Die Anordnung der Schiedsgerichtsbarkeit für Pflichtteilsansprüche durch den Erblasser in einer letztwilligen Verfügung ist unwirksam

Erbrecht: LG München II - Teilurteil vom 24-02-2017 - Az. 13 O 5937-15 | Pflichtteil Pflichtteilsrecht Schiedsgerichtsklausel | Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht Köln Nippes

Urteil des LG München II vom 24.02.2017

Aktenzeichen: 13 O 5937/15

Kurze Zusammenfassung der Entscheidung:

Die Anordnung der Schiedsgerichtsbarkeit für Pflichtteilsansprüche durch den Erblasser in einer letztwilligen Verfügung ist unwirksam.
Im vorliegenden Fall hatte der Erblasser in seinem Testament angeordnet, dass über eventuelle Pflichtteilsansprüche ein Schiedsgerichtsverfahren durchzuführen ist. Nach dem Erbfall erhob einer der Pflichtteilsberechtigten Stufenklage zur Durchsetzung seiner Pflichtteilsansprüche. Der beklagte Erbe hielt der Klage die Einrede der vom Erblasser angeordneten Schiedsgerichtsbarkeit entgegen.
Das Landgericht München II stellte fest, dass durch die Anordnung einer Schiedsgerichtsklausel für streitige Pflichtteilsansprüche der Erblasser in das Pflichtteilsrecht selbst eingreift. Da grundsätzlich ausgeschlossen ist, dass der Erblasser über das Pflichtteilsrecht durch letztwillige Verfügung disponiert, greift der Erblasser durch die Anordnung der Schiedsgerichtsklausel in unzulässiger Art und Weise in das Pflichtteilsrecht ein. Aus diesem Grunde ist die testamentarisch angeordnete Schiedsgerichtsklausel hinsichtlich streitiger Pflichtteilsansprüche unwirksam und die Stufenklage folglich zulässig.

(Pflichtteil Pflichtteilsrecht Schiedsgerichtsklausel)

Tenor:

I. Der Beklagte zu 1) wird verurteilt,
auf 1, Stufe den Klägern Auskunft zu erteilen über den Bestand des Nachlasses des am verstorbenen Herrn …, geboren am zuletzt wohnhaft …(nachstehend „Erblasser“ genannt) durch Vorlage eines Verzeichnisses nach § 260 BGB, das von einem Notar aufgenommen und bei dessen Aufnahme die Kläger hinzugezogen werden und dass sämtliche beim Erbfall vorhandenen Aktiva, wie insbesondere Immobilien, Sachen, Unternehmens- und Gesellschaftsbeteiligungen und Forderungen sowie sämtliche Passiva des Nachlasses, also Nachlassverbindlichkeiten wie Erblasser- und Erbfallschulden enthält und den Güterstand, in dem der Erblasser verheiratet war, benennt.
Ferner sind in das Nachlassverzeichnis sämtliche lebzeitige Zuwendungen des Erblassers innerhalb von zehn Jahren vor dessen Todestag (§ 2325 BGB) aufzunehmen, also insbesondere Schenkungen, gemischte Schenkungen und im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erfolgte Zuwendungen sowie – unabhängig von einer Frist, d. h. ohne Beschränkung auf den vorgenannten 10-Jahres-Zeitraum – alle unter Abkömmlingen zur Ausgleichung zu bringende Zuwendungen nach §§ 2050 ff. BGB sowie sämtliche Zuwendungen an seinen Ehegatten, die der Erblasser zu seinen Lebzeiten getätigt hat. Ohne zeitliche Beschränkung, d. h. insbesondere ohne Beschränkung auf den vorgenannten 10-Jahres-Zeitraum ist im Nachlassverzeichnis auch Auskunft über Zuwendungen des Erblassers zu erteilen, sofern der Erblasser sich im Rahmen solcher Zuwendungen Nutzungsrechte wie einen Nießbrauch oder ein Wohnungsrecht vorbehalten und/oder Widerrufs- oder Rückübertragungsrechte vereinbart hat.
Im Nachlassverzeichnis anzugeben sind darüber hinaus Lebensversicherungen und sonstige Verträge zugunsten Dritter unter Angabe des Zuwendungsvollzugs sowie der Erlass von Forderungen nach § 397 BGB. Außerdem ist mitzuteilen, ob und ggf. welche gesetzliche Erben des Erblassers einen Erbverzicht erklärt haben.
Sämtliche Auskünfte sind durch Vorlage geeigneter Dokumente (Kopiert ausreichend) zu untermauern.
II. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,00 €.

