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Die Festsetzung von Erbschaftsteuer zu Lasten eines Vermächtnisnehmers führt nicht zu einem Freistellungsanspruch des Nachlasses hinsichtlich der Erbschaftsteuer gegenüber dem Vermächtnisnehmer
Beschluss des OLG Karlsruhe vom 27.08.2015
Aktenzeichen: 9 W 39/15
Kurze Zusammenfassung der Entscheidung:
Im vorliegenden Fall vermachte der Erblasser der Vermächtnisnehmerin eine Eigentumswohnung. Der Erblasser hatte die Testamentsvollstreckung angeordnet. Im Vermächtniserfüllungsvertrag zwischen dem Testamentsvollstrecker und der Vermächtnisnehmerin wurde geregelt, dass diese die Erbschaftssteuer trägt, die hinsichtlich des Vermächtnisses anfällt. Dies lehnte die Vermächtnisnehmerin ab. Aus diesem Grunde konnte der Vermächtniserfüllungsvertrag nicht abgeschlossen werden.
Im Weiteren setzte das Finanzamt hinsichtlich des Vermächtnisses die Erbschaftssteuer zu Lasten der Vermächtnisnehmerin fest und stellte den Steuerbescheid dem Testamentsvollstrecker zu. Der Testamentsvollstrecker machte daraufhin gegenüber der Vermächtnisnehmerin einen Freistellungsanspruch bezüglich der Erbschaftsteuer geltend. Dem entsprechenden Klageantrag entsprach das angerufene Landgericht. Die Entscheidung wurde im Berufungsverfahren vom OLG Karlsruhe aufgehoben.
Die Erbschaftssteuer wurde gegen die Vermächtnisnehmerin festgesetzt. Steuersubjekt und damit Belastete der festgesetzten Erbschaftssteuer war somit die Vermächtnisnehmerin. Eine Festsetzung zu Lasten des Nachlasses hatte das Finanzamt nicht vorgenommen. Aus dem vorliegenden Erbschaftssteuerbescheid konnte der Nachlass somit nicht in Anspruch genommen werden. Da eine Inanspruchnahme des Nachlasses aufgrund des vorliegenden Erbschaftssteuerbescheid ausgeschlossen war, kam ein entsprechender Freistellungsanspruch des Nachlasses, vertreten durch den Testamentsvollstrecker, gegenüber der Vermächtnisnehmerin nicht in Betracht. Die Klage war daher abzuweisen.
(Vermächtnis Erbschaftsteuer Freistellung)
Tenor:
1) Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 15.05.2015 – B 3 O 231/14 – im Kostenpunkt wie folgt abgeändert:
2) Die Kosten des Verfahrens vor dem Landgericht tragen der Kläger zu 85 % und die Beklagte zu 15 %.
3) Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
(Vermächtnis Erbschaftsteuer Freistellung)
Entscheidungsgründe:
I. Tatbestand
Der Kläger ist Testamentsvollstrecker über den Nachlass des am 08.02.2013 verstorbenen W. L.. Der Kläger handelt im Prozess als Testamentsvollstrecker über den Nachlass. Die Beklagte ist Vermächtnisnehmerin. Im notariellen Testament vom 13.02.2004 hatte der Erblasser verfügt, dass die Beklagte bei seinem Tod eine Eigentumswohnung erhalten sollte.
Nach dem Tod des Erblassers bot der Kläger der Beklagten die Erfüllung des Vermächtnisses durch Abschluss eines notariellen Vertrages an. Am 18.11.2014 gab er eine notarielle Erklärung zum Abschluss eines Vermächtniserfüllungsvertrages ab. Dabei war in den vertraglichen Erklärungen vorgesehen, dass die Erbschaftssteuer im Innenverhältnis zum Kläger bzw. zum Nachlass von der Beklagten allein getragen werden sollte. Der Vollzug des Eigentumswechsels sollte davon abhängen, dass die Erbschaftssteuer in Höhe von 69.000,00 € von der Beklagten vollständig bezahlt war. Der Vermächtniserfüllungsvertrag kam nicht zustande, da die Beklagte mit den Regelungen zur Erbschaftssteuer nicht einverstanden war.
Mit Bescheid vom 07.11.2014 hatte das Finanzamt gegen die Beklagte wegen des Vermächtnisses die Erbschaftssteuer auf 69.000,00 € festgesetzt. Der Bescheid wurde unter Hinweis auf § 32 Abs. 1 Satz 1 ErbStG dem Kläger „als Testamentsvollstrecker mit Wirkung für und gegen die Vermächtnisnehmerin“ (die Beklagte) bekanntgegeben.
