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Beschluss des OLG München vom 31.05.2012
Aktenzeichen: 34 Wx 15/12
Kurze Zusammenfassung der Entscheidung:
Wird durch Abschluss eines Erbvertrages die Übertragung eines Grundstücks für den Todesfall vereinbart, so stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen das Grundbuchamt den Eigentümerwechsel eintragen muss, wenn im Erbvertrag zu Lasten des Bedachten eine Leistungspflicht zu Lebzeiten des Erblassers vereinbart wurde.
Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass der Bedachte lediglich den Erbvertrag vorliegen muss, ohne dass er verpflichtet ist, die Erfüllung seiner Leistungspflichten zu Lebzeiten des Erblassers nachzuweisen. Mit diesem Ergebnis weicht das Gericht von der bisherigen Praxis ab, die vom Bedachten verlangt, dass die Erfüllung der vereinbarten Leistungspflichten an Eides statt versichert werden muss.
(Erbvertrag Grundbuch Leistungspflicht)
Tenor:
1) Auf die Beschwerde des Beteiligten wird der Beschluss des Amtsgerichts München – Grundbuchamt – vom 25. Oktober 2011 aufgehoben.
2) Das Grundbuchamt wird angewiesen, den Beteiligten auf seinen Antrag vom 20. Juni 2011 als Eigentümer des im Grundbuch des Amtsgerichts München von Schäftlarn Bl. 1762 vorgetragenen Grundstücks Flst 1117/7 sowie auf diesem Grundstück die mit notarieller Urkunde vom 16. Juni 2011 bestellte Grundschuld über 25.000 € für die Kreissparkasse München Starnberg Ebersberg einzutragen.
Entscheidungsgründe:
Der Beteiligte ist in Erbengemeinschaft mit seiner Mutter Marie F. im Grundbuch zur Hälfte als Eigentümer von Grundbesitz (Gebäude- und Freifläche) eingetragen. Eigentümerin des anderen Hälfteanteils ist seine Mutter, die am 6.3.2011 verstorben ist. Mit am 20.6.2011 eröffnetem Erbvertrag vom 21.1.1991 hatte die Verstorbene den Beteiligten zum Alleinerben eingesetzt. Bezogen auf diesen Grundbesitz hat der Beteiligte unter IV.2. für die Erbeinsetzung folgende Gegenleistungen übernommen:
1. (…….)
2. Frau Marie F. ist berechtigt, vorstehendes Anwesen auf Lebensdauer unentgeltlich zu bewohnen, wobei sie lediglich die Verbrauchskosten (…) zu tragen hat.
Herr … (= Beteiligter) verpflichtet sich, alle übrigen Kosten, die für den genannten Grundbesitz, insbesondere für den Unterhalt des Hauses anfallen, ab heute allein zu tragen.
Er verpflichtet sich außerdem, das Haus in einem stets bewohnbaren und beheizbaren Zustand zu erhalten.
Mit notarieller Urkunde vom 16.6.2011 bestellte der Beteiligte für ein Kreditinstitut eine Grundschuld in Höhe von 25.000 € auf dem Grundbesitz und beantragte und bewilligte die Eintragung im Grundbuch. Zudem beantragte er unter Verweis auf den Erbvertrag und die Nachlassakte Grundbuchberichtigung.
Mit Zwischenverfügung vom 21.7.2011 setzte das Grundbuchamt dem Beteiligten Frist zur Vorlage eines Erbscheins, da der notarielle Erbvertrag nicht als Erbnachweis genüge. Aus ihm ergebe sich das Erbrecht des Beteiligten nicht in eindeutiger Weise. Wegen der Erbeinsetzung unter der Übernahme von Gegenleistungen durch den Beteiligten könne die Erbeinsetzung wieder weggefallen sein. Zwar bestehe die Möglichkeit, dass der Erblasser nur ein Rücktrittsrecht nach § 2295 BGB erlangt habe, was zur Folge hätte, dass die Nichtausübung des Rücktrittsrechts dem Grundbuchamt nicht nachzuweisen sei. Die Nichterfüllung der Verpflichtung könne aber auch zur auflösenden Bedingung der Erbeinsetzung gemacht worden sein (§ 158 Abs. 2 BGB), und zwar auch stillschweigend, was bei Leistungsverpflichtungen während der Lebensdauer der Erblasserin nahe liege. Eine Auslegung, welche Variante gewollt sei, sei dem Grundbuchamt nicht möglich. Hierauf komme es aber entscheidend an, da bei Vorliegen einer auflösender Bedingung ein Erbschein verlangt werden müsse. Es stehe nicht fest, dass der Beteiligte alle Kosten – wie vereinbart – getragen und das Haus in einem stets bewohnbaren Zustand erhalten habe. Dass er seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen sei, sei nicht nur eine ganz entfernt liegende Möglichkeit.
