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Beschluss des OLG Schleswig vom 24.10.2011
Aktenzeichen: 3 Wx 36/11
Kurze Zusammenfassung der Entscheidung:
Im vorliegenden Fall hatte der vormalige Vermieter der Wohnung der Erblasserin die Bestellung eines Nachlasspfleger beantragt, um das Wohnraummietverhältnis ordnungsgemäß beenden zu können. Das Nachlassgericht machte die Bestellung des Nachlasspfleger von der Leistung eines Kostenvorschusses seitens des Antragstellers abhängig. Hiergegen legte der Antragsteller Beschwerde ein.
Das Gericht stellte fest, dass die Bestellung eines Nachlasspfleger nicht von der Leistung eines Kostenvorschusses seitens des Antragstellers abhängig gemacht werden darf. Hierfür gibt es keine gesetzliche Grundlage. Insbesondere, weil die Kosten der Nachlasspflegschaft Nachlassverbindlichkeiten sind, die von den Erben getragen werden müssen. Ein bereits geleisteter Kostenvorschuss muss an den Antragsteller erstattet werden.
(Nachlasspflegschaft Kostenvorschuss)
Tenor:
1) Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2. vom 23. September 2010 wird die Entscheidung des Amtsgerichts Kiel vom 7. Juli 2010, wonach die beantragte Anordnung einer Nachlasspflegschaft von der Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe von 400,00 € abhängig gemacht wird, aufgehoben. Das Amtsgericht wird angewiesen, dem Beteiligten zu 2. den eingezahlten Kostenvorschuss von 400,00 € zu erstatten.
2) Gerichtskosten werden nicht erhoben.
3) Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Beteiligten zu 2. findet nicht statt.
4) Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.000,00 € festgesetzt.
(Nachlasspflegschaft Kostenvorschuss)
Entscheidungsgründe:
O., nachfolgend auch Erblasserin genannt, verstarb am 20. Mai 2010. Sie war geschieden und hatte keine Kinder.
Ihre beiden Brüder erklärten die Ausschlagung der Erbschaft.
Der Beteiligte zu 2. ist der Vermieter der Wohnung, in der die Erblasserin zuletzt wohnte. Er beantragte mit Anwaltsschriftsatz vom 14. Juni 2010 gegenüber dem Amtsgericht Kiel als Nachlassgericht, einen Nachlasspfleger zu bestellen. Das Nachlassgericht, hier der Rechtspfleger, lehnte dies mit Schreiben vom 17. Juni 2010 ab. Zur Begründung heißt es, eine Schutzwürdigkeit des Nachlasses sei nicht ersichtlich; der Beteiligte zu 2. möge die Wohnung ungeräumt in Besitz nehmen. Der Beteiligte zu 2. machte mit Anwaltsschriftsatz vom 29. Juni 2010 weitere Ausführungen dahin, dass die Anordnung einer Nachlasspflegschaft erforderlich sei, dass ein Sicherungsbedürfnis bestehe und dass ihm ohne die nachgesuchte Anordnung weitere Vermögensnachteile entstünden. Das Nachlassgericht teilte mit Schreiben vom 7. Juli 2010 mit, dass es der Rechtsauffassung nicht uneingeschränkt folge; sollte der Beteiligte zu 2. jedoch einen Kostenvorschuss in Höhe von 400,00 € für die Kosten der Nachlasspflegschaft einzahlen, würde es einen Nachlasspfleger bestellen. Der Beteilige zu 2. erklärte mit Anwaltschreiben sodann, dass er den angeforderten Kostenvorschuss – unter dem Vorbehalt der Rückforderung – einzahlen werde. Er überwies am 14. Juli 2010 einen Betrag von 400,00 € an die Landeskasse.
Das Amtsgericht hat daraufhin mit Beschluss vom 21. Juli 2010 den Beteiligten zu 1. zum Nachlasspfleger bestellt.
Der Beteiligte zu 1. wurde als Nachlasspfleger tätig. Mit Schreiben vom 20. Oktober 2010 erteilte er seine Schlussrechnung und beantragte – nach Erschöpfung des Nachlasses – die Festsetzung einer restlichen Vergütung in Höhe von 447,45 € gegen die Landeskasse.
Der Beteiligte zu 2. hat mit Anwaltsschriftsatz vom 14. September 2010 die Rückerstattung des eingezahlten Kostenvorschusses von 400,00 € beantragt. Das Amtsgericht hat dazu zunächst mitgeteilt, dass die beantragte Kostenrückerstattung derzeit nicht in Betracht komme. Darauf hat der Beteiligte am 23. September 2010 Beschwerde gegen die Anordnung des Gerichts zur Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe von 400,00 € eingelegt. Mit Schreiben vom 31. Januar 2011 hat er an die Bescheidung seiner Beschwerde erinnert. Das Amtsgericht, hier der Rechtspfleger, hat am 11. Februar 2011 verfügt, dass der Beschwerde nicht abgeholfen werden und hat die Sache dem Richter vorlegt. Der Richter hat vermerkt, gemäß § 8 Abs. 3, 14 Abs. 4 KostO sei das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht als Beschwerdegericht zuständig, und hat die Sache wieder dem Rechtspfleger vorgelegt; der hat am 17. März 2011 die Akte mit dem Hinweis auf seine Nichtabhilfeverfügung dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2. ist gemäß §§ 58 ff FamFG statthaft und zulässig. Sie richtet sich gegen die Entscheidung des Amtsgerichts in dem Schreiben vom 7. Juli 2010, die beantragte Nachlasspflegschaft nur unter der Bedingung anzuordnen, dass der Beteiligte zu 2. einen Kostenvorschuss in Hohe von 400,00 € einzahlt. Bei dieser Entscheidung handelt es sich um eine Endentscheidung des Amtsgerichts im Sinne des § 58 Abs. 1 FamFG. Denn damit ist die beantragte Anordnung einer Nachlasspflegschaft – nach einer vorangegangenen ablehnenden Mitteilung – unter die Bedingung einer Vorschusszahlung gestellt worden.
