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Beschluss des OLG Koblenz vom 26.11.2013
Aktenzeichen: 11 UF 451/13
Kurze Zusammenfassung der Entscheidung:
Die Entscheidung beschäftigt sich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Erbe, der zum Zeitpunkt des Erbfalls minderjährig war, gegen die Eltern hinsichtlich des Erbfalls Auskunftsansprüche geltend machen kann, wenn die Eltern für den minderjährigen Erben den Nachlass verwaltet haben.
Im vorliegenden Fall wurde die minderjährige Erbin von ihrer Mutter beerbt. Der Vater der Erbin übernahm die Verwaltung des Nachlasses. Nachdem die Erbin volljährig geworden war, verschwieg der Vater der Erbin gegenüber das Testament der Mutter. Nach über 20 Jahren erlangte die Erbin vom Inhalt des Testamentes Kenntnis und nahm den Vater durch Erhebung einer Stufenklage auf Auskunft in Anspruch.
Die Entscheidung stellt klar, dass ein minderjähriger Erbe gegenüber seinen Eltern, die den Nachlass verwalten, auch nach über 20 Jahren noch einen Auskunftsanspruch hat, wenn dem Erben das Testament verschwiegen wird. Die Unkenntnis des Erben beruht in diesem Fall nicht auf einem Verschulden des Erben. Die Entscheidung präzisiert weiter die Anforderungen an das von den Erltern zu erstellende Nachlassverzeichnis, wenn diese für ihre Kinder den Nachlass verwalten.
(Minderjährige Erben Auskunftsanspruch Eltern)
Tenor:
I. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Sinzig vom 28. Juni 2013 in seiner Ziffer 3 dahin abgeändert, dass der Antrag der Antragstellerin auf Rechenschaftslegung über die Verwendung des Kaufpreises aus der Veräußerung der ihr und ihrem Bruder …[A] gehörenden Grundstücksparzellen gemäß notarieller Urkunde des Notars …[B] vom 6.7.1992 – UR-Nr. 1234/92 – als unzulässig verworfen wird.
II. Die weitergehende Beschwerde des Antragsgegners wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Antragsgegner 9/10 und die Antragstellerin 1/10. Im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung der Schlussentscheidung vorbehalten.
IV. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 2.000 €.
Entscheidungsgründe:
I. Die Antragstellerin nimmt den Antragsgegner im Wege eines Stufenantrages auf Erteilung von Auskunft, Rechenschaftslegung und Herausgabe von Vermögensgegenständen sowie Zahlung eines Geldbetrages auf der Grundlage der erteilten Auskünfte in Anspruch.
Der Antragsgegner ist der Vater der am … 1972 geborenen Antragstellerin. Die Ehe des Antragsgegners mit der Mutter der Antragstellerin (nachfolgend: Erblasserin) wurde durch Urteil des Familiengerichts Bonn vom 5. April 1985 rechtskräftig geschieden. Seinerzeit erhielt der Antragsgegner das Sorgerecht für die Antragstellerin.
Durch notariellen Vertrag vom 24. September 1984 hatten die seinerzeit noch miteinander verheirateten Eheleute ihren gemeinsamen Kindern, nämlich der Antragstellerin sowie Herrn …[A], verschiedene Grundstücksparzellen schenkweise übertragen. Ein Teil dieser Parzellen wurde zusammen mit einer dem Antragsgegner gehörenden Parzelle durch notariellen Vertrag des Notars …[B] vom 6. Juli 1992 zum Kaufpreis von insgesamt 5.968,50 DM veräußert; der Kaufpreis wurde seinerzeit auf ein Konto des Antragsgegners überwiesen.
Die Erblasserin beging im September 1985 Selbstmord. Sie hatte vor ihrem Tode ein Testament errichtet, wonach sie ihre drei Kinder, nämlich die Antragstellerin und Herr …[A], sowie das aus einer anderen Beziehung stammende Kind …[C] jeweils zu 1/3 als Erben eingesetzt hatte. …[C] übertrug am 25. Mai 1987 seinen Erbanteil nach der Erblasserin auf seine Geschwister.
