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Der Testamentsvollstrecker muss seine Verfügungsbefugnis dem Grundbuchamt gegenüber durch Vorlage einer Ausfertigung seines Testamentsvollstreckerzeugnisses nachweisen
Urteil des OLG Hamm vom 27.05.2016
Aktenzeichen: 15 W 209/16
Kurze Zusammenfassung der Entscheidung:
Im vorliegenden Fall legte der Testamentsvollstrecker eine Abschrift seines Testamentsvollstreckerzeugnisses dem beurkundenden Notar vor. Der Beurkundungstermin bezog sich auf ein Grundstücksgeschäft. Der Notar fertigte eine beglaubigte Abschrift des Testamentsvollstreckerzeugnisses. Im Weiteren wurde über den Notar beim Grundbuchamt die Auflassung hinsichtlich der veräußerten Immobilie beantragt. Das Grundbuchamt verlangte die Vorlage einer Ausfertigung des Testamentsvollstreckerzeugnisses zum Nachweis der Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers hinsichtlich der veräußerten Immobilie. Dagegen legte der Notarbeschwerde ein.
Das OLG Hamm wies die Beschwerde zurück. Nach Ansicht des OLG Hamm kann der Testamentsvollstrecker gegenüber dem Grundbuchamt seine Verfügungsbefugnis hinsichtlich der zum Nachlass gehörenden Immobilien nur durch die Vorlage einer Ausfertigung seines Testamentsvollstreckerzeugnisses nachweisen. Die Vorlage einer beglaubigten Abschrift ist hierfür nicht ausreichen.
Da in der Zeit zwischen der Beurkundung des notariellen Vertrages und der Erklärung der Auflassung die Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers entfallen kann, muss die Befugnis des Testamentsvollstreckers zum Zeitpunkt der Auflassung nachgewiesen werden. Nach Ansicht des OLG Hamm ist dies nur durch die Vorlage der Urschrift des Testamentsvollstreckerzeugnisses oder einer Ausfertigung des Testamentsvollstreckerzeugnisses möglich. Da im vorliegenden Fall über den Notar lediglich eine beglaubigte Abschrift des Testamentsvollstreckerzeugnisses vorgelegt wurde, war die Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers im Augenblick der Auflassung somit nicht ordnungsgemäß nachgewiesen.
(Testamentsvollstrecker Testamentsvollstreckerzeugnis Grundbuch)
Tenor:
1) Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2) Der Beteiligte zu 2) trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens, § 84 GBO.
3) Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,- € festgesetzt.
4) Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
(Testamentsvollstrecker Testamentsvollstreckerzeugnis Grundbuch)
Entscheidungsgründe:
Die vom Urkundsnotar namens der Beteiligten, § 15 Abs.2 GBO, eingelegte Beschwerde ist gemäß §§ 71 Abs.1, 73 GBO statthaft und zulässig.
Sie bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Das Grundbuchamt hat mit der angegriffenen Zwischenverfügung zu Recht die Vorlage einer Ausfertigung des Testamentsvollstreckerzeugnisses für erforderlich erachtet. Die Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers muss im Grundbucheintragungsverfahren bezogen auf den Zeitpunkt der Eintragung des Eigentümerwechsels (siehe dazu näher die nachstehenden Ausführungen) nachgewiesen werden. Ist – wie hier – ein Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt, kann dieser Nachweis nach § 35 Abs. 2 S. 1 GBO nur durch Vorlage dieses Zeugnisses geführt werden (BayObLGZ 1990, 87 = NJW-RR 1990, 844). Für die Form, in der dieser Nachweis geführt werden muss, gilt § 29 Abs. 1 S. 2 GBO: Da es sich nicht um eine zu der Eintragung erforderliche Erklärung handelt – nur insoweit lässt § 29 Abs. 1 S. 1 GBO eine Nachweisführung alternativ auch durch eine öffentlich-beglaubigte Urkunde zu -, ist die Form der Nachweisführung auf die Vorlage einer öffentlichen Urkunde beschränkt. Folglich muss die öffentliche Urkunde in Urschrift oder in der Form einer an die Stelle der Urschrift tretenden Ausfertigung vorgelegt werden. Dementsprechend ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der nach § 35 Abs. 1 S. 1 GBO durch einen Erbschein zu führende Nachweis der Erbfolge ausschließlich durch die Vorlage der Urschrift oder einer Ausfertigung geführt werden kann (BGH NJW 1982, 170). Für das Testamentsvollstreckerzeugnis, das in § 35 Abs. 2 GBO als grundbuchverfahrensrechtlicher Nachweis dem Erbschein in Abs. 1 der Vorschrift gleichgestellt wird, kann deshalb nicht anderes gelten.
