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Beschluss des OLG Rostock vom 27.04.2010
Aktenzeichen: 3 W 104/09
Kurze Zusammenfassung der Entscheidung:
Im vorliegenden Fall stellte der Erblasser beim Familiengericht einen Scheidungsantrag. Bereits vor Zustellung des Scheidungsantrages an die Ehefrau kündigte diese an, der Scheidung zuzustimmen. Nach Zustellung des Scheidungsantrages stellte die Ehefrau sodann einen eigenen Scheidungsantrag. Sodann verstarb der Erblasser.
Die Ehefrau des Erblassers stellte, gemeinsam mit ihrem Sohn, einen Antrag auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins. Sie führte aus, dass die Eheleute sich im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht hätten auszusöhnen können. Das Nachlassgericht wies den Antrag zurück. Hiergegen legte die Ehefrau Beschwerde ein.
Das Beschwerdegericht half der Beschwerde nicht ab. Das Beschwerdegericht ging vielmehr davon aus, dass die Voraussetzungen für die beantragte Scheidung zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers vorlagen, sodass das Ehegattenerbrecht der Ehefrau durch die gestellten Scheidungsanträge entfallen war. Ein entsprechendes Erbrecht konnte nach Ansicht des Beschwerdegerichtes aus der bloßen Möglichkeit einer Versöhnung im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht nicht abgeleitet werden. Folglich konnte der beantragte gemeinschaftliche Erbschein nicht erteilt werden, da die Ehefrau des Erblassers nicht dessen Erbin geworden war.
(Erbschein Scheidungsantrag Versöhnung)
Tenor:
1) Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Schwerin vom 06.10.2009 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
2) Der Beschwerdewert wird auf 3.000,00 € festgesetzt.
(Erbschein Scheidungsantrag Versöhnung)
Entscheidungsgründe:
I. Die Antragstellerin begehrt die Erteilung eines Erbscheines, der sie selbst und den Sohn des Erblassers, den Beteiligten zu 2., als dessen Erben zu je 1/2 ausweist.
Zwischen dem Erblasser und der Antragstellerin, die am xxx die Ehe eingegangen waren, war seit November 2008 vor dem Amtsgericht Schwerin ein Ehescheidungsverfahren anhängig, Az.: 20 F 387/08. Das Verfahren wurde auf Antrag des Erblassers eingeleitet, der in seiner Antragsschrift ausführte, die Parteien lebten seit September 2007 innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt.
Die Antragstellerin erklärte durch ihren Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 19.11.2008, dass auch sie die Ehe für gescheitert halte und der Scheidung zustimmen oder selbst Scheidungsantrag stellen werde. Die Angaben des Erblassers zur Trennungszeit würden bestätigt. Mit Schriftsatz vom 04.12.2008 erklärte sie durch ihren Prozessbevollmächtigten, dass sie die Ehe ebenfalls für gescheitert halte und eigenen Ehescheidungsantrag stelle. Noch vor dem vom Familiengericht anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung und persönlichen Anhörung am 03.06.2009 verstarb der Erblasser.
Mit Schriftsatz vom 21.07.2009 wendete die Antragstellerin sich durch ihre Rechtsanwältin an das Nachlassgericht und ließ ankündigen, dass sie und ihr Sohn einen gemeinsamen Erbschein beantragen würden. Ihr Ehegattenerbrecht sei nicht ausgeschlossen, da sie ihre Ehe nicht als endgültig zerrüttet angesehen habe und nicht ausschließe, dass es vor Rechtskraft eines Scheidungsurteils zu einer dauerhaften Versöhnung hätte kommen können. Dem werde auch der Sohn nicht entgegentreten.
Am 10.09.2009 hat die Antragstellerin zu Protokoll des Nachlassgerichts beantragt, einen gemeinsamen Erbschein für sie und ihren Sohn auszustellen. Zur Begründung hat sie angegeben, aus ihrer Sicht sei auch sie Erbin, da sie zum Todeszeitpunkt mit dem Erblasser verheiratet gewesen sei, auch wenn ein Scheidungsverfahren anhängig gewesen sei.
Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 06.10.2009 den Erbscheinsantrag zurückgewiesen mit der Begründung, dass das Erbrecht der Antragstellerin nach § 1933 BGB ausgeschlossen sei. Die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe seien gegeben gewesen, der Erblasser habe die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt. Die Vermutung gem. § 1566 Abs. 1 BGB liege vor, da die Eheleute seit einem Jahr getrennt lebten und beide die Scheidung beantragt hätten. Soweit die Antragstellerin vorgetragen habe, sie sei nicht von einer endgültigen Zerrüttung der Ehe ausgegangen und habe sogar eine Versöhnung für denkbar gehalten, stehe dies im direkten Widerspruch zu den Angaben im Scheidungsverfahren. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 06.10.2009 verwiesen.
Mit am 04.11.2009 eingegangenem Schriftsatz hat die Antragstellerin Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, die Zerrüttung der Ehe mit dem Erblasser sei nicht festgestellt, die Trennung sei erst im August 2008 mit dem Auszug der Antragstellerin aus der gemeinsamen Wohnung erfolgt. In der persönlichen Anhörung hätte das Nachlassgericht erfragen können, dass die Frist des Trennungsjahres noch gar nicht abgelaufen gewesen sei.
Mit Beschluss vom 10.11.2009 hat das Nachlassgericht entschieden, der Beschwerde aus den Gründen des Beschlusses vom 06.10.2009 nicht abzuhelfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung über die Beschwerde vorzulegen. Der Senat hat vor seiner Entscheidung den Sohn der Antragstellerin angehört.