Mit Beschluss vom 25.10.2011 hat das Grundbuchamt die Eintragungsanträge kostenpflichtig zurückgewiesen, da die in der Zwischenverfügung aufgezeigten Eintragungshindernisse in der gesetzten Frist nicht behoben worden seien.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten. Abgesehen von formellen Beanstandungen wird diese u. a. darauf gestützt, dass die Voraussetzungen, unter denen das Grundbuchamt trotz einer in einer notariellen Urkunde enthaltenen letztwilligen Verfügung die Vorlage eines Erbscheins verlangen könne, nicht gegeben seien. Abstrakte Zweifel oder bloße Vermutungen reichten nicht. Dabei könnten hier etwaige Nachweise wie gegenüber dem Nachlassgericht geführt werden. Zumindest sei als Nachweisform die eidesstattliche Versicherung zuzulassen.
Im konkreten Fall sei mit dem Erbvertrag ein Rechtsgeschäft unter Lebenden verbunden. Die vom Grundbuchamt gefundene Auslegung entspreche nicht der Rechtslage und dem Sachverhalt. Bei einem notariellen Erbvertrag mit Vertrag unter Lebenden sei es unwahrscheinlich, dass die Urkunde dazu schweigen würde, wenn man den Wegfall der Verpflichtung unter Lebenden als Bedingung für die Erbeinsetzung vereinbaren wollte. Über § 2295 BGB sei ein ausreichendes Mittel für den Erblasser gegeben, um zu reagieren. Auch nach § 2295 BGB müsse die Verpflichtung als solche weggefallen sein, was aber auch für den Eintritt einer auflösenden Bedingung zu fordern sei.
Im Übrigen habe die Erblasserin bis zu ihrem Tod in dem Anwesen gewohnt. Angesichts der Umstände sei eine Schlechterfüllung der Unterhalts- und Erhaltungspflicht durch den Erben unwahrscheinlich.
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Es meint, dass nicht nur der Wegfall der Leistungsverpflichtung, sondern auch die Nichterfüllung der Verpflichtung selbst zur auflösenden Bedingung gemacht worden sein könne. Eine eidesstattliche Versicherung reiche deswegen nicht aus und würde auch vom Nachlassgericht nicht als ausreichend erachtet, weil es sich bei der vollständigen Erfüllung der Gegenleistungspflicht um eine positive Tatsache handle.
Der Beteiligte hält eine Auslegung der Urkunde, wonach eine auflösende Bedingung auch bei Verletzung der Verpflichtung zur Instandhaltung oder der Tragung von Lasten und Kosten konkludent vereinbart sei, für außerhalb der Lebenserfahrung liegend. Es sei nämlich schon fraglich, unter welchen Voraussetzungen eine solche Bedingung eintreten solle.
II. Die zulässig erhobene Beschwerde (§ 71 Abs. 1, § 73 i.V.m § 15 Abs. 2 GBO) gegen die Antragszurückweisung hat in der Sache Erfolg. Ihr steht nicht entgegen, dass die Zwischenverfügung nicht angefochten wurde (Demharter GBO 28. Aufl. § 18 Rn. 54). Die Erbeinsetzung ist in einer öffentlichen Urkunde enthalten. Die Erbfolge ist durch diese der Auslegung durch das Grundbuchamt zugängliche Urkunde nachgewiesen. Weitergehende Nachweise sind für die begehrte Berichtigung und die Eintragung der Grundschuld nicht zu verlangen. Das Grundbuchamt ist demgemäß anzuweisen, die beantragten Eintragungen vorzunehmen.
