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Beschluss des OLG Hamm vom 27.05.2014
Aktenzeichen: 15 W 144/13
Kurze Zusammenfassung der Entscheidung:
Im vorliegenden Fall hatten sich die Erblasser (Eheleute) wechselseitig durch notarielles Testament als Erben eingesetzt. Für den Fall, dass eines der Kinder gegenüber vom erbenden Elternteil den Pflichtteil verlangt, sollte dieser Abkömmling auch im 2. Erbfall nur den Pflichtteil erhalten.
Pflichtteilsansprüche wurden nicht geltend gemacht. Nach dem Tod des zweitversterbenden Elternteils beantragten die Erben die Korrektur des Grundbuches. Dem Grundbuchamt wurde das notarielle Testament nebst Eröffnungsbeschluss vorgelegt. Dennoch verlangte das Grundbuchamt die Vorlage eines Erbscheins, da das Grundbuchamt anhand der vorgelegten Unterlagen nicht nachvollziehen konnte, ob die Pflichtteilsstrafklausel im Zusammenhang mit dem 1. Erbfall ausgelöst wurde. Gegen diese Entscheidung wurde Beschwerde eingelegt.
Das Beschwerdegericht bestätigte die Entscheidung des Grundbuchamtes, da das Grundbuchamt nicht berechtigt ist, den Sachverhalt im Zusammenhang mit den Erbfällen aufzuklären. Dies ist dem Nachlassgericht im Rahmen des Erbscheinsverfahrens vorbehalten. Aus diesem Grunde war das Grundbuchamt berechtigt, die Vorlage des Erbscheins zu verlangen, da nur im Erbscheinsverfahrens die Frage geklärt werden kann, ob die Pflichtteilsstrafklausel ausgelöst wurde.
(Erbschein Pflichtteilsstrafklausel Grundbuch)
Tenor:
1) Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2) Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 500,00 Euro festgesetzt.
Entscheidungsgründe:
Die Beschwerde des Beteiligten ist nach den §§ 71 GBO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die angefochtene Verfügung enthält inhaltlich die Auferlegung der Verpflichtung, zur Durchführung der Grundbuchberichtigung nach dem Tode der Mutter des Beteiligten einen Erbschein beizubringen. Die Verfügung findet ihre rechtliche Grundlage in § 82 S. 1 GBO (siehe dazu die nachstehenden Ausführungen). Nach der Rechtsprechung des Senats, von der abzurücken er keinen Anlass sieht, ist bereits die Verfügung, durch die einem Beteiligten eine Verpflichtung im Sinne des § 82 S. 1 GBO auferlegt wird, mit der Beschwerde nach § 71 Abs. 1 GBO anfechtbar (FGPrax 2011, 322). Der Senat geht davon aus, dass die Beschwerde des Beteiligten sich nicht auch zusätzlich gegen die weitere ausgesprochene \”Androhung\” eines Zwangsgeldes in Höhe von 200,00 € richtet. Diese Androhung ist verfahrensrechtlich ohnehin gegenstandslos, weil sie als Voraussetzung für eine spätere Festsetzung eines Zwangsgeldes in der dafür maßgeblichen Vorschrift des § 35 FamFG nicht mehr vorgesehen ist.
In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet. Nach § 82 S. 1 GBO soll das Grundbuchamt, wenn das Grundbuch hinsichtlich der Eintragung des Eigentümers außerhalb des Grundbuchs unrichtig geworden ist, dem Eigentümer die Verpflichtung auferlegen, den Antrag auf Berichtigung des Grundbuchs zu stellen und die zur Berichtigung des Grundbuchs erforderlichen Unterlagen zu beschaffen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen hier vor:
Die verstorbene Mutter des Beteiligten ist in Abt. I des Grundbuchs neben einer Reihe anderer Personen als Eigentümerin in Gesellschaft bürgerlichen Rechts eingetragen. Diese Eintragung gilt mit dem Inkrafttreten des ERVGBG vom 18.08.2009 (Art. 229 § 21 EGBGB) als Eintragung der teilrechtsfähigen BGB-Gesellschaft im Sinne des § 899 a S. 1 BGB. An die Eintragung der Gesellschafter knüpft sich die besondere Vermutungswirkung des § 899 a S. 1 BGB. Im Hinblick darauf erweitert § 82 S. 3 GBO den Grundbuchberichtigungszwang auch auf die Eintragung eines Gesellschafters, und zwar auch in den Altfällen, in denen ihre Eintragung noch vor Inkrafttreten des ERVGBG erfolgt ist.