II. Die Beschwerde ist gem. § 58 FamFG zulässig, insbesondere ist das Oberlandesgericht gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 b GVG, Art. 111 Abs. 1 FGG-RG zuständig, da der Erbscheinsantrag nach dem 01.09.2009 gestellt wurde.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.
Das Nachlassgericht hat zu Recht die Erteilung eines Erbscheines, der die Antragstellerin als Miterbin ausweist, unter Verweis auf § 1933 Satz 1 BGB zurückgewiesen.
Nach § 1933 BGB entfällt das Erbrecht des überlebenden Ehegatten, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte.
Der Scheidungsantrag des Erblassers ist dem Bevollmächtigten der Antragstellerin am 26.11.2008 zugestellt worden. Die Antragstellerin hat im Schriftsatz vom 04.12.2008 im rechtshängigen Scheidungsverfahren einen Anschlussantrag gestellt, nachdem sie bereits mit Schriftsatz vom 19.11.2008 angekündigt hatte, der Scheidung zuzustimmen.
Das Scheidungsverfahren war zum Zeitpunkt des Erbfalls auch noch rechtshängig, keiner der Eheleute hat seinen Antrag zurückgenommen.
Die abstrakte Möglichkeit der Antragstellerin, im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht den Scheidungsantrag zurückzunehmen oder die Zustimmung zu widerrufen, hindert den Ausschluss des Ehegattenerbrechts nicht. Zutreffend hat das Nachlassgericht festgestellt, dass ein Widerruf bzw. eine Antragsrücknahme nicht erfolgt sind. Es hat auch mit nachvollziehbarer und in sich widerspruchsfreier Bewertung in den von den Eheleuten im Scheidungsverfahren gemachten Angaben Anhaltspunkte, dass die Voraussetzungen des § 1933 Satz 1 BGB entfallen seien, nicht gesehen.
Soweit die Antragstellerin im Erbscheinsverfahren durch ihre Anwältin hat vortragen lassen, dass sie nicht ausgeschlossen habe, dass man sich vor Rechtskraft eines Scheidungsurteils noch versöhnt hätte, ist dies nicht geeignet, die Voraussetzungen des § 1933 Satz 1 BGB entfallen zu lassen. Konkrete Anhaltspunkte, dass die Parteien es sich entgegen der bisherigen Absichtsbekundungen anders überlegt hätten, ergeben sich daraus nicht.
Soweit die Antragstellerin nunmehr mit ihrer Beschwerde vorträgt, die Eheleute seien noch gar nicht ein Jahr getrennt lebend gewesen, sondern hätten sich erst nach einem gemeinsamen Urlaub im August 2008 getrennt, konnte sich der Senat, obwohl hierzu noch der Sohn der Antragstellerin angehört wurde, der die Angaben bestätigt hat, nicht vom Wahrheitsgehalt dieser Angaben überzeugen.
Der Vortrag im Erbscheinsverfahren widerspricht den Angaben, die der Erblasser in seinem Scheidungsantrag getätigt hat, nämlich dass bereits im September 2007 die Trennung endgültig gewesen sei. Es widerspricht auch den Angaben der Antragstellerin aus dem Schriftsatz vom 19.11.2008 in der Familiensache, in der sie die vom Erblasser angegebene Trennungszeit ausdrücklich bestätigt hat. Es ist nicht zu beanstanden, wenn das Nachlassgericht den späteren Angaben der Antragstellerin, die im Widerspruch zu ihren Angaben aus dem Scheidungsverfahren stehen, keinen Glauben schenkt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass beide Eheleute Prozesskostenhilfe im Ehescheidungsverfahren beantragt und bewilligt bekommen haben. Ein Motiv, dass beide zu Lasten der Staatskasse einen Betrug begehen wollten, erschließt sich zu diesem Zeitpunkt nicht. Ein Motiv erschließt sich erst zum jetzigen Zeitpunkt und im Erbscheinsverfahren, da – wie die Antragstellerin zutreffend ausführt – es für sie hinsichtlich des Zugewinnausgleichs einfacher wäre, Miterbin zu sein.
Für die Beurteilung der Erbenschaft kommt es auch nicht maßgeblich darauf an, dass der weitere Erbe, der Sohn der Antragstellerin, sich nicht auf die Voraussetzungen des § 1933 BGB beruft. Soweit er die Daten zum letzten gemeinsamen Urlaub seiner Eltern und Auszug sogar schriftlich bestätigt hat, vermag auch dies den Senat nicht zu überzeugen, dass die im Erbscheinsverfahren genannten Daten zutreffen. Auch insoweit ist zu berücksichtigen, dass es – wie die Antragstellerin bereits ausgeführt hat – für sie und ihren Sohn einfacher wäre, wenn sie als Miterben einen Erbschein erhielten, als wenn sie gegen ihren Sohn ihre Zugewinnausgleichsansprüche geltend machen müsste.
Der Beschwerde ist zuzustimmen, dass die Beweislast für die Voraussetzungen der Erbausschließung bei demjenigen liegen, der sich darauf beruft. Darum geht es vorliegend jedoch in erster Linie nicht. Hat das Nachlassgericht ausreichende Anhaltspunkte, dass eine Erbausschließung vorliegt, steht es im pflichtgemäßen Ermessen des Nachlassgerichts, von Amts wegen weitere zur Feststellung des Erbrechts gem. § 2359 BGB erforderlich erscheinenden Ermittlungen vorzunehmen, insbesondere die Akte des Familiengerichts beizuziehen (so auch OLG Hamm, Beschl. v. 08.07.1992, 15 W 138/92, NJW-RR 1992, 1483 ff.).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 84 FamFG, 131 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KostO.
Der Beschwerdewert wurde mangels tatsächlicher Anhaltspunkte gemäß §§ 131 Abs. 4, 31, 30 Abs. 2 KostO festgesetzt .
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