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Beschluss des OLG Rostock vom 31.08.2011
Aktenzeichen: 3 W 58/11
Kurze Zusammenfassung der Entscheidung:
Im vorliegenden Fall stritten die Erben im Erbscheinsverfahren über das Erbrecht eines der Miterben. Einer der Miterben erhob nach Beantragung des Erbscheins eine Erbunwürdigkeitklage. Er trug vor, dass der fragliche Miterbe den Tod des Erblassers verursacht habe. Die Einzelheiten wurden aber nicht hinreichend substantiiert vorgetragen.
Nach Erhebung der Erbunwürdigkeitsklage beantragte der klagende Miterbe die Aussetzung des Erbscheinsverfahrens. Dies lehnte das Nachlassgericht ab. Hiergegen erhob der fragliche Miterbe Beschwerde. Der Beschwerde wurde nicht abgeholfen.
Das Beschwerdegericht stellte zwar fest, dass es grundsätzlich in das Ermessen des Nachlassgerichtes gestellt ist, bei Erhebung einer Erbunwürdigkeitsklage während eines laufenden Erbfeststellungsverfahrens, dass Erbfeststellungsverfahren auszusetzen, dass hierfür im konkreten Fall die Voraussetzungen aber nicht vorliegen. Hinsichtlich der Erbunwürdigkeitsklag kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass diese keine Aussicht auf Erfolg hat und das Nachlassgericht folglich von seinem Ermessen richtig Gebrauch gemacht hat, indem es die Aussetzung des Erbscheinsverfahrens ablehnte.
(Erbschein Erbunwürdigkeitsklage)
Tenor:
1. Das Beschwerdeverfahren wird nicht auf die Anregung der Beteiligten zu 3. hin ausgesetzt.
2. Die Beschwerde der Beteiligten zu 3. gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bergen auf Rügen vom 24.02.2011 wird zurückgewiesen.
3. Die Beteiligte zu 3. trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
4. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 60.000,00 € festgesetzt.
(Erbschein Erbunwürdigkeitsklage)
Entscheidungsgründe:
I. Die im Rubrum näher bezeichnete Erblasserin, die am 16.11.2010 verstorben ist, hatte in einem gemeinschaftlichen Testament mit ihrem vorverstorbenen Ehemann, in dem beide sich gegenseitig als befreite Vorerben eingesetzt hatten, die Beteiligten zu 1. bis 3. als ihre gemeinsamen Kinder zu Nacherben zu gleichen Teilen eingesetzt.
Am 14.01.2011 beantragten die Beteiligten zu 1. und 2. einen Erbschein des Inhalts, dass die Beteiligten zu 1. bis 3. Erben zu je 1/3 seien. Die Beteiligte zu 3., der zu diesem Antrag rechtliches Gehör gewährt wurde, wandte hiergegen ein, dass die Beteiligten zu 1. und 2. am Tod der Erblasserin schuld seien und zudem die Erblasserin gegen ihren Willen in ein betreutes Wohnen hätten verbringen und das zum Nachlass gehörende Hausgrundstück verkaufen wollen.
Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss festgestellt, dass die Beteiligten zu 1. bis 3. Erben zu je 1/3 nach der Erblasserin sind. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass Bedenken gegen das Testament nicht bestünden. Selbst aber wenn solche vorliegen würden, wäre ein Erbschein mit diesem Inhalt zu erteilen und daher diese Erbfolge festzustellen, weil die testamentarische der gesetzlichen Erbfolge entspreche. Soweit die Beteiligte zu 3. gegen die Feststellung der Erben offenbar Erbunwürdigkeit der Beteiligten zu 1. und 2. einwenden wolle, sei dies nicht im Erbscheinsverfahren, sondern im Rahmen einer Erbunwürdigkeitsklage zu prüfen. Letztere, die zur Aussetzung des Erbscheinsverfahrens führen könne, sei nicht anhängig.
Die Beteiligte zu 3. hat gegen diesen Beschluss unter dem 13.03.2011 Beschwerde eingelegt, der das Amtsgericht mit Beschluss vom 16.03.2011 nicht abgeholfen hat. Mit weiterem begründenden Schriftsatz vom 08.04.2011 greift sie die Wirksamkeit des Testaments unter Hinweis darauf an, dass die Zugehörigkeit eines Grundstückes zum Nachlass einer befreienden Vorerbenstellung widerspreche.
Auf den Hinweis der Senatsvorsitzenden, dass der Beschwerde wenig Aussicht auf Erfolg beizumessen sei, beantragt die Beteiligte zu 3. nunmehr, das Beschwerdeverfahren auszusetzen, da sie zwischenzeitlich eine Erbunwürdigkeitsklage anhängig gemacht habe und hierüber bereits das schriftliche Vorverfahren angeordnet sei.
