Erbvertragsrücktritt gegenüber einem Bevollmächtigten – BGH: Beschluss vom 27. Januar 2021 – Az. XII ZB 450/29

Erbvertragsrücktritt gegenüber einem Bevollmächtigten - BGH Beschluss vom 27. Januar 2021 - Az. XII ZB 450/29 | Rechtsanwalt und Fachanwalt Detlev Balg - Köln
Stichworte: Erbvertragsrücktritt gegenüber einem Bevollmächtigten

Entscheidendes Gericht: BGH

Urteil/Beschluss vom: 27. Januar 2021

Aktenzeichen: XII ZB 450/20

Kurze Zusammenfassung der Entscheidung:

Die Ehegatten schlossen vor der Eheschließung miteinander einen Erbvertrag ab. Inhaltlich ordneten sie wechselseitig Vermächtnisse an. Jeder der beiden Ehepartner behielt sich dabei den Rücktritt vom Erbvertrag vor.
Die Ehefrau erteilte ihren Kindern im Weiteren Vorsorgevollmachten. Nachdem die Ehefrau testierunfähig geworden war, machte der Ehemann von seinem Recht zum Rücktritt vom Erbvertrag Gebrauch und veranlasste die Zustellung der notariellen Rücktrittserklärung an die Ehefrau selbst und die bevollmächtigten Kinder der Ehefrau.
Um sicher zu gehen, dass die notarielle Rücktrittserklärung dem richtigen Erklärungsempfänger zugeht, beantragte der Ehemann beim Betreuungsgericht weiter die Bestellung eines Betreuers, damit die Zustellung der notariellen Rücktrittserklärung auch an diesen erfolgen kann.
Dem Antrag wurde vom Betreuungsgericht nicht entsprochen. Mit Beschluss vom 27. Januar 2021 bestätigt der BGH die Entscheidung des Betreuungsgerichts.
Die Erklärung des Rücktrittes vom Erbvertrag ist höchstpersönlicher Natur. Sie kann daher nur vom jeweiligen Erblasser selbst erklärt werden. Im vorliegenden Fall konnte die Ehefrau aufgrund ihrer Testierunfähigkeit selbst eine entsprechende Rücktrittserklärung folglich nicht mehr abgeben.
Der Empfang der Rücktrittserklärung ist im Gegensatz zu deren Abgabe aber nicht höchstpersönlicher Natur. Aus diesem Grunde kann die Rücktrittserklärung nicht nur gegenüber dem Vertragspartner selbst, sondern auch denjenigen Personen gegenüber wirksam erklärt werden, die zur rechtsgeschäftlichen Vertretung des Vertragspartners befugt sind.
Da die Ehefrau im vorliegenden Fall ihren Kindern wirksam Vorsorgevollmachten erteilt hatte, waren die Kinder somit hinsichtlich der Rücktrittserklärung des Ehemanns empfangsbevollmächtigt. Zur wirksamen Zustellung der Rücktrittserklärung an die geschäftsunfähige Ehefrau war somit die Bestellung eines Betreuers für die Ehefrau nicht notwendig.
Mit dieser Entscheidung klärt der BGH die Frage, ob die Erklärung des Rücktritts von einem Erbvertrag gegenüber dem rechtsgeschäftlichen Vertreter des Vertragspartners abgegeben werden kann. Damit stärkt der BGH letztlich die Funktion der Vorsorgevollmachten, da damit die Bevollmächtigten auch hinsichtlich erbvertraglicher Rücktrittserklärungen empfangsberechtigt werden.

Leitsatz und Tenor:

Leitsatz:

  1. Zur Beschwerdeberechtigung eines Dritten gegen die Ablehnung einer
    Betreuung, der geltend macht, zur Ausübung eines materiellen Rechts gegenüber dem Betroffenen auf die Betreuerbestellung angewiesen zu sein (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 19. Januar 2011 – XII ZB 326/10 –
    FamRZ 2011, 465).
  2. Dass der andere Vertragschließende geschäftsunfähig geworden ist, schließt
    den vertraglich vorbehaltenen Rücktritt vom Erbvertrag ihm gegenüber nicht
    aus.
  3. Der Rücktritt vom Erbvertrag kann bei Geschäftsunfähigkeit des anderen Vertragschließenden jedenfalls grundsätzlich wirksam gegenüber dessen Vorsorgebevollmächtigtem erfolgen.

