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Erbrecht: Vorkaufsrecht eines Miterben – Kein Wiederaufleben bei Veräußerung seines Erbteils
Urteil des OLG Düsseldorf vom 22.02.2013
Aktenzeichen: I-7 U 175/11
Kurze Zusammenfassung der Entscheidung:
Veräußert ein Erbe seinen Erbteil, verliert er sein Vorkaufsrecht, da die Voraussetzungen des § 2034 Abs. 1 BGB entfallen.
Das Vorkaufsrecht wird durch einen späteren Rückerwerb im Wege der Erbfolge nicht wiederbelebt. Der ursprüngliche Rechtsverlust durch die Veräußerung des Erbteils ist endgültig, unabhängig vom weiteren Schicksal der zum der zum Nachlass gehörenden Vermögenswerte.
Tenor:
1) Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der Einzelrichterin der 13. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 14.10.2011 wird zurückgewiesen.
2) Die Kosten des Berufungsrechtzuges werden den Klägern auferlegt.
3) Dieses Urteil ist –wie auch das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung- vorläufig vollstreckbar.
4) Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Entscheidungsgründe:
I. Die Kläger sind Erben ihrer Tanten A. und M. N., denen (sowie dem Vater der Kläger R.U. und dessen Vater W.U.) im Juli 1969 von ihrer Mutter E.U. deren halber Erbanteil am Nachlass des C.G. zu je 1/8 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen wurde. Der andere halbe Erbanteil am Nachlass des C.G. ist von der Miterbin M.I. im März 1969 auf ihre Tochter Elfriede J. übertragen und von dieser durch notariellen Vertrag vom 10.11.2010 an die Beklagte verkauft worden. Im Hinblick auf diesen Verkauf nehmen die Kläger für sich ein Vorkaufsrecht in Anspruch, das sie mit Schreiben vom 29.11.2010 gegenüber Frau J. ausgeübt haben.
Das Landgericht, auf dessen Urteil – auch wegen der gestellten Anträge – gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen und ein Vorkaufsrecht der Kläger nach §§ 2034, 2035 BGB verneint. Den Erblasserinnen der Kläger habe schon, da sie den Erbanteil rechtsgeschäftlich erworben hätten, kein Vorkaufsrecht zugestanden; deshalb stehe auch den Klägern kein solches zu.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger, die argumentieren, dass berücksichtigt werden müsse, dass die Erblasserinnen der Kläger den Erbanteil ihrerseits im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erworben hätten. Unter Hinweis auf eine Literaturmeinung sind die Kläger der Auffassung, dass der gesetzliche Erbe, der einen Erbteil im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erwerbe, kein Dritter im Sinne des § 2034 Abs. 1 BGB sei, so dass der Verkauf an ihn kein Vorkaufsrecht der übrigen Miterben auslöse; jedoch löse umgekehrt ein Verkauf durch einen derartigen Miterben an einen Dritten das Vorkaufsrecht der übrigen Miterben aus.
Die Kläger teilen die Auffassung des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 19.01.2011 (BGHZ 188, 109 = ZEV 2011, 248), der auch das Landgericht gefolgt ist, nicht. Eine Rückkehr in die Erbengemeinschaft sei zumindest dann zuzulassen, wenn der veräußernde Miterbe seinen ursprünglichen Erbteil wiedererwerbe. Zudem hätten die seinerzeit aktuellen und ehemaligen Mitglieder der Erbengemeinschaft in der notariellen Urkunde vom 13.12.1973 vereinbart, dass die Auseinandersetzung des Nachlasses für immer ausgeschlossen sein sollte.
Damit hätten die damaligen den Erbanteil erwerbenden Erben nach Frau M.. und nach Frau E.U. zum Ausdruck gebracht, dass sie zum Schutz der Erbengemeinschaft auch die Abwehrfunktion des Vorkaufsrechts benötigten. Es sei der Wille der Erbengemeinschaft nach Herrn C.G. gewesen, dass die Erbengemeinschaft auf ewig zusammenhalten und bestehen sollte. Die Intention der Beklagten sei es aber, die übrigen Mitglieder der Erbengemeinschaft wirtschaftlich „auszuhungern“, um deren Anteile zu erwerben.
Die Kläger beantragen:
1) Das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 14.10.2011 wird „aufgehoben“.