Der Antragsgegner hatte den Nachlass nach dem Tode der Erblasserin in Besitz genommen und in der Folgezeit verschiedene Nachlassgegenstände noch vor Volljährigkeit der Antragstellerin veräußert. Gegenüber den im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Auskunfts-, Rechnungslegungs-, Herausgabe- sowie Zahlungsansprüchen hinsichtlich des von ihm verwalteten Vermögens hat er die Einrede der Verjährung erhoben, hilfsweise macht er deren Verwirkung geltend.
Mit dem angefochtenen Teilbeschluss, auf den zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht den Antragsgegner im beantragten Umfang zur Auskunfts- und Rechnungslegung verpflichtet und zur Begründung ausgeführt, die geltend gemachten Ansprüche ergäben sich aus § 1640 BGB. Sie seien nicht verjährt, auch sei der Verwirkungseinwand nicht begründet. Die Antragstellerin habe auf die streitgegenständlichen Ansprüche auch zu keinem Zeitpunkt verzichtet.
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsgegner gegen diese Entscheidung und macht geltend, die notarielle Urkunde vom 4. August 1988, durch die ein zum Nachlass der Erblasserin gehörendes Grundstück veräußert worden sei, enthalte eine vergleichsweise Regelung dahin, dass von den Beteiligten wechselseitig auf die Geltendmachung weiterer Ansprüche verzichtet worden sei. Für die Geltendmachung von Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüchen fehle das Rechtsschutzinteresse, weil der Antragstellerin aus dem Nachlassverzeichnis bekannt sei, dass der Nachlass überschuldet war und daher keine Zahlungsansprüche bestehen könnten. Jedenfalls seien die geltend gemachten Ansprüche verwirkt, da die Antragstellerin fast 23 Jahre bis zur Geltendmachung des Anspruchs gewartet habe. Zwischenzeitlich habe er im Übrigen weitere Auskünfte erteilt, so dass die Ansprüche jedenfalls jetzt erfüllt seien.
Ein Rechnungslegungsanspruch bestehe auch nicht hinsichtlich des Kaufpreises, der aus der Veräußerung der Grundstücksparzellen in der Gemarkung …[X] am 6. Juli 1992 erzielt worden sei; seinerzeit sei die Antragstellerin nämlich bereits volljährig gewesen.
Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, dass die Beschwerde unzulässig ist, und trägt im Übrigen vor, sie habe auf die streitgegenständlichen Ansprüche nicht durch die Vereinbarungen gemäß notarieller Urkunde vom 4. August 1988 verzichtet. Die Ansprüche seien auch nicht verwirkt. Sie habe die Ansprüche nämlich mehr als sieben Jahre vor Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist geltend gemacht. Unmittelbar nach dem Tode der Erblasserin sei sie durch die Selbsttötung ihrer Mutter traumatisiert gewesen; ihre in den Folgejahren gestellten Fragen zum Tod und dem Vermögen der Mutter habe der Antragsgegner stets abgeblockt, ab dem Jahre 2005 sei dann der Kontakt zum Antragsgegner abgebrochen. Erst über das Nachlassgericht und infolge anwaltlicher Beratung habe sie von dem Testament ihrer Mutter und den Ansprüchen gegenüber dem Antragsgegner erfahren. Es bestehe auch ein Rechtsschutzinteresse an der Geltendmachung der Ansprüche, denn das Nachlassverzeichnis sei nicht dazu geeignet, eine Überschuldung des Nachlasses zu belegen. Die geltend gemachten Ansprüche seien auch nicht durch die im laufenden Verfahren erteilten Auskünfte erfüllt worden.