Im Verfahren vor dem Landgericht haben die Parteien verschiedene wechselseitige Ansprüche geltend gemacht. Unter anderem hat der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den Nachlass des Verstorbenen von einer Erbschaftssteuerforderung des Finanzamts in Höhe von 69.000,00 € nebst Zinsen freizustellen. Die Beklagte ist dieser Forderung zunächst entgegengetreten.
Am 06.02.2015 – während des laufenden Verfahrens vor dem Landgericht – hat die Beklagte die Erbschaftssteuer in Höhe von 69.000,00 € bezahlt. Daraufhin haben die Parteien den Rechtstreit wegen des ursprünglichen Freistellungsantrags übereinstimmend für erledigt erklärt. Verschiedene andere – geringere – Zahlungsansprüche sind streitig geblieben.
Mit Urteil vom 15.05.2015 hat das Landgericht über die streitigen Zahlungsansprüche entschieden. In der Kostenentscheidung hat das Landgericht dem Kläger 15 % und der Beklagten 85 % der Kosten auferlegt. Dabei hat das Landgericht zum einen das wechselseitige Obsiegen und Unterliegen der Parteien bei den streitigen Zahlungsansprüchen berücksichtigt. Über den überwiegenden Teil der Kosten hat das Landgericht unter Anwendung von § 91a Abs. 1 ZPO entschieden im Hinblick auf die Erledigung des ursprünglichen Freistellungsantrags wegen der Erbschaftssteuer. Insoweit seien die Kosten der Beklagten aufzuerlegen. Denn der Freistellungsanspruch sei ursprünglich begründet gewesen. Wenn der Antrag des Klägers sich nicht durch die Zahlung der Beklagten in Höhe von 69.000,00 € an das Finanzamt erledigt hätte, wäre die Beklagte wegen des Freistellungsantrags unterlegen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil vom 15.05.2015 Bezug genommen. Den Streitwert hat das Landgericht mit Beschluss vom selben Tag auf 94.474,61 € festgesetzt.
Gegen die Kostenentscheidung im Urteil des Landgerichts richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten. Das Landgericht habe § 91a Abs. 1 ZPO fehlerhaft angewendet. Wegen des erledigten Freistellungsantrags des Klägers seien die Kosten von diesem zu tragen, da dem Kläger von Anfang an kein Freistellungsanspruch zugestanden habe. Es habe für den geltend gemachten Anspruch keine rechtliche Grundlage gegeben.
Der Kläger tritt der sofortigen Beschwerde entgegen.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 24.07.2015 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht Karlsruhe – Zivilsenate in Freiburg – zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Die Parteien hatten im Beschwerdeverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme.
II. Gründe
Die zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten ist begründet.
1. Die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung ist zulässig gemäß § 91a Abs. 2 ZPO. Die Anfechtungsmöglichkeit nach dieser Vorschrift besteht auch dann, wenn in einem Urteil eine Teilerledigung in einer gemischten Kostenentscheidung berücksichtigt wird (vgl. Zöller/Vollkommer, Zivilprozessordnung, 30. Auflage 2014, § 91a ZPO, RdNr. 56). Der Streitwert der teilweise erledigten Hauptsache übersteigt die Berufungssumme (§ 91a Abs. 2 Satz 2 ZPO).
2. Das Landgericht hat bei der Kostenentscheidung berücksichtigt, dass die Parteien im Rahmen der streitigen Entscheidung jeweils ungefähr in gleicher Höhe obsiegt haben bzw. unterlegen sind. Entsprechend dem Verhältnis der verschiedenen Streitwerte hat das Landgericht für den streitigen Teil der Entscheidung sowohl dem Kläger als auch der Beklagten jeweils eine Kostenquote von 15 % auferlegt, während für die restlichen Kosten – 70 % – § 91a Abs. 1 ZPO maßgeblich war. Dies ist im Hinblick auf den Wert der verschiedenen Anträge nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung wegen des erledigten Teils der Klage richtet sich gemäß § 91a Abs. 1 ZPO nach billigem Ermessen. Dabei ist entscheidend, wie der Rechtstreit voraussichtlich geendet hätte, wenn keine Erledigung eingetreten wäre. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die Beklagte voraussichtlich antragsgemäß verurteilt worden wäre, den Kläger von der Erbschaftssteuerverpflichtung gegenüber dem Finanzamt in Höhe von 69.000,00 € freizustellen, wenn sich dieser Antrag nicht durch die Zahlung seitens der Beklagten an das Finanzamt erledigt hätte. Diese Auffassung teilt der Senat nicht. Vielmehr war der Freistellungsantrag des Klägers von Anfang an unbegründet. Ohne die Erledigung hätte der Antrag abgewiesen werden müssen. Daraus ergibt sich, dass die Kosten wegen des erledigten Teils des Rechtstreits dem Kläger aufzuerlegen sind. Dies rechtfertigt eine Kostenquote von 85 % zu 15 % zu Lasten des Klägers.