(Pflichtteil Pflichtteilsrecht Schiedsgerichtsklausel)

Entscheidungsgründe:

 
A. Tatbestand
Die Kläger machen durch Stufenklage Ansprüche auf Auskunft und Wertermittlung sowie auf Zahlung ihrer Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend.
Am 29.10.2012 verstarb der Vater der Kläger und des Beklagten zu 1), Herr … zuletzt wohnhaft in … Er war in erster Ehe verheiratet mit Frau …
Neben den Klägern und dem Beklagten zu 1) hat der Erblasser ein weiteres Kind. Mit privatschriftlichem Testament vom 17.04.2010 (K 1) setzte der Erblasser den Beklagten zu 1) zu seinem alleinigen Erben ein. Seine Ehefrau und seine übrigen Kinder einschließlich der Kläger wurden gemäß §§ 2 ff. des Testaments unter Verweis auf einzelne Vermächtnisse und auf ihr Pflichtteilsrecht enterbt.
Der Beklagte zu 1) hat die Erbschaft angenommen (Erbschein vom 27.03.2013, K 2). Gemäß § 3 des Testaments hat der Erblasser Testamentsvollstreckung angeordnet und den Beklagten zu 2) zum Testamentsvollstrecker ernannt. Dieser hat das ihm übertragene Amt angenommen. Sein Amt beschränkt sich auf die Erfüllung der ausgesetzten Vermächtnisse und die Einhaltung der angeordneten Auflagen. Darüber hinaus hat der Erblasser gemäß § 4 des Testaments die Anordnung getroffen, dass alle das Testament betreffenden Streitigkeiten einschließlich etwaiger Auseinandersetzungen über die Nachlassbewertung und über die Höhe etwaiger Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche vor dem Schlichtungs- und Schiedsgerichtshof der Deutschen Notare (SDH) zu verhandeln seien.
Der Nachlass des Erblassers besteht insbesondere aus zahlreichen Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen sowie werthaltigen Immobilien und Immobilienbeteiligungen.
Vor dem Hintergrund der komplexen Zusammensetzung des Nachlasses korrespondierten die Kläger seit 2013 mit den Beklagten. Der Beklagte zu 1) übermittelte im Jahr 2013 den Klägern ein vorläufiges Nachlassverzeichnis und es erfolgten weitere Auskünfte. Die Parteien verhandelten auch über die zugunsten der Kläger ausgesetzten Vermächtnisse.
Bezüglich eines Wertermittlungsanspruchs wurden später auch im Immobilienverkehrswert Gutachten über den im Nachlass des Erblassers vorhandenen Grundbesitz übersandt. Zwischen den Parteien bestehen anhaltende Differenzen bezüglich der Vollständigkeit der Auskunftserteilung und der zutreffenden Bewertung vom Vermögenswerten im Hinblick auf den Pflichtteil und den Pflichtteilsergänzungsanspruch. Insbesondere ist zwischen den Parteien auch die Wirksamkeit der in § 4 des Testaments vom 17.04.2010 enthaltenen Schiedsklausel umstritten.
Die Kläger machen geltend, die in dem Testament enthaltene Schiedsklausel stehe der Zuständigkeit der staatlichen Gerichtsbarkeit nicht entgegen. Denn die Schiedsklausel sei für die klägerischen Ansprüche nicht maßgebend, sondern unwirksam. Das Pflichtteilsrecht sei Ausfluss der grundgesetzlich gewährleisteten Eigentums- und Erbrechtsgarantie, über die der Erblasser nicht zulasten des Pflichtteilsberechtigten verfügen könne. Die Entscheidung über solche Ansprüche könne nicht durch letztwillige Verfügung der staatlichen Gerichtsbarkeit entzogen werden, weil hierin eine Beeinträchtigung der Rechtsposition des Pflichtteilsberechtigten liege.
Die Kläger seien auch unstreitig pflichtteilsberechtigt und hätten Anspruch auf vollständige Auskünfte über den Nachlass durch ein notariell aufgenommenes Nachlassverzeichnis. Die bisherige Auskunftserteilung sei lückenhaft und insbesondere seien die Kläger bei der Erstellung des Nachlassverzeichnisses nicht hinzugezogen worden; das Verzeichnis sei durch einen Notar aufzunehmen. Auch Wertermittlungsansprüche seien bisher nicht (vollständig) erfüllt. In der letzten Stufe stehe den Klägern ein Zahlungsanspruch zu.
Der Duldungsantrag gegen den Beklagten zu 2) sei notwendig zur Durchsetzung der Ansprüche gegen den Beklagten zu 1). Die Notwendigkeit ergebe sich im Hinblick auf § 748 Abs. 3 ZPO. Der Beklagte zu 2) sei durchaus passivlegitimiert, weil die Einreichung der Klage nicht zum Wegfall der den Klägern ausgesetzten Vermächtnisse führe.
Die Kläger beantragen daher:

Der Beklagte zu 1) wird verurteilt,
auf 1. Stufe den Klägern Auskunft zu erteilen über den Bestand des Nachlasses des am verstorbenen Herrn …, geboren am …, zuletzt wohnhaft …(nachstehend „Erblasser“ genannt) durch Vorlage eines Verzeichnisses nach § 260 BGB, das von einem Notar aufgenommen und bei dessen Aufnahme die Kläger hinzugezogen werden und dass sämtliche beim Erbfall vorhandenen Aktiva, wie insbesondere Immobilien, Sachen, Unternehmens- und Gesellschaftsbeteiligungen und Forderungen sowie sämtliche Passiva des Nachlasses, also Nachlassverbindlichkeiten wie Erblasser- und Erbfallschulden enthält und den Güterstand, in dem der Erblasser verheiratet war, benennt.
Ferner sind in das Nachlassverzeichnis sämtliche lebzeitige Zuwendungen des Erblassers innerhalb von zehn Jahren vor dessen Todestag (§ 2325 BGB) aufzunehmen, also insbesondere Schenkungen, gemischte Schenkungen und im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erfolgte Zuwendungen sowie – unabhängig von einer Frist, d. h. ohne Beschränkung auf den vorgenannten 10-Jahres-Zeitraum – alle unter Abkömmlingen zur Ausgleichung zu bringende Zuwendungen nach §§ 2050 ff. BGB sowie sämtliche Zuwendungen an seinen Ehegatten, die der Erblasser zu seinen Lebzeiten getätigt hat. Ohne zeitliche Beschränkung, d. h. insbesondere ohne Beschränkung auf den vorgenannten 10-Jahres-Zeiträum ist im Nachlassverzeichnis auch Auskunft über Zuwendungen des Erblassers zu erteilen, sofern der Erblasser sich im Rahmen solcher Zuwendungen Nutzungsrechte wie einen Nießbrauch oder ein Wohnungsrecht vorbehalten und/oder Widerrufs- oder Rückübertragungsrechte vereinbart hat.
Im Nachlassverzeichnis anzugeben sind darüber hinaus Lebensversicherungen und sonstige Verträge zugunsten Dritter unter Angabe des Zuwendungsvollzugs sowie der Erlass von Forderungen nach § 397 BGB. Außerdem ist mitzuteilen, ob und ggf. welche gesetzliche Erben des Erblassers einen Erbverzicht erklärt haben.
Sämtliche Auskünfte sind durch Vorlage geeigneter Dokumente (Kopien ausreichend) zu untermauern.