Die Beschwerde des Beteiligten zu 2. richtet sich nicht gegen einen Kostenansatz des Gerichts bzw. ist keine Kostenbeschwerde gemäß § 14 Abs. 3 KostO. Vielmehr richtet sie sich dagegen, dass die Anordnung einer Nachlasspflegschaft von einer Vorschusszahlung abhängig gemacht worden ist.
Der Beteiligte zu 2. ist gemäß § 59 Abs. 1 FamFG beschwerdeberechtigt. Als Nachlassgläubiger ist er gemäß § 1961 BGB antragsberechtigt (Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 17. Aufl., § 59 Rdnr. 83).
Der Zulässigkeitswert gemäß § 61 Abs. 1 FamFG – in vermögensrechtlichen Angelegenheiten muss der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 € übersteigen – ist erreicht. Es liegt eine vermögensrechtliche Angelegenheit vor. Denn der Beteiligte zu 2. verfolgt mit der beantragten Anordnung einer Nachlasspflegschaft vorrangig wirtschaftliche Belange. Als Vermieter will er über einen zu bestellenden Nachlasspfleger in der Lage sein, das bestehende Mietverhältnis zu beenden und das beendete Mietverhältnis unter Wahrung seiner Interessen abzuwickeln.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 1.000,00 €. Der Wert ist nach dem vermögenswerten Interesse des Beschwerdeführers an der verfolgten Abänderung der angefochtenen Entscheidung zu beurteilen (BGH NJW 1992, 3305, Keidel/Meyer-Holz, aaO., § 61 Rdnr. 6) Vorliegend bestimmt sich der Wert nicht nach der Höhe des Vorschusses (400,00 €), sondern an dem Interesse des Beteiligten zu 2. an der Anordnung einer Nachlasspflegschaft. Es liegt auf der Hand, dass dieses Interesse höher liegt als der angeforderte Vorschuss. Denn der Beteiligte zu 2. hat umgehend den angeforderten Vorschuss eingezahlt, um die begehrte Anordnung herbeizuführen. Der Nachlasswert bestand nach der Schlussrechnung des Nachlasspflegers aus einem Guthaben von 39,50 € und Nachlassverbindlichkeiten in Höhe von fast 5.000,00 €. Bei dieser Sachlage erscheint es gerechtfertigt, den Wert des Beschwerdegegenstandes nach dem genannten Interesse des Beteiligten zu 2. – er wollte über den zu bestellenden Nachlasspfleger das bestehende Mietverhältnis beenden und unter Wahrung seiner Vermieterinteressen abwickeln – auf 1.000,00 € zu veranschlagen.
Zwar ist das gemäß § 68 Abs. 1 FamFG vorgeschriebene Abhilfeverfahren nicht, jedenfalls nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Die Entscheidung im Abhilfeverfahren muss durch Beschluss ergehen und grundsätzlich begründet sein; der Beschluss ist den Beteiligten bekannt zu geben (Keidel/Sternal, aaO., § 68 Rdnr. 12 und 20). Ein Vermerk in der Form einer Verfügung – wie vorliegend – reicht nicht aus. Es erschien vorliegend aber nicht tunlich, die Sache an das Amtsgericht zwecks Nachholung der gebotenen Abhilfeentscheidung zurückzuverweisen; es erschien vielmehr geboten, in der Sache zu entscheiden.
Die angefochtene Entscheidung verstößt gegen materielles Recht. Es gibt keine Rechtsgrundlage dafür, von einem Nachlassgläubiger, der die Anordnung einer Nachlasspflegschaft beantragt, einen Vorschuss für die Kosten der Nachlasspflegschaft zu fordern. Das gilt auch dann, wenn ein Nachlass, aus dem die Auslagen und Vergütung für den Nachlasspfleger gedeckt werden könnten, erkennbar nicht gegeben ist. Denn nach § 6 Satz 1 KostO haften die Erben u.a. für die Kosten der Sicherung des Nachlasses. Diese Regelung verdrängt als vorrangige Spezialregelung die allgemeinen Vorschriften über die Kostenschuldnerschaft nach den §§ 2, 3 KostO. Weil ein Nachlassgläubiger, der gemäß § 1961 BGB die Anordnung einer Nachlasspflegschaft beantragt, mithin nicht für die Kosten, insbesondere nicht für die Auslagen und die Vergütung des Nachlasspflegers haftet, gibt es keine Grundlage für die Anforderung eines Kostenvorschusses (OLG Hamm FamRZ 2010, 1112; OLG Dresden FamRZ 2010, 1114; OLG Düsseldorf OLGR 2002, 376; LG Köln NJW-RR 2009, 375; Keidel/Zimmermann, aaO., § 345 Rdnr. 88; Palandt-Weidlich, BGB, 70. Aufl., § 1961 Rdnr. 3; PWW/Tschichoflos, BGB, 6. Aufl., § 1961 Rdnr. 13; Staudinger/Marotzke, BGB, Neubearbeitung 2008, § 1961 Rdnr. 9; a.A. MünchKomm/Leipold, BGB, 5. Aufl., § 1961 Rdnr. 12; Soergel/Stein, BGB, 13. Aufl., § 1961 Rdnr. 6).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG. Für eine Entscheidung dahin, dass die außergerichtlichen Kosten des Beteiligten zu 2. etwa von der Landeskasse zu erstatten sind, fehlt eine Rechtsgrundlage.
Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf §§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 1 KostO.
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