II. Die Beschwerde des Antragsgegners ist gemäß §§ 58ff. FamFG zulässig, insbesondere ist der Beschwerdewert (vgl. § 61 Abs.1 FamFG) erreicht. Im Falle der Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Verurteilung zur Auskunft oder zur Rechnungslegung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, für die Bemessung der Beschwer – abgesehen von etwaigen Geheimhaltungsinteressen, die im Streitfall keine Rolle spielen – auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die Erfüllung des zuerkannten Anspruchs erfordert (vgl. BGH, Beschluss vom 22.5.2013, Az. X ZR 49/11, recherchiert in juris mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Dieser Aufwand übersteigt vorliegend den Betrag von 600 € maßgeblich; der Senat legt insoweit einen Betrag von 2.000 € zu Grunde. Nach dem angefochtenen Teilbeschluss des Amtsgerichts Sinzig ist der Antragsgegner verpflichtet, der Antragstellerin Auskunft über den Bestand des Nachlasses der verstorbenen Frau …[D] zu erteilen und darüber hinaus Rechnung zu legen über die Verwaltung des Vermögens der Antragstellerin während der Zeit von September 1984 bis zu deren Volljährigkeit am 25. Januar 1990; schließlich wurde der Antragsgegner in der angefochtenen Entscheidung dazu verpflichtet, Rechenschaft über die Verwendung des Kaufpreises aus der Veräußerung von Grundbesitz, der ehemals im Miteigentum der Antragstellerin und ihres Bruders …[A] stand und durch notarielle Urkunde vom 6. Juli 1992 verkauft wurde. Die Erfüllung dieser Ansprüche erfordert einen hohen Zeitaufwand, da der Antragsgegner hiernach verpflichtet ist, über einen relativ langen Zeitraum, nämlich einen solchen von 6 Jahren, Rechnung zu legen; vor allem aber liegt dieser Zeitraum viele Jahre zurück, so dass es für den Antragsgegner einen erheblichen Aufwand bedeutet, die für die Rechnungslegung erforderlichen Unterlagen (Kontounterlagen, Verträge etc.) zu beschaffen und die erforderlichen Daten zusammenzustellen.
Das mithin zulässige Rechtsmittel des Antragsgegners ist allerdings nur in geringem Umfang begründet.
Die Beschwerde des Antragsgegners ist begründet, soweit sie sich gegen die Verpflichtung zur Rechnungslegung über die Verwendung des Kaufpreises wendet, der aus der Veräußerung des ihr und ihrem Bruder …[A] gehörenden Grundbesitzes gemäß notarieller Urkunde des Notars …[B] vom 6. Juli 1992 erzielt wurde. Zu der Entscheidung über diesen Anspruch ist das Familiengericht nicht zuständig. Es handelt sich bei dem insoweit geltend gemachten Anspruch nicht allein deshalb, weil der Antragsgegner der Vater der Antragstellerin ist, um einen solchen aus einem Eltern-Kind-Verhältnis im Sinne von § 266 Abs. 1 Nummer 4 FamFG. Als Anspruchsgrundlage für einen Anspruch auf Rechnungslegung und gegebenenfalls Zahlung des seinerzeit erzielten Kaufpreises kommen hier – da die Antragstellerin zum Zeitpunkt der Veräußerung des Grundbesitzes bereits volljährig war – lediglich solche aus dem Schuldrecht in Betracht, etwa ein Anspruch aufgrund eines Auftragsverhältnisses (§§ 666, 667 BGB). Ein solcher Anspruch nebst dem zu Grunde liegenden Rechtsverhältnis könnte gleichermaßen zwischen nicht verwandtschaftlich verbundenen Personen bestehen. Demgegenüber genügt ein bloßer Zusammenhang mit der Eltern-Kind-Beziehung der Beteiligten für § 266 Abs. 1 Nr. 4 FamFG nicht; dies ergibt sich schon aus der Gegenüberstellung mit § 266 Abs. 1 Nr. 1 und 3 FamFG, wo jeweils ausdrücklich ein Zusammenhang als ausreichend bezeichnet ist, während in § 266 Abs. 1 Nr. 4 FamFG die Ansprüche “aus“ dem Eltern-Kind-Verhältnis “herrühren“ müssen (ebenso: Zöller/Lorenz, ZPO, 30. Aufl., § 266 FamFG, Rz. 19; Keidel/Giers, FamFG, 17. Aufl., § 266, Rz. 17f.; OLG Hamm, Beschluss vom 20.9.2012, Az. 14 WF 177/12, FamRZ 2013, 574, recherchiert in juris).
Zutreffend geht das Familiengericht davon aus, dass der Antragstellerin ein Anspruch auf Auskunftserteilung über den Bestand des Nachlasses nach ihrer im September 1985 verstorbenen Mutter zusteht.