Die Beklagten beantragen Klageabweisung.
Sie halten die Klage bereits für unzulässig wegen der testamentarisch in § 4 verfügten wirksamen Schiedsklausel. Die Schiedsgerichtsbarkeit habe hier Vorrang. Nach der gesetzlichen Regelung könne der Erblasser auch einseitig durch letztwillige Verfügung ein privates Schiedsgericht anordnen, wobei die fehlende Dispositionsbefugnis über den Pflichtteilsanspruch dem nicht entgegenstehe. Die Schiedsgerichtsbarkeit sei eine gleichwertige verfassungsmäßige Alternative. Auch der Gesetzgeber habe gemäß amtlicher Gesetzesbegründung die Schiedsgerichtsbarkeit für sämtliche vermögensrechtlichen Ansprüche eröffnen wollen, ohne Einschränkung. Von einer Verkürzung des Pflichtteilsrechts durch die Anordnung der Schiedsgerichtsbarkeit könne daher nicht gesprochen werden. Die Formulierung „in gesetzlich statthafter Weise“ in § 1066 ZPO bedeute nur, dass die Anordnung formwirksam sein müsse.
Auch habe vorprozessual eine umfassende Auskunftserteilung durch den Beklagten zu 1) stattgefunden. Über Nachlasswerte, Schenkungen etc. sei vollständig Auskunft erteilt worden, auch über Schenkungen des Erblassers an den Beklagten zu 1) und Dritte. Es habe auch eine vollständige Wertermittlung des Nachlasses auf den Todestag durch den Beklagten zu 1) stattgefunden. Die erholten Gutachten seien zutreffend. Unzutreffend sei auch, dass die Bewertung des betrieblichen Vermögens des Erblassers intransparent, nicht nachprüfbar und falsch sei. Somit sei Auskunft über den Nachlassbestand umfassend und vollständig erteilt worden. Eine Hinzuziehung der Kläger sei zuvor nie verlangt worden und die Vorlage nun eines notariellen Nachlassverzeichnisses unter Hinzuziehung der Kläger sei schikanös.
Der Beklagte zu 2) bestreitet seine Passivlegitimation, weil er als Testamentsvollstrecker lediglich beschränkt eingesetzt sei, auf die Erfüllung der ausgesetzten Vermächtnisse und die Einhaltung der testamentarisch angeordneten Auflagen, der Anspruch der Kläger auf Erfüllung der Vermächtnisse allerdings entfallen sei aufgrund der Einreichung ihrer Klage.
Zum weiteren Vortrag der Parteien wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
B. Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und teilweise zur Entscheidung reif und insoweit begründet (Auskunftsanspruch).
Ein Teilurteil kann gemäß § 301 ZPO ergehen, weil der klägerische Antrag in erster Stufe (Auskunftserteilung; Antrag 1.1) zur Entscheidung reif ist. Der Auskunftsanspruch gegen den Beklagten zu 1) ist gemäß §§ 2303, 2314 Abs. 1 BGB begründet.
I. Zulässigkeit:
Das Landgericht München II ist nach § 27 ZPO (Gerichtsstand der Erbschaft) und auch nach § 13 ZPO örtlich und sachlich zuständig.
Der Zulässigkeit der Klage steht auch nicht die in § 4 des Erblassertestaments K 1 enthaltene Schiedsklausel entgegen.
Danach hatte der Erblasser verfügt, dass das Schiedsgericht (SDH) verbindlich über die Bewertung seines Nachlasses und seiner Bestandteile sowie über die Höhe etwaiger Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche entscheiden soll. Somit liegt eine Angelegenheit vor, die Gegenstand der Schiedsklausel ist und die Beklagten haben auch eine entsprechende Rüge erhoben (§ 1032 ZPO). Das Gericht gelangt jedoch zu der Überzeugung, dass die Schiedsklausel für den vorliegenden Fall, in dem Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend gemacht werden, keine Wirksamkeit erlangt.