Die Beteiligten zu 1. und 2. sind der Aussetzung des Erbscheinsverfahrens mit der Begründung entgegengetreten, dass die Erbunwürdigkeitsklage jedenfalls noch nicht rechtshängig sei. In der Sache selbst machen sie geltend, dass sie zeitnahe einen Erbschein benötigen, da zum Nachlass ein Haus gehöre, welches jetzt leer stehe. Da sich die Beteiligten auf eine Verwertung nicht einigen könnten, beabsichtigten die Beteiligten zu 1. und 2. die Teilungsversteigerung.
II.
1. Gemäß § 21 FamFG kann das Verfahren ausgesetzt werden, wenn hierfür ein wichtiger Grund vorliegt. Das ist u.a. dann der Fall, wenn eine Entscheidung in einem anderen Verfahren für die Entscheidung in dem auszusetzenden Verfahren vorgreiflich ist. Über die Aussetzung des Verfahrens kann das Gericht von Amts wegen entscheiden. Gleichwohl können die Parteien gem. § 24 Abs. 1 FamFG eine solche Entscheidung anregen. Als eine solche Anregung wertet der Senat den Aussetzungsantrag der Beteiligten zu 3.
Mit ihrem Aussetzungsantrag, dem sie die Erbunwürdigkeitsklage in Kopie beigefügt hat, macht die Beteiligte zu 3. deutlich, dass sie sich auch im Beschwerdeverfahren auf eine Erbunwürdigkeit der Beteiligten zu 1. und 2. stützen will. Ein mögliches Vorliegen der Erbunwürdigkeitsgründe des § 2339 Abs. 1 BGB führt nicht automatisch dazu, dass der Erbe seine Erbschaftsinhaberschaft verliert. Hierzu bedarf es gem. § 2340 BGB einer Anfechtung, die im Wege der Anfechtungsklage des § 2342 BGB zu erfolgen hat. Dementsprechend ist eine Anfechtung wegen Erbunwürdigkeit im Erbscheinsverfahren selbst nicht möglich (BayObLG, Beschl. v. 04.10.1973, BReg 1 Z 18/73, RPfleger 1973, 431; Palandt/Weidlich, BGB, 70. Aufl., § 2341 Rn. 1). Da aber eine rechtskräftige Gestaltungsklage, welche die Erbunwürdigkeit bestätigt, gem. § 2344 BGB dazu führt, dass die Erbschaftsinhaberschaft des Betroffenen rückwirkend entfällt und er demgemäß nicht mehr als Erbe festzustellen ist, ist das angestrengte Klageverfahren gegenüber dem Erbscheinsverfahren vorgreiflich.
Für eine Aussetzung des Verfahrens genügt es, wenn das weitere Verfahren, dessen Entscheidung vorgreiflich ist, anhängig und seinerseits nicht ausgesetzt ist. Eine Rechtshängigkeit ist nicht erforderlich (Keidel/Sternal, FamFG, 16. Aufl., § 21 Rn. 10).
§ 21 FamFG begründet für das entscheidende Gericht ein Recht, das Verfahren nach pflichtgemäßem Ermessen auszusetzen, jedoch keine Aussetzungspflicht (Keidel/Sternal, a.a.O., § 21 Rn. 8). Bei der Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens sind die Eigenarten des jeweiligen Verfahrens zu berücksichtigen und es ist zu prüfen, ob den Beteiligten eine Verzögerung der Entscheidung durch die Aussetzung zugemutet werden kann (Keidel/Sternal, a.a.O., § 21 Rn. 21 m.w.N.). Das Ermessen kann nur ausnahmsweise auf eine Aussetzungspflicht reduziert sein, wenn die Voraussetzungen einer Sachentscheidung im auszusetzenden Verfahren nicht geklärt werden können.
Der Senat hält es in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens nicht für geboten, das Feststellungsverfahren vorliegend auszusetzen. Dabei ist zu beachten, dass das Feststellungsverfahren Bestandteil des Erbscheinsverfahrens ist, das der Vorbereitung der Ausstellung des Erbscheins dient, wenn Streit über die Erbfolge besteht. Daher ist auch für dieses zu beachten, dass ein Erbschein das Erbrecht zum Zeitpunkt des Erbfalls in Gestalt einer widerleglichen Vermutung bescheinigt. Er weist daher die Erben, wie sie sich zum Zeitpunkt der Ausstellung des Erbscheins darstellen, aus. Künftige Veränderungen der Erbenstellung sind nur insoweit zu berücksichtigen, als sie bereits vorhersehbar sind. Dementsprechend kann eine Erbunwürdigkeitsklage bei pflichtgemäßer Ermessensausübung nur dann die Aussetzung des hiesigen Beschwerdeverfahrens rechtfertigen, wenn ihr nach dem Klagevorbringen eine gewisse Erfolgsaussicht zuzubilligen ist. Dann nämlich ist vorhersehbar, dass zumindest eine Änderung in der Erbenstellung durch rechtskräftiges Urteil und seine rückwirkende Wirkung mit gewisser Wahrscheinlichkeit eintreten kann. Hat die Klage hingegen schon nach dem Klagevorbringen keine Aussicht auf Erfolg und würde sie deshalb – ggf. durch zwei Instanzen – lediglich einer ergebnislosen Verzögerung des Feststellungs- und Erbscheinsverfahrens dienen, muss dem das Interesse der übrigen Erben auf Verwertung des Nachlasses und Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft in absehbarer Zeit überwiegen. Dies gilt umso mehr, wenn innerhalb der Erbengemeinschaft ein gemeinsames Handeln für diese nachhaltig erschwert ist.
