Ein Vermögenserwerb des Erblassers nach Testamentserrichtung kann zum Fortfall der Alleinerbenstellung des Bedachten nach § 2087 II BGB führen

Beschluss des OLG Düsseldorf vom 05.08.2016

Aktenzeichen: I-3 Wx 74/16

Kurze Zusammenfassung der Entscheidung:

Ein Vermögenserwerb nach Testamentserrichtung kann zum Fortfall der Alleinerbenstellung des Bedachten nach § 2087 II BGB führen.
Die Erblasserin war verwitwet. Im Jahr 2007 errichtete die Erblasserin ein Testament. In diesem Testament verfügte Sie, dass eine in ihrem Eigentum stehende Immobilie nach ihrem Tod auf eine bestimmte Person übergehen sollte. Zum Zeitpunkt der Errichtung des Testamentes stellt diese Immobilie das wesentliche Vermögen der Erblasserin dar. Nachdem die Erblasserin ihr Testament errichtet hatte, erlangte sie durch Erbschaft ein weiteres sehr werthaltiges Vermögen.
Nach dem Tod der Erblasserin beantragte die Person, der die Erblasserin die Immobilie zugewandt hatte, die Erteilung eines Alleinerbscheins. Der nächste Verwandte der Erblasserin, der nach der gesetzlichen Erbfolge ihr Erbe wäre, beantragte ebenfalls einen Alleinerbschein. Das Nachlassgericht ging davon aus, dass der Bedachte durch die Zuwendung der Immobilie im Testament zum Alleinerben nach Maßgabe des § 2087 II BGB geworden ist. Hiergegen legte der nächste Verwandte der Erblasserin Beschwerde ein.
Das OLG Düsseldorf entsprach der Beschwerde und kam zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall den beiden Antragsteller ein gemeinschaftlicher Erbschein zu erteilen ist.
Das OLG Düsseldorf bringt in seiner Entscheidung zum Ausdruck, dass es grundsätzlich die Einschätzung des Nachlassgerichtes teilt, dass die durch letztwillige Verfügung der Erblasserin erfolgte Übertragung des Eigentums an der zum Nachlass gehörenden Immobilie zur Folge hat, dass der Bedachte zum Alleinerben der Erblasserin wird.
Allerdings geht das OLG Düsseldorf davon aus, dass im Wege der ergänzenden Auslegung ermittelt werden muss, wie der Wille der Erblasserin sich entwickelt hätte, wenn Sie zum Zeitpunkt der Errichtung ihres Testamentes bereits Kenntnis vom späteren weiteren Vermögenserwerb gehabt hätte. Da im vorliegenden Fall der Wille der Erblasserin offensichtlich darauf gerichtet war, dass ein bestimmter Vermögenswert, d. h. die Immobilie, zugewandt werden sollte, kam das OLG Düsseldorf zu dem Ergebnis, dass die Erblasserin offensichtlich nicht pauschal ihr gesamtes Vermögen dem Bedachten zukommen lassen wollte.
Da das OLG Düsseldorf somit zu dem Ergebnis gelangte, dass aus der Übertragung der Immobilie durch die Erblasserin nicht der Rückschluss möglich ist, dass der Bedachte das wesentliche gesamte Vermögen der Erblasserin erlangen sollte, folgert das OLG Düsseldorf, dass die Erblasserin unter Berücksichtigung des späteren Vermögenserwerbes nur die Einsetzung des Bedachten als Teilerben gewollt hätte. Folglich musste die gesetzliche Erbfolge ebenfalls berücksichtigt werden, sodass der Bedachte neben dem gesetzlichen Erben Teilerbe wurde.
Die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins ist folglich geboten, um der tatsächlichen erbrechtlichen Situation, die durch Auslegung vom OLG Düsseldorf ermittelt wurde, gerecht zu werden. Die Anträge auf Erteilung von Alleinerbschein waren daher zurückzuweisen.