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 3 gegen den Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 28. September 2020 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Wert: 5.000 €

Entscheidungsgründe:

A.
Vor ihrer Heirat schlossen die im Jahre 1940 geborene Betroffene und der Beteiligte zu 3 im Jahre 2006 einen notariellen Erbvertrag, in dem sie sich durch vertraglich angeordnete Verfügungen jeweils mit Vermächtnissen bedachten und den notariell zu beurkundenden Rücktritt vorbehielten. Anfang 2015 erteilte die Betroffene ihren beiden Kindern, den Beteiligten zu 1 und 2, eine umfassende Vorsorgevollmacht. In notarieller Urkunde vom 15. April 2020 erklärte der Beteiligte zu 3 den Rücktritt vom Erbvertrag. Die Urkunde wurde der Betroffenen und der Beteiligten zu 1 zugestellt.


Wegen Bedenken hinsichtlich der Geschäftsfähigkeit der Betroffenen hat der Beteiligte zu 3 beim Amtsgericht die Bestellung eines Betreuers für die Betroffene zur Entgegennahme der Rücktrittserklärung angeregt. Das Amtsgericht hat die Einrichtung einer Betreuung abgelehnt, weil diese mit Blick auf die Vorsorgevollmacht nicht erforderlich sei. Das Landgericht hat die Beschwerde des Beteiligten zu 3 zurückgewiesen.


Hiergegen wendet er sich mit der Rechtsbeschwerde.


B.
Die Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg.
I.
Das Landgericht hat ausgeführt, die Beschwerde des Beteiligten zu 3 sei zwar zulässig; es fehle ihm insbesondere nicht an der Beschwerdeberechtigung. Das Rechtsmittel sei jedoch mangels Erforderlichkeit der Betreuung unbegründet. Sei die Betroffene geschäftsfähig, so sei die ihr zugestellte Rücktrittserklärung mit Zugang wirksam. Sei sie dagegen geschäftsunfähig, so entfalte der Rücktritt seine Wirksamkeit in entsprechender Anwendung von § 131 Abs. 1 BGB mit Zugang an die Beteiligte zu 1. Nach richtiger Auffassung genüge nämlich der Zugang der Rücktrittserklärung an einen bevollmächtigten Vertreter. Eines gesetzlichen Vertreters und damit einer Betreuerbestellung bedürfe es hierfür nicht.


II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.
1. Das Landgericht hat den Beteiligten zu 3 mit Recht als beschwerdeberechtigt angesehen. Die Beschwerdeberechtigung des Ehemanns der Betroffenen folgt hier unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG jedenfalls aus § 59 Abs. 1 FamFG.


a) Der Senat hat bereits entschieden, dass der Kläger eines Rechtsstreits hinsichtlich der Entscheidung, mit der das Betreuungsgericht die von ihm angeregte Bestellung eines Betreuers für den prozessunfähigen Beklagten ablehnt, grundsätzlich beschwerdebefugt ist. Denn der Grundsatz effektiven Rechtsschutzes gebietet es, der klagenden Partei die Möglichkeit einzuräumen, ihre Forderung auch gegen eine prozessunfähige Partei durchzusetzen. Um die ordnungsgemäße Vertretung der prozessunfähigen Partei im Prozess zu gewährleisten, bedarf es dann grundsätzlich der Bestellung eines Betreuers. Hat der Kläger mithin ein rechtlich geschütztes Interesse an der Bestellung eines Betreuers, geht damit im Falle einer abschlägigen Entscheidung des Betreuungsgerichts seine Beschwerdebefugnis einher (Senatsbeschluss vom 19. Januar 2011 – XII ZB 326/10 – FamRZ 2011, 465 Rn. 10 ff. mwN).


b) Nicht anders verhält es sich im Ergebnis dann, wenn ein Dritter geltend macht, dem Betroffenen gegenüber eine materiellrechtliche Willenserklärung abgeben zu wollen und für die Wirksamkeit dieser Erklärung wegen der krankheitsbedingten Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen auf die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters angewiesen zu sein. Diese rechtliche Wertung als richtig unterstellt wäre der Dritte bei Verweigerung einer Betreuerbestellung gegebenenfalls dauerhaft an der Rechtsausübung gegenüber dem Betroffenen gehindert, so dass er trotz Drittbetroffenheit ausnahmsweise in der von § 59 Abs. 1 FamFG geforderten Weise in seinen Rechten beeinträchtigt ist.


c) Der Beteiligte zu 3 beruft sich demnach hier mit Erfolg auf eine solche Beschwerdeberechtigung. Ob er mit Blick auf die Ausübung eines Rücktrittsrechts tatsächlich der Bestellung eines Betreuers für die Betroffene bedarf, ist eine Frage der Begründetheit seines Rechtsmittels.


2. Ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Landgericht die Einrichtung einer Betreuung mit Blick auf die den Kindern der Betroffenen erteilte umfassende Vorsorgevollmacht wegen Fehlens der Erforderlichkeit im Sinne des § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB abgelehnt hat.


a) Gemäß § 2296 Abs. 2 Satz 1 BGB erfolgt der – nach § 2296 Abs. 1 BGB nur höchstpersönlich mögliche – Rücktritt vom Erbvertrag, den sich die Vertragschließenden vorliegend gemäß § 2293 BGB vorbehalten haben, durch Erklärung gegenüber dem anderen Vertragschließenden. Sind in dem Erbvertrag – wie hier – von beiden Teilen vertragsmäßige Verfügungen getroffen, so wird durch den Rücktritt eines Vertragschließenden der ganze Vertrag aufgehoben; das Rücktrittsrecht erlischt mit dem Tode des anderen Vertragschließenden (§ 2298 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB), wenn nicht ein anderer Wille der Vertragschließenden anzunehmen ist (§ 2298 Abs. 3 BGB). Als empfangsbedürftige Willenserklärung bedarf der Rücktritt bei Abgabe in Abwesenheit des Erklärungsgegners gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB des Zugangs bei diesem, um wirksam zu werden.


b) Dass der andere Vertragschließende geschäftsunfähig geworden ist, schließt den vertraglich vorbehaltenen Rücktritt vom Erbvertrag ihm gegenüber – und damit auch die Erforderlichkeit einer Betreuerbestellung zur Entgegennahme der Rücktrittserklärung – nicht aus.


aa) Jedenfalls für den Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen gemäß §§ 2271 Abs. 1 Satz 1, 2296 BGB wird in der Literatur allerdings vereinzelt vertreten, er sei gegenüber einem Geschäftsunfähigen nicht möglich. Begründet wird dies zum einen damit, der testierunfähige Widerrufsgegner habe dann keine Möglichkeit, auf den Widerruf mit einer neuen Verfügung von Todes wegen zu reagieren, so dass seine Situation insoweit der in § 2271 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BGB entspreche, wonach das Recht zum Widerruf mit dem Tode des anderen Ehegatten erlischt. Zum anderen komme die Bestellung eines Betreuers zur Entgegennahme des Widerrufs für den Testierunfähigen regelmäßig nicht in Betracht, so dass dem Geschäftsunfähigen der Widerruf nicht zugehen könne (vgl. Damrau/Bittler ZErb 2004, 77, 80; Grunsky ErbR 2013, 98, 100 ff. und 2014, 120 f.; wohl auch Klessinger in Damrau/Tanck Praxiskommentar Erbrecht 4. Aufl. § 2271 BGB Rn. 11; NK-BGB/Horn 5. Aufl. § 2296 Rn. 8a).
bb) Demgegenüber sind die Rechtsprechung und der weit überwiegende Teil der Literatur der Meinung, dass die Geschäftsunfähigkeit bzw. Testierunfähigkeit des anderen Ehegatten bzw. Vertragschließenden weder einem Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen noch dem Rücktritt vom Erbvertrag entgegenstehen. Dies ergebe sich vor allem aus dem Rechtsunsicherheiten vermeidenden Gesetzeswortlaut und dem Gesetzeszweck, sich zu Lebzeiten des anderen von der erbrechtlichen Bindung lösen und die Testierfreiheit so zurückerlangen zu können. Außerdem werde diese Bindung erst durch den mit dem Tod des anderen eintretenden erbrechtlichen Erwerb gerechtfertigt. Jeder Testierende müsse von vorneherein mit einem Widerruf und damit rechnen, dass dadurch seine eigenen wechselbezüglichen Verfügungen unwirksam werden. Das Fehlen einer Möglichkeit, erneut von Todes wegen zu verfügen, sei schlicht Ausdruck des allgemeinen Risikos der Testierunfähigkeit (vgl. OLG Hamm FamRZ 2014, 1484, 1485; OLG Nürnberg FamRZ 2013, 1842, 1843 f. mwN; LG Leipzig FamRZ 2010, 403, 404; LG Hamburg Beschluss vom 17. Februar 2000 – 301 T 264/99 – juris Rn. 20; BeckOK BGB/Litzenburger [Stand: 1. November 2020] § 2271 Rn. 17; BeckOGK/Braun [Stand: 15. Juli 2020] § 2271 Rn. 45; Burandt/Rojahn/Braun Erbrecht 2. Aufl. § 2271 BGB Rn. 17, 19; Erman/S. Kappler/T. Kappler BGB 16. Aufl. § 2296 Rn. 3; jurisPK-BGB/Reymann [Stand: 3. April 2020] § 2271 Rn. 22; MünchKommBGB/Musielak 8. Aufl. § 2296 Rn. 5; Jauernig/Stürner BGB 18. Aufl. § 2271 Rn. 2; NK-BGB/Müßig 5. Aufl. § 2271 Rn. 15; Reimann/Bengel/Dietz/J. Mayer/Sammet Testament und Erbvertrag 7. Aufl. § 2271 BGB Rn. 18 ff.; Reimann/Bengel/Dietz/J. Mayer/Röhl Testament und Erbvertrag 7. Aufl. § 2296 BGB Rn. 6; Staudinger/Kanzleiter BGB [2019] § 2271 Rn. 14; Müller/Renner Betreuungsrecht und Vorsorgeverfügungen in der Praxis 3. Aufl. Rn. 187; R. Kössinger/Zintl in Nieder/Kössinger Handbuch der Testamentsgestaltung 6. Aufl. § 11 Rn. 34b; Hausmann Notar 2014, 58, 59; Keim ErbR 2014, 118 f. und ZEV 2010, 358 f.; Helms DNotZ 2003, 104, 105 f.; Lange jurisPR-FamR 12/2010 Anm. 2; Palandt/Weidlich BGB 80. Aufl. § 2271 Rn. 6; Vollmer ZErb 2007, 235, 236; Zimmer ZEV 2013, 307, 309 und 2007, 159, 160).


