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Die Untreue des Vertragspartners eines Erbvertrages berechtigt nicht zum Rücktritt vom Erbvertrag
Beschluss des OLG Köln vom 03.07.2017
Aktenzeichen: 2 Wx 147/17
Kurze Zusammenfassung der Entscheidung:
Die Untreue des Vertragspartners eines Erbvertrages berechtigt nicht zum Rücktritt vom Erbvertrag.
Der Erblasser schloss mit seiner Ehefrau einen Erbvertrag ab. Die Eheleute setzen sich im Erbvertrag wechselseitig als Alleinerben ein. Der Erbvertrag wurde im Jahr 1963 abgeschlossen.
Im Jahr 2015 erklärte der Erblasser notariell den Rücktritt vom Erbvertrag. Ein entsprechendes Rücktrittsrecht wurde allerdings im Erbvertrag nicht vorbehalten. Der Rücktritt vom Erbvertrag wurde vom Erblasser damit begründet, dass die Voraussetzungen für die Entziehung des Pflichtteils zu Lasten seiner Ehefrau vorliegen würden. Der Erblasser verfügte weiter testamentarisch, dass seine beiden Kinder seine Erben werden sollen.
Der Erblasser hatte seiner Ehefrau Bankvollmacht erteilt. Mit Hilfe dieser Bankvollmacht hob die Ehefrau insgesamt vom Konto des Erblassers zu dessen Lebzeiten ca. 200.000 € ab. Unter Hinweis auf diese Abhebungen erklärte der Erblasser den Rücktritt vom Erbvertrag.
Nach dem Erbfall beantragte die Ehefrau des Erblassers einen Alleinerbschein. Die Kinder des Erblassers beantragten einen gemeinschaftlichen Erbschein.
Das Nachlassgericht erteilte der Ehefrau den beantragten Alleinerbschein. Hiergegen legten die Kinder des Erblassers Beschwerde ein. Das OLG Köln half der Beschwerde nicht ab.
Das OLG Köln stellt darauf ab, dass sich die Eheleute im Erbvertrag kein Rücktrittsrecht vorbehalten haben. Die Voraussetzungen für die Entziehung des Pflichtteils konnten aus Sicht des OLG Köln von den Kindern des Erblassers nicht dargestellt werden. Da die Ehefrau des Erblassers vom Erblasser eine Bankvollmacht erhalten hatte, verfügte sie zum Zeitpunkt der hier fraglichen Abbuchungen vom Konto des Erblassers über die hierfür erforderliche Rechtsmacht. Die Entziehung des Pflichtteils konnte daher nicht auf diese Abbuchungen gestützt werden, da keine Umstände vorlagen, aus denen sich ergab, dass diese Abbuchungen gegen den ausdrücklichen Willen des Erblassers erfolgten.
Die Rücktrittserklärung des Erblassers war somit unwirksam. Die Erbeinsetzung der Erblasserin durch den Erbvertrag aus dem Jahr 1963 blieb folglich rechtswirksam, so das der Ehefrau des Erblassers der beantragte Alleinerbschein zu erteilen war.
(Erbvertrag Rücktritt Untreue)
Tenor:
1) Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) vom 07.04.2017 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgerichts – Leverkusen vom 21.03.2017 – Az. 11 VI 165/16 – wird zurückgewiesen.
2) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beteiligte zu 2) zu tragen.
(Erbvertrag Rücktritt Untreue)
Entscheidungsgründe:
I. Am 22.06.2016 verstarb B M (im Folgenden: Erblasser). Die Beteiligte zu 1) ist die Ehefrau des Erblassers, die Beteiligten zu 2) und 3) sind die gemeinsamen Kinder. Der Erblasser und seine Ehefrau schlossen am 27.06.1963 einen notariellen Erbvertrag, in dem sie sich gegenseitig zu alleinigen und unbeschränkten Erben eingesetzt haben, \”gleichviel ob und welche Pflichtteilsberechtigte bei dem Ableben des Erstversterbenden\” vorhanden sein sollten. Am 02.12.2015 hat der Erblasser notariell den Rücktritt von dem vorgenannten Erbvertrag erklärt. In der Rücktrittserklärung heißt es, \”wir haben seinerzeit vergessen, einen Vorbehalt zu vereinbaren. Mein Rücktrittsrecht stützt sich jedoch auf §§ 2294, 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB“. Unter dem 22.12.2015 errichtete der Erblasser ein privatschriftliches Testament in dem er die Beteiligten zu 2) und 3) zu gleichen Teilen zu seinen Erben eingesetzt hat.
Am 29.06.2016 hat die Beteiligte zu 1) mit anwaltlichem Schriftsatz die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der sie als Alleinerbin ausweist. Unter dem 30.11.2016 hat sie einen entsprechenden notariellen Antrag gestellt. Sie vertritt die Auffassung, dass der Rücktritt vom Erbvertrag mangels Rücktrittsgründen unwirksam gewesen sei. Am 05.10.2016 hat die Beteiligte zu 2) ebenfalls einen Erbscheinsantrag gestellt, der sie jeweils zu 1/2 als Miterben gemeinsam mit dem Beteiligten zu 3) ausweist. Sie ist der Ansicht, der Rücktritt vom Erbvertrag sei aus den in der Urkunde angegebenen Gründen wirksam, ohne diese jedoch zunächst im Einzelnen auszuführen. Mit Beschluss vom 21.03.2017, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 89ff. d.A.), hat das Nachlassgericht die Tatsachen, die zur Begründung des Antrags der Beteiligten zu 1) erforderlich sind, für festgestellt erachtet und den Antrag der Beteiligten zu 2) auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss, der der Beteiligten zu 2) am 27.03.2017 zugestellt worden ist, hat sie mit Schriftsatz vom 07.04.2017, beim Nachlassgericht am 08.04.2017 eingegangen, Beschwerde eingelegt. Sie begründet die Beschwerde insbesondere damit, dass ausreichende Gründe für den Rücktritt des Erblassers vom Erbvertrag vorgelegen hätten. Hierzu behauptet sie, die Beteiligte zu 1) habe über einen langen Zeitraum hinweg im eigenen Interesse zweckentfremdete Verfügungen getroffen und damit gegenüber dem Erblasser relevanten Straftatbestände erfüllt. So habe die Beteiligte zu 1) im Jahr 2015 allein 19.000 € von einem auf den Namen des Erblassers eingerichteten Konto bei der L abgehoben und von diesem Konto weiter auch Kosten für ihren Pkw sowie persönliche Vereinsbeiträge beglichen. Schließlich sei auf diesem Konto ein Dauerauftrag in Höhe von monatlich 2.000 € eingerichtet worden, so dass die Beteiligte zu 1) seit 2005 insgesamt mehr als 200.000 € für sich verwandt habe. Bezüglich der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
Das Nachlassgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 31.05.2017 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Köln zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 127 ff. d. A.).
II. Die zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 2) hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Nachlassgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Beteiligte zu 1) nach dem wirksamen Erbvertrag vom 27.06.1963 Alleinerbin geworden ist. Die Voraussetzungen für einen Rücktritt liegen nicht vor. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in dem angegriffenen Beschluss sowie dem Nichtabhilfebeschluss verwiesen. Da der Rücktritt im Erbvertrag nicht vorbehalten war, wäre lediglich ein Rücktritt wegen Verfehlungen des Bedachten nach § 2294 BGB in Betracht gekommen. Die Feststellungslast hierfür trägt die Beteiligte zu 2), deren Vortrag nicht ausreicht, eine Verfehlung im Sinne der §§ 2294, 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB anzunehmen. Die Beteiligte zu 2) behauptet zwar, die Beteiligte zu 1) habe schwere Vergehen zum Nachteil des Erblassers begangen. Die von ihr in diesem Zusammenhang dargelegten Verfügungen sind jedoch nicht geeignet, entsprechende Vergehen zu begründen. Nach dem eigenen Vortrag der Beschwerdeführerin hat die Beteiligte zu 1) lediglich von den ihr eingeräumten Geschäftsführungsbefugnissen und Vollmachten Gebrauch gemacht. Zutreffend hat das Nachlassgericht darauf verwiesen, dass die Frage, ob hierin Vermögensdelikte (beispielsweise eine Untreue) zu sehen sein könnten, die konkrete Kenntnis der im Innenverhältnis zu Grunde liegenden Absprachen und Verträge voraussetzt. Hierzu fehlt es jedoch ebenso an konkretem Vortrag wie an geeigneten Beweismitteln.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nicht vorliegen (§ 70 Abs. 2 FamFG). Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel daher nicht gegeben.
Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens: Der Senat wird den Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren im Hinblick auf die zum Nachlass gehörenden Gesellschaftsanteile bzw. Immobilien (2 Gewerbeimmobilien in M2; Mehrfamilienhaus und Fachwerkhaus) auf 1.000.000 € schätzen, wenn nicht die Beteiligten binnen 2 Wochen konkrete Angaben zum Wert des Nachlasses machen und diese Angaben durch aussagekräftige Unterlagen belegen.
(Erbvertrag Rücktritt Untreue)