(Vermögenszuwendung Erbeinsetzung Auslegung)

Tenor:

1) Die angefochtene Entscheidung wird geändert.
2) Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 3 vom 20. November 2015 – notarielle Urkunde UR-Nr. 1227 für 2015 des Notars Dr. L. -P. in Leverkusen-Opladen – wird zurückgewiesen.
3) Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

(Vermögenszuwendung Erbeinsetzung Auslegung)

Entscheidungsgründe:

I. Die Erblasserin war verheiratet mit P. E. K.. Dieser war der Bruder der Großmutter der im Jahre 1976 geborenen Beteiligten zu 3. Das einzige Kind der Eheleute, R. K., verstarb am 2. September 1966, dem Tag seiner Geburt. Nachdem ihr Ehemann im Jahre 1971 bei einem Unfall verstorben war, lebte die Erblasserin lange Jahre mit H. G. zusammen, der die Patenschaft für die Beteiligte zu 3 übernahm. Nach dem Tod von H. G. wurde der Beteiligte zu 2 Lebensgefährte der Erblasserin. Mit ihm lebte sie in den letzten 15 Jahren bis zu ihrem Tod zusammen.
Der Beteiligte zu 1 ist der Bruder der Erblasserin; die Beteiligte zu 4 ist dessen Ehefrau.
Am 3. September 2007 errichtete die Erblasserin ein handschriftliches Testament, das wie folgt lautet:

„Mein letzter Wille

Für den Fall meines Todes verfüge ich:

1) Haus- und Grundbesitz in Xanten, …, incl. der gesamten Einrichtung sollen Herrn J. L., geb. am 11.01.1945 bis an sein Lebensende zur eigenen Nutzung zur Verfügung stehen. Er ist verpflichtet den gesamten Besitz zu pflegen, ausreichend zu versichern und erforderliche Reparaturen zu veranlassen.

2) Nach dem Ableben von Herrn L. geht das gesamte Objekt an Fr. T. Ö., geb. am 03.03.1976 über.

3) Eventuell noch vorhandenes Bar- oder Anlagevermögen sollen für meine Beerdigung und die Grabpflege der Gruft und des Einzelgrabes meiner Mutter eingesetzt werden.

4) Meinen Schmuck soll meine Schwägerin E. B. erhalten. Hier hat jedoch Herr L. das Recht des Einbehaltes.“