3. Dem Kläger stand in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker über den Nachlass des W. L. kein Anspruch gegen die Beklagte zu, den Nachlass von einer Erbschaftssteuerforderung des Finanzamts in Höhe von 69.000,00 € freizustellen.
a) Das Finanzamt hat mit Bescheid vom 07.11.2014 eine Erbschaftssteuer gegen die Beklagte als Vermächtnisnehmerin in Höhe von 69.000,00 € festgesetzt (Anlage K 7). Der Bescheid wurde gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 ErbStG an den Kläger als Testamentsvollstrecker bekanntgegeben, jedoch mit Wirkung für und gegen die Beklagte. Dass es sich um einen Bescheid handelte, welcher die Erbschaftssteuer der Beklagten und nicht etwa eine Erbschaftssteuer des Nachlasses betraf, ergibt sich aus der Adressierung des Bescheids „für R. S.“ (die Beklagte), und aus dem Hinweis in den Erläuterungen des Bescheids auf § 32 Abs. 1 Satz 1 ErbStG.
Aus der notariellen Urkunde vom 18.11.2014 (Vermächtniserfüllungsvertrag, der von der Beklagten nicht genehmigt wurde, vgl. die Anlage K 5) ergibt sich, dass der Kläger möglicherweise der Auffassung war, mit dem Bescheid des Finanzamts vom 07.11.2014 sei gleichzeitig eine Rechtsgrundlage geschaffen worden, um in derselben Höhe den Nachlass wegen der Steuerschuld in Anspruch zu nehmen. Diese Auffassung ist unzutreffend. Ein Bescheid gegen die Vermächtnisnehmerin wegen einer Erbschaftssteuer hat weder gegen den Nachlass noch gegen den Testamentsvollstrecker persönlich rechtliche Wirkungen. Die Bekanntgabe des Bescheides an den Testamentsvollstrecker – für die Vermächtnisnehmerin – ändert daran nichts (vgl. Meincke, Erbschaftsteuergesetz, 16. Auflage 2012, § 32 ErbStG, RdNr. 6 ff., 14). Für die Wirkungen des Steuerbescheides – nur gegen die Beklagte – spielt es dabei keine Rolle, ob die Voraussetzungen einer Bekanntgabe gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 ErbStG vorlagen, oder ob die Vorschrift bei der Steuerschuld eines Vermächtnisnehmers eventuell nicht anwendbar ist (vgl. dazu Meincke a.a.O., § 32 ErbStG, RdNr. 9).
b) Allerdings kam – solange die Erbschaftssteuer von der Beklagten noch nicht bezahlt war – eine Haftung des Nachlasses gemäß § 20 Abs. 3 ErbStG in Betracht. Insoweit ist in rechtlicher Hinsicht in der Literatur streitig, ob die Nachlasshaftung gemäß § 20 Abs. 3 ErbStG auch dann gilt, wenn an sich Steuerschuldner gemäß § 20 Abs. 1 ErbStG der Vermächtnisnehmer ist (vgl. zum Meinungsstand Meincke a.a.O., § 20 ErbStG, RdNr. 11). Eine Klärung dieser Rechtsfrage ist vorliegend nicht erforderlich. Dem Kläger stand als Nachlassverwalter ein Freistellungsanspruch auch dann nicht zu, wenn man – zu seinen Gunsten – unterstellt, dass der Nachlass gemäß § 20 Abs. 3 ErbStG für die Steuerschuld der Beklagten haftete.