So liegt der Fall hier. Der vorgelegten Erbunwürdigkeitsklage fehlt es aus Sicht des Senates an jedwedem Sachvortrag, der geeignet sein könnte, einen der Erbunwürdigkeitsgründe des § 2339 Abs. 1 Nr. 1 – 4 BGB, dessen Aufzählung abschließend ist, zu belegen. Die pauschale Behauptung, die Beteiligten zu 1. und 2. seien am Tod der Erblasserin schuld, wird in der Klageschrift nicht dargetan. Vielmehr war die Erblasserin gestürzt und hatte einen Herzinfarkt. Ebenso wenig greift der Vortrag, die Erblasserin habe dem Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1. und 2. eine behauptete Vollmacht aufgrund ihres Krankenhausaufenthaltes nicht mehr erteilen können, nicht durch. Selbst dies unterstellt, lässt es sich nicht unter § 2339 Abs. 1 Nr. 4 BGB subsumieren, weil es sich um ein strafbewehrtes Delikt in Ansehung einer letztwilligen Verfügung handeln müsste. Wenn auch der Senat abschließende Feststellungen zur Erbunwürdigkeit zu treffen nicht berufen ist, so obliegt es ihm doch, im Rahmen der Ermessensausübung eine Prognose der Erfolgsaussicht und damit der Änderung der Erbenstellung in seine Abwägung einzubeziehen.
Dem durchaus nachvollziehbaren Interesse der Beteiligten zu 1. und 2. an der Nachlassverwertung und der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft stehen weitergehende Interessen der Beteiligten zu 3. nicht erkennbar gegenüber. Selbst wenn sie das Klageverfahren mit Erfolg betreiben sollte, wäre sie durch die Fortsetzung des hiesigen Verfahrens nicht rechtlos gestellt. Zum einen würden im Falle der Feststellung der Erbunwürdigkeit der Beteiligten zu 1. und 2. deren Erben gem. § 2344 Abs. 2 BGB an ihre Stelle treten, so dass die Rechtsstellung der Beteiligten zu 3. hierdurch nicht verbessert würde. Sollte die Beteiligte zu 3. mangels weiterer Erben der Beteiligten zu 1. und 2. diese beerben, würde sie allerdings in die Rechtsstellung der erbunwürdigen Personen einrücken. Dann allerdings bliebe ihr gegenüber den Beteiligten zu 1. und 2. ein Herausgabeanspruch gem. §§ 812 ff. BGB, insbesondere des § 819 BGB.
Nach alledem war eine Verfahrensaussetzung nicht geboten.
2. Die gem. §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
a. Es ist bereits nicht erkennbar, was die Beteiligte zu 3. mit ihrer Beschwerde verfolgt. Sie begehrt lediglich die Abänderung des angefochtenen Beschlusses. Sie lässt aber offen, welchen Inhaltes die Abänderung sein soll. Da sowohl die testamentarische als auch die gesetzliche Erbfolge die gleiche ist, erscheint in Ansehung der Erbunwürdigkeitsklage allenfalls denkbar, dass die Feststellung ihrer Alleinerbenstellung begehrt. Für eine solche Feststellung und die anschließende Erteilung eines Erbscheins fehlt es jedoch bereits an einem Antrag und seiner Begründung.
b. Soweit die Beteiligte zu 3. die Beschwerde weiterhin auf die Erbunwürdigkeit der Beteiligten zu 1. und 2. stützen will, gilt das unter II. 1. gesagte.
c. Das Vorbringen in der Beschwerdeinstanz, mit welchem die Beteiligte zu 3. die Wirksamkeit des Testaments in Frage stellen will, hilft ihr nicht weiter. Die Unwirksamkeit des Testaments unterstellt, würde die gesetzliche Erbfolge eingreifen, nach welcher wiederum die Beteiligten zu 1. bis 3. Erben zu je 1/3 wären, so dass auch dieser Umstand nicht zu einer Unrichtigkeit des angefochtenen Beschlusses führen würde.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 131 Abs. 1 Nr. 1 KostO, § 84 FamFG.
Den Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens hat der Senat gem. §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1, 107 Abs. 2 KostO festgesetzt. Gemäß § 107 Abs. 2 KostO richtet sich die Geschäftswertbestimmung im Erbscheinsverfahren nach dem Wert des Nachlasses abzüglich der Nachlassverbindlichkeiten. Gleiches gilt gem. § 108 KostO für das Verfahren der Erbscheinseinziehung. Zur Bestimmung des Nachlasses hat der Senat auf die Angaben zum Wert des Nachlasses der Beteiligten zu 3. im Verfahren der Testamentseröffnung vor dem Amtsgericht Bergen auf Rügen zum Az. 10 IV 4/2010 zurückgegriffen.
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