ine Erbfolge, die sich erst unter Berücksichtigung der Ausschlagungserklärung eines Beteiligten ergibt, kann im Grundbucheintragungsverfahren nicht allein aufgrund der formgerechten Ausschlagungserklärung festgestellt werden

Erbrecht: Erbschein Erbausschlagung Grundbuch - Beschluss des OLG Hamm vom 22-03-2017 - Rechtsanwalt und Fachanwalt Erbrecht - Köln | Kanzlei Balg und Willerscheid

Beschluss des OLG Hamm vom 22.03.2017

Aktenzeichen: 15 W 354/16

Kurze Zusammenfassung der Entscheidung:

Eine Erbfolge, die sich erst unter Berücksichtigung der Ausschlagungserklärung eines Beteiligten ergibt, kann im Grundbucheintragungsverfahren nicht allein aufgrund der formgerechten Ausschlagungserklärung festgestellt werden.
Der Erblasser errichtete ein notarielles Testament. Zu seinem Alleinerben bestimmte er einen Enkel. Als Ersatzerbe wurde dessen Tochter eingesetzt.
Nach dem Erbfall wurde die Erbschaft vom Enkel ausgeschlagen. Die Ersatzerbin wurde Alleinerbin. Die Alleinerbin wandte sich an das Grundbuchamt, um dieses korrigieren zu lassen. Sie legte dem Grundbuchamt das notarielle Testament nebst Eröffnungsprotokolls und Ausschlagungsurkunde vor.
Das Grundbuchamt lehnte die beantragte Grundbuchkorrektur ab. Es verlangte die Vorlage eines Erbscheins zum Nachweis des Erbrechts. Gegen diese Entscheidung legte die Alleinerbin Beschwerde ein.
Das OLG Hamm half der Beschwerde nicht ab. Das Grundbuchamt muss aufgrund der vorgelegten Unterlagen selbstständig überprüfen, ob die Voraussetzungen für eine Grundbuchkorrektur vorliegen. Insofern reicht es im Regelfall aus, wenn das Erbrecht durch die Vorlage eines notariellen Testamentes nebst Eröffnungsbeschluss nachgewiesen wird.
Kommen jedoch andere Faktoren hinzu, wie die Ausschlagung der Erbschaft durch einen der testamentarischen Erben, so kann das Grundbuchamt aufgrund der vorgelegten Unterlagen nicht mehr nachvollziehen, wer tatsächlich Erbe geworden ist. So kann das Grundbuchamt zum Beispiel nicht aufgrund der vorgelegten Unterlagen nachvollziehen, ob die Erbausschlagung überhaupt wirksam war, wenn der Erbe zuvor die Erbschaft bereits durch schlüssiges Handeln angenommen hat. Dies würde der Ausschlagung der Erbschaft entgegenstehen. Die hierfür notwendigen Ermittlungen kann das Grundbuchamt selbst nicht durchführen. Hierfür sieht das Gesetz das Erbscheinsverfahren vor.
Da im vorliegenden Fall das Grundbuchamt aufgrund der erfolgten Ausschlagung nicht mehr in der Lage war, ohne eine weitergehende Sachverhaltsermittlung das Erbrecht nachzuvollziehen, musste das Grundbuchamt die Vorlage eines Erbscheins verlangen, da die erforderlichen Ermittlungen nur im Rahmen des Erbscheinsverfahrens durchgeführt werden können. Aus diesem Grunde verweigerte das Grundbuchamt zurecht die Korrektur des Grundbuches auf der Grundlage des vorgelegten notariellen Testamentes nebst Eröffnungsbeschluss und Ausschlagungsfrist. Die Alleinerbin muss folglich einen Erbschein beantragen und diesen beim Grundbuchamt vorlegen.

(Erbschein Erbausschlagung Grundbuch)

Tenor:

1) Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2) Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

(Erbschein Erbausschlagung Grundbuch)

Entscheidungsgründe:

Die Beschwerde ist nach den §§ 71 ff GBO zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Das Grundbuchamt hat der Beteiligten mit der Zwischenverfügung vom 19. Mai 2016 zu Recht die Vorlage eines Erbscheins aufgegeben.
Für die beantragte Grundbuchberichtigung (§ 22 GBO) ist der Nachweis der Erbfolge nach der am 16. Dezember 2015 verstorbenen C in der Form des § 35 Abs. 1 GBO erforderlich. Nach dieser Vorschrift ist der Nachweis der Erbfolge grundsätzlich durch einen Erbschein zu führen (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GBO). Beruht jedoch die Erbfolge auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, so genügt es gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO, wenn an Stelle des Erbscheins die Verfügung und die Niederschrift über die Eröffnung der Verfügung vorgelegt werden und sich aus diesen Urkunden die Erbfolge nachweisen lässt.
Dabei reichen in formaler Hinsicht die Vorlage beglaubigter Abschriften oder die Angabe des Aktenzeichens der beim Amtsgericht geführten Nachlassakte, in der sich die letztwillige Verfügung und das Eröffnungsprotokoll befinden, aus (Demharter, GBO, 29. Auflage, § 35, Rn.45). Ergeben sich bei der Prüfung der Verfügung von Todes wegen keine Zweifel tatsächlicher Art, so ist die Auflage, das Erbrecht durch Vorlage eines Erbscheins nachzuweisen, nicht gerechtfertigt. Die Prüfungspflicht nach § 35 GBO umfasst dabei nicht nur Form und Inhalt der Verfügung von Todes wegen. Das Grundbuchamt hat die Verfügung von Todes wegen auch dann selbst auszulegen, wenn rechtlich schwierige Fragen zu beurteilen sind. Bei der Auslegung sind auch außerhalb der Verfügung liegende Umstände zu berücksichtigen. Es entspricht der herrschenden Meinung, dass zum Nachweis der Erbfolge im Fall des § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO außer der öffentlichen Verfügung von Todes wegen auch andere öffentliche Urkunden im Sinn von § 29 GBO, die das Grundbuchamt auch sonst berücksichtigen muss, herangezogen werden können und müssen (Demharter aaO, § 35 Rn. 40). Es ist daher anerkannt, dass es Aufgabe des Grundbuchamtes ist, das gesamte Urkundenmaterial der ihm vorgelegte oder beizuziehenden Nachlassakte als Nachweis zu verwerten (OLG Hamm NJW-RR 1997, 1095 f). Die Grenze der Prüfungspflicht ist aber dort erreicht, wo hinsichtlich des behaupteten Erbrechts Zweifel tatsächlicher Art verbleiben, die nur durch weitere Ermittlungen – etwa über die tatsächlichen Verhältnisse – geklärt werden können; zu solchen Ermittlungen ist das Grundbuchamt weder verpflichtet noch berechtigt (OLG München RNotZ 2016, 683 – 686; FamRZ 2016, 1400 ff).
Im gegebenen Fall hat das Grundbuchamt in der angefochtenen Zwischenverfügung zu Recht ein Eintragungshindernis angenommen, weil es anhand der Eintragungsunterlagen und der weiteren von ihm zu berücksichtigen Urkunden eine abschließende Feststellung des Erbrechts der Beteiligten nicht treffen kann. Es besteht vorliegend die Besonderheit, dass sich die Erbfolge nicht ausschließlich aus dem für die Erbfolge nach C maßgeblichen notariellen Testaments vom 20. Oktober 2011 (UR-Nr. 225/2011 des Notars B) entnehmen lässt. Denn danach war als Alleinerbe zunächst der Enkel U benannt worden und die Tochter, die Beteiligte, nur als Ersatzerbin. Der Eintritt des Ersatzerbfalles, der vorliegend die Wirksamkeit der Ausschlagung des Erben erfordert, ist nicht in grundbuchrechtlich zulässiger Form nachgewiesen. Deshalb bedarf es zum Nachweis der Rechtsnachfolge der Beteiligten der Vorlage eines Erbscheins.
Dass der eingesetzte Erbe die Ausschlagung erklärt hat, ergibt sich vorliegend aus der notariell beglaubigten Ausschlagungserklärung des Erben vom 23. Februar 2016 und damit einer öffentlichen Urkunde des § 29 Abs. 1 Satz 1 GBO. Dass die Ausschlagung fristgerecht innerhalb der Ausschlagungsfrist gegenüber dem Nachlassgericht erklärt worden ist, ist nach der auch vom Grundbuchamt beigezogenen Nachlassakte des Amtsgerichts Lünen (4 VI 150/16) akten – und offenkundig. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfall und dem Grunde der Berufung Kenntnis erlangt hat (§ 1944 Abs. 2 Satz 1 BGB). Ist der Erbe durch Verfügung von Todes wegen berufen, so beginnt die Frist nicht vor der Verkündung der Verfügung (§ 1944 Abs. 2 Satz 2 BGB). Der frühestmögliche Fristbeginn ist folglich derjenige der Eröffnung der letztwilligen Verfügung, die hier ausweislich der Niederschrift über die Eröffnung (§ 35 Abs. 1 Satz 2 GBO) am 18. Januar 2016 erfolgt ist. Danach ist die Ausschlagung durch den Erben mit Eingang beim Nachlassgericht am 24. Februar 2016 offenkundig form- und fristgerecht erfolgt. Für die Feststellung der Wirksamkeit der Ausschlagung genügt dies allerdings noch nicht. Denn der förmliche Nachweis über Form und Frist der Ausschlagung deckt nicht weitere tatsächliche Fragen zur Wirksamkeit der Ausschlagung ab. Insbesondere kann vorliegend nicht ausgeschlossen werden, dass der zum Erben berufene Enkel der Erblasserin nach deren Tod am 16. Dezember 2015 und vor seiner Ausschlagungserklärung vom 23. Februar 2016 das Erbe bereits angenommen hatte. Gemäß § 1943 BGB schließt eine zuvor – auch schlüssig – erklärte Annahme die Ausschlagung aus. Auch wenn im gegebenen Fall keine Anhaltspunkte für eine vorangegangene Annahme der Erbschaft gegeben sind, kann die Möglichkeit, dass der Erbe bereits vor seiner Ausschlagung die Erbschaft angenommen hat, zB indem er Verfügungen über Nachlassgegenstände tätigte, die erkennen ließen, dass er sich als Rechtsnachfolger der Erblasserin verstanden hatte, nicht außer Betracht bleiben. Derartige Fälle, in denen sich ein Erbe erst nach der Annahme der Erbschaft zur Ausschlagung entschließt, kommen, wie dem auch mit Nachlasssachen betrauten Senat durch eigene Erfahrung bekannt ist, durchaus vor.
Die Wertfestsetzung beruht auf § 36 Abs.1, § 61 GNotKG.
(Erbschein Erbausschlagung Grundbuch)