne dass es auf Seiten der Klägerin zu einem Vermögenszuwachs gekommen wäre.
Die Klägerin beantragt,

den Erbschaftsteuerbescheid vom 26. Juni 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Juni 2014 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Umstand, dass die Klägerin die Kaufpreise für die Wohnungen selbst finanziert habe und damit selbst auch wirtschaftlich belastet gewesen sei, rechtfertige keinen Abzug der Zins- und Tilgungszahlungen nach § 10 Absatz 5 ErbStG. Maßgeblich für die Erbschaftsbesteuerung sei allein die zivilrechtliche Betrachtungsweise. Die Darlehen für die Anschaffung der Wohnungen seien von Anfang an Schulden der Klägerin und nicht der Erblasserin gewesen.
Die Klägerin hätte auch keinen Herausgabeanspruch gegenüber der Erblasserin gehabt. Die Wohnungen seien nicht ohne Rechtsgrund von der Klägerin finanziert worden, sondern zur Absicherung der Erblasserin. Dies erfülle den Tatbestand der Schenkung gem. §§ 516 ff BGB. Die Erfüllung einer moralischen Verpflichtung rechtfertige nicht einen Abzug von Zins- und Tilgungsleistungen. § 10 Absatz 5 Nummer 1 ErbStG betreffe nur aus Rechtsgründen bestehende Erblasserschulden.
Der vorliegende Fall sei nicht vergleichbar mit dem dem BFH-Urteil vom 1. Juli 2008 (II R 38/07) zugrundeliegenden Sachverhalt, weil die Finanzierung der Klägerin nicht zu einer Werterhöhung der Grundstücke geführt habe. Die Teilfinanzierung der Anschaffung der von der Erblasserin genutzten Wohnung durch die Erbin komme einer Finanzierung von Baumaßnahmen zur Werterhöhung von durch den Erben selbst genutzten Gebäuden im bereicherungsrechtlichen Sinne des § 10 Absatz 1 Satz 1 ErbStG nicht gleich. Im Streitfall sei die Geldhingabe eine Schenkung, um die Mutter finanziell abzusichern.
Dem Gericht lag je ein Band Erbschaftsteuer- und Rechtsbehelfsakten des Beklagten vor.

Entscheidungsgründe

 
Die Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Absatz 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-).
1. Die Klägerin hat die hier streitigen Grundstücke in Form eines Erwerbs durch Erbanfall im Sinne des § 3 Absatz 1 Nummer 1 Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes – ErbStG – von ihrer Mutter erhalten. Dieser Erwerb unterliegt der Erbschaftsteuer (§ 1 Absatz 1 Nummer 1 ErbStG). Als steuerlicher Erwerb gilt die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht steuerfrei ist (§ 10 Absatz 1 Satz 1 ErbStG). Bei einem Erwerb von Todes wegen gilt als Bereicherung der Betrag, der sich ergibt, wenn von dem nach § 12 zu ermittelnden Wert des gesamten Vermögensanfalls soweit er der Besteuerung nach dem ErbStG unterliegt, die nach den Absätzen 3 bis 9 abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten mit ihrem nach § 12 zu ermittelnden Wert abgezogen werden. Grundbesitz ist mit den Grundbesitzwerten anzusetzen, der nach dem Vierten Abschnitt des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes (Vorschriften für die Bewertung von Grundbesitz für die Erbschaftsteuer ab Januar 1996 und die Grunderwerbsteuer ab Januar 1997) auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer festgestellt wird (§ 12 Absatz 3 ErbStG in der im Streitjahr geltenden Fassung).
1.1 Der Beklagte hat zu Recht die ungeminderten Grundbesitzwerte der Besteuerung zugrunde gelegt. Die von der Klägerin zugunsten der Erblasserin aufgenommenen Darlehen und die gezahlten Kreditzinsen mindern die erbschaftsteuerliche Bereicherung der Klägerin nicht.
Die Erbschaftsteuer wird erhoben, um den Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zu erfassen. Das ist der Fall, wenn dem Empfänger ein in Geld messbarer Vermögensvorteil zufließt. Bereicherung im Sinne des § 10 Absatz 1 Satz 1 ErbStG ist die als Nettobetrag ermittelte Bereicherung (vgl. BFH-Urteil vom 1. Juli 2008 II R 38 /07, BFHE 220, 531; BStBl. II 2008, 876).
