Pflichtteil geltend machen – Wie muss der Pflichtteil geltend gemacht werden?

Kanzlei Balg und Willerscheid – Köln | Rechtsanwälte und Fachanwalt für Erbrecht

Nicht jeder Erbfall führt zu Pflichtteilsansprüchen.
Pflichtteilsansprüche ergeben sich im Erbfall nur dann, wenn der Erblasser durch ein Testament oder einen Erbvertrag Änderungen an der Erbfolge vorgenommen hat, die von der gesetzlichen Erbfolge abweichen. Diese Abweichungen müssen zur Folge haben, dass einer der pflichtteilsberechtigten Erben enterbt wird. Hierzu gehören insbesondere die Kinder des Erblassers und dessen Ehefrau.
Regelmäßig ist die Enterbung der Kinder die Folge eines Berliner Testamentes. Ein Berliner Testament ist inhaltlich so aufgebaut, dass der länger lebende Ehegatte Alleinerbe des vorversterbenden Ehegatten wird. Durch diese Regelung wird sichergestellt, dass der länger lebende Ehegatte uneingeschränkt die Verfügungsgewalt über das gesamte Vermögen der Eheleute behält. Als Folge dieser Anordnung werden die Abkömmlinge des Erblassers für den 1. Erbfall enterbt. Folglich steht diesen Kindern ein Pflichtteilsanspruch gegenüber dem Erben zu.
Der Pflichtteilsanspruch der in einem solchen Fall zugunsten der Kinder entsteht, wird nicht unmittelbar mit dem Erbfall fällig. Die Fälligkeit des Pflichtteilsanspruches setzt vielmehr voraus, dass der Pflichtteilsanspruch gegenüber dem Erben auch geltend gemacht wird.

Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch

Die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches setzt aber voraus, dass der Pflichtteilsberechtigte über die Zusammensetzung und den Wert des Nachlasses unterrichtet ist. Grund hierfür ist die Tatsache, dass es sich beim Pflichtteilsanspruch um einen reinen Zahlungsanspruch gegenüber den Erben handelt. Eine erbenähnliche Stellung erhält der Pflichtteilsberechtigte durch den Erbfall nicht. Er hat daher keine Möglichkeit bei Banken, Versicherungen, Behörden und ähnlichen Institutionen Auskünfte hinsichtlich des Nachlasses einzuholen.
Die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches ist aber davon abhängig, dass der Pflichtteilsberechtigte in der Lage ist, seinen Pflichtteilsanspruch der Höhe nach zu beziffern. Um dem Pflichtteilsberechtigten dies zu ermöglichen, räumt der Gesetzgeber dem Pflichtteilsberechtigten gegenüber den Erben einen Anspruch auf Auskunft und auf Wertermittlung ein. Die Geltendmachung dieser beiden Ansprüche ist somit die Voraussetzung für die Durchsetzung des Pflichtteilsanspruches im Weiteren.
Der Pflichtsberechtigte muss daher, um seinen Pflichtteilsanspruch geltend machen zu können, die Erben auf Auskunft über die Zusammensetzung des Nachlasses in Anspruch nehmen. Hierfür muss der Pflichtteilsberechtigte die Erben auf Erteilung eines Nachlassverzeichnisses in Anspruch nehmen. Aus dem Nachlassverzeichnis müssen nachvollziehbar alle Aktiva und Passiva des Nachlasses zum Todestag (Stichtag) des Erblassers hervorgehen.
Ist es dem Pflichtteilsberechtigten aufgrund des Nachlassverzeichnisses nicht möglich, den Wert einzelner Nachlassgegenstände zu beurteilen, kann er von den Erben weiter verlangen, dass diese durch die Einholung entsprechender Gutachten den Wert dieser Nachlassgegenstände ermitteln und dem Pflichtteilsberechtigten das Gutachten zur Verfügung stellen.
Erst wenn aufgrund des Nachlassverzeichnisses bzw. der Wertgutachten der Pflichtteilsberechtigte in der Lage ist, die Berechnungsgrundlage für seinen Pflichtteilsanspruch zu bewerten, kann der Pflichtsberechtigte seinen Anspruch gegenüber den Erben auch beziffern.
Sowie der Pflichtteilsberechtigte in der Lage ist, seinen Pflichtteilsanspruch der Höhe nach zu beziffern, kann er diesen bezifferbaren Pflichtteilsanspruch gegenüber den Erben geltend machen.

Klage zur Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen

Sollten die Erben nicht bereit sein, die Auskunftsansprüche des Pflichtteilsberechtigten zu erfüllen bzw. die sich aus den Auskünften ergebenden Zahlungsverpflichtungen zu befriedigen, muss der Pflichtsberechtigte Klage erheben, um seinem Pflichtteilsanspruch wirksam geltend zu machen. Insbesondere, da nur die Klageerhebung die Verjährung der Pflichtteilsansprüche wirksam unterbricht.
Die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen setzt daher voraus, dass der Pflichtteilsberechtigte vorab seine Auskunftsansprüche und Wertermittlungsansprüche durchsetzt. Ist dies geschehen, muss der Pflichtsberechtigte im nächsten Schritt eventuell die sich aus den Auskünften ergebenden Zahlungsansprüche gegenüber den Erben durch Klageerhebung durchsetzen.