c) Es fehlt – eine Haftung des Nachlasses gemäß § 20 Abs. 3 ErbStG unterstellt – eine zivilrechtliche Haftungsnorm, aus welcher der Kläger als Testamentsvollstrecker für den Nachlass einen Freistellungsanspruch hätte herleiten können. Als Anspruchsnorm kommt nur § 2185 BGB i.V.m. § 257 BGB in Betracht. Nach § 2185 BGB kann der Testamentsvollstrecker für den Nachlass von der Vermächtnisnehmerin Ersatz von Aufwendungen verlangen, welche er „zur Bestreitung von Lasten der Sache gemacht hat“. Daraus ergibt sich, dass er einen Anspruch auf Erstattung der Erbschaftssteuer gegen die Beklagte gehabt hätte, wenn er die – gleichzeitig vom Nachlass geschuldete – Steuer aus Mitteln des Nachlasses bezahlt hätte. Denn die Bezahlung der Erbschaftssteuerschuld wird in einem derartigen Fall als Aufwendung im Sinne von § 2185 BGB angesehen (vgl. beispielsweise Staudinger/Otte, BGB, Band V 2013, § 2185 BGB, RdNr. 3 mit Nachweisen). Wenn der Testamentsvollstrecker zur Bezahlung der Erbschaftssteuer ein Darlehen aufgenommen hätte, könnte er gemäß § 257 BGB Befreiung von der Darlehensschuld verlangen, da die Eingehung einer Verbindlichkeit in einem derartigen Fall als „Aufwendung“ im Sinne von § 2185 BGB angesehen wird. (Vgl. zum Begriff der „Aufwendung“ Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 74. Auflage 2015, § 256 BGB, RdNr. 1.) Das bloße Bestehen einer – möglichen – gesetzlichen Verpflichtung gemäß § 20 Abs. 3 ErbStG ist hingegen kein freiwilliges Vermögensopfer, also keine „Aufwendung“, für welche der Kläger einen Anspruch gemäß §§ 2185 bzw. 257 BGB geltend machen könnte.
d) Es kann dahinstehen, ob und unter welchen Voraussetzungen der Kläger einen Befreiungsanspruch hätte geltend machen können, wenn der Erblasser im Testament eine Befreiung des Nachlasses durch die Beklagte von einer möglichen Erbschaftssteuerschuld angeordnet hätte. Denn eine solche Bestimmung wurde im Testament nicht getroffen.
4. Aus den Erwägungen des Landgerichts und auch aus den vom Kläger angeführten rechtlichen Argumenten lässt sich ein Freistellungsanspruch nicht herleiten.
a) Es trifft zu, dass – eine mögliche Haftung des Nachlasses gemäß § 20 Abs. 3 ErbStG unterstellt – im Innenverhältnis zwischen dem Nachlass und der Beklagten die Steuerschuld allein von der Beklagten zu tragen war. Dies ergibt sich aus den Regelungen des Testaments, die keine Übernahme der Steuerschuld durch den Nachlass vorsahen. Über die Auslegung der Bestimmungen des Testaments besteht zwischen den Parteien kein Streit. Das Innenverhältnis der Parteien rechtfertigt für sich allein jedoch keinen Befreiungsanspruch.
Wenn man eine Haftung des Nachlasses gemäß § 20 Abs. 3 ErbStG unterstellt, waren der Nachlass und die Beklagte Gesamtschuldner der Steuerschuld gemäß § 421 BGB (vgl. zur Gesamtschuld im Steuerrecht beispielsweise BFH, Urteil vom 13.05.1987 – II R 189/83 -, zitiert nach Juris). Aus dem Gesamtschuldverhältnis konnte sich zwar grundsätzlich ein Ausgleichsanspruch des Klägers gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB ergeben, der – im Hinblick auf die maßgebliche Rechtslage im Innenverhältnis (siehe oben) – der Höhe nach die gesamte Erbschaftssteuer betraf. Der Ausgleichsanspruch gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB hätte jedoch eine Zahlung durch den Nachlass vorausgesetzt, die es im vorliegenden Fall nicht gab. Zwar ist bei Gesamtschuldnern anerkannt, dass einem Gesamtschuldner gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB schon vor der Zahlung ein Befreiungsanspruch zusteht, wenn er im Innenverhältnis nicht haftet (vgl. Palandt/Grüneberg a.a.O., § 426 BGB RdNr. 5 mit Rechtsprechungsnachweisen). Dieser Befreiungsanspruch im Gesamtschuldverhältnis setzt jedoch voraus, dass die Verpflichtung des Gesamtschuldners, der Befreiung verlangt, fällig ist. Vor dem Zeitpunkt der Fälligkeit ist der andere Gesamtschuldner nicht verpflichtet, für die Befreiung zu sorgen.