Dementsprechend geht die weitaus überwiegende Auffassung zu Recht dahin, dass der Nachweis der Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers nur durch ein in Urschrift oder Ausfertigung vorgelegtes Testamentsvollstreckerzeugnis geführt werden kann (vgl. etwa BayObLG Rpfleger 1995, 452; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rdnr. 3462; Demharter, GBO, 29 Aufl., § 35, Rdnr. 60; Meikel/Krause, GBO, 11. Aufl., § 35 Rdnr. 176; BeckOK/GBO-Hügel, § 52, Rdnr. 62). Der gegenteiligen Auffassung, die die hier von dem Urkundsnotar praktizierte Verfahrensweise genügen lassen will, bei der die Ausfertigung des Testamentsvollstreckerzeugnisses bei der notariellen Beurkundung vorgelegt und sodann in der Form einer beglaubigten Abschrift der Ausfertigung beigefügt wird (LG Köln Rpfleger 1077, 29; Schaub in: Bauer/von Oefele, GBO, 3. Aufl., § 52, Rdnr. 14; Walloscheck ZEV 2011, 167/168), vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Denn diese Auffassung berücksichtigt nicht hinreichend, dass es in dem vorliegenden Zusammenhang nicht um den Nachweis einer gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht geht, für deren Beurteilung es maßgeblich auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts ankommt (BayObLG DNotZ 1983, 752). Vielmehr ist hier der Nachweis der Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers zu führen, für den maßgeblich auf den Zeitpunkt der Eintragung des Eigentumswechsels abzustellen ist (BGH NJW 1963, 36). Dementsprechend muss die Möglichkeit berücksichtigt werden, dass die Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers auch nach der notariellen Beurkundung des Rechtsgeschäfts durch eine Einziehung des Testamentsvollstreckerzeugnisses (§ 2361 BGB) weggefallen sein kann. Folglich ist in diesem Zusammenhang auch für eine Notarbescheinigung in Anlehnung an § 21 BNotO (so Walloscheck a.a.O.) kein Raum.
Die Vorschrift des § 878 BGB führt nicht zu einem anderen Ergebnis, ohne dass es einer Entscheidung des Senats bedarf, ob die Stellung des Testamentsvollstreckers in den Anwendungsbereich der Vorschrift fällt oder nicht.
§ 878 BGB befreit nicht von der Notwendigkeit der Vorlage der Eintragungsnachweise in der grundbuchverfahrensrechtlich vorgeschriebenen Form. Der Regelungsgehalt des § 878 BGB betrifft nicht die Form der vorzulegenden Nachweise. Vielmehr verlegt § 878 BGB für einige Fälle den Zeitpunkt vor, ab dem ein etwaiger Wegfall der Verfügungsbefugnis nicht mehr zur Unwirksamkeit eines Verfugungsgeschäfts führt. Grundsätzlich muss die unbeschränkte Verfügungsbefugnis in dem Augenblick vorhanden sein, in dem das Rechtsgeschäft wirksam werden soll, weil der Zeitpunkt des Wirkungseintritts und nicht der der Verfügungserklärung entscheidend ist. Im Falle einer Eintragung einer Rechtsänderung im Grundbuch ist dies die Vornahme der Eintragung durch das Grundbuchamt, vgl. §§ 873 Abs.1, 875 Abs.1 BGB. Im Zeitpunkt der Eintragung müssen daher grundsätzlich die Eintragungsvoraussetzungen vorliegen und in der grundbuchverfahrensrechtlich notwendigen Form nachgewiesen sein. Nach § 878 BGB wird eine von dem Berechtigten in Gemäßheit des § 873 BGB abgegebene Erklärung ungeachtet der noch nicht erfolgten Eintragung nicht dadurch unwirksam, dass der Berechtigte in seiner Verfügung beschränkt wird, nachdem die Erklärung für ihn bindend geworden ist und der Antrag auf Eintragung bei dem Grundbuchamt gestellt worden ist.
Die Vorschrift des § 878 BGB hat daher im Rahmen ihres Anwendungsbereichs lediglich Auswirkungen auf den Zeitpunkt, für den der – unverändert nach Maßgabe der Bestimmungen der GBO zu erbringende – Nachweis der Verfügungsbefugnis vorzulegen ist. Im Rahmen des Anwendungsbereichs des § 878 BGB muss zumindest im Zeitpunkt des Eingangs des Eintragungsantrages die erforderliche Verfügungsbefugnis vorgelegen haben und ist, bezogen auf diesen Zeitpunkt, gegenüber dem Grundbuchamt in der grundbuchverfahrensrechtlich notwendigen Form nachzuweisen. Gegenüber dem Grundbuchamt ist aber zu keinem Zeitpunkt eine Ausfertigung des Testamentsvollstreckerzeugnisses vorgelegt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
Die Wertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 61 Abs.1, 36 Abs.3 GNotKG.
Die Voraussetzungen des § 78 Abs.2 S.1 GBO für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.
Insbesondere weicht der Senat mit dieser Entscheidung nicht von dem Beschluss des 5. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vom 11. Oktober 2012 (Az.: V ZB 2/12) ab, veröffentlicht u.a. in DNotZ 2013, 362. Diese Entscheidung beschäftigt sich mit der Frage, ob und gegebenenfalls welche Bedeutung es hat, wenn das Amt des Wohnungseigentumsverwalters zwischen der Erklärung einer Zustimmung gemäß § 12 Abs.1 WEG und der Einreichung eines Antrages auf Eigentumsumschreibung geendet hat. Mit der vorliegend allein entscheidungserheblichen Frage der Form des gegenüber dem Grundbuchamt für den maßgeblichen Zeitpunkt zu führenden Nachweises der Eintragungsvoraussetzungen befasst sich der Bundesgerichtshof in der vorgenannten Entscheidung dagegen nicht.
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