1. Nach § 35 Abs. 1 GBO kann der Nachweis der Erbfolge nur durch einen Erbschein geführt werden. Beruht aber die Erbfolge auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, wie hier in einem Erbvertrag (vgl. § 2276 Abs. 1 Satz 1 BGB), so genügt es, wenn an Stelle des Erbscheins die Verfügung von Todes wegen und die Niederschrift über die Eröffnung der Verfügung vorgelegt werden (§ 35 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 GBO). Das Grundbuchamt kann jedoch die Vorlegung des Erbscheins verlangen, wenn die Erbfolge durch diese Urkunden nicht als nachgewiesen erachtet wird (§ 35 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 GBO).
Dem Grundbuchamt obliegt es, die in der öffentlichen Urkunde enthaltene Verfügung von Todes wegen sowohl nach ihrer äußeren Form als auch nach ihrem Inhalt zu prüfen (herrschende Meinung, siehe Senat vom 12.1.2012, 34 Wx 501/11 = NotBZ 2012, 179, und zuletzt vom 25.1.2012, 34 Wx 316/11 bei juris). Es steht auch nicht in dessen Belieben, ob es einen Erbschein verlangen will oder ihm die in § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO genannten Beweismittel genügen. Vielmehr hat das Grundbuchamt selbstständig zur Frage der Erbfolge Stellung zu nehmen, gegebenenfalls auch den Willen des Erblassers durch Auslegung zu ermitteln und Zweifel durch Anwendung des Gesetzes auf die Verfügung zu lösen (Senat aaO.). Es hat in diesem Rahmen auch gesetzliche Auslegungsregeln zu berücksichtigen, wenn das Nachlassgericht voraussichtlich darauf zurückgreifen müsste (OLG Schleswig FGPrax 2006, 248). Seine Pflicht zur Auslegung entfällt nur dann, wenn für die Auslegung tatsächliche Umstände wesentlich sind, die erst aufgeklärt werden müssten. Dazu ist nämlich im Grundbucheintragungsverfahren kein Raum (OLG Schleswig und Senat je aaO.).
Die inhaltliche Überprüfung der letztwilligen Verfügung muss zu einem eindeutigen Ergebnis führen. Nicht nachgewiesen ist die Erbfolge, wenn tatsächliche Ermittlungen über Umstände, die sich außerhalb dieser oder anderer öffentlicher Urkunden befinden, angestellt werden müssen (§ 35 Abs. 1 Satz 2 GBO; vgl. Demharter GBO § 35 Rn. 39 und 40; Hügel/Wilsch GBO 2. Aufl. § 35 Rn. 104). Das Grundbuchamt darf die Eintragung nur versagen, wenn sich nach erschöpfender rechtlicher Würdigung konkrete Zweifel ergeben. Abstrakte Zweifel oder bloße Vermutungen genügen nicht (siehe Senat vom 25.1.2012; vgl. Meikel/Roth GBO 10. Aufl. § 35 Rn. 125).
2. Die vom Grundbuchamt geäußerten Zweifel an der nachgewiesenen Erbfolge bestehen bei sachgerechter Auslegung des Erbvertrags nach den Grundsätzen des § 133 BGB nicht.
a) Nach wohl herrschender Meinung (vgl. Hügel/Wilsch § 35 Rn. 105 ff. und 110; a. A. LG Kleve MittRhNotK 1989, 273) können eine Pflichtteilsstrafklausel ebenso wie ein Rücktrittsvorbehalt zu einer Lücke im Nachweis der Erbfolge führen. Solche Klauseln liegt hier nicht vor. Die immer gegebene Möglichkeit, dass nachträglich die Erbeinsetzung etwa wegen einer späteren Verfügung von Todes wegen entfällt, genügt nicht (OLG Frankfurt FGPrax 1998, 207). Dies sieht auch das Grundbuchamt so.
b) Auch wenn ein Rücktrittsvorbehalt nicht ausdrücklich vereinbart ist, kann sich ein gesetzliches Rücktrittsrecht aus § 2295 BGB ergeben, wenn – wie hier – die Verfügung mit Rücksicht auf eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung des Bedachten, dem Erblasser für dessen Lebenszeit wiederkehrende Leistungen zu entrichten, getroffen ist. Voraussetzung für das Rücktrittsrecht ist, dass die Verpflichtung vor dem Tode des Erblassers aufgehoben wird. Hier gilt aber das oben Gesagte, dass ein gesetzliches Rücktrittsrecht als abstrakte Möglichkeit nur unter ganz besonderen Umständen das Erbrecht in Frage stellen kann. Die bloße Möglichkeit genügt nicht. Das Grundbuchamt muss, wenn die auch für Erbverträge geltende Vorschrift des § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO ihren Sinn behalten soll, vom Vorliegen des Regelfalls solange ausgehen, wie es keinen besonderen Anlass zu Bedenken hat (vgl. Meikel/Roth § 35 Rn. 125 m.w.N.). Umstände, die hier konkret den Wegfall der Verpflichtung nahe legen, sind nicht ersichtlich.
c) Steht das Erbrecht unter einer auflösenden Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB), so steht, wie bei Pflichtteilsstrafklauseln, nicht fest, ob das Erbrecht tatsächlich entstanden ist. Die Bedingung, unter der es wieder entfällt, muss vertraglich vereinbart sein. Ob damit in jedem Fall eine nicht überbrückbare Nachweislücke entsteht, kann offen bleiben, da eine derartige vertragliche Bedingung hier ausscheidet.
Eine ausdrückliche Klausel dieses Inhalts existiert nicht. Auch die Auslegung des Erbvertrags (§ 133 BGB) ergibt keine solche Bedingung. Allerdings muss das Grundbuchamt aufgrund der Eintragungsunterlagen zu einer abschließenden Würdigung in der Lage sein und durch die Auslegung zu einem eindeutigen Ergebnis kommen (vgl. Demharter § 35 Rn. 42).
Zwar mag es Fälle geben, in denen sich die Frage aufdrängt, ob die vertragsmäßige Zuwendung nicht von vorneherein durch den Fortbestand der Leistungspflicht des Bedachten bedingt sein sollte (vgl. OLG Hamm Rpfleger 1977, 208). Vorliegend spricht hierfür aber nichts. Vielmehr ist, wie auch § 2295 BGB zeigt, vom Grundsatz auszugehen, dass die Erbeinsetzung Bestand hat. Für einen hiervon abweichenden Willen der Parteien bedarf es zusätzlicher Anhaltspunkte (siehe OLG Hamm Rpfleger 1977, 208), die hier fehlen. Dies gilt umso mehr für eine auflösende Bedingung dergestalt, dass bereits die Leistung nicht ordentlich erbracht wird. Eine derartige vertragliche Bedingung ist zwar denkbar (vgl. Palandt/Weidlich BGB 71. Aufl. § 2295 Rn. 1). Anhaltspunkte für deren konkludente Vereinbarung liegen aber nicht vor. Insoweit weist der Beteiligte zu Recht darauf hin, dass mit einer solchen Bedingung eine erhebliche Rechtsunsicherheit, die nicht im Interesse der Vertragsparteien liegen kann, verbunden wäre. So würde etwa die im Anwesen wohnende Erblasserin bei jeder Pflichtverletzung und einer damit verbundenen automatischen Aufhebung des Erbvertrags ihren Anspruch gegen den Beteiligten darauf, das Anwesen in einem bewohn- und beheizbaren Zustand zu erhalten, verlieren. Eine derartige Konstruktion, noch dazu in einer nach den Regeln der §§ 8 ff. BeurkG notariell beurkundeten Verfügung, kann ohne hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte sonstiger Art ausgeschlossen werden.
3. Auf die formellen Bedenken gegen die Zurückweisung des Antrags kommt es unter diesen Umständen nicht mehr an.
4. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
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