Im vorliegenden Fall war – eine Haftung des Nachlasses gemäß § 20 Abs. 3 ErbStG unterstellt – eine Fälligkeit für den Nachlass jedenfalls nicht gegeben. Zwar war die Steuerschuld bereits mit dem Tod des Erblassers entstanden (§ 9 Abs. 1 Ziff. 1 ErbStG). Fälligkeit wäre gegenüber dem Nachlass jedoch erst durch einen Festsetzungsbescheid gegen den Nachlass entstanden (§ 220 Abs. 2 Satz 2 AO). Da der Steuerbescheid vom 07.11.2014 sich nicht gegen den Nachlass richtete (siehe oben), war dessen mögliche Steuerschuld nicht fällig. Mithin war der Kläger (noch) nicht berechtigt, alleine gestützt auf das Innenverhältnis zwischen den Parteien, einen Befreiungsanspruch gemäß § 426 Abs. 1 BGB geltend zu machen.
b) Das rechtliche Ergebnis erscheint unter den gegebenen Umständen auch interessengerecht.
aa) Der Kläger hätte abwarten können, ob eine Inanspruchnahme des Nachlasses durch einen Bescheid des Finanzamts gemäß § 20 Abs. 3 ErbStG erfolgt. Dies war schon deshalb offen, weil eine Anwendung von § 20 Abs. 3 ErbStG im Fall der von einem Vermächtnisnehmer zu zahlenden Erbschaftssteuer rechtlich nicht zweifelsfrei ist (vgl. Meincke a.a.O., § 20 ErbStG, RdNr. 11).
bb) In der Literatur wird teilweise argumentiert, dem Testamentsvollstrecker stehe wegen der Erbschaftssteuer ein Zurückbehaltungsrecht gegen den Vermächtnisnehmer zu (vgl. Weidmann, ZEV 2014, 404, 407, 408). Für ein solches Zurückbehaltungsrecht müsste dem Testamentsvollstrecker jedoch ein Anspruch (auf Freistellung oder Sicherheitsleistung) gegen den Vermächtnisnehmer zustehen. Für einen solchen Anspruch ist jedoch keine Rechtsgrundlage ersichtlich, solange weder ein Bescheid des Finanzamts gegen den Nachlass ergangen ist, noch die Erbschaftssteuer vom Nachlass bezahlt wurde (siehe oben). Auch aus dem zitierten Aufsatz von Weidmann (a.a.O.) ergibt sich kein Hinweis auf eine mögliche rechtliche Anspruchsgrundlage.
cc) Der Testamentsvollstrecker befindet sich in der beschriebenen Situation in einer komplizierten Rechtslage, in der er sich möglicherweise nicht ganz sicher ist, welche Handlungen für ihn zu Haftungsrisiken führen können. Mögliche persönliche Haftungsrisiken des Testamentsvollstreckers rechtfertigen jedoch keinen Anspruch des Nachlasses auf Freistellung gegen den Vermächtnisnehmer. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass dem Testamentsvollstrecker verschiedene Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen: Wenn das Finanzamt – auf seine Anregung – einen (berechtigten) Festsetzungsbescheid gegen den Nachlass erlässt, liegen die Voraussetzungen für einen Befreiungsanspruch gemäß § 426 Abs. 1 BGB vor (siehe oben). Lässt das Finanzamt offen, ob eventuell später noch eine Inanspruchnahme des Nachlasses wegen der Steuerschuld der Vermächtnisnehmerin geplant ist, kann die Frage entstehen, ob der Nachlass für die Begleichung einer später vom Finanzamt geltend gemachten Steuerforderung ausreicht. Diesem Risiko kann der Testamentsvollstrecker begegnen durch die im Gesetz vorgesehenen Maßnahmen zur Haftungsbeschränkung des Nachlasses (insbesondere Nachlassverwaltung oder Aufgebotsverfahren). Wenn der Testamentsvollstrecker eine berechtigte Vermächtnisforderung erfüllt, bei der ihm Gegenrechte nicht zustehen (siehe oben), kann sich zudem daraus allein keine Haftung ergeben, weil er sich dann im Rahmen der Verpflichtungen gemäß § 2216 Abs. 1 BGB hält.
dd) Es gibt zudem legitime Interessen der Beklagten, die einer Erfüllung des Freistellungsverlangens durch den Kläger entgegenstanden. Nach der Festsetzung der Erbschaftssteuer durch das Finanzamt hat die Beklagte zunächst Einspruch gegen den Steuerbescheid eingelegt, da sie zum einen zunächst rechnerische Bedenken gegen die Höhe hatte, und da sie zum anderen eine Stundung erreichen wollte. Es muss der Beklagten möglich sein, im Verhältnis zum Finanzamt sowohl die Höhe der Forderung als auch einen eventuell hinausgeschobenen Zahlungszeitpunkt klären zu lassen. Ein Freistellungsanspruch des Nachlasses, in voller Höhe der auch gegenüber der Beklagten noch nicht bestandskräftigen Steuerschuld, stünde diesem Interesse der Beklagten entgegen.
5. Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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