2) Die Beklagte wird verurteilt, den von ihr gehaltenen Erbteil von ½ der Erbengemeinschaft nach dem am 17.05.1921 verstorbenen C.G. an sie Zug um Zug gegen Zahlung von 3.151.900,- € zu übertragen und die entsprechende Grundbuchberichtigung im Grundbuch von Q, Amtsgericht Düsseldorf, Blatt X, Flur Y Nr.Z zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das zu ihren Gunsten ergangene Urteil des Landgerichts und führt ergänzend aus, der –auch vom Landgericht zitierten- Entscheidung des Bundesgerichtshofes (ZEV 2011, 248) habe die gleiche Konstellation wie hier zugrunde gelegen, dass der lebzeitige Erbteilserwerber später auch Erbe geworden sei, was nicht zum Aufleben eines Vorkaufsrechts habe führen können. Die in der Literatur gegen diese Entscheidung vorgebrachten Argumente seien nicht tragfähig. Die Rechtsposition des bereits unter Lebenden mit dem Erbanteil Begünstigten sei keineswegs mit derjenigen gleichzusetzen, die er von Todes wegen erwarten könne. Der hier vertraglich vereinbarte Ausschluss der Erbauseinandersetzung führe weder zu einer „Rekonstruktion“ des durch rechtsgeschäftliche Veräußerung erloschenen gesetzlichen Vorkaufsrechts noch zur Annahme eines vertraglichen Vorkaufsrechts. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung der Kläger hat in der Sache keinen Erfolg.
Wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, steht ihnen kein Vorkaufsrecht nach § 2034 Abs. 1 BGB zu, so dass sie nicht in entsprechender Anwendung des § 2035 Abs. 1 Satz 1 BGB (vgl. dazu Damrau-Rißmann, Praxiskommentar Erbrecht, 2. Aufl., § 2035 Rn. 7) von der Beklagten als Erwerberin des halben Erbanteils der Frau E.I. die Rückübertragung verlangen können. Durch die Erbfolge nach ihren Tanten A. und M.N. konnten die Kläger kein Vorkaufsrecht erwerben, weil schon die Erblasserinnen kein solches hatten. Diese sind nämlich nicht durch Erbfolge, sondern durch rechtsgeschäftliche (zu Lebzeiten erfolgte) Abtretung des Erbanteils von ihrer Mutter E.U. „im Wege der vorweggenommenen Erbfolge“ in die Erbengemeinschaft eingetreten, wodurch das Vorkaufsrecht, das E.U. als Miterbin ursprünglich hatte, endgültig untergegangen ist und von A. und M.N., als sie später ihre Mutter beerbten, auch nicht mehr im Wege der Erbfolge erworben werden konnte. Die Erblasserinnen sind somit nicht „übrige Miterben“ und damit nicht vorkaufsberechtigt im Sinne von § 2034 Abs. 1 BGB gewesen.
Der Bundesgerichtshof hat in der bereits zitierten Entscheidung ausgeführt, dass das Vorkaufsrecht eines Miterben bei der Veräußerung eines Erbanteils unabhängig davon, ob sie durch vorweggenommene Erbfolge motiviert sei, nicht auf den Erwerber übergehe. Der Miterbe behalte zwar die Eigenschaft und Stellung als Erbe, er verliere aber infolge der Übertragung seine gesamthänderische Beteiligung am Nachlass, die auf den Erwerber übergehe. Damit verliere der vollständig aus der Erbengemeinschaft ausgeschiedene Miterbe zugleich sein Vorkaufsrecht. Er bedürfe keines Schutzes mehr vor dem Eindringen Dritter in die Erbengemeinschaft oder einer Verstärkung ihrer Beteiligung hieran.
Das Vorkaufsrecht sei zwar gemäß § 2034 Abs. 2 Satz 2 BGB vererbbar, es sei aber nicht durch Rechtsgeschäft unter Lebenden übertragbar. Die Anerkennung der Vorkaufsberechtigung, wenn der –rechtsgeschäftliche- Erbteilserwerber später als Erbe des veräußernden Miterben in die Erbengemeinschaft eintrete, bedeutete indes eine vom Gesetz gerade ausgeschlossene Öffnung der Verkehrsfähigkeit des Vorkaufsrechts. Dieses gesetzliche Gestaltungsrecht sei lediglich dem ursprünglichen Miterben und ihren Erbeserben vorbehalten, die es im Erbgang erhielten.
Der Erbteilserwerber und spätere Erbeserbe habe kein schutzwürdiges Interesse an der Abwehrfunktion des Vorkaufsrechts, weil er zunächst aus freiem Entschluss in die Erbengemeinschaft eingetreten sei und das Risiko künftigen Gemeinschafterwechsels tragen müsse. Daran ändere seine nachfolgende Erbenstellung nach dem veräußernden Miterben nichts. Wer –durch Rechtsgeschäft- vorzeitig in die Erbengemeinschaft eintreten wolle, habe es hinzunehmen, dass er dies ohne den Schutz des Vorkaufsrechts, das für ihn endgültig untergegangen sei, tun müsse (BGH ZEV 2011, 248 m. w. Nachw.).