cc) Jedenfalls für die hier maßgebliche Frage, ob das in einem Erbvertrag vorbehaltene Rücktrittsrecht schon mit Eintritt der Geschäftsunfähigkeit des anderen Vertragschließenden erlischt, ist die letztgenannte Auffassung zutreffend.


(1) Der Gesetzgeber hat in § 2298 Abs. 2 Satz 2 BGB den Tod des anderen Vertragschließenden als eindeutige und unschwer zu bestimmende zeitliche Zäsur festgelegt, bis zu der das Rücktrittsrecht auszuüben ist (vgl. etwa OLG Nürnberg FamRZ 2013, 1842, 1844; Hausmann Notar 2014, 58, 60; Zimmer ZEV 2007, 159, 160). Tatsächliche Unsicherheiten, wie sie bei der Anknüpfung etwa an die Testier- oder Geschäftsunfähigkeit unvermeidbar wären, sind auf diese Weise ausgeschlossen.


(2) Es ist zwar zutreffend, dass dem testierunfähig gewordenen anderen Vertragschließenden wegen § 2229 Abs. 4 BGB die Möglichkeit genommen ist, auf die mit dem Rücktritt veränderte erbrechtliche Lage mittels letztwilliger Verfügungen zu reagieren, obwohl ihm diese Möglichkeit eröffnet sein soll (vgl. dazu etwa BGHZ 48, 374 = NJW 1968, 496, 498 f. mwN). Diese Konsequenz ist dem Gesetz andererseits aber auch nicht fremd, wie § 2298 Abs. 2 Satz 3 BGB belegt, wonach der Überlebende selbst nach dem Tod des anderen Vertragschließenden seine Verfügung durch Testament aufheben kann, wenn er das ihm durch den Erbvertrag Zugewendete ausschlägt. Auch dann geht die erbvertragliche Regelung vollständig ins Leere, ohne dass derjenige Vertragschließende, der an ihr festgehalten hat, diesem Umstand noch Rechnung tragen kann.


(3) Zudem ist bei Testierunfähigkeit des anderen Vertragschließenden – anders als bei dessen Tod – der Erbfall noch nicht eingetreten. Der erbrechtliche Erwerb des jeweils Bedachten aufgrund der im Erbvertrag getroffenen vertragsmäßigen Verfügungen ist jedoch ein wesentlicher Grund dafür, dass das Rücktrittsrecht mit dem Tod des anderen Vertragschließenden erlischt und der Überlebende gebunden ist (vgl. Keim ErbR 2014, 118, 119). Letztlich verwirklicht sich für den Rücktrittsgegner das allgemeine Risiko, einer veränderten Situation aufgrund zwischenzeitlich eingetretener Testierunfähigkeit erbrechtlich nicht mehr Rechnung tragen zu können (vgl. jurisPK-BGB/Reymann [Stand: 3. April 2020] § 2271 Rn. 22). Ist der Rücktritt im Erbvertrag – wie hier – vorbehalten, ist er auf die Gefahr, dass sich sein Vertragspartner durch einseitige Erklärung von den getroffenen Regelungen lösen kann, zudem ausdrücklich hingewiesen worden; jener wiederum darf darauf vertrauen, dass diese Rücktrittsmöglichkeit – der gesetzlichen Regelung entsprechend – bis zum Tod des anderen besteht.


(4) Nichts Abweichendes ergibt sich schließlich aus verfahrensrechtlichen Erwägungen (aA Damrau/Bittler ZErb 2004, 77, 80). Insbesondere kommt – wie bereits zur Zulässigkeit der Beschwerde des Beteiligten zu 3 dargelegt – die Bestellung eines Betreuers in Betracht, dem gegenüber die Rücktrittserklärung abgegeben werden kann, obwohl dies gegebenenfalls nicht im rechtlichen Interesse des Betroffenen liegt.


c) Der Rücktritt des Beteiligten zu 3 vom Erbvertrag kann vorliegend – wie das Landgericht zutreffend annimmt – wirksam gegenüber der Beteiligten zu 1 als Vorsorgebevollmächtigter erklärt werden, so dass es keiner Betreuerbestellung bedarf.


aa) Ob und inwieweit der Rücktritt vom Erbvertrag bei Geschäftsunfähigkeit des Erklärungsgegners auch einem von diesem wirksam rechtsgeschäftlich Bevollmächtigten zugehen kann, ist allerdings höchstrichterlich noch nicht entschieden.


Vereinzelt wird die Möglichkeit einer Bevollmächtigung für die insoweit parallele Fragestellung des Widerrufs von wechselbezüglichen Verfügungen, für dessen Vornahme § 2271 Abs. 1 Satz 1 BGB auf § 2296 BGB verweist, abgelehnt (vgl. Eickelberg ZEV 2019, 557, 562 f.; Zimmer ZEV 2013, 307, 309 f. und 2007, 159, 162).


Die weit überwiegende Auffassung nimmt hingegen an, dass der Rücktritt vom Erbvertrag – bzw. der Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen – bei Geschäftsunfähigkeit des anderen Vertragschließenden – bzw. anderen Ehegatten – gegenüber einem von diesem wirksam Bevollmächtigten erfolgen kann (vgl. LG Leipzig FamRZ 2010, 403, 405; BeckOK BGB/Litzenburger [Stand: 1. November 2020] § 2271 Rn. 19 iVm § 2296 Rn. 5; BeckOGK/Braun [Stand: 15. Juli 2020] § 2271 Rn. 50; BeckOGK/Müller-Engels [Stand: 1. Januar 2021] § 2296 Rn. 10; Burandt/Rojahn/Braun Erbrecht 2. Aufl. § 2271 BGB Rn. 17; Erman/S. Kappler/T. Kappler BGB 16. Aufl. § 2296 Rn. 3; Jauernig/Stürner BGB 18. Aufl. § 2271 Rn. 2 und § 2296 Rn. 1; jurisPK-BGB/Reymann [Stand: 3. April 2020] § 2271 Rn. 27 f.; jurisPK-BGB/B. Hamdan/R. Hamdan [Stand: 18. Mai 2020] § 2296 Rn. 9; MünchKommBGB/Musielak 8. Aufl. § 2296 Rn. 5 iVm § 2271 Rn. 8; Palandt/Weidlich BGB 80. Aufl. § 2296 Rn. 3 iVm § 2271 Rn. 6; Reimann/Bengel/Dietz/J. Mayer/Sammet Testament und Erbvertrag 7. Aufl. § 2271 BGB Rn. 20; Reimann/Bengel/Dietz/J. Mayer/Röhl Testament und Erbvertrag 7. Aufl. § 2296 BGB Rn. 6; Staudinger/Kanzleiter BGB [2019] § 2271 Rn. 14; Müller/Renner Betreuungsrecht und Vorsorgeverfügungen in der Praxis 3. Aufl. Rn. 194; R. Kössinger/Zintl in Nieder/Kössinger Handbuch der Testamentsgestaltung 6. Aufl. § 11 Rn. 34a; Hausmann Notar 2014, 58, 61 f.; Keim ZEV 2010, 358, 360; Lange jurisPR-FamR 12/2010 Anm. 2; wohl auch Soergel/Wolf BGB 13. Aufl. § 2296 Rn. 3; Keim ErbR 2014, 118, 120).


bb) Nach richtiger Ansicht kann der Rücktritt vom Erbvertrag gemäß § 2296 Abs. 2 Satz 1 BGB bei Geschäftsunfähigkeit des anderen Vertragschließenden jedenfalls grundsätzlich wirksam gegenüber dessen Vorsorgebevollmächtigtem erfolgen.
(1) Gesetzliche Vorgaben stehen einer wirksamen Entgegennahme des Rücktritts vom Erbvertrag durch einen rechtsgeschäftlich bevollmächtigten Vertreter des anderen, zwischenzeitlich geschäftsunfähig gewordenen Vertragschließenden nicht entgegen (vgl. BeckOGK/Braun [Stand: 15. Juli 2020] § 2271 Rn. 50).


Ein entsprechender Ausschluss folgt zum einen nicht aus § 131 Abs. 1 BGB. Zwar wird nach dieser Bestimmung eine Willenserklärung, die einem Geschäftsunfähigen gegenüber abgegeben wird, nicht wirksam, bevor sie dem gesetzlichen Vertreter zugeht. Mit dieser Regelung ist jedoch nicht die gesetzgeberische Anordnung verbunden, dass Willenserklärungen, die rechtlich einem Geschäftsunfähigen gelten, nicht auch an dessen rechtsgeschäftlichen Vertreter gerichtet werden können. Vielmehr gilt insoweit § 164 Abs. 3 BGB, wonach eine gegenüber einem anderen abzugebende Willenserklärung, die dessen Vertreter gegenüber erfolgt, unmittelbar für und gegen den Vertretenen wirkt (vgl. BeckOK BGB/Litzenburger [Stand: 1. November 2020] § 2271 Rn. 19 iVm § 2296 Rn. 5; jurisPK-BGB/Reymann [Stand: 3. April 2020] § 2271 Rn. 28; Staudinger/Singer/Benedict BGB [2017] § 131 Rn. 3; Müller/Renner Betreuungsrecht und Vorsorgeverfügungen in der Praxis 3. Aufl. Rn. 194; Keim ZEV 2010, 358, 359 f.; Lange jurisPR-FamR 12/2010 Anm. 2; aA Eickelberg ZEV 2019, 557, 563).


Zum anderen wird eine rechtsgeschäftliche Stellvertretung bei der Entgegennahme des Rücktritts vom Erbvertrag nicht dadurch gehindert, dass dieser nach § 2296 Abs. 2 Satz 1 BGB durch Erklärung gegenüber dem anderen Vertragschließenden zu erfolgen hat. Denn anders als bei der Abgabe der Rücktrittserklärung, die gemäß § 2296 Abs. 1 BGB nicht durch einen Vertreter erfolgen kann, handelt es sich bei der Entgegennahme nicht um eine höchstpersönliche Angelegenheit (vgl. auch Reimann/Bengel/Dietz/J. Mayer/Sammet Testament und Erbvertrag 7. Aufl. § 2271 BGB Rn. 20; aA Eickelberg ZEV 2019, 557, 563). Der Vertragschließende ist insoweit rein passiver Empfänger der Willenserklärung eines anderen, die mit dem Zugang bei ihm ohne weiteres ihre Wirksamkeit entfaltet. Mangels Höchstpersönlichkeit ist daher im Rahmen des § 2296 Abs. 2 Satz 1 BGB nach allgemeinen Grundsätzen eine Vertretung zulässig.


Dem kann auch nicht mit Erfolg die prozessuale Regelung des § 51 Abs. 3 ZPO entgegengehalten werden, die den Vorsorgebevollmächtigten eines prozessunfähigen Volljährigen einem gesetzlichen Vertreter gleichstellt. Auch wenn es an einer vergleichbaren Bestimmung im materiellen Recht fehlt, erlaubt das ersichtlich nicht den Gegenschluss, dass es dort eines gesetzlichen Vertreters bedarf. Vielmehr wollte der Gesetzgeber mit § 51 Abs. 3 ZPO allein die streitige Frage klären, ob derjenige, der eine wirksame Vorsorgevollmacht erteilt hat, dennoch nach Eintritt der Geschäftsunfähigkeit für das gerichtliche Verfahren mit Blick auf § 1902 BGB einen Betreuer als gesetzlichen Vertreter benötigt, und auch die prozessuale Anerkennung der Vorsorgevollmacht sicherstellen (vgl. BT-
Drucks. 15/2494 S. 39 f.; jurisPK-BGB/Reymann [Stand: 3. April 2020] § 2271 Rn. 28; Hausmann Notar 2014, 58, 62). Für das materielle Recht bleibt es für die gewillkürte Stellvertretung bei den §§ 164 ff. BGB.


(2) Die rechtliche Situation, in die der Geschäftsunfähige durch den gegenüber seinem rechtsgeschäftlich bevollmächtigten Vertreter erklärten Rücktritt vom Erbvertrag gebracht wird, unterscheidet sich strukturell nicht von derjenigen, die sich bei einem gegenüber einem Betreuer als gesetzlichem Vertreter erfolgten Rücktritt ergibt (vgl. Müller/Renner Betreuungsrecht und Vorsorgeverfügungen in der Praxis 3. Aufl. Rn. 194). In beiden Fällen sind die letztwilligen Verfügungen der Vertragschließenden, soweit sie nach §§ 2298, 2299 BGB vom Rücktritt erfasst werden, mit Zugang der Erklärung unwirksam. Zu einer Reaktion hierauf mittels letztwilliger Verfügung ist der Geschäftsunfähige dann mit Blick auf § 2229 Abs. 4 BGB jedenfalls bis zur Wiedererlangung seiner Testierfähigkeit nicht in der Lage, ohne dass Bedeutung erlangt, durch wen er bei Entgegennahme der Willenserklärung vertreten worden ist. Insofern liegt es auch anders als etwa bei der Anfechtungserklärung des § 2282 Abs. 2 BGB, die für den Geschäftsunfähigen nur ein Betreuer vornehmen kann, oder dem Abschluss eines Erbverzichtsvertrags für den geschäftsunfähigen Erblasser, bei dem nach § 2347 Abs. 2 Satz 2 BGB der gesetzliche Vertreter tätig werden muss. Denn dort geht es auch um die Abgabe eigener und nicht nur die Entgegennahme fremder Willenserklärungen (vgl. etwa BeckOGK/Braun [Stand: 15. Juli 2020] BGB § 2271 Rn. 50; Keim ZEV 2010, 358, 359).
Nicht von der Hand zu weisen ist allerdings, dass mit der gewillkürten Stellvertretung im Rahmen des § 2296 Abs. 2 Satz 1 BGB allgemein ein höheres Risiko für einen noch testierfähigen Vertretenen verbunden sein kann als mit einer gesetzlichen Vertretung durch einen Betreuer. Denkbar sind dann nämlich insbesondere die Fälle, in denen gerade der zurücktretende andere Vertragschließende zugleich vom Verbot der Selbstkontrahierung befreiter Bevollmächtigter ist, der Vertretene keine Kenntnis vom Rücktritt erhält und so vereitelt wird, dass er etwa durch letztwillige Verfügungen auf den Rücktritt reagiert (vgl. Eickelberg ZEV 2019, 557, 563; Zimmer ZEV 2007, 159, 162). Unabhängig davon, ob die Vollmacht den Vertreter dann tatsächlich zur wirksamen Entgegennahme der Erklärung ermächtigt (vgl. dazu etwa NK-BGB/Horn 5. Aufl. § 2296 Rn. 8c; Keim ZEV 2010, 358, 360) und der Vertreter unter anderem das Risiko eingeht, dass es an einer wirksamen Erklärung des Rücktritts fehlt, steht ein solcher Fall vorliegend nicht in Rede. Vielmehr geht es um eine Vorsorgevollmacht, die nicht dem Zurücktretenden, sondern einem Dritten erteilt worden ist, und für die eine Missbrauchsgefahr oder Interessenkollision (vgl. dazu Hausmann Notar 2014, 58, 61) im Zusammenhang mit der Entgegennahme des Rücktritts vom Erbvertrag weder festgestellt noch anderweitig ersichtlich ist. Wäre dies anders, so müsste das Betreuungsgericht im Übrigen hinterfragen, ob die Angelegenheiten des Betroffenen durch den Bevollmächtigten insoweit ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können (§ 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB).


(3) Trotz des mit einer Bevollmächtigung allgemein einhergehenden Missbrauchsrisikos (vgl. Keim ZEV 2010, 358, 360) ist es der Wille des Gesetzgebers, durch die rechtliche Anerkennung der Vorsorgevollmacht das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen zu stärken (vgl. etwa BT-Drucks. 11/4528 S. 122; Senatsbeschluss BGHZ 211, 67 = FamRZ 2016, 1671 Rn. 42). Dieser soll in eigener Verantwortung Vorsorge für die Zeit treffen können, in der er nicht mehr in der Lage ist, seine rechtlichen Angelegenheiten selbst wahrnehmen zu können. Deshalb ist die Rechtsposition des Vorsorgebevollmächtigten derjenigen des Betreuers stark angenähert, wie etwa die Bestimmungen in §§ 1901 a Abs. 6, 1901 b Abs. 3, 1904 Abs. 5, 1906 Abs. 5 oder 1906 a Abs. 5 BGB belegen. Die Vorsorgevollmacht eröffnet mithin die Möglichkeit, mit einer Betreuung nach §§ 1896 ff. BGB verbundene staatliche Eingriffe zu vermeiden. Damit korrespondiert auch die ausdrückliche Anordnung in § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB, wonach eine Vorsorgevollmacht die Erforderlichkeit der Betreuung entfallen lassen kann.
Aus diesen Grundsätzen folgt, dass ein Vorsorgebevollmächtigter grundsätzlich auch ermächtigt werden kann, für den Betroffenen den Rücktritt vom Erbvertrag als Willenserklärung entgegenzunehmen. Hierfür gilt nichts anderes als für andere gegenüber dem Betroffenen abzugebende empfangsbedürftige Willenserklärungen, die – wie etwa die Kündigung eines Mietvertrags – rechtlich nachteilige Folgen für den Betroffenen bewirken können. Würde man die Möglichkeit der passiven gewillkürten Stellvertretung insoweit beschränken, so wäre damit eine der gesetzlichen Grundkonzeption widersprechende Entwertung der Vorsorgevollmacht verbunden (vgl. jurisPK-BGB/Reymann [Stand: 3. April 2020] § 2271 Rn. 28; Hausmann Notar 2014, 58, 61 f.).


(4) Schließlich gibt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung Anlass, dass der vom Erbvertrag Zurücktretende das Risiko der Unwirksamkeit der Vorsorgevollmacht trägt. Ist etwa zweifelhaft, ob der andere Vertragschließende bereits bei Vollmachterteilung geschäftsunfähig war, kann er beim Betreuungsgericht die Bestellung eines Betreuers für den Rücktrittsgegner anregen, die eine gerichtliche Überprüfung von dessen Geschäftsfähigkeit bei Vollmachterteilung nach sich ziehen wird. Davon abgesehen handelt es sich insoweit um ein Problem, das im Zusammenhang mit jeder empfangsbedürftigen Willenserklärung auftreten kann, die einem Geschäftsunfähigen gegenüber abzugeben ist. Der Schutz des Erklärenden rechtfertigt es nicht, dem Erklärungsgegner insoweit die sein Selbstbestimmungsrecht verwirklichende rechtsgeschäftliche Regelung mittels Vorsorgevollmacht zu versagen.


d) Danach ist eine Betreuerbestellung im vorliegenden Fall nicht erforderlich im Sinne des § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB. Die Beteiligte zu 1 ist als umfassend Vorsorgebevollmächtigte rechtlich befugt, den Rücktritt des Beteiligten zu 3 vom Erbvertrag entgegenzunehmen. Gründe, die trotz dieser Bevollmächtigung ausnahmsweise zur Bestellung eines Betreuers zwingen würden, liegen nach den getroffenen Feststellungen nicht vor.

(Erbvertragsrücktritt gegenüber einem Bevollmächtigten)