Gemäß § 1066 ZPO kann ein Schiedsverfahren auch durch letztwillige oder andere nicht auf Vereinbarung beruhende Verfügungen angeordnet werden, sofern die Anordnung „in gesetzlich statthafter Weise“ geschieht.
Die Parteien haben den Meinungsstand in Literatur und Rechtsprechung ausführlich dargestellt. Festzuhalten ist, dass nach weiterhin überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, insbesondere auch nach der Rechtsprechung des Bayerischen Oberfandesgerichts und des Oberlandesgerichts München (auch wenn insoweit keine Einheitlichkeit gegeben sein soll) die Wirksamkeit derartiger Schiedsklauseln für den Fall, dass sie auch in Streitigkeiten bezüglich Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen gelten sollen, in Abrede gestellt wird (vgl. z. B. BayObLGZ Entscheidungen 1956,186, 189; OLG München FamRZ2016l 1310).
Nach Auffassung des Gerichts ist für die Beurteilung der Wirksamkeit von Schiedsklauseln in derartigen Fällen nicht maßgebend, welche Argumente im Einzelfall für oder gegen ein Schiedsgerichtsverfahren spricht. Vielmehr ist maßgebend, ob der gesetzliche Pflichtteilsanspruch generell durch einseitige Verfügung von Todes wegen, § 1937 BGB, dem Schiedsverfahren unterstellt werden kann. Es mag hier so sein, dass der Erblasser seine besonderen Gründe für die Anordnung der Schiedsgerichtsbarkeit hatte und es ist sicher auch zutreffend, dass ein Schiedsgerichtsverfahren gegenüber einem Verfahren vor staatlichen Gerichten verschiedene Vorteile bietet, wie von den Beklagten auch aufgeführt. Insbesondere können Schiedsverfahren zügiger, flexibler und kostensparender durchgeführt werden, wobei die Vertraulichkeit des Verfahrens ebenso einen Vorteil bieten kann. Gerade in umfangreichen und komplexen Verfahren, die eine Streitigkeit im engeren Familien- oder Geschäftsbereich betreffen, bietet dies erhebliche Vorteile.
Ob Schiedsgerichte generell den staatlichen Gerichten in jeder Hinsicht gleichwertige Rechtschutzmöglichkeiten bieten, möchte die Kammer hier ausdrücklich dahinstehen lassen. Denn die Aufgaben staatlicher Rechtsprechungen sind vielfältig und die Einhaltung eines staatlichen Gerichtsverfahrens soll auch im Interesse besonders schutzwürdiger Rechtsgüter nicht vorbehaltlos entfallen.
§ 1066 ZPO sieht ausdrücklich vor, dass Streitigkeiten durch einseitige Verfügung auf Schiedsgerichte übertragen werden können, jedoch nur wenn dies in gesetzlich statthafter Weise geschieht. Ausgangspunkt ist für das Gericht hier, dass Schiedsgerichte grundsätzlich zwischen Vertragsparteien vereinbart werden und andererseits nur insoweit (einseitig) angeordnet werden können, wenn dies Ausfluss einer einseitigen Verfügungsmöglichkeit ist. Im Vergleich mit der staatlichen Gerichtsbarkeit, der grundsätzlich alle Bürger unterworfen sind, handelt es sich bei der Schiedsgerichtsbarkeit um eine andere Art der Gerichtsbarkelt, die der privatautonomen Legimitation bedarf.
Weil der Erblasser in den Gehalt der Pflichtteilsansprüche nicht eingreifen kann, ist ihm auch die einseitige Anordnung der Schiedsgerichtsbarkeit zu versagen. Die Zulässigkeit der Schiedsklausel für Pflichtteilsansprüche erfolgt nicht aus der Testierfreiheit, denn die Pflichtteilsrechte begrenzen nun einmal die Testierfreiheit kraft Gesetzes (vgl. Münchner Kommentar, 7. Auflage, § 1937 BGB, Rdnr. 34). Der „Erst-Recht-Schluss“ ein Schiedsgericht müsse auch über das Pflichtteilsrecht entscheiden können, wenn es sogar darüber befinden könne, wer Erbe ist, ist daher nicht überzeugend. Entsprechendes gilt für das Argument, es müsse lediglich eine Schiedsklausel in wirksamer Form vorliegen.