Gemäß § 1640 BGB haben die Eltern das ihrer Verwaltung unterliegende Vermögen, welches das Kind von Todes wegen erwirbt, zu verzeichnen und die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben zu versichern. Der Antragsgegner hat diese ihm obliegende Verpflichtung nicht durch die Einreichung des Nachlassverzeichnisses vom 16. September 1986 erfüllt. Die Vorschrift des § 1640 BGB verpflichtet den Elternteil, alle Gegenstände aufzuführen, die zu dem erworbenen Vermögen gehören. Die Vermögensgegenstände sind so detailliert zu kennzeichnen, dass ihre Identität einwandfrei feststeht. Bei Forderungen müssen zum Beispiel außer dem Grund, dem Betrag und dem Rechtsgrund auch die Urkunden, durch welche diese Vermögensrechte nachgewiesen werden, angeben werden, z.B. Sparbücher, Versicherungspolicen, – jeweils mit Konto- bzw. Vertragsnummer -. Bei Haushaltsgegenständen genügt demgegenüber die Angabe des Gesamtwerts; der Vorlage einer Einzelaufstellung bedarf es in der Regel nicht, § 1640 Abs.1 Satz 3 BGB. Wertvolle Einzelgegenstände, zum Beispiel Kunstwerke, müssen jedoch einzeln verzeichnet werden. Schließlich müssen die Eltern auch den Wert der einzelnen Gegenstände angeben. Nicht zuzumuten ist es ihnen, insoweit Sachverständige zu befragen; daher genügt es, wenn der Wert angegeben wird, der dem betreffenden Gegenstand ihrer eigenen Schätzung nach zukommt (vgl. Münchner Kommentar / Huber BGB, 6. Aufl., § 1640 Randziffer 12 ff; Staudinger / Engler, BGB 2009, § 1640, Rz. 17f). Diesen Anforderungen wird das Nachlassverzeichnis vom 16. September 1986 nicht in vollem Umfang gerecht. Zwar erscheinen die Angaben des Antragsgegners zum vorhandenen Grundbesitz ausreichend. Das Nachlassverzeichnis enthält allerdings keinerlei Angaben zu Hausrat, Kunstgegenständen und Schmuck. Der Antragsgegner wird daher den geschätzten Gesamtwert des Hausrats mitzuteilen haben. Soweit im Nachlass einzelne Wertgegenstände, zum Beispiel antike Schränke, Kunstwerke (Dürer-Kupferstiche ! etc.) vorhanden waren, werden diese im einzelnen zu bezeichnen und ihr geschätzter Wert anzugeben sein. Nähere Angaben zu Schmuckstücken der Erblasserin sind jedoch nicht mehr erforderlich, da zwischen den Beteiligten unstreitig ist, dass die Antragstellerin sämtlichen Schmuck ihrer Mutter erhalten hat; im Nachlassverzeichnis kann daher auf die bereits erfolgte Übergabe des Schmucks Bezug genommen werden. Die Erblasserin hat eine Gaststätte und ein Kunstgewerbe betrieben. Soweit einzelne ihrer Konten zum Stichtag für das Nachlassverzeichnis ein Guthaben – wenngleich in geringem Umfang – aufgewiesen haben sollten, sind insoweit Angaben zum Kreditinstitut, zur Kontonummer und zur Höhe des Guthabens erforderlich. Hinsichtlich der Lebensversicherung bedarf es noch der Mitteilung der Versicherungsgesellschaft sowie der Versicherungsvertragsnummer. Sämtliche Angaben sind in einem neuen Nachlassverzeichnis übersichtlich darzustellen.
Der Antragsgegner ist allerdings nicht verpflichtet, Angaben zu den Passiva im Nachlass zu machen, wenngleich solche Angaben ratsam erscheinen (vgl. MK / Huber, aaO; Staudinger, aaO).
