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Beschluss des BGH vom 23.07.2014
Aktenzeichen: IV ZR 204/13
Kurze Zusammenfassung der Entscheidung:
Im vorliegenden Fall endete eine Lebensversicherung mit dem Tod des Versicherten. Die auszuzahlende Versicherungsleistung wurde seitens der Versicherung mit der noch fälligen Jahresprämien verrechnet.
Der Bundesgerichtshof bestätigte mit seiner Entscheidung, dass diese vertragsgemäß vorgenommene Verrechnung der fälligen Jahresprämien mit der Versicherungsleistung rechtmäßig ist.
(Lebensversicherung Jahresprämie Verrechnung)
Tenor:
1) Der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen das Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 8. Mai 2013 gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
2) Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen eines Monats Stellung zu nehmen.
(Lebensversicherung Jahresprämie Verrechnung)
Entscheidungsgründe:
I. Die Ehefrau des Klägers war versicherte Person einer bei der Beklagten abgeschlossenen Kapitallebensversicherung mit einer vertraglichen Laufzeit vom 1. Mai 1998 bis zum 1. Mai 2012 und einer Versicherungssumme von 53.483 DM.
Im Versicherungsschein heißt es unter anderem:
\”Die Versicherungsleistung aus der Lebensversicherung wird fällig bei Tod des Versicherten, spätestens bei Ablauf der Versicherung. Bei Eintritt des Versicherungsfalls ausstehende Raten des laufenden Jahresbeitrags werden an der Leistung der G. gekürzt.\”
In den dem Vertrag zugrunde liegenden \”Allgemeine(n) Versicherungsbedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung\” der Beklagten (im Folgenden: AVB) heißt es in § 4 (3):
\”Bei Fälligkeit einer Versicherungsleistung werden wir alle noch nicht gezahlten Raten des laufenden Versicherungsjahres und etwaige Beitragsrückstände verrechnen.\”
Nach dem Tode der Versicherten am 11. Juni 2010 rechnete die Beklagte den Vertrag ab und zahlte an den Kläger, dem ein widerrufliches Bezugsrecht eingeräumt war, einen Betrag von 27.246,64 € aus; bei der Ermittlung dieses Betrages brachte sie die offene Versicherungsprämie für das laufende Versicherungsjahr vom 1. Mai 2010 bis 30. April 2011 in Höhe von 1.742,48 € in Abzug.
Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte gemäß § 39 VVG lediglich eine anteilige Jahresprämie für den Zeitraum vom 1. Mai bis 11. Juni 2010 in Höhe von 198,45 € verlangen könne, und macht den Differenzbetrag von 1.544,03 € mit der Klage geltend.
Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass die Beklagte gemäß § 35 VVG in Verbindung mit der Verrechnungsklausel im Versicherungsschein und in § 4 (3) AVB zur Verrechnung der rückständigen vollen Jahresprämie mit der Versicherungsleistung berechtigt gewesen sei. Dem stehe weder § 80 Abs. 2 VVG, der nur für die Schadenversicherung anwendbar sei, noch § 39 VVG entgegen. Der hier vorliegende Fall eines Vertragsendes durch Eintritt des Versicherungsfalles werde von dieser Norm nicht erfasst.
Dagegen wendet sich der Kläger mit der Revision, mit der er seinen Zahlungsantrag weiterverfolgt.
II. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen nicht vor und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).
1. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu. Dies ist nur der Fall, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (Senatsbeschluss vom 10. Dezember 2003 – IV ZR 319/02, VersR 2004, 225 unter 2 a). Daran fehlt es. Die vom Berufungsgericht für grundsätzlich erachtete Frage, ob der Eintritt des Versicherungsfalles dem Anwendungsbereich des § 39 VVG unterfällt, ist in Rechtsprechung und Schrifttum nicht umstritten.
Weder im Schrifttum noch in der Rechtsprechung ist bislang vertreten worden, dass auch der Eintritt des Versicherungsfalles, der in der Lebensversicherung stets zum Ende des Versicherungsvertrages führt, weil sich kein weiterer Versicherungsfall mehr ereignen kann, unter die Vorschrift des § 39 VVG fällt.
Die Kommentarliteratur geht nahezu einhellig davon aus, dass die Vorschrift das Schicksal des Prämienanspruchs für den Fall regelt, dass es zu einer vorzeitigen Vertragsbeendigung vor Ablauf der Versicherungsperiode gekommen ist, weil entweder der Versicherer vom Vertrag Abstand genommen oder der Versicherungsnehmer ein ihm zustehendes besonderes Lösungsrecht vom Vertrag ausgeübt hat (MünchKomm-VVG/Staudinger, § 39 Rn. 4; Stagl in Looschelders/Pohlmann, VVG 2. Aufl. § 39 Rn. 1; Schneider in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl. § 1a Rn. 27; HK-VVG/Karczewski, 2. Aufl. § 39 Rn. 2), oder beschränkt ihren Anwendungsbereich sogar auf den Fall einer vorhergehenden Kündigung gemäß § 38 Abs. 3 VVG (FAKomm-VersR/Thessinga, § 39 VVG Rn. 3; wohl auch Knappmann in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 39 Rn. 2). Lediglich Rixecker führt aus, die Vorschrift erfasse \”alle Fälle\” der vor Ablauf der Versicherungsperiode erfolgenden Beendigung des Versicherungsverhältnisses (in Römer/Langheid, VVG 4. Aufl. § 39 Rn. 2), nennt aber als Anwendungsfälle ebenfalls nur Vertragsaufhebung und Kündigung. Es ist nicht ersichtlich, dass er auch den Eintritt des Versicherungsfalles in der Lebensversicherung als Beendigung i.S. von § 39 VVG verstehen will.
Gerichtsentscheidungen, die anders als die Vorinstanzen bei Eintritt des Todesfalles in der Lebensversicherung § 39 VVG für anwendbar halten, werden ebenfalls weder im angefochtenen Urteil noch von der Revision aufgezeigt.
2. Die Revision hat auch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht hat richtig entschieden.
Die Beklagte war gemäß § 4 (3) AVB zur Verrechnung der Versicherungsleistung mit der ausstehenden Prämie in voller Höhe berechtigt. Die gemäß § 42 VVG halbzwingende Regelung des § 39 VVG steht dem nicht entgegen. Die Beendigung eines Lebensversicherungsvertrages infolge des Eintritts des Versicherungsfalles durch den Tod der versicherten Person wird von § 39 VVG nicht erfasst. Dabei kann dahinstehen, ob auch dieser Fall bei einer rein wörtlichen Auslegung unter den Begriff der \”Beendigung des Versicherungsverhältnisses\”, die nach der Paragrafenüberschrift des Gesetzes eine \”vorzeitige\” sein muss, subsumiert werden kann. Es folgt zumindest aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift.
Mit der Neuregelung in § 39 VVG hat der Gesetzgeber das bis dahin geltende Prinzip der Unteilbarkeit der Prämie aufgegeben. Motiv hierfür war, dass er in diesem Prinzip eine unangemessene Begünstigung des Versicherers zu Lasten des Versicherungsnehmers gesehen hat. Dabei hat der Gesetzgeber, wie der einleitende Satz der Gesetzesbegründung zu § 39 VVG deutlich macht, ebenfalls nur ein außerplanmäßiges Ende des Versicherungsvertrages während der Versicherungsperiode, zum Beispiel durch Kündigung oder Rücktritt, im Auge gehabt. Durch § 39 Abs. 1 Satz 1 VVG sollte klargestellt werden, dass dem Versicherer in diesem Fall nur der Teil der vereinbarten Prämie zusteht, der dem von ihm zeitanteilig getragenen Risiko entspricht (RegE, Begründung zu § 39 VVG, BT-Drucks. 16/3945 S. 72 li. Sp.).
Die Beendigung des Lebensversicherungsvertrages durch den Eintritt des Todesfalles stellt bereits kein außerplanmäßiges Ende des Vertrages dar, weil dieser ausnahmslos mit Eintritt des Versicherungsfalles endet, mithin bereits bei Abschluss des Vertrages feststeht, dass er in diesem Fall sein sofortiges Ende findet.
Die Höhe der Jahresprämie beruht deshalb auf einer Kalkulation des Versicherers, wie hoch das Risiko anzunehmen ist, dass während des Versicherungsjahres der Versicherungsfall eintritt. Dabei macht es keinen Unterschied, zu welchem Zeitpunkt während der Versicherungsperiode die versicherte Person gegebenenfalls verstirbt. Die kalkulierte Prämie deckt das Risiko, das sich nur einmal verwirklichen kann, von vornherein für die Dauer des gesamten Jahres ab. Anders als in Fällen der Vertragsbeendigung vor Ablauf der Versicherungsperiode durch Kündigung oder Rücktritt entfällt also nicht ein Teil des vom Versicherer übernommenen Risikos, das in die Prämienkalkulation für das gesamte Jahr eingeflossen ist. Vielmehr hat der Versicherer das Todesfallrisiko nicht nur zeitanteilig, sondern für das gesamte Jahr getragen. Der Eintritt des Todes ändert daran nichts. Der für die Regelung des § 39 VVG tragende Gedanke, dass dem Versicherer nur der Teil der vereinbarten Prämie zustehen soll, der einem auch nur zeitanteilig getragenen Risiko entspricht, greift nicht ein, wenn sich das für das gesamte Jahr übernommene Risiko in vollem Umfang verwirklicht hat.
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