In der Entscheidung vom 25.04.2016 hat das Oberlandesgericht München (34 Sch 13/15) entschieden, dass der gesetzliche Pflichtteilsanspruch, der die Testierfreiheit begrenze, nicht durch einseitige Verfügung von Todes wegen dem Schiedsverfahren unterstellt werden könne. Die Beklagten haben dieser Entscheidung eine weitere Entscheidung des OLG München (18. Zivilsenat) entgegengehalten und streiten sich des Weiteren darüber, ob es diese Entscheidung tatsächlich gebe. Die Kammer folgt jedoch – unabhängig von diesen Ausführungen – der überzeugenden Argumentation des 34. Zivilsenats, der auf die unentziehbare Mindestteilhabe eines Pflichtteilsberechtigten verweist und so die Grenzen der Verfügungsfreiheit des Erblassers zieht. Die Kammer hält auch nicht die zitierte Entscheidung des BGH KZR 6/15 vom 07.06.2016 für passend. Denn dort geht es nicht lediglich um eine einseitig angeordnete Schiedsvereinbarung, sondern um andere Wertungsfragen. Es handelt sich hier um eine Kartellsache.
Auch unter Berücksichtigung des weiteren Sachvortrags der Parteien hält das Gericht im Ergebnis die Schiedsklausel gemäß § 4 des Testaments im Hinblick auf Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche für unwirksam.
II. Begründetheit
Der Beklagte zu 1) ist den Klägern gemäß §§ 2303, 2314 Abs. 1 BGB zur Auskunft verpflichtet und zwar durch Vorlage eines Verzeichnisses, das von einem Notar aufgenommen und bei dessen Aufnahme die Kläger hinzugezogen werden.
Auch wenn der Beklagte zu 1) bereits weitgehend Auskunft erteilt hat, so ist doch weitgehend anerkannt, dass ein Berechtigter auch nach Erstellung eines privatschriftlichen Verzeichnisses noch ein notarielles Verzeichnis verlangen kann; das Rechtschutzbedürfnis ist ihm hier nicht abgeschnitten (vgl. Palandt, 76. Auflage, § 2314 BGB Rdnr. 7).
Dabei wird u. a. darauf verwiesen, dass die Aufnahme eines notariellen Verzeichnisses dem Pflichtteilsberechtigten einen höheren Grad an Richtigkeit gewährleisten kann gegenüber einer Privatauskunft des Erben. Die Entscheidung BGH NJW 1961, 602 bestätigt ebenfalls, dass der Anspruch eines Pflichtteilsberechtigten auf amtliche Verzeichnung (§ 2314 Abs. 1, Satz 3 BGB) durch eine private Verzeichnung seitens des Erben grundsätzlich nicht berührt wird. Mehrere Arten von Auskunftsansprüchen stünden nicht lediglich in einem Wahlverhältnis, sondern der Gläubiger könne die Rechte neben- oder hintereinander geltend machen.
Der Anspruch auf Vorlage eines notariellen Verzeichnisses kann allenfalls in engumgrenzten Fällen bei Rechtsmissbrauch oder Schikane entfallen (§ 242 BGB).
Nach Auffassung des Gerichts kann angesichts der komplexen Angelegenheit weder eine nach Behauptung – sukzessive Sachbearbeitung diesen Ausnahmefall begründen noch ein möglicherweise nicht so großer „Erkenntnisgewinn“, der laut Beklagten zu 1) „gleich null“ sein soll. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung handelt es sich bei dem Begehren, nun ein notariell aufgenommenes Verzeichnis zu verlangen, um einen klaren und „starken“ Anspruch, der auch im vorliegenden Fall nicht abgesprochen werden kann.
III.
Die Auskunftserteilung war daher anzuordnen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Vorläufige Vollstreckbarkeit; § 709 ZPO.
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