Die Eintragung der Mutter des Beteiligten ist durch ihren Tod unrichtig geworden. Aufgrund des notariellen Testaments der Eltern des Beteiligten vom 24.03.1995 steht fest, dass der Beteiligte zumindest Miterbe nach seiner letztverstorbenen Mutter geworden ist. Das Grundbuchamt konnte deshalb Maßnahmen des Berichtigungszwangs gegen den Beteiligten richten. Der Beteiligte hat seine Verpflichtung zur Mitwirkung an der Grundbuchberichtigung nicht bereits dadurch erfüllt, dass er am 12.03.2012 einen Antrag auf Berichtigung des Grundbuchs gestellt hat. Denn seine Verpflichtung erstreckt sich nach § 82 S. 1 GBO ausdrücklich auch auf die Beschaffung der zur Berichtigung notwendigen Unterlagen. Dazu gehört im Falle der Erbfolge insbesondere die Beschaffung eines Erbscheins, soweit dieser im Rahmen des § 35 GBO zur Berichtigung erforderlich ist. Die Beibringung eines Erbscheins kann deshalb auch isoliert Gegenstand einer Maßnahme des Berichtigungszwangs sein.
Zu Recht hat das Grundbuchamt angenommen, dass hier zur Berichtigung des Grundbuchs die Vorlage eines Erbscheins unabweisbar erforderlich ist. Nach § 35 Abs. 1 S. 1 GBO kann der Nachweis der Erbfolge grundsätzlich nur durch einen Erbschein geführt werden. Beruht jedoch die Erbfolge auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, so genügt nach § 35 Abs. 1 S. 2 Halbs. 1 GBO die Vorlage dieser Verfügung und die Niederschrift über deren Eröffnung. Diese Ausnahmebestimmung greift in der hier vorliegenden Fallkonstellation nicht ein. Hier liegt allerdings das eröffnete notarielle Testament der Eltern des Beteiligten vom 24.03.1995 vor. In einem solchen Fall hat das Grundbuchamt das Testament auch inhaltlich darauf zu prüfen, ob durch die Urkunde diejenige Erbfolge belegt ist, die durch die beantragte Berichtigung im Grundbuch vollzogen werden soll. Wenn sich durch die Prüfung Zweifel ergeben, die nur durch weitere Ermittlungen über den Willen des Erblassers oder über die tatsächlichen Verhältnisse geklärt werden können, muss das Grundbuchamt auf der Vorlage eines Erbscheins bestehen. Zur Durchführung eigener Ermittlungen ist das Grundbuchamt nicht befugt (vgl. etwa BayObLG Rpfleger 2000, 266; OLG Köln Rpfleger 2000, 157; Senat Rpfleger 2001, 71). So liegen die Dinge hier:
Der Beteiligte ist in der notariellen Urkunde gerade nicht als Alleinerbe seiner letztverstorbenen Mutter, sondern lediglich als Miterbe neben seiner Schwester zu je ½ Anteil eingesetzt. Allerdings ist die Erbenstellung seiner Schwester dadurch auflösend bedingt (§ 2075 BGB), dass sie nach dem Tode des erstverstorbenen Vaters ihren Pflichtteil verlangt hat. Ob diese auflösende Bedingung eingetreten ist, lässt sich der vom Grundbuchamt zu prüfenden notariellen Urkunde gerade nicht entnehmen, sondern muss aufgrund einer näheren Prüfung der tatsächlichen Vorgänge erst festgestellt werden. Eine solche Feststellung ist aufgrund des lediglich einseitigen Vorbringens des Beteiligten nicht möglich, mögen auch die von ihm vorgelegten Kopien in diese Richtung weisen.
In der Vergangenheit ist verschiedentlich die Möglichkeit anerkannt worden, dass eine Lücke des Nachweises für das in Anspruch genommene Erbrecht, die sich im Hinblick auf die Möglichkeit von Negativtatsachen ergibt, auch im Verfahren vor dem Grundbuchamt durch eine eidesstattliche Versicherung geschlossen werden kann, beispielhaft wenn es um das Nichtvorhandensein weiterer von dem Erblasser nicht namentlich benannter Abkömmlinge geht (vgl. etwa BayObLG FGPrax 2000, 179; OLG Frankfurt Rpfleger 1980, 434; OLG Zweibrücken OLGZ 1985, 408; Senat FGPrax 2011, 223). Diese Rechtsprechung kann auf den hier von dem Beteiligten positiv zu erbringenden Nachweis, dass die Erbeinsetzung seiner Schwester durch Eintritt einer auflösenden Bedingung weggefallen und deren Erbteil ihm angewachsen ist, nicht übertragen werden. Die Prüfung, ob die Bedingung einer Pflichtteilsstrafklausel eingetreten ist, kann im Einzelfall schwierige tatsächliche und rechtliche Fragen aufwerfen, die nur im Erbscheinsverfahren entschieden werden können, das gewährleistet, dass allen Beteiligten das rechtliche Gehör gewährt und die erforderliche Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen (§ 26 FamFG) durchgeführt wird.
Die gesetzliche Vorschrift des § 82 GBO nimmt in Kauf, dass der mit einer Maßnahme des Berichtigungszwangs in Anspruch genommene Beteiligte die Kosten des Erbscheinsverfahrens selbst tragen muss. Der Hinweis des Beteiligten auf seine Mittellosigkeit gibt lediglich Anlass für den Hinweis auf die Möglichkeit, im Erbscheinsverfahren die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zu beantragen (§ 76 FamFG).
Die Wertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 131 Abs. 3, 30 Abs. 1 und 3 KostO.
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