Am 4. Juni 2015 verstarb ein ehemaliger Kriegskamerad des Vaters der Erblasserin, H. K. M., zu dem sie bis zu seinem Tod Kontakt gehalten und den sie zeitweise gepflegt hatte. Er hatte die Erblasserin durch handschriftliches Testament vom 19. März 2015, das am 27. August 2015 in ihrer Anwesenheit eröffnet wurde, zu seiner Alleinerbin eingesetzt und Testamentsvollstreckung angeordnet. Der Wert des Erbes ist bislang nicht bekannt. Der Beteiligte zu 1 schätzt ihn unter Berufung auf Angaben, die der Beteiligte zu 2 ihm gegenüber gemacht habe, auf ca. 400.000,00 €.
Der Beteiligte zu 1 hat einen ihn als Alleinerben ausweisenden Erbschein beantragt. Er hat die Auffassung vertreten, es sei die gesetzliche Erbfolge eingetreten; die Verfügungen im Testament seien lediglich als Vermächtnisse anzusehen.
Die Beteiligte zu 3 ist dem entgegen getreten und hat die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der sie als Alleinerbin ausweist. Sie ist der Ansicht, die Erblasserin habe sie zur Alleinerbin eingesetzt, indem sie ihr den wesentlichen und wertvollsten Vermögensgegenstand des Nachlasses, nämlich den Haus- und Grundbesitz, zugewendet habe. Diese Erbeinsetzung werde durch eine nachträgliche Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in Frage gestellt, da der Wille der Erblasserin im Zeitpunkt der Testamentserrichtung entscheidend sei.
Der Beteiligte zu 2 hat mitgeteilt, er habe mit der Erblasserin über die Verwendung des Geldes, das diese aus der Erbschaft des H. K. M. erwartet habe, gesprochen. Er selbst habe ein Drittel des Geldes erhalten sollen, weil er sich an der Betreuung des H. K. M. beteiligt habe. Die Erblasserin und er hätten beabsichtigt das Geld für sich selbst, etwa für Reisen und einen aufwendigeren Lebensstil, zu verwenden. Im Hinblick auf die zu erwartenden Geldmittel hätten sie bereits aufwendiger gelebt, beispielsweise eine Urlaubsreise nach Dubai gemacht und Autos gekauft. Die Erblasserin habe sich deshalb keine Gedanken darüber gemacht, wer das Geld nach ihrem Tod erhalten solle. Die Beteiligte zu 3 habe nur deshalb das Hausgrundstück erhalten sollen, weil sich die Erblasserin an das Versprechen, das sie ihrem ehemaligen Lebenspartner gegeben habe, gebunden gefühlt habe. Die Erblasserin sei nicht davon ausgegangen, dass die Beteiligte zu 3 ihre Erbin werden solle.
Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 31. Januar 2016 die Tatsachen, die zur Begründung des Antrags der Beteiligten zu 3 erforderlich sind, für festgestellt erachtet und den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Erblasserin habe mit dem Testament vom 3. September 2007 über ihren im Zeitpunkt der Errichtung größten Vermögensgegenstand verfügt und damit die Beteiligte zu 3 als Alleinerbin eingesetzt. Dass das Objekt erst nach dem Tod des Beteiligten zu 2 auf die Beteiligte zu 3 übergehen solle, stehe der Erbeinsetzung nicht entgegen, da der Beteiligte zu 2 lediglich ein lebenslanges Wohnrecht an der Immobilie habe erhalten sollen. Die nachträgliche Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Erblasserin habe nicht zur Folge, dass die Beteiligte zu 3 lediglich als Vermächtnisnehmerin anzusehen sei. Denn es komme ausschließlich auf den Erblasserwillen im Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung an. Da die Erblasserin in dem Testament offensichtlich über die Gesamtheit des ihr zum damaligen Zeitpunkt zustehenden Vermögens verfügt habe, bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass sie daneben für einen Teil ihres Vermögens den Eintritt der gesetzlichen Erbfolge bezweckt habe. Für eine ergänzende Testamentsauslegung sei kein Raum, da keine Anhaltspunkte dafür vorhanden seien, dass sich die Erblasserin anders verhalten hätte, wenn sie die künftige Entwicklung bedacht hätte.
Gegen diesen ihm am 3. Februar 2016 zugestellten Beschluss wendet sich der Beteiligte zu 1 mit seiner am 1. März 2016 bei Gericht eingegangenen Beschwerde. Er macht geltend, die Erblasserin habe die Beteiligte zu 3 nicht als Erbin einsetzen wollen. Sie habe sich lediglich verpflichtet gefühlt, ein gegenüber ihrem verstorbenen Lebenspartner abgegebenes Versprechen zu erfüllen, der Beteiligten zu 3 ihr Hausgrundstück zukommen zu lassen. Zwischen der Erblasserin und der Beteiligten zu 3 habe keine enge Verbundenheit bestanden. Da die Beteiligte zu 3 das Haus erst nach dem Tod des Beteiligten zu 2 erhalten solle, sei sie nicht nach § 1922 BGB unmittelbar nach dem Tod der Erblasserin in deren Rechte und Pflichten eingetreten. Eine Erbenstellung der Beteiligten zu 3 würde zudem der Absicht der Erblasserin widersprechen, dem Beteiligten zu 2 einen gesicherten Lebensabend in dem Haus zu ermöglichen. Denn die Beteiligte zu 3 hätte im Falle einer Erbenstellung die Möglichkeit, das Haus ungeachtet des – dinglich nicht abgesicherten – Nutzungsrechts zu verkaufen. Aus diesem Grund habe es nach dem Willen der Erblasserin gerade kein zeitliches Nebeneinander von Eigentum der Beteiligten zu 3 und Nutzungsrecht des Beteiligten zu 2 geben sollen. Die Auslegungsregel des § 2087 Abs. 1 BGB komme nicht zur Anwendung, da es sich hier um eine zeitlich aufschiebend bedingte Einzelzuwendung handele. Diese Vorschrift komme auch im Hinblick auf den Vermögenszuwachs nach Errichtung des Testaments nicht zum Tragen, da das Hausgrundstück nun nicht mehr der wesentliche Vermögensgegenstand innerhalb des Nachlasses sei. Vielmehr ergebe eine ergänzende Testamentsauslegung im Hinblick auf die der Erblasserin nachträglich zugefallenen Erbansprüche, dass der Beteiligten zu 3 auf keinen Fall mehr als das Hausgrundstück zukommen solle. Bei der Auslegung des Testaments komme es nicht darauf an, ob die Erblasserin die gesetzliche Erbfolge gewollt habe, sondern ob sie eine Erbeinsetzung der Beteiligten zu 3 beabsichtigt habe, was nicht der Fall sei. Selbst wenn man aber zu dem Ergebnis gelange, dass die Beteiligte zu 3 Erbin geworden sei, könne sie im Hinblick auf die aufschiebend bedingte Zuwendung des Hausgrundstücks lediglich Nacherbin geworden sein. Mangels ausdrücklicher Bestimmung wäre dann der Beteiligte zu 1 als gesetzlicher Erbe Vorerbe geworden.
Die Beteiligte zu 3 beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, die Erblasserin habe sie durch Zuwendung des Hausgrundstücks als Alleinerbin eingesetzt. Grund für die Erbeinsetzung sei das innige Verhältnis zwischen ihr und der Erblasserin gewesen. Die Erblasserin habe vor ihrem Tod mehrfach geäußert, dass die Beteiligte zu 3 sie beerben und insbesondere das Haus erhalten solle. Für die Erbeinsetzung spreche auch der Umstand, dass die Erblasserin davon ausgegangen sei, ihren gesamten Nachlass verteilt zu haben, wobei sie ersichtlich nur die Personen habe bedenken wollen, die sie in dem Testament genannt habe. Dabei sei sie zu Recht davon ausgegangen, dass das bei Testamentserrichtung vorhandene Bargeld für die aufwendige Pflege der Familiengruft, für die die Beteiligte zu 3 aufgrund der Erbeinsetzung verantwortlich sei, eingesetzt werden müsse. Die Zuwendung der Immobilie sei entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 1 keineswegs aufschiebend bedingt. Das Vermächtnis zugunsten des Beteiligten zu 2 betreffe vielmehr nur die tatsächliche Nutzungsmöglichkeit. Für eine ergänzende Testamentsauslegung, wie sie der Beteiligte zu 1 vornehmen wolle, sei kein Raum, zumal die Höhe der der Erblasserin zugefallenen Erbansprüche nicht einmal bekannt sei, so dass deren wertmäßiger Anteil am gesamten Nachlass nicht beurteilt werden könne.
Das Nachlassgericht hat der Beschwerde mit weiterem Beschluss vom 3. März 2016 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Nachlassakte sowie der Testamentsakten Amtsgericht Dinslaken, Az. 23 IV 656/15, Bezug genommen.
II. Die gemäß §§ 58 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG zulässige Beschwerde des Beteiligten zu 1 ist nach der vom Nachlassgericht ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. FamFG dem Senat zur Entscheidung angefallen.
In der Sache hat die Beschwerde teilweise Erfolg.
1. Entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts ist die Beteiligte zu 3 aufgrund des Testaments vom 3. September 2007 nicht Alleinerbin nach der Erblasserin geworden.
a) Zwar war das Testament ursprünglich dahingehend auszulegen, dass die Beteiligte zu 3 zur Alleinerbin berufen war. Die Erblasserin hat in dem Testament keine ausdrückliche Bestimmung dazu getroffen, ob die darin bedachten Personen als Erben eingesetzt werden sollten (§ 1937 BGB) oder ob die Zuwendungen als Vermächtnisse (§ 1937 BGB) anzusehen sind. Es ist daher auslegungsbedürftig (vgl. BayObLGR 1994, 51; OLG Köln FamRZ 1991, 1481).
Die testamentarische Zuwendung einzelner Gegenstände oder Gruppen von Gegenständen, wie sie die Erblasserin in dem Testament vom 3. September 2007 verfügt hat, ist allerdings nach der Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB im Zweifel als Vermächtnisanordnung und nicht als Erbeinsetzung anzusehen. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Erblasser praktisch sein gesamtes Vermögen unter den bedachten Personen aufteilt. Denn anderenfalls würde die Anwendung des § 2087 Abs. 2 BGB zu dem mutmaßlich nicht gewollten Ergebnis führen, dass das Testament überhaupt keine Erbeinsetzung enthält (BGH DNotZ 1972, 500; BayObLGR 1994, 51; NJW-RR 2002, 873; Litzenburger, in: Bamberger/Roth, Beck´scher Online-Kommentar, Stand: 01.05.2016, § 2087 Rn. 13).
Dass die Erblasserin in dem Testament vom 3. September 2007 im Wesentlichen über ihr gesamtes Vermögen zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung verfügt hat, steht unter den Beteiligten nicht in Streit. Es sind auch keine bedeutsamen Vermögensbestandteile erkennbar, die bei der Testamentserrichtung unbeachtet geblieben wären. Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 1 ist auch nicht davon auszugehen, dass die Erblasserin neben den im Testament angeordneten Einzelzuwendungen die gesetzliche Erbfolge eintreten lassen wollte. Denn nachdem die Erblasserin in dem Testament praktisch über ihr gesamtes Vermögen verfügt hat, ist nicht ersichtlich, auf welche Vermögensgegenstände sich die gesetzliche Erbfolge noch hätte erstrecken sollen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Erblasserin durch die im Testament aufgeführten Einzelverfügungen ihr gesamtes Vermögen an die dort benannten Personen verteilen wollte.
Nach dem Wertverhältnis der den bedachten Personen zugewandten Gegenstände war das Testament zunächst dahingehend auszulegen, dass die Beteiligte zu 3 Alleinerbin nach der Erblasserin geworden ist. Die Zuwendung eines Vermögensgegenstandes ist als Erbeinsetzung anzusehen, wenn dieser die anderen Vermögensgegenstände an Wert so sehr übersteigt, dass anzunehmen ist, der Erblasser habe darin im Wesentlichen seinen Nachlass gesehen. Nahe liegt dies insbesondere dann, wenn ein Grundstück seinem Wert nach den wesentlichen Teil des Vermögens bildet. Dabei ist im Hinblick auf das Wertverhältnis von den Vorstellungen auszugehen, die der Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung hatte (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 1995, 1299; BayObLGR 1994, 51; NJW-RR 2000, 1174; 1997, 517; Rudy, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2013, § 2087 Rn. 8 ff.). Vorliegend begegnet es keinen Zweifeln und wird von den Beteiligten auch nicht in Frage gestellt, dass das Hausgrundstück im Zeitpunkt der Testamentserrichtung den weitaus größten Teil des Vermögens der Erblasserin ausmachte. Es ist danach davon auszugehen, dass die Beteiligte zu 3, die nach dem Willen der Erblasserin das Hausgrundstück sowie dessen Einrichtung erhalten sollte, Alleinerbin werden sollte.
Dass das Grundstück nach dem Wortlaut des Testaments erst nach dem Tod des Beteiligten zu 2 auf die Beteiligte zu 3 übergehen sollte, steht ihrer Erbeinsetzung nicht entgegen. Der Beteiligte zu 2 sollte nach den Bestimmungen des Testaments kein Eigentum an dem Hausgrundstück erhalten, sondern das Hausgrundstück soll ihm lediglich „zur eigenen Nutzung zur Verfügung stehen“. Daraus folgt, dass die Beteiligte zu 3 nach dem Willen der Erblasserin das Eigentum an dem Hausgrundstück unmittelbar und nicht erst nach dem Tod des Beteiligten zu 2 erhalten sollte, wobei allerdings das Wohnrecht des Beteiligten zu 2 zu beachten ist.
Etwas anderes folgt auch nicht, wie der Beteiligte zu 1 meint, aus dem Umstand, dass das Nutzungsrecht des Beteiligten zu 2 nicht dinglich gesichert ist. Dass die juristisch nicht vorgebildete Erblasserin die Möglichkeit, die Beteiligte zu 3 könnte das Hausgrundstück unter Umgehung des Nutzungsrechtes verkaufen, auch nur in Betracht gezogen und im Hinblick darauf eine aufschiebend bedingte Erbeinsetzung angeordnet hätte, ist nicht erkennbar. Im Übrigen hätte es der Erblasserin freigestanden, das Nutzungsrecht dinglich abzusichern, wenn sie – wie der Beteiligte zu 1 – ein Nebeneinander von Eigentum der Beteiligten zu 3 und Nutzungsrecht des Beteiligten zu 2 für problematisch gehalten hätte. Dass die Erblasserin im Hinblick darauf eine Vorerbschaft zu Gunsten des Beteiligten zu 1 gewollt hätte, erscheint angesichts der Tatsache, dass dieser im Testament nicht erwähnt ist, fernliegend.
b) Allerdings gibt der Vermögenszuwachs der Erblasserin durch die Erbschaft nach H. K. M. Anlass zu einer ergänzenden Testamentsauslegung (vgl. BayObLG a.a.O.; Rudy a.a.O.). Diese führt dazu, dass die Beteiligte zu 3 nunmehr nicht mehr als Alleinerbin nach der Erblasserin anzusehen ist. Vielmehr ist aufgrund der Veränderungen im Vermögensbestand lediglich von einer Teilerbeinsetzung auszugehen.
Sind in der Zeit zwischen Testamentserrichtung und dem Erbfall tatsächliche Veränderungen eingetreten, die sich auf die im Testament getroffenen Verfügungen auswirken, so ist im Einzelfall durch (gegebenenfalls ergänzende) Auslegung festzustellen, ob und inwieweit sie die Auslegung des im Testament erklärten Erblasserwillens beeinflussen können. Hat der Erblasser – wie hier – im Testament durch Zuwendung bestimmter Vermögensgegenstände eine Erbeinsetzung vorgenommen, stellt sich die Frage, ob sich daran durch einen weiteren Vermögenserwerb etwas ändert. Dies hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 22. März 1972 (FamRZ 1972, 561) abgelehnt und ausgeführt, maßgebend für die Auslegung sei nur der bei Testamentserrichtung vorhanden gewesene Wille des Erblassers. Späteren Willensänderungen könne, wenn der Erblasser ihnen nicht in Abänderung seines Testaments Rechnung getragen habe, im Wege der Auslegung keine Gültigkeit verschafft werden. Die Möglichkeit einer ergänzenden Auslegung hat der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung allerdings nicht angesprochen. Die ergänzende Auslegung kommt nach Auffassung des Senats auch im Falle nachträglicher Änderungen in dem bei Testamentserrichtung vorhandenen Vermögensbestand, wenn es für die Auslegung auf das Wertverhältnis der zugewendeten Gegenstände ankommt, zur Anwendung (vgl. BayObLG NJW-RR 1997, 517; KG NJW 1971, 1992; Rudy, a.a.O.).
Vorliegend ist dadurch, dass die Erblasserin nach Testamentserrichtung Erbin des H. K. M. geworden ist, eine solche Änderung im Vermögensbestand eingetreten. Der Beteiligte zu 2 hat mitgeteilt, H. K. M. habe der Erblasserin noch zu Lebzeiten von seinem Testament und den zu erwartenden Summen erzählt, woraufhin sie bereits ihren Lebensstil angepasst, beispielsweise eine Reise nach Dubai gemacht und Autos gekauft hätten. Der Senat geht danach davon aus, dass die Erbschaft nach H. K. M. eine nennenswerte Summe umfasst, aufgrund derer das Hausgrundstück nun nicht mehr den weitaus größten Vermögensgegenstand im Nachlass der Erblasserin darstellt. Der genaue Umfang der Erbschaft kann dabei dahinstehen.
Bei der ergänzenden Testamentsauslegung ist zu ermitteln, welchen Willen der Erblasser vermutlich gehabt hätte, wenn er bei Errichtung des Testaments die künftige Entwicklung vorausschauend in Betracht gezogen hätte (BayObLG a.a.O.). Dabei ist Zurückhaltung geboten, weil die ergänzende Testamentsauslegung nicht dazu führen darf, dasjenige als vom Erblasser gewollt anzunehmen, was ein Dritter an seiner Stelle getan haben würde. Sie setzt daher die Feststellung einer sich aus dem Testament selbst, gegebenenfalls unter Heranziehung von Umständen außerhalb des Testaments und der allgemeinen Lebenserfahrung, ergebenden Willensrichtung des Erblassers voraus. Der mutmaßliche Wille muss in irgendeiner Art seinen erkennbaren, wenngleich unvollkommenen Niederschlag in der auszulegenden Urkunde gefunden haben (KG NJW 1971, 1992; Litzenberger, in: Bamberger/Roth, Beck´scher Online-Kommentar BGB, § 2084 Rn. 43 ff.).
Hat der Erblasser – wie im vorliegenden Fall – nach seiner Vorstellung im Zeitpunkt der Testamentserrichtung im Wesentlichen über sein gesamtes Vermögen verfügt, ist zu prüfen, ob ein späterer Vermögenserwerb dazu führt, im Wege der ergänzenden Auslegung anstelle der durch Einzelzuwendung gewollten Erbeinsetzung lediglich eine Teilerbeinsetzung anzunehmen (vgl. Otte, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2013, § 2087 Rn. 27). Dabei ist zu differenzieren: Ging es dem Erblasser in erster Linie darum, dem Bedachten eine möglichst vollständige Beteiligung am Nachlass zu sichern, ändert ein späterer Vermögenszuwachs an der Erbeinsetzung nichts. Etwas anderes gilt jedoch, wenn dem Testament die Absicht zu entnehmen ist, die Zuwendung auf den genannten Vermögensgegenstand zu beschränken. In einem solchen Fall kann der Vermögenszuwachs dazu führen, dass die Einzelzuwendung nunmehr als Teilerbeinsetzung anzusehen ist, so dass für das weitere Vermögen § 2088 Abs. 1 BGB gilt (vgl. Otte, a.a.O.; Bartz NJW 1972, 1174).
Im vorliegenden Fall ist dem Testament vom 3. September 2007 entnehmen, dass die Erblasserin beabsichtigte, der Beteiligten zu 3 lediglich das Hausgrundstück zuzuwenden. Es enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass die Erblasserin der Beteiligten zu 3 eine Erbenstellung zukommen lassen wollte. So hat die Erblasserin Regelungen zu ihrer Beerdigung sowie zur Grabpflege der Familiengruft und des Einzelgrabes ihrer Mutter getroffen. Die Beteiligte zu 3 ist in diesem Zusammenhang nicht erwähnt, so dass die Erblasserin offensichtlich nicht davon ausgegangen ist, dass die Beteiligte zu 3 für die Umsetzung verantwortlich sein würde.
Anhaltpunkte dafür, dass die Erblasserin durch das Testament den Eintritt der gesetzlichen Erbfolge hätte ausschließen wollen (vgl. BayObLG NRW-RR 2000, 1174), ergeben sich nicht. Ein ausdrücklicher Hinweis, dass der Beteiligte zu 1 nicht Erbe sein sollte, ist in das Testament nicht aufgenommen worden. Auf einen entsprechenden Willen der Erblasserin lässt sich auch nicht aus dem Umstand schließen, dass sie im Zeitpunkt der Testamentserrichtung davon ausging, über ihr gesamtes Vermögen zu verfügen, und dass sie ihren Bruder, den Beteiligten zu 1, nicht bedacht hat. Vielmehr ist anzunehmen, dass es der Erblasserin vornehmlich darauf ankam, die im Einzelnen genannten Vermögensgegenstände den aufgeführten Personen zukommen lassen. Dass der Beteiligte zu 1 dabei nicht bedacht worden ist, mag darauf zurückzuführen sein, dass das (damalige) Vermögen der Erblasserin damit im Wesentlichen aufgeteilt worden war. Dass der Beteiligte zu 1 leer ausgehen sollte, lässt sich den Anordnungen der Erblasserin dagegen nicht entnehmen.
Nachdem die Erblasserin hinsichtlich des aus der Erbschaft nach H. K. M. erworbenen Vermögens keine Verfügung getroffen hat, greift die gesetzliche Auslegungsregel des § 2088 Abs. 1 BGB ein mit der Folge, dass hinsichtlich dieses Teils des Nachlasses die gesetzliche Erbfolge eingetreten ist. Dass der Erblasserin im Zeitpunkt der Testamentserrichtung der spätere Vermögenszuwachs unbekannt war, steht der Anwendung dieser Auslegungsregel nicht entgegen. Denn die gesetzlichen Auslegungs- und Ergänzungsregeln setzen keinen diesen Regeln entsprechenden Rechtsfolgewillen des Erblassers voraus. Vielmehr genügt es, wenn er – wie hier – die intendierte Folge weder ausgeschlossen hat, noch bei Kenntnis der Lückenhaftigkeit seiner Willensbildung ausgeschlossen hätte (vgl. BGH NJW 1980, 1276; NJW 1981, 2744; Litzenburger, in: Beck´scher Online-Kommentar BGB, Stand: 01.05.2016, § 2084 Rn. 51).
2. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat allerdings insoweit keinen Erfolg, als auch ihm nicht der beantragte, ihn als Alleinerben ausweisende Erbschein zu erteilen ist. Vielmehr ist – wie ausgeführt – aufgrund des nachträglichen Vermögenserwerbs der Erblasserin von einer Teilerbeinsetzung auszugehen.
III. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Gerichtskosten fallen für das teilweise erfolgreiche Rechtsmittel nicht an, §§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1 GNotKG. Eine Entscheidung über außergerichtliche Kosten ist nicht erforderlich, weil solche bei dem Beteiligten zu 1 nicht angefallen sind und die unterlegene Beteiligte zu 3 ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat.
Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 70 Abs. 2 Nr. 1 FamFG). Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, d.h. allgemein von Bedeutung ist. Klärungsbedürftig ist vorliegend im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22. März 1972 (FamRZ 1972, 561) die Frage, ob im Falle eines nachträgliches Vermögenserwerbs eine ergänzende Testamentsauslegung dazu führen kann, dass eine durch Einzelzuwendung getroffene Einsetzung zum Alleinerben nunmehr als Teilerbeinsetzung anzusehen ist.
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(Vermögenszuwendung Erbeinsetzung Auslegung)