Dieser Auffassung schließt sich der Senat an (ebenso OLG München, ErbR 2010, 262; Wendt/Rudy, ErbR 2010, 250; Herrler, ZEV 2011, 249; Palandt-Weidlich, BGB, 72. A., § 2034 Rn 2; Otto in JurisPK-BGB, 6.A. 2012, § 2034 Rn 7; Janernig-Stürner, BGB, 14. Aufl., § 2034 Rn. 6). § 2034 Abs. 2 Satz 2 BGB trifft nur im Hinblick auf die Vererblichkeit für das Miterben-Vorkaufsrecht eine andere Bestimmung als § 473 Satz 1 BGB, der regelt, dass das Vorkaufsrecht grundsätzlich nicht übertragbar ist und nicht auf die Erben des Berechtigten übergeht.
Aus dieser Sonderregelung ergibt sich, dass es im Übrigen bei der Unübertragbarkeit bleiben soll. Dadurch, dass der Erbteilsveräußerer aus der Erbengemeinschaft ausscheidet, erfüllt er nicht mehr die Anspruchsvoraussetzungen des § 2034 Abs. 1 BGB, so dass er seine Vorkaufsberechtigung verliert und auch später nicht mehr im Wege der Erbfolge weitergeben kann. Dem Vorschlag Muschelers (JR 2012, 113), das Vorkaufsrecht auf Seiten des Erbteilsveräußerers nicht untergehen zu lassen, sondern es in eine Art Ruhezustand zu versetzen, mit der Folge, dass noch etwas, und sei es auch nur eine „leere Hülse“, vorhanden ist, was beim Tod des Veräußerers dann auf den Erben übergehen und durch die Wiedervereinigung von Miterbenstellung und Erbteil zum Wiederaufleben des Vorkaufsrechts führen kann, vermag der Senat nicht zu folgen.
Es ist völlig ungewiss, ob und wann es zu einem solchen Zusammenfall kommen wird. Gerade der vorliegende Fall, in dem alle Miterben durch rechtsgeschäftliche Übertragung ihrer Anteile die ursprüngliche Erbengemeinschaft zu einer ausschließlich aus Erbteilserwerbern bestehenden Erbengemeinschaft gemacht hatten, verdeutlicht, dass eine solche Erbengemeinschaft keines Schutzes durch ein Vorkaufsrecht mehr bedarf, wenn dann irgendwann später Erbteilserwerber zu Erben berufen werden. Soweit sich die Kläger in der Berufungsbegründung auf eine ihrer Auffassung nach abweichende Literaturmeinung von Herrler (ZEV 2010, 72) berufen, übersehen sie, dass Herrler in seiner aktuelleren Anmerkung (ZEV 2011, 249) zu der zitierten BGH-Entscheidung dieser zustimmt.
Eine andere Beurteilung ergibt sich im vorliegenden Fall auch nicht dadurch, dass sämtliche Erbteilserwerber und die Erbinnen im Dezember 1973 durch notariell beurkundeten Vertrag vereinbart haben, dass die Auseinandersetzung des Nachlasses nach den Eheleuten C. und A.G. für immer und auch mit Wirkung für und gegen spätere Rechtsnachfolger ausgeschlossen sein sollte.
Im Verhältnis der Parteien dieses Rechtsstreits wäre diese Vereinbarung, die grundsätzlich nur schuldrechtliche Wirkung zwischen den an ihr Beteiligten hat, nur dann erheblich, wenn sie zu einem Vorkaufsrecht nach § 2034 führen würde, so dass die Kläger in entsprechender Anwendung des § 2035 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Rückübereignung gegen die Beklagte als Erwerberin hätten.
Selbst wenn man die Vereinbarung vom 13.12.1973 als Veräußerungsverbot oder vertragliches Vorkaufsrecht auslegen würde, was der Senat für zu weitgehend hielte, hätten die Kläger als Rechtsnachfolger von A. und M.N. hieraus keine Rechte gegenüber der Beklagten sondern allenfalls gegenüber der Veräußerin Frau I. Über den Ausschluss einer Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft konnten die Rechtsfolgen, die die rechtsgeschäftliche Übertragung der Erbanteile im Jahre 1969 erzeugt hat, nicht rückgängig gemacht werden, und es konnte somit kein gesetzliches Vorkaufsrecht generiert werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 in Verbindung mit § 711 ZPO.
Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlass, § 543 Abs. 2 ZPO. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die hier maßgebliche Rechtsfrage zum Wiederaufleben des Vorkaufsrechts eines Miterben, der den Erbanteil im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erworben hat und später Erbeserbe geworden ist, hat der Bundesgerichtshof aktuell entschieden. Die sich vorliegend weiter stellende Frage, welche Bedeutung die Vereinbarung vom 13.12.1973 in Bezug auf das von den Klägern beanspruchte Vorkaufsrecht hat, ist einzelfallbezogen zu entscheiden gewesen. Streitwert: 3.151.900,- €.