Der Antragstellerin steht gegenüber dem Antragsgegner auch ein Anspruch auf Rechnungslegung über die Verwaltung ihres Vermögens bis zu ihrer Volljährigkeit am 25. Januar 1990 zu. Gemäß § 1698 Abs. 1 BGB haben die Eltern nach Beendigung der Vermögenssorge (aufgrund Eintritt der Volljährigkeit) ihrem Kind nämlich dessen Vermögen herauszugeben und auf Verlangen über die Verwaltung des Vermögens Rechenschaft abzulegen. Gemäß § 1698 Abs. 2 BGB ist auch über die Nutzungen des Kindesvermögens Rechenschaft abzulegen, sofern dargelegt ist, dass Grund zu der Annahme besteht, dass die Eltern die Nutzungen entgegen den Vorschriften des § 1649 BGB für sich und nicht für das Kind verwendet haben. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Antragstellerin hat Auskunft über die Verwaltung ihres Vermögens bis zum Eintritt der Volljährigkeit vom Antragsgegner verlangt. Sie hat auch hinreichend dargelegt, dass Anhaltspunkte für eine Verwendung der Nutzungen ihres Vermögens entgegen den Vorschriften des § 1649 BGB vorliegen. Dies gilt schon deshalb, weil aus der Veräußerung des Grundbesitzes in …[Y] ein Kaufpreis in Höhe von mehr als 100.840 DM erzielt wurde, die Antragstellerin in Abrede gestellt hat, den ihr zustehenden Anteil erhalten zu haben und der Antragsgegner zu der von ihm behaupteten Überweisung des Kaufpreisanteils an die Antragstellerin keine detaillierten Angaben gemacht und auch keine Belege vorgelegt hat.
Der Rechnungslegungsanspruch der Antragstellerin ist nicht deshalb als erfüllt anzusehen, weil der Antragsgegner im vorliegenden Verfahren Angaben zu der Veräußerung verschiedener Grundstücksparzellen gemacht und insoweit notarielle Verträge vorgelegt hat. Für die Verpflichtung des Antragsgegners zur Rechnungslegung gelten die Vorschriften der §§ 259,261 BGB. Erforderlich ist danach eine übersichtliche, aus sich heraus verständliche Zusammenstellung aller Einnahmen und Ausgaben in Bezug auf das zu verwaltende Vermögen. Die Aufstellung muss nicht nur den derzeitigen Zustand, sondern auch die Entwicklung des Vermögens zu ihm aufzeigen. Die Angaben müssen so verständlich sein, das die Antragstellerin ohne fremde Hilfe in der Lage ist, ihre (etwaigen) Herausgabeansprüche gemäß § 1698 BGB nach Grund und Höhe festzustellen (vgl. Staudinger/Coester, BGB 2006, § 1698, Rz. 7ff; MK / Olzem, aaO, § 1698, Rz. 6f.). An einer solchen Aufstellung fehlt es hier. Der Antragsgegner hat über die Entwicklung des gesamten, der Antragstellerin nach ihrer Mutter zustehenden Nachlasses sowie den Verbleib des Vermögens, das ihr durch den 24. September 1984 vor dem Notar …[E] geschlossenen Schenkungsvertrag übertragen worden ist, Rechenschaft abzulegen, bezogen auf den Zeitraum bis zum Eintritt ihrer Volljährigkeit am … 1990. Mithin ist Rechnung zu legen über den Verbleib des Hausrats sowie sonstiger wertvoller Gegenstände; der Antragsgegner wird auch Rechnung zu legen haben über den Verbleib des auf die Antragstellerin entfallenden Kaufpreisanteils, der aus der Veräußerung einzelner, in ihrem Miteigentum beziehungsweise Gesamthandseigentum stehenden Grundstücke erzielt wurde. Soweit einzelne Grundstücke belastet wurden, wird der Antragsgegner mitzuteilen haben, wann und aus welchen Gründen dies erfolgt ist; mitzuteilen ist daher etwa, weshalb der Grundbesitz in …[Z] durch notarielle Urkunde des Notars …[E] vom 10. Februar 1987 zu Gunsten der …[F]bank …[X] mit einer Grundschuld von 88.000 DM belastet wurde. Schließlich wird auch Rechnung zu legen sein über die Entwicklung und den Verbleib etwaiger Bank- und Sparguthaben sowie sonstiger Vermögenswerte (Lebensversicherungen, etc.) in dem hier maßgeblichen Zeitraum. Diese Angaben sind dem Antragsgegner auch nicht unmöglich; notarielle Verträge, Grundbuchauszüge und Versicherungsverträge pp., sind auch für diesen Zeitraum noch vorhanden.