Das ist vorliegend der Fall, denn das Vermögen der Klägerin hat sich nach dem Erbanfall – unbeschadet der vorherigen Aufwendungen – um den Wert der Wohnungen erhöht.
Dass die Klägerin die Kreditverträge zum Erwerb der Wohnungen durch die Erblasserin in eigenem Namen abgeschlossen und die Zinsen für den Erwerb der Mutter gezahlt hat, hat weder zu einer Werterhöhung der Grundstücke geführt (1.1.1) noch war die Klägerin aufgrund ihres finanziellen Engagements bereits vor dem Erbfall wirtschaftliche Eigentümerin der Grundstücke (1.1.2).
1.1.1 Der BFH hat mit Urteil vom 1. Juli 2008 (a. a. O) entschieden, dass sich die erbschafsteuerliche Bereicherung eines Nacherben hinsichtlich eines nachlasszugehörigen Grundstücks um den Betrag mindert, um den die von ihm in Erwartung der Nacherbfolge durchgeführten Baumaßnahmen den Grundbesitzwert erhöht haben, wobei die einschlägige Wertminderung durch das Festsetzungsfinanzamt erfolgen soll. Diese Rechtsprechung soll nach Auffassung des Hessischen Finanzgerichts (vgl. Urteil vom 18. Mai 2009 1 K 1366/07 u. a., juris) auch für sonstige Erwerbe von Todes wegen gelten. Soweit der Erbe den Wert eines nachlasszugehörigen Grundstücks in Erwartung des Erbes durch Baumaßnahmen erhöhe und hierfür zu Lebzeiten des Vorerben bzw. Erblassers keinen Ersatz verlange, bewirke der Erbanfall wegen der erbschaftsteuerrechtlichen Anknüpfung an die Bereicherung keinen Vermögenszuwachs des Erben bzw. Nacherben. Diese Rechtsprechung ist jedoch auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, denn sie betrifft nicht die Minderung der erbschaftsteuerlichen Bereicherung um die Summe der für die aufgewendeten Baumaßnahmen aufgewendeten Beträge, sondern vielmehr um die Beträge, um welche die Grundbesitzwerte im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer ohne die Durchführung der in Rede stehenden Baumaßnahmen niedriger gewesen wären (hypothetische Grundbesitzwerte – vgl. Prof. Dr. Franz Dötsch, Anmerkung zum BFH-Urteil vom 1. Juli 2008, jurisPR-SteuerR 40/2008 Anm. 4). Da die von der Klägerin vor dem Erbanfall aufgenommenen Kredite und aufgewendeten Zinsen nicht zu einer Wertveränderung der Grundstücke geführt haben, können sie nicht bereicherungsmindernd berücksichtigt werden.
1.1.2 Eine Bereicherung nach Erbfall kann der Klägerin auch nicht aufgrund einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise abgesprochen werden. Im Streitfall gibt es mangels vertraglicher Regelungen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin durch die Übernahme der Wohnungsfinanzierung wirtschaftliche Eigentümerin der Wohnungen im Sinne des § 39 Absatz 2 Nummer 1 Satz 1 Abgabenordnung -AO- geworden sein könnte. Im Übrigen ist nach der Rechtsprechung im bürgerlich-rechtlich geprägten Erbschaftsteuerrecht durch die Verweisung auf § 1922 des Bürgerlichen Gesetzbuches -BGB- in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und damit aufgrund einer ausdrücklichen Bezugnahme auf das Zivilrecht, eine wirtschaftliche Betrachtungsweise und damit die Anwendung des § 39 Absatz 2 Nummer 1 AO ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 15. Oktober 1997, II R 68/95, BFHE 183, 248, BStBl II 1997, 820).
1.2 Die Aufwendungen der Klägerin sind nicht als Nachlassverbindlichkeiten zu berücksichtigen.
Nach § 10 Absatz 5 Nummer 1 ErbStG sind vom Erblasser herrührende Schulden – von im Streitfall nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen – als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig. Darunter fallen alle vertraglichen, außervertraglichen und gesetzlichen Verpflichtungen, die in der Person des Erblassers begründet wurden und mit seinem Tod nicht erloschen sind bzw. gemäß § 10 Absatz 3 ErbStG als nicht erloschen gelten (vgl. BFH-Urteil vom 9. November 1994 II R 111/91, BFH/NV 1995, 598). Dies gilt auch für solche Schulden, die gegenüber dem Erben selbst bestehen und die zwar infolge des Erbanfalls durch Konfusion zivilrechtlich erloschen sind, erbschaftsteuerrechtlich aber gemäß § 10 Absatz 3 ErbStG als fortbestehend fingiert werden. Diese gesetzliche Fiktion beruht auf der Überlegung, dass auch in diesen Fällen einerseits das Vermögen des Erblassers mit der Schuld wirtschaftlich belastet war und andererseits der Forderungsverlust den Erwerb des Erben schmälert (vgl. BFH-Urteil vom 13. Juli 1983 II R 12/82, BStBl II 1984, 37).
Die Klägerin hat keine Schulden oder Verpflichtungen übernommen, die von der Erblasserin „herrühren“. Die Erblasserin ist weder gegenüber der Bank Verpflichtungen aus einem Darlehensvertrag eingegangen, noch hat sie sich gegenüber der Klägerin verpflichtet, dieser die aufgewendeten Zinsen und Tilgungsbeiträge zu erstatten. Die Klägerin hat selbst vorgetragen, dass eine solche Erstattung nie geplant war, weil die Erblasserin auf Kosten der Klägerin abgesichert werden sollte. Im Ergebnis hat die Klägerin der Erblasserin die Wohnungen mittelbar geschenkt, was der Beklagte zu Recht zur Grundlage des weiteren Besteuerungsverfahrens gemacht haben dürfte. Der Rechtsgrund der Schenkung schließt aber einen Anspruch der Klägerin wegen ungerechtfertigter Bereicherung nach §§ 812 ff. BGB aus.
Die Aufwendungen der Klägerin gehören auch nicht zu den Nachlassverbindlichkeiten gem. § 10 Absatz 5 Nummer 3 ErbStG.
Nach dieser Vorschrift sind als Nachlassverbindlichkeit unter anderem abzugsfähig, „die Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen“. Hierzu gehören auch die Ausgaben, die als Gegenleistung für eine Erbeinsetzung gewährt werden, weil es sich in diesen Fällen nicht mehr um eine für den Erwerber unentgeltliche Bereicherung handelt (vgl. BFH-Urteil vom 13. Juli 1983 a. a. O. – für den Fall einer Gegenleistung für den Abschluss eines Erbvertrages).
Im Streitfall dürfte die Klägerin zwar die Ausgaben auch im Hinblick auf das zu erwartende Erbe getätigt haben. Diesbezügliche vertragliche Bindungen zwischen der Klägerin und der Erblasserin hat es aber nicht gegeben. Vielmehr hat die KIägerin der Erblasserin die Finanzierung der Wohnungen unentgeltlich im Wege einer Schenkung zugewendet, um die Mutter für den Fall eines Vorversterbens der Klägerin durch unbelastete Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung finanziell abzusichern.
2. Der Rückfall der Schenkung an die Klägerin ist nicht nach § 13 Absatz 10 ErbStG steuerfrei.
Nach dieser Vorschrift bleiben unter anderem steuerfrei Vermögensgegenstände, die Eltern oder Voreltern ihren Abkömmlingen durch Schenkung zugewandt hatten und an diese Personen von Todes wegen zurückfallen. Eine wörtliche Anwendung dieser Vorschrift scheidet im Streitfall aus.
Der Senat sieht auch keinen Anlass für eine wortlautübergreifende Interpretation des Gesetzes, insbesondere liegen die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung auf den Streitfall nicht vor, denn es fehlt an einer planwidrigen Regelungslücke. Eine für eine Analogie erforderliche planwidrige Regelungslücke liegt nur vor, wenn das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und der ihm immanenten Teleologie, unvollständig und somit ergänzungsbedürftig ist und seine Ergänzung nicht einer gesetzlich gewollten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspricht (vgl. BFH-Urteile vom 22. Dezember 2011 III R 5/07, BFHE 236, 137, BStBl II 2012, 678, und vom 29. August 2012 II R 49/11, BFHE 238, 499, BStBl II 2013, 104, jeweils m.w.N.).
Nach § 13 Absatz 10 ErbStG wird von Todes wegen erfolgender Rückfall von Vermögensgegenständen, die Eltern oder Voreltern ihren Abkömmlingen durch Schenkung oder Übergabevertrag im Wege vorweggenommener Erbfolge zugewendet hatten, von der Steuerpflicht befreit. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass es zu wirtschaftlich untragbaren Ergebnissen führen würde, wenn der Rückfall von Vermögen, das Abkömmlingen durch Schenkung oder Übergabevertrag zugewandt war, in vollem Umfang der Schenkungsteuer unterworfen würde. Er hat dabei auch berücksichtigt, dass das an die Eltern und Voreltern zurückgefallene Vermögen im Regelfall später neu auf Abkömmlinge vererbt wird, so dass ohne Sonderregelung drei Vermögensvorgänge versteuert werden müssten (vgl. Kapp/Ebeling, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Lfg. 55, April 2010 § 13 Rn. 76). § 13 Absatz 1 Nummer 10 ErbStG verringert damit beim Generationsübergang eine dreifache statt der üblichen einfachen Besteuerung zumindest auf eine nur zweifache Besteuerung (vgl. Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13 Rn. 119). Danach sollte privilegiert sein nur der Rückfall im Rahmen eines fehlgeschlagenen Generationenüberganges. Eine Ausweitung der Rechtsfolge auf unvorhergesehene Rückfälle von Vermögensgegenständen in anderen Schenkungsfällen widerspräche somit der gesetzlich gewollten Beschränkung.
3. Der hilfsweise Antrag der Klägerin, ihr die Steuerbefreiung nach § 13c ErbStG in der Fassung vom 24. Dezember 2008 zu gewähren, ist ebenfalls unbegründet.
Nach § 13c Absatz 1 ErbStG waren Grundstücke, die zu Wohnzwecken vermietet werden, lediglich mit 90 Prozent ihres Wertes anzusetzen. Diese Vorschrift wurde durch Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts (Erbschaftsteuerreformgesetz – ErbStRG) vom 24. Dezember 2008 in das Gesetz eingefügt. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 ErbStRG konnte ein Erwerber bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung beantragen, dass die durch dieses Gesetz geänderten Vorschriften des ErbStG 2009, mit Ausnahme des § 16 ErbStG 2009, und des Bewertungsgesetzes auf Erwerbe von Todes wegen anzuwenden sind, für die die Steuer – wie im Streitfall – nach dem 31. Dezember 2006 und vor dem 1. Januar 2009 entstanden ist. Ist die Steuer, die auf einen Erwerb von Todes wegen nach dem 31. Dezember 2006 und vor dem 1. Januar 2009 entstanden ist, vor dem 1. Januar 2009 festgesetzt worden, kann der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes gestellt werden; in diesem Fall kann die Steuerfestsetzung entsprechend geändert werden (Art. 3 Abs. 2 ErbStRG). Das Gesetz ist am 1. Januar 2009 in Kraft getreten (Art. 6 Abs. 1 ErbStRG). Da Art. 3 ErbStRG bereits am 1. Juli 2009 wieder außer Kraft trat (Art. 6 Abs. 3 ErbStRG), konnte das Wahlrecht nur für den Zeitraum 1. Januar bis 30. Juni 2009 ausgeübt werden (vgl. BFH-Beschluss vom 21. November 2012 – II B 78/12 –, BFHE 238, 546, BStBl II 2013, 173).
Die Klägerin hat das Wahlrecht erstmals mit Schriftsatz vom 8. April 2017 – und damit verspätet – geltend gemacht. Mit dem Erlöschen des Wahlrechts scheidet nach Ablauf der Optionsfrist auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 AO aus (vgl. FG München, Urteil vom 16.04.2012 4 K 3893/09, juris, rechtskräftig durch BFH-Beschluss vom 21. November 2012 a. a. O.).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Absatz 1 FGO. Die Revision wurde gem. § 115 Absatz 2 Nummer 2 FGO zugelassen. Den Streitwert hat das Gericht gem. §§ 52, 63 des Gerichtskostengesetzes -GKG- festgesetzt.
(Erbschaftsteuer Immobilienfinanzierung)

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