Ohne Erfolg macht der Antragsgegner demgegenüber geltend, für die Geltendmachung des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs bestehe kein Rechtsschutzinteresse, da sich bereits aus dem beim Nachlassgericht ein gereichten Nachlassverzeichnis die Überschuldung des Nachlasses ergebe. Das Rechtsschutzinteresse für die geltend gemachten Ansprüche würde nur dann fehlen, wenn von vornherein feststehen würde, dass Herausgabeansprüche gemäß § 1698 BGB nicht mehr bestehen (vgl. jurisl-PK/ Breuer, § 259, Rz.8). Dies ist jedoch nicht der Fall. Wie bereits dargelegt wurde, ist das am 16. September 1986 erstellte Nachlassverzeichnis unvollständig. Darüber hinaus ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die in jenem Verzeichnis angegebenen Wertangaben jedenfalls zum Teil unzutreffend waren. So wurde der Anteil der Antragstellerin an dem Grundbesitz in …[Y] in dem Nachlassverzeichnis vom 16. September 1986 mit 10.000 DM bewertet; letztlich erbrachte die Veräußerung eines Teils jenes Grundbesitzes im Jahre 1989 jedoch einen Erlös von 100.840 DM; auf die Antragstellerin entfiel davon die Hälfte, also ein Betrag von 50.420 DM. Demgegenüber bestanden zu jenem Zeitpunkt keinerlei Nachlassverbindlichkeiten mehr, die zu tilgen waren, sodass Herausgabeansprüche gemäß § 1685 BGB jedenfalls nicht schon im Hinblick auf die Wertangaben im Nachlassverzeichnis aus dem Jahre 1986 auszuschließen sind.
Die Antragstellerin hat auch nicht auf die Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche verzichtet. Die notarielle Urkunde des Notars …[E] vom 4. August 1988 (UR-Nr. 1313/88) enthält schon nach ihrem Wortlaut eine vergleichsweise Regelung nur insoweit, als Ansprüche der Antragstellerin und ihres Bruders auf den Kaufpreisanteil von 65.000 DM an sich bestanden haben, der Betrag jedoch dem Antragsgegner im Hinblick auf dessen Ansprüche gegen den Nachlass verbleiben sollte. Der Antragsgegner hat in jener Urkunde darüber hinaus erklärt, dass er im Hinblick auf den Erhalt des Betrages von 65.000 DM weitergehende Ansprüche gegen den Nachlass nicht geltend machen will und hierauf verzichtet. Demgegenüber enthält die notarielle Urkunde selbst keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin und ihr Bruder noch auf weitere Ansprüche verzichten wollten. Schon deshalb scheidet eine Auslegung des Inhalts jener Urkunde in dem vom Antragsgegner erstrebten Sinne aus. Hinzu kommt, dass die Ansprüche der Antragstellerin auf Auskunft und Rechnungslegung gemäß § 1698 BGB zum Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Vertrages vom 4. August 1988 noch nicht entstanden waren; jene Ansprüche entstanden vielmehr erst mit dem Eintritt der Volljährigkeit der Antragstellerin am … 1990.
Die Ansprüche der Antragstellerin sind auch nicht verjährt. Für die hier geltend gemachten Ansprüche galt ursprünglich die 30 jährige Verjährungsfrist gemäß § 197 Abs. 1 Nr.2 BGB a.F. Diese Vorschrift wurde zum 1. Januar 2010 aufgehoben, so dass seither die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist einschlägig ist, § 195 BGB. Diese begann am 1. Januar 2010 und wäre an sich am 31. Dezember 2012 abgelaufen (Art. 229 EGBGB § 23). Die Verjährungsfrist wurde jedoch durch den mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2012 im vorliegenden Verfahren erhobenen Antrag gemäß § 204 Nr.1 BGB gehemmt. Zwar erfolgte die Zustellung der Antragsschrift erst am 29. Januar 2013. Dies ist jedoch als ausreichend anzusehen, da die Zustellung als „demnächst“ iSd § 167 ZPO anzusehen ist; sie wirkt daher auf den Zeitpunkt der Antragseinreichung zurück. Die Antragstellerin hatte nämlich nach der hier erforderlichen Festsetzung des Verfahrenswerts durch das Familiengericht und Anforderungen des Kostenvorschusses gemäß Verfügung vom 17. Januar 2013 die Gerichtskosten am 23. Januar 2013 gezahlt und damit alles ihr zumutbare für eine alsbaldige Zustellung getan (vgl. hierzu Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl., § 167 ZPO, Rz.10 mwN).
Ohne Erfolg macht der Antragsgegner auch geltend, die Ansprüche seien verwirkt. Ein Recht ist nur dann als verwirkt anzusehen, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat und er sich darauf eingerichtet hat und sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Am Vorliegen des sogenannten Zeitmoments besteht vorliegend zwar kein Zweifel, da seit der Entstehung des Anspruchs im Jahre 1990 bis zu seiner Geltendmachung ein Zeitraum von nahezu 23 Jahren verstrichen ist. Allerdings hat der für die Tatbestandsmerkmale der Verwirkung darlegungs- und beweispflichtige Antragsgegner nicht ausreichend dargelegt und unter Beweis gestellt, dass er sich auf Grund des Verhaltens der Antragstellerin darauf eingerichtet hat und auch darauf einrichten durfte, sie werde ihre Ansprüche nicht mehr geltend machen. In diesem Zusammenhang kann sich der Antragsgegner nicht auf die Regelungen in dem notariellen Vertrag vom 4. August 1988 berufen, da die Antragstellerin – wie oben dargelegt – in jenem Vertrag auf die hier streitgegenständlichen Ansprüche gerade nicht verzichtet hat. Zum Zeitpunkt des Abschlusses jenes Vertrages war sie 16 Jahre alt, hatte keine Kenntnis von der Höhe des Nachlasses und war ersichtlich in die Gestaltung jenes Vertrages nicht eingebunden. Ansprüche aus § 1698 BGB waren zum damaligen Zeitpunkt noch nicht entstanden, so dass der Antragsgegner erst recht nicht davon ausgehen konnte, die Antragstellerin werde künftig solche Ansprüche – deren Höhe sie damals auch nicht ansatzweise hätte einschätzen können – nicht geltend machen. Im Übrigen sind zwar vorliegend an das „Umstandsmoment“ geringe Anforderungen zu stellen, weil der zwischen Anspruchsentstehung und seiner Geltendmachung verstrichene Zeitraum sehr lang ist. Allerdings entspricht es gerade in Fällen wie dem vorliegenden, in dem familienrechtliche Ansprüche gemäß § 1698 BGB geltend gemacht werden, eher dem Normalfall, wenn Kinder ihre Ansprüche gegen die Eltern zunächst nicht gerichtlich durchsetzen; daher sind solche Ansprüche selbst dann nicht als verwirkt anzusehen, wenn sie trotz – hier nicht vorliegender – positiver Kenntnis des Anspruchstellers von der Höhe des Anspruchs über einen Zeitraum von mehreren Jahren nicht geltend gemacht werden (vgl. zum Ganzen Staudinger/Coester, aaO, Rz. 12; OLG München NJW 1974,703). Im Übrigen kann die Verwirkung eines Anspruchs nur dann angenommen werden, wenn das Vertrauen des Schuldners in die Nichtgeltendmachung des Rechts auch schutzwürdig ist. Daran fehlt es, wenn der Berechtigte von seinen Rechten keine Kenntnis hat und der andere Teil dies zu vertreten hat (vgl. Staudinger / Loschelders / Olzen, § 242, Rz. 308ff, 311). Letzteres macht die Antragstellerin hier mit Erfolg geltend. Nach ihren – nicht widerlegten – Darlegungen hat sie erst in jüngerer Zeit durch Nachfragen beim Nachlassgericht und Einschaltung ihres Verfahrensbevollmächtigten Kenntnis von dem Testament ihrer Mutter und evtl. Herausgabeansprüchen erlangt. Insoweit macht sie vor allem geltend, sie habe bis zur Einleitung dieses Verfahrens keinerlei Kenntnis von dem Vertrag betreffend die Veräußerung des Grundbesitzes in …[Y] zu einem Kaufpreis von mehr als 100.000 DM gehabt. Wenn aber der Antragsgegner tatsächlich der Antragstellerin den ihr aus der Veräußerung jenes Grundbesitzes zustehenden Kaufpreiserlös entgegen seinen Behauptungen nicht überlassen hat, wäre sein etwaiges Vertrauen in die Nichtgeltendmachung der hier streitgegenständlichen Ansprüche nicht schutzwürdig.
Der Antragsgegner ist mithin zur Auskunftserteilung über den Nachlass der Mutter der Antragstellerin und zur Rechnungslegung über das Vermögen der Antragstellerin bis zum 25.Januar 1990 verpflichtet.